Protocol of the Session on October 16, 2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit den alten Rezepten von Schulden, reglementierter Wirtschaft und vielleicht einem zusätzlichen Feiertag können wir diese Probleme und diese Entwick

lungsschwächen im Land Sachsen-Anhalt ganz gewiss nicht lösen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylsuchenden stellt unser Land vor eine gewaltige Herausforderung. Angesichts der immer noch steigenden Zahlen setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass wir die gegenwärtigen Zahlen, die immer noch anwachsen und die sich in einem Prozess befinden, nicht dauerhaft bewältigen können und dass wir die sogenannte humanitäre Zuwanderung - so heißt es jetzt - steuern und regeln müssen. Das heißt, dass wir sie auch begrenzen müssen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Regierungsbank)

Die auf unsere Integrationsfähigkeit und auch auf unsere Interessen hin ausgerichtete unterschiedliche Behandlung von Ausländern im Bleiberecht steht ausdrücklich nicht im Widerspruch zu einer auch von uns gewollten Willkommenskultur.

Wir stehen weiterhin für eine bedarfsgerechte Steuerung der Zuwanderung. Darüber hinaus werden wir unserer humanitären Verantwortung auch im Rahmen der bestehenden Verteilungsquote gerecht, indem wir Menschen bei uns aufnehmen und sie menschenwürdig unterbringen und versorgen.

Wir benötigen nicht nur beschleunigte Verfahren, sondern wir brauchen auch klare Grenzen und die Durchsetzung von Ausreisepflichten bei Menschen ohne Flucht- und Asylgrund.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Regierungsbank)

Liebe Katrin Budde, begrenzen, beschleunigen, zurückführen; das war der Dreiklang des Ministerpräsidenten. Er steht nicht im Widerspruch zu der gewollten und notwendigen Integration der Menschen in Sachsen-Anhalt, die eine Bleibeperspektive haben und die bei uns bleiben wollen und auch sollen.

Natürlich kann man jetzt sagen, in den letzten Wochen kamen Menschen, die zu 80 oder 90 % eine Bleibeperspektive haben. Zur Wahrheit gehört dann natürlich auch der Fakt, dass bis Anfang September Menschen zu uns kamen, die zu 70 % diese Bleibeperspektive nicht haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Wahrheit gehört auch, dass die von Herrn Gallert so wortreich vorgetragene Leidensgeschichte vieler Flüchtlinge sicherlich zutrifft, aber auf die Menschen vom Westbalkan nicht.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Mit Ausnahme der Roma!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe der Rede entnommen, dass darin nicht nur Not, sondern vor allem auch Elend bezeichnet wird. Es wird gesagt, wir wollen die aufnehmen und denen helfen, die von Elend bedroht sind. - Das ist eben genau das, was über die eigentlichen Asylgründe und über das hinausgeht, was in der Flüchtlingskonvention steht.

(Beifall bei der CDU)

Wirtschaftliche Not ist kein Asylgrund!

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Regierungsbank)

Die aktuellen Zahlen bestätigen die Haltung meiner Fraktion, dass eine politische Festschreibung von Mindestzahlen, die wir in den kommenden Jahren aufnehmen sollten, nach wie vor abzulehnen ist. Niemand - sind wir doch einmal ehrlich - vermag den Prozess, der in den nächsten Jahren stattfinden wird, wirklich sicher vorherzusagen. Aber niemand zwingt uns, quasi auf Jahre voraus Zahlen festzuschreiben, die langfristig oberhalb dessen liegen, was wir für integrierbar halten.

Dann habe ich der Rede der GRÜNEN und auch der Rede von Herrn Gallert entnommen, dass es praktisch keine Rolle spielt, was wir wollen. Das ist eine unglaubliche Aufgabe des Gestaltungsanspruchs, den die deutsche und die europäische Politik eigentlich haben sollte.

(Beifall bei der CDU und von der Regie- rungsbank - Zuruf von Frau Prof. Dr. Dal- bert, GRÜNE)

Und so groß der Grundkonsens darüber ist, humanitären Flüchtlingsschutz zu betreiben, so groß der Grundkonsens auch ist, Menschen, die hier bleiben, auch integrieren zu wollen, ja zu müssen, so groß dieser Grundkonsens auch ist, so groß ist der Unterschied zwischen den Parteien, wenn es darum geht, diesen Gestaltungsanspruch durchzusetzen.

Wenn die Vertreter der LINKEN Frontex abschaffen wollen, die Drittstaatenregelung ablehnen, sichere Herkunftsländer ablehnen, sich für einen Abschiebestopp einsetzten, sich für ein Wahlrecht für Ausländer an dem Ort einsetzen, wo sie ihre jeweiligen Antrags- Registrierungsprozesse durchführen lassen wollen, wenn offene Grenzen für alle und jeden das politische Rezept sind, dann sagen wir, an der Stelle haben wir eine dezidiert andere Meinung.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Regierungsbank)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe der Rede auch entnommen, dass offene Grenzen für alle und jeden so eine Art Lehre aus dem Prozess sind, der im Jahr 1989 stattfand. Das teile ich ausdrücklich nicht, genauso wenig wie

Ihr Schwarz-Weiß-Bild, auf der einen Seite die Weltoffenheit und die Menschlichkeit und auf der anderen Seite Abschottung, Angst und sogar Gewalt. Dieses Schwarz-Weiß-Bild ist ein Zerrbild!

