Protocol of the Session on October 14, 2015

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Damit wurde einiges wieder vom Kopf