Protocol of the Session on May 7, 2020

Zur Frage, ab wann Integration beginnt, sagen wir: Integration in den Arbeitsmarkt soll passieren. Dafür wollen wir mit dem Spurwechsel ein zusätzliches Instrument schaffen, das am Ende allen nutzt: uns als Bundesland genauso wie den Betroffenen. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Striegel. Wir sind noch nicht am Ende. Ich habe noch eine Wortmeldung. Herr Abg. Bommersbach hat sich zu Wort gemeldet. - Bitte, Sie haben das Wort.

Zunächst vielen Dank, Herr Striegel, dass Sie klargestellt haben, dass es natürlich eine Mitwirkungspflicht derjenigen gibt, die hier Schutz suchen, und wir durchaus Probleme haben werden, wenn diese Mitwirkungspflicht nicht ausgeübt wird.

Meine Frage ist: Wie lange würden Sie das Zeitfenster für die Aussprechung von Sanktionen geöffnet lassen, wenn dieser Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen wird? - Sie wissen, dass wir im Saalekreis Gutscheine abgeben, wenn genau das nicht passiert. Ihre Fraktion ist in den Kreistagssitzungen regelmäßig dabei, entsprechend zu intervenieren. Jeder, der Hartz IV bekommt und nicht entsprechend mitwirken will, bekommt auch eine Sanktion.

Herr Striegel, bitte.

Zu den Sanktionen bei Hartz-IV-Empfängern habe ich auch eine Meinung und frage mich, ob man Menschen Geldleistungen unter das Existenzminimum kürzen kann. Ich meine, dass das nicht geht.

Zur Ausgabe von Gutscheinen. Erstens ist es gesetzlich definiert, ab wann Sanktionierungen möglich sind. Ich habe dazu im Zweifelsfall zwar eine andere Meinung, aber es ist gesetzlich definiert und nicht eine Frage, ob mir das gefällt oder nicht.

Für die Bedingungen in der Pandemie hat der Innenminister klargestellt, dass das Gutscheinsystem eh nicht das Mittel der Wahl ist, und zwar aus guten Gründen, wie ich finde.

Zur Frage der Verweigerung der Mitwirkung. Ich glaube, darin liegt der Kern des Problems. Nicht

alles, was als fehlende Mitwirkung gewertet wird, ist im tatsächlichen Sinne eine fehlende Mitwirkung. Die Frage an die Geflüchteten, ob sie Papiere haben, ist eine mitunter nicht so leicht zu beantwortende Frage, und zwar deshalb,

(Zurufe)

weil den Geflüchteten diese auf der Flucht, zum Beispiel von Schleppern, abgenommen worden sind, weil sie verloren gegangen oder zerstört worden sind. Das alles sind Punkte, die mit zur Debatte gehören.

Deswegen sage ich: Die Beantwortung der Frage, ob jemand aktiv seine Identität verschleiert oder nur nicht nachweisen kann, wer er ist, macht einen deutlichen Unterschied. Ich glaube, das muss im Prozess auch bewertet werden.

Vielen Dank. - Eine Nachfrage? - Eine kurze, bitte.

Würden Sie es denn begrüßen, Herr Striegel, wenn wir per Gesetz sagen, dass sich jeder einer Altersfeststellung unterziehen muss, eben weil viele Dokumente fehlen und wir deshalb Probleme bei der Altersfeststellung haben?

(Beifall)

Damit hätten wir zum Schluss nicht den Fakt, dass jemand de facto, der vielleicht älter ist, als wesentlich jünger durchgeht.

(Zurufe)

Herr Striegel, bitte.

Wenn es nicht im klassischen Sinne eine Nachfrage, sondern eine neue Frage ist, beantworte ich sie gern. Solange eine solche Altersfeststellung nicht invasiv möglich ist, ist das kein Problem. Wenn es aber mit einer im Zweifelsfall zu konsentierenden Körperverletzung verbunden ist, geht es nicht. An der Stelle ist es völlig klar.

(Zurufe)

Wir sprechen uns gegen Zwangsuntersuchungen aus.

Vielen Dank, Herr Striegel. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt der Abg. Herr Schulenburg. Sie haben jetzt das Wort, Herr Abg. Schulenburg.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Es dürfte Sie nicht überraschen, dass wir dem Antrag der Fraktion DIE LINKE ablehnend gegenüberstehen. Sie wollen über ein Landes- und ein Bundesaufnahmeprogramm Menschen aus Flüchtlingslagern in der Europäischen Union nach Sachsen-Anhalt holen. Die CDU-Fraktion hingegen vertritt die Auffassung, dass kein Bundesland Alleingänge zur Aufnahme von Flüchtlingen unternehmen darf.

Es muss vielmehr in bewährter Weise und in enger Zusammenarbeit mit den anderen Ländern, im Einklang mit dem Bund und vor allen Dingen mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten agiert werden. Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Probleme auf den ägäischen Inseln nicht allein durch das Land Sachsen-Anhalt gelöst werden können.

Es gibt im Übrigen sehr gute Vorschläge zur Reform des EU-Rechts für die Verteilung von Schutzsuchenden nach fairen Verteilmechanismen, um die Länder mit Außengrenzen zu entlasten und die Binnenmigration einzudämmen. Diese Verhandlungsanstrengungen sollten wir durch Alleingänge in Sachsen-Anhalt nicht erschweren.

Das Land Sachsen-Anhalt ist seiner humanitären Verantwortung immer auch gerecht geworden und hat das in seinen Kräften Stehende getan und nach dem Königsteiner Schlüssel Menschen aufgenommen. Griechenland wird bei der aktuellen humanitären Lage durch die Aufnahme von 350 unbegleiteten Minderjährigen aus schwierigen Verhältnissen nach Deutschland trotz der derzeitigen Pandemielage unterstützt. Das Land Sachsen-Anhalt hat bereits 15 dieser unbegleiteten Minderjährigen, wenn sie denn auch solche sind, aufgenommen.

Wir halten es im Hinblick auf die aktuelle Lage für falsch, weitere Aufnahmeprogramme festzulegen.

(Zustimmung)

Zur ZASt Halberstadt. Die zentrale Koordinierung und Unterbringung sowie die unmittelbare Nähe zur Außenstelle des BAMF waren ein Garant dafür, dass unser Land die Asylkrise im Jahr 2015 gut bewältigt hat. Diejenigen, die diese bewährten Verwaltungsabläufe und Strukturen abschaffen wollen, müssen natürlich auch Lösungen dafür anbieten, wie man in dezentraler Unterbringung einen sicheren Datenabgleich mit dem Ausländerzentralregister und schnelle Rückführungen vornehmen kann.

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Jahre haben wir den Aufenthalt in der ZASt auf 18 Monate verlängert, um vollziehbare Rückfüh

rungen besser durchführen zu können und die Kommunen zu entlasten.

Wir unterstützen natürlich die Landesregierung bezüglich der getroffenen Maßnahmen für die Unterbringung in der ZASt, um die separate Unterbringung der einzelnen Bewohnergruppen, insbesondere der Risikogruppen, der Familien und der vulnerablen Personen gewährleisten zu können. Infektionsschutzrechtliche Maßnahmen werden konsequent umgesetzt.

Darüber hinaus will die CDU-Fraktion keine anonymen Krankenscheine einführen und mit einem solchen Krankenversicherungsschutz Menschen mit irregulärem Aufenthalt das Leben in der Illegalität erleichtern. Sie wollen mit Ihrer aus Thüringen abgeschauten Idee allen Menschen unabhängig vom Aufenthaltsstatus die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Für uns hingegen ist für die gesellschaftliche Teilhabe Voraussetzung, dass man nicht das geltende Recht hintergeht.

Wir wollen nicht Menschen unterstützen, die ihre Identität vorsätzlich verschleiern, weil sie wissen, dass ihre Fluchtgründe rechtlich nicht haltbar sind. Wer sich in Deutschland ordentlich registriert - das sollte die Botschaft sein -, erhält auch die notwendigen Unterstützungsleistungen.

Ich bitte um Zustimmung zur Überweisung des Antrages zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport und zur Mitberatung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales. - Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Abg. Schulenburg. Ich sehe auch hierzu keine Wortmeldungen. - Frau Quade, einen kleinen Moment noch. Sie haben gleich die Möglichkeit, nach vorn zu kommen. - Nun haben Sie die Möglichkeit, ans Rednerpult zu treten. Sie haben das Wort, bitte.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Erben, vielen Dank für Ihren Redebeitrag. Erstens versichere ich Ihnen: Wenn man weiß, dass es innerhalb der Koalition unterschiedliche Auffassungen gibt, macht das die Debatten meist ein wenig spannender. Wir beide wissen allerdings auch, dass die eigentlich spannende Frage ist, ob dieses Mal vielleicht im Ausschuss wirklich irgendetwas stattfindet. Insofern darf ich Ihnen versichern: Nein, es geht uns nicht um die Spannung und es geht uns nicht primär um die Spannung innerhalb der Koalition, sondern an dieser Stelle treibt uns tatsächlich um, wie wir Menschen helfen können.

Zweitens möchte ich etwas zur Frage der Rechtmäßigkeit sagen und zu dem, was der Innenminister hier vorgetragen hat. Herr Minister, Sie haben versucht, sich zu verbitten, dass ich Ihnen vorwerfe, rechtswidrig zu handeln. Wir wollen doch einmal festhalten, dass darüber letztlich die Gerichte entscheiden. Das ist hier in SachsenAnhalt bisher nicht der Fall. Wir wissen aber, dass es in Sachsen der Fall ist. Dort hat man nämlich erst kürzlich mehrfach entschieden und hat sehr klar gesagt, dass eine Unterbringung vergleichbar mit der in Sachsen-Anhalt rechtswidrig ist.

(Beifall)

Ich will aber den aus meiner Sicht entscheidenden Satz aus der Begründung des Verwaltungsgerichts Leipzig zitieren, das sagt, es würde nicht nur einen Wertungswiderspruch zu diesen Regelungen darstellen, wollte man den Bereich der Asylbewerberunterkünfte von dem Gebot des § 1 der Coronaschutzverordnung ausnehmen. Es würde vor allem dem Sinn der Verordnung selbst zuwiderlaufen: der Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2.

Insofern ist sehr, sehr klar belegt, dass wir hier nicht nur eine Frage von politischer Verantwortung haben, sondern es auch einen rechtlichen Handlungsdruck gibt. Natürlich gilt das Urteil, gelten die Beschlüsse aus Sachsen für Sachsen; Sie und ich wissen aber ganz genau, dass dies eins zu eins auf Sachsen-Anhalt übertragbar ist, weil es dieselben rechtlichen Voraussetzungen sind.

Drittens haben Sie so getan, als sei es unmöglich und lächerlich und gänzlich undenkbar, eine Unterbringung in Verantwortung des Landes - aber anders als in der ZASt - vorzuschlagen und als sei es sozusagen meine Dummheit, dass ich so etwas ins Spiel bringe. Herr Minister, wir wollen einmal zwei Dinge festhalten:

Erstens gibt es sie; dafür haben Sie selbst gesorgt. Sie haben nicht den politischen Mut, dazu zu stehen. Das ist das Problem.

(Beifall)

Es gibt sie in Magdeburg, es gibt sie in Quedlinburg. Das passiert doch in Ihrer Verantwortung. Was wir wollen, ist, dass die Menschen nicht erst krank werden müssen, ehe sie aus der ZASt herauskommen. Das ist der Unterschied.

Wenn Sie sich hier hinstellen und so tun, als sei es völlig absurd und undenkbar, es anders zu organisieren als in der ZASt, dann muss man sich die Frage stellen, wie Sie es eigentlich bisher geschafft haben, Polizeireviere in den Kommunen unterzubringen. Das schaffen Sie doch auch. Insofern: Bleiben Sie einmal ehrlich und ent

scheiden Sie sich einmal, welche politische Haltung Sie hier argumentieren wollen.

Viertens zur europäischen Lösung. Sie sagen, wir brauchen eine europäische Lösung. Damit sind wir d‘accord. Die brauchen wir, keine Frage. Sie wissen aber ganz genau, dass es sie nicht gibt und dass sie nicht greifbar ist. Sie sagen, die Lösung, die es nicht gibt, werde gefährdet, wenn wir als Land Sachsen-Anhalt einen Sonderweg gehen und mehr als zwei Kinder aufnehmen, und dann werfen Sie mir vor, die Realität zu ignorieren. Ich bitte Sie! Das ist verantwortungslos und das ist zynisch.