Die Botschaft nach der Überwindung der Teilung sollte sein, dass wir eine handlungsfähige Demokratie, eine funktionierende Völkergemeinschaft und mehr Europa bei der Bewältigung dieser Probleme brauchen und nicht etwa weniger.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Regierungsbank)

Es ist geradezu fatal, in einer Rede in diesem Zusammenhang an den Schießbefehl zu erinnern, den es früher gegeben hat; denn es gibt einen Unterschied. Es ist ein Wesen von Staaten, Grenzen zu ziehen und bei gezeigter und gelebter Solidarität - das kann man von Deutschland nun wirklich sagen - Prozesse auch zu steuern und zu regeln

(Herr Borgwardt, CDU: Vor allem war der Schießbefehl nach innen und nicht nach au- ßen gerichtet!)

und seine Außengrenzen zu sichern. Das ist etwas völlig anderes, als wenn eine Diktatur mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl ihre eigenen Menschen einsperrt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Regierungsbank)

Nach 25 Jahren Sachsen-Anhalt ist auch das eine wichtige Botschaft. Der gewachsene gesellschaftliche Konsens in unserer Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit, also die Bewahrung unserer Grundrechte, müssen auch gelebt werden. Integration ist daher keine Einbahnstraße.

(Herr Scheurell, CDU: Ja!)

Nur mit einem klaren Bekenntnis zu uns selbst und zu einer durch Geschichte und Kultur geprägten Gemeinschaft können wir Integration und Teilhabe auch überzeugend einfordern. Es sind unsere kulturellen Werte und unsere historischen Erfahrungen, die unsere Gesellschaft zusammenhalten, ja, wenn Sie so wollen, unsere Leitkultur bilden.

(Beifall bei der CDU und von der Regie- rungsbank)

An ihr wollen wir festhalten. Vor dem Hintergrund des vermutlichen Ehrenmordes in Dessau an einer syrischen Frau sage ich auch das deutlich: Kulturell motivierte Gewalt, vermeintlich der Ehre wegen, darf nie zu Sachsen-Anhalt gehören, auch in den kommenden 25 Jahren nicht.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Regierungsbank)

Diese Botschaft gehört genauso zu einem modernen Bundesland Sachsen-Anhalt wie die Sicher

stellung einer Zuwanderung von Fachkräften, deren Fähigkeiten wir brauchen.

(Zuruf von der LINKEN: Ängste schüren!)

Die verbesserte Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse wird uns im Landtag auch in der kommenden Wahlperiode weiterhin beschäftigen, genauso wie die Unterstützung zum Beispiel ausländischer Hochschulabsolventen bei der Verwirklichung ihres Wunsches, in Sachsen-Anhalt bleiben zu können. Das gehört zusammen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durchaus nah bin ich bei Katrin Budde hinsichtlich der Aussage, wir brauchen nicht nur Optimismus, wir brauchen auch Zuversicht, wir brauchen vor allen Dingen Realitätssinn. Nach 25 Jahren sind noch nicht alle Ziele erreicht. Ja, wir haben Aufgaben. Ja, wir haben Schwächen. Es gibt Bereiche, in denen wir besser werden müssen. Aber die Botschaft, wir sind auf einem guten Weg, teile ich ausdrücklich.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das war zu erwar- ten!)

Das Leitbild der CDU ist ein modernes, ein selbstbewusstes und familienfreundliches Sachsen-Anhalt, ein Zukunftsland im Herzen Europas, das weltoffen ist, Heimat für alle Generationen bietet und auch ländliche Siedlungsstrukturen bewahrt.

Der Ministerpräsident hat heute den Kurs bestimmt. Mit ihm wird unser Land auch in Zukunft auf einem guten Weg bleiben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Regierungsbank)

Danke schön, Kollege Schröder. Es gibt zwei Nachfragen. Möchten Sie die beantworten? - Das sieht so aus. Ja. Dann spricht zunächst Herr Abgeordneter Gallert und dann Frau Abgeordnete Lüddemann.

Herr Schröder, mein Problem besteht in der Begrifflichkeit der Grenzsicherung gegen Kriegsflüchtlinge. Das ist ausdrücklich auch das, was der Ministerpräsident in seinem „Volksstimme“-Interview gesagt hat. Immer wenn das gesagt und betont wird, dann stelle ich mir die Frage: Erzählen Sie doch einmal, wie Sie das machen wollen. Der Ministerpräsident ist mehrfach von den Journalisten gefragt worden. Er hat dann gesagt, das ist nicht sein Ding, das müssen andere organisieren. Aber die Grenze muss gesichert werden.

(Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Schen- gen!)

Wenn Sie sich die Geschichte einmal anschauen, dann stellen Sie Folgendes fest: Die Leute, die jetzt zu uns kommen, nehmen den Tod in Kauf, um zu uns zu kommen. Das wissen wir.

Die Frage lautet: Wie stellen Sie sich das vor? Wie soll Europa oder Deutschland seine Grenzen sichern? - Frau Merkel sagt ganz klar, das kann man nur mit einem Elektrozaun. Aber das wird sie nicht tun.