Protocol of the Session on October 16, 2015

Die Frage lautet: Wie stellen Sie sich das vor? Wie soll Europa oder Deutschland seine Grenzen sichern? - Frau Merkel sagt ganz klar, das kann man nur mit einem Elektrozaun. Aber das wird sie nicht tun.

Heute ist der erste Flüchtling in Bulgarien von einem Grenzer erschossen worden. Angeblich war es Warnschuss in den Hals.

(Frau Brakebusch, CDU: Ein Querschläger in den Hals!)

Da frage ich Sie: Wie wollen Sie das umsetzen? Wie wollen Sie das hinkriegen?

Sehr geehrter Kollege Gallert, ich will es einmal anders formulieren oder andersherum ausdrücken. Was ist denn die Konsequenz dessen, was Sie in Zweifel ziehen, nämlich dass man es steuern kann?

Die Konsequenz Ihres Gedanken ist, dass wir nach Hause gehen, weil wir überhaupt keinen politischen Gestaltungsanspruch mehr haben.

Wir können es nicht regeln. Die lassen sich sowieso nicht aufhalten. Das ist Ihre Botschaft.

Beantworten Sie doch einmal meine Frage, Herr Schröder.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Genau Ihre Konsequenz im Denken teile ich ausdrücklich nicht.

(Herr Herbst, GRÜNE: Wir sind doch für un- ser Land verantwortlich! - Weitere Zurufe von den GRÜNEN)

Ich teile aber Ihre Bedenken dahingehend, dass das ein schwieriger Prozess ist, dass es dafür keine fertigen Lösungen gibt, die man jetzt herauszieht, oder dass es eine Lösung gibt, die über Nacht zu einer veränderten Situation führt.

(Minister Herr Stahlknecht: Transitzonen! - Zu- ruf von Frau Grimm-Benne, SPD)

Aber es gibt einen Anspruch der Politik, diesen Prozess zu entschleunigen - es wird keine Grenze geschlossen; es werden Kontrollen wieder eingeführt -, diesen Prozess steuerbar zu halten, diesen Prozess zu regeln und ihn letztlich - das ist auch unser Wollen - zu begrenzen.

Die Verständigung auf europäischer Ebene, gemessen an der Leistungskraft der Mitgliedstaaten in Europa, zum Beispiel in Form von Kontingenten, Flüchtlinge zu verteilen, das Finden von Anschlussregelungen zur Fortentwicklung des Schengen-Abkommens und der Dublin-III-Verordnung, damit man nicht in einen anarchischen Zustand abgleitet, sind Versuche der Politik, die Dinge zu regeln.

Ich sage nicht, dass dieser Prozess einfach ist. Ich sage auch nicht, dass er über Nacht gelingt. Aber die Konsequenz, zu sagen, es gibt keine Alternative zu offenen Grenzen und einem Bleiberecht für alle, ist die Aufgabe unserer Souveränität. Sie ist gezeigte Schwäche, die in dieser Gesellschaft nicht mehrheitsfähig ist und die uns vor schwerwiegende Probleme stellt. Sie ist praktisch die Kapitulation. Sie ist nicht die Lehre, die wir aus dem Prozess von 1989 ziehen können. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Regierungsbank)

Herr Kollege Schröder, ich bin mir noch nicht sicher, ob es eine Zwischenintervention oder eine Frage wird.

Ich kann trotzdem etwas sagen.

Ich will ausdrücklich sagen, dass ich Ihre Verurteilung des Mordes an der jungen Frau in DessauRoßlau teile. Ich kannte diese Frau auch persönlich. Das hat mich tief getroffen. Ich habe auch sofort eine entsprechende Pressemitteilung herausgegeben, in der stand, dass das selbstverständlich mit allen uns zu Gebote stehenden Mitteln verfolgt gehört.

Mich regt es aber wirklich auf, dass Sie ausgerechnet dieses eine Beispiel für häusliche Gewalt hier so dezidiert herausgreifen, weil das nämlich auch Stimmungsmache ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Herr Borgwardt, CDU: Quatsch! - Wei- tere Zurufe von der CDU und von der Regie- rungsbank)

- Das ist häusliche Gewalt. Ich bin seit 25 Jahren auf diesem Feld unterwegs.

Ich sage dazu gleich etwas.

(Minister Herr Stahlknecht: Häusliche Ge- walt - völlig irre!)

Ich kann Ihnen Zahlen, Daten und Fakten liefern, denen zu entnehmen ist, wie viel schlimme Geschehnissen im Bereich häuslicher Gewalt zwischen Brüdern, zwischen Geschwistern, zwischen Eltern und Eheleuten wir in diesem Land haben, die wir seit 25 Jahren zu bekämpfen versuchen und nicht in den Griff kriegen.

(Zuruf von der CDU: Das ist doch unerhört! - Unruhe bei der CDU)

Ich finde es unredlich, diesen einen Fall hier herauszugreifen.

Die Frage könnte jetzt sein - Sie werden vermutlich etwas dazu sagen -, warum Sie ausgerechnet diesen einen Fall so hervorgehoben haben.

(Herr Lange, DIE LINKE: Weil die CDU so reagiert!)

Sehr geehrte Frau Kollegin Lüddemann. Erstens. Die traurigen Beispiele für Ehrenmorde

(Herr Kurze, CDU: Richtig - Herr Borgwardt, CDU: Sogenannte!)

und aus dem kulturellen Kontext begründete Fälle von Gewaltausübung beschäftigen Deutschland - zum Glück noch nicht Sachsen-Anhalt - schon seit vielen Jahren.

Ich verweise auch auf Bundestagsbeschlüsse und Initiativen

(Minister Herr Stahlknecht: BGH; Bundes- gerichtshof!)

- Bundesgerichtshof - der CDU im Bundestag. Die Aussage, wir greifen jetzt plötzlich so etwas auf, ist also falsch.

(Herr Kurze, CDU: Richtig!)

Zweitens. Wir sind uns einig - das haben Sie auch gerade gesagt -, dass wir diesen Fall, der sich jetzt in Dessau ereignet hat und vermutlich im gleichen Kontext steht, verurteilen müssen. Warum, wenn wir es genauso verurteilen wie Sie, ist es plötzlich unredlich und Stimmungsmache, nur weil wir es tun? - Das verstehe ich nicht.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe hier gesprochen. Wir führen hier die Aussprache zu einer Regierungserklärung zum Thema „25 Jahre Sachsen-Anhalt“. Ich wollte für unsere Fraktion deutlich machen: Wir sind auf einem guten Weg. Wir wollen neues Selbstbewusstsein wecken. Wir wollen diese große Herausforderung in der Flüchtlingspolitik bewältigen - aber so, dass die aufnehmende Gesellschaft sich auch wiedererkennt, auch in den kommenden Jahren.

(Beifall bei der CDU)

Es gehört dazu, das zu benennen, was wir nicht in Sachsen-Anhalt haben wollen. Weil es aktuell ein trauriges Beispiel ist, sage ich: Das ist ein typisches Beispiel, das wir in Sachsen-Anhalt nicht haben wollen. Es gehört dazu, das hier zu benennen. Daher sollte man nicht sagen, das sei Stimmungsmache.

(Beifall bei der CDU)

Kollege Schröder, es gibt zwei weitere Nachfragen. Möchten Sie diese beantworten? - Ja. Dann sind zunächst Kollegin Tiedge und danach Herr Kollege Gallert an der Reihe.

Herr Schröder, ich möchte nicht das wiederholen, was Frau Lüddemann sagte; das wäre auch mein Einstieg gewesen. Ich kann ihr zu dem, was sie gesagt hat, nur uneingeschränkt meine Zustimmung geben. Natürlich überwiegt bei allen die Verurteilung dieser schlimmen Tat, wobei wir noch abwarten müssen, was letztlich dabei herauskommt.

Ich habe eine andere Frage. Es geht nicht darum, warum Sie das hier thematisiert haben; diese Frage hat Frau Lüddemann gestellt. Ich möchte wissen: Warum haben Sie an dieser Stelle nicht auch auf die NSU-Morde hingewiesen?

(Unruhe)

Wir sind uns darin einig, dass die NSU-Morde ebenso zu verurteilen sind. Wir sind uns, glaube ich, in der Einschätzung einig, dass wir über dieses Thema vielfach in diesem Raum gesprochen haben. Es gibt auch weitere Themen, die ich nicht in meiner Rede angesprochen habe, weil das schlichtweg nicht möglich wäre. Ich weiß jetzt den Kontext der Frage nicht richtig einzuschätzen.

Die Haltung der Union, Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhass abzulehnen - das geht bis hin zu klaren Formulierungen im neuen Grundsatzprogramm -, ist bei uns genauso deutlich zu erkennen wie die ablehnende Haltung - ich sage es jetzt einmal so - gegenüber der linken Utopie eines Bleiberechts für alle bei offenen Grenzen. Auch