Protocol of the Session on September 30, 2016

Im Prinzip sind die Anforderungen an den Netzausbau aus heutiger Sicht mit den jetzigen Möglichkeiten absolut nötig. Aber sie sind aufgrund von fehlenden Stromspeichern nur eine Notlösung.

Ich wage zu bezweifeln, dass Deutschland als Vorreiter im Bereich des Ausbaus bei Windkraftanlagen zur Erfüllung der Klimaschutzziele der Europäischen Union beiträgt. Wir sind auf jeden Fall Spitzenreiter bei den Kosten je Kilowattstunde. Diesbezüglich liegen wir im bundesweiten Schnitt bei 29 Cent. Wie den Bundesbürgern, die grenznah wohnen, erklärt werden soll, dass zum Beispiel in einem französischen Dorf, einen Ort weiter nur die halben Stromkosten anfallen, erschließt sich mir nicht.

Da aber die angeordnete Energiewende ein Bundesthema ist, macht es natürlich Sinn, die anfallenden Netzkosten auch auf alle Bundesländer aufzuteilen. Es muss aber auch über Alternativlösungen nachgedacht werden. Als Ansatz wäre die dezentrale Versorgung zu nennen. Windkraftbesitzer können in Verbundgemeinschaften mit konventionellen Energielieferanten Zweckgemeinschaften bilden.

Es muss einfach darum gehen, die Bürger zu entlasten und die uns wichtige Botschaft mit vernünftigen Strompreisen zu fördern. Aufgrund der Energiepolitik des Bundes sind wir als Land verpflichtet, den Netzausbau schnell voranzutreiben. Das Verhindern von Energieengpässen muss unsere

Pflicht sein, um zumindest die Nachteile durch zu hohe Kosten für unsere Bevölkerung zu mindern. Wir als AfD-Fraktion sind für eine gerechte Lastenverteilung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Lieschke. - Ich sehe keine Anfragen. Damit kommen wir zum nächsten Debattenredner. Das ist der Abg. Herr Radke von der CDU-Fraktion. Bitte, Herr Radke, Sie haben das Wort.

Danke sehr. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Jahr 2009 verabschiedeten der Bundesrat und der Bundestag das Gesetz zum Ausbau von Energieleitungen - kurz: EnLAG -, um den Ausbau der Übertragungsnetze zu beschleunigen. Geplant werden diese Vorhaben in der Zuständigkeit der Länder. Das EnLAG listete ursprünglich 24 Ausbauprojekte auf und stufte sie als notwendig für die künftige Energieversorgung in Deutschland ein.

Die Gesamtlänge der Leitungen, die sich aus dem EnLAG ergeben, liegt aktuell bei rund 1 800 km. Insgesamt wurden bisher rund 850 km genehmigt und rund 650 km realisiert. Das sind rund 35 % der Gesamtlänge. Die Übertragungsnetzbetreiber rechnen mit einer Fertigstellung von rund 45 % der EnLAG-Leitungskilometer bis 2017.

Ich stelle diese Zahlen voran, um die Dimensionen des Netzausbaus in Deutschland, die aus der Energiewende resultieren, zu verdeutlichen. Das, was hier an Zahlen recht nüchtern klingt, hat erhebliche finanzielle Auswirkungen.

Aus den Angaben der Netzbetreiber ergeben sich für die bestätigten Netzentwicklungspläne 2024 Summen von etwa 18 Milliarden € für den Netzausbau an Land und etwa 15 Milliarden € für den Offshore-Netzausbau. Darin enthalten sind allerdings noch keine Mehrkosten für die mögliche Erdverkabelung. Getragen werden die Kosten von den Verbrauchern über die Netzentgelte, die Teil des Strompreises sind. Dieser enthält aber auch noch andere Umlagen, Abgaben, Steuern sowie natürlich die Erzeugungskosten.

Wie sich der Netzausbau auf den künftigen Strompreis auswirkt, lässt sich heute nicht genau vorhersagen. Wir alle wissen hier nur zu gut, wie schnell sich verzögerte Projekte aufgrund von steigenden Lohnkosten, inflationären Entwicklungen oder auch wegen sich verändernder Mehrkosten verteuern.

Ein schönes Beispiel sind unsere Autobahnen. Die Kosten für den Bau der A 14 haben sich seit

der Planungsphase fast verdoppelt. Auch dies gilt es beim Netzausbau zu berücksichtigen. Uns allen dürfte bewusst sein, dass wir ohne Netzausbau keine Energiewende hinbekommen. Der Atomausstieg ist beschlossen. Eine Hochspannungsleitung ersetzt ein Atomkraftwerk.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen für die volatilen Energien ein flexibles Energiemanagement, um die Energie an jenen Orten bereitzustellen, an denen sie gebraucht wird, und um die Grundlast zumindest in Teilen abzusichern, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht.

Leider ist Deutschland, was die Windenergie angeht, zweigeteilt. Im Wesentlichen wird der Strom im Norden erzeugt und im Süden, also dort, wo vorrangig unsere Industrie sitzt, verbraucht. Das führt zu unterschiedlichen Zielkonflikten. Einer dieser Konflikte betrifft den ganzen Bereich der Planung der Energietrassen. Große Teile der Stromleitungen laufen durch Windenergieerzeugungsländer.

Der zweite Bereich betrifft die Bürgerbeteiligung und die Entschädigungszahlungen, die noch immer nicht einheitlich geregelt sind.

Und es betrifft den dritten Bereich, jenen Bereich also, auf den der Antrag der Koalitionsfraktionen abzielt. Wir haben nämlich die unsolidarische Situation, dass die Energiepreise generell in jenen Ländern höher sind, die den größten Beitrag zum Klimaschutz erbringen. Das sind die nördlichen Flächenländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen und die gesamten neuen Länder.

In den neuen Ländern kommt hinzu, dass die Energiepreise seit vielen Jahren höher waren als in Westdeutschland, ganz einfach weil das Energienetz hierzulande neu ertüchtigt wurde. Das hat nicht nur zu Wettbewerbsverzerrungen geführt, sondern die neuen Länder beim Aufbau der Wirtschaft erheblich behindert.

Wir wollen mit unserem Antrag eine solidarische und faire Lastenverteilung der Kosten für den Netzausbau erreichen. Es dürfen nicht jene Länder bestraft werden, die den größten Anteil am Klimaschutz in Deutschland leisten.

Die Bundesregierung plant, die regenerativen Energien stärker in die Systemverantwortung zu nehmen. Das heißt somit auch, dass wir zusätzliche Kosten wie die vermiedenen Netzentgelte abschaffen wollen. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Abg. Herr Radke. - Es gibt keine Anfragen. Somit kommen wir zur nächsten Debatten

rednerin. Das ist die Abg. Frau Eisenreich von der Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Langem wird die Diskussion über eine regionale Ungleichverteilung von Netznutzungsentgelten geführt. Der Norden und der Osten der Bundesrepublik sind führend bei der Erzeugung erneuerbarer Energien und die Netzentgelte sind gerade hier wesentlich höher als im Rest des Landes. Dies alles ist nicht neu und wurde von meinen Vorrednern schon gesagt. Auch eine Studie der Technischen Universität Dresden hat dies im vergangenen Jahr eindeutig belegt.

Pünktlich zum baldigen Jahreswechsel - man möchte fast meinen, alle Jahre wieder - haben nun die beiden Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz und Tennet massive Erhöhungen der Netzentgelte angekündigt. Waren es in der vergangenen Legislaturperiode noch 30 %, will 50Hertz jetzt die Netzentgelte um 45 % und Tennet gar um 80 % erhöhen. Über die konkreten Folgen hat Frau Schindler schon gesprochen.

Pünktlich wie im letzten Jahr wird uns ein Antrag zur fairen Lastenverteilung beim Ausbau der Netzinfrastruktur vorgelegt. Nun ist das Anliegen dieses Antrags sicherlich nicht von der Hand zu weisen; es drängt sich allerdings die Frage auf, warum es der Landesregierung bisher nicht gelungen ist, beim Bund eine Angleichung der Netzentgelte zu erwirken.

(Zustimmung von Swen Knöchel, DIE LIN- KE, und von Monika Hohmann, DIE LINKE - Dorothea Frederking, GRÜNE: Weil die anderen Bundesländer sich gesträubt ha- ben!)

Offenbar hat der Antrag aus der letzten Legislaturperiode keinerlei Wirkung entfaltet.

Bei der Lastenverteilung beschränken Sie sich wie auch im letzten Antrag im Wesentlichen auf die Übertragungsnetze und lassen wieder die Verteilnetze außen vor. Das ist Kritikpunkt Nr. 1. Wir fordern, dass auch der Ausbau von Verteilnetzen bei den Netzentgelten berücksichtigt wird. Auch hierbei muss eine faire Verteilung stattfinden.

Bei der Forderung, wie das geschehen soll, machen Sie quasi gegenüber dem letzten Jahr eine Rolle rückwärts. War im Antrag der letzten Legislaturperiode noch von einer Angleichung die Rede, sprechen Sie jetzt von einer fairen Lastenverteilung und fordern diese.

Die Frage ist jetzt: Was bedeutet „fair“? - Mit diesem Begriff wird das Anliegen unseres Erachtens

derart aufgeweicht und kann so weit ausgelegt werden, dass der Effekt am Ende gleich null ist.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn der Begriff „fair“ könnte doch suggerieren, dass dort, wo eine umfangreiche Netzinfrastruktur vorhanden ist und im Verhältnis dazu wenig Bevölkerung lebt, die Entgelte wiederum höher sind. Damit bliebe alles, wie es ist, und Bürgerinnen und Bürger sowie kleine und mittlere Unternehmen im Norden und Osten der Bundesrepublik müssten weiterhin wesentlich höhere Kosten tragen.

Hinzu kommt die absehbare demografische Entwicklung und damit eine weitere Steigerung der Pro-Kopf-Energiekosten. Wenn das so weitergeht, werden einkommensschwache Haushalte, die ohnehin durch Preis- und Gebührensteigerungen massiv benachteiligt werden, bald gänzlich abgehängt.

Deshalb bedarf es aus unserer Sicht endlich bundeseinheitlicher Netzentgelte, die auch die bisher erbrachten Leistungen beim Ausbau der Netzinfrastruktur berücksichtigen, und zwar insgesamt. Außerdem muss endlich damit aufgehört werden, alle möglichen Befreiungen von Netzentgeltzahlungen durchzusetzen. Diese müssen überprüft und begrenzt werden, damit die Energiewende auch den Aspekt der sozialen Gerechtigkeit erfüllt.

Der Antrag befasst sich weiterhin mit den vermiedenen Netzentgelten. Ob allerdings der positive Effekt der Abschaffung für volatil einspeisende Anlagen tatsächlich eintritt, wäre genauer zu überprüfen. Die Beibehaltung für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen erachten wir als sinnvoll.

Dass die Landesregierung den genannten Ausschüssen über die Änderungen auf Bundesebene berichtet und darlegt, welche Folgen und Perspektiven sich für das Land ergeben, meine Damen und Herren, ist doch wohl das Minimum, das wir hier erwarten können.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Insgesamt wird mit dem Antrag allerdings deutlich - das hat die Diskussion auch unterstrichen -, dass die Koalition weiterhin sehr stark auf den Netzausbau orientiert. Dabei hat doch gerade dieser erst zu den Entwicklungen geführt, mit denen vor allem die Menschen in diesem Land finanziell zu kämpfen haben.

Völlig außer Acht bleibt, dass die Energiewende endlich ganzheitlich betrachtet werden muss und dass alte Zöpfe der Energieversorgung mit langen Übertragungswegen abgeschnitten werden müssen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Energie wird doch erst dann günstig, wenn sie dort verbraucht wird, wo sie erzeugt wird. Die regionale Nutzung von Strom und Wärme, die dezentral erzeugt werden, muss endlich in den Mittelpunkt gerückt werden.

(Dorothea Frederking, GRÜNE: Das stimmt!)

Ebenso sind Projekte zur Speicherung und stofflichen Umwandlung in Sachsen-Anhalt intensiv voranzutreiben.

(Zustimmung von Dorothea Frederking, GRÜNE)

Dazu müssen auch regional begrenzte Alternativen und komplette Neuansätze akzeptiert und erprobt werden.

(Zustimmung von Swen Knöchel, DIE LIN- KE)

Ideen gibt es eine ganze Menge. So könnte zum Beispiel in den Bergbaufolgeseen Mitteldeutschlands die Wärmeversorgung von ganzen Kommunen über die in diesen Seen gespeicherte Sonnenenergie erfolgen. Es muss doch möglich sein, neue Denkansätze zu verfolgen und die ausgetretenen Pfade zu verlassen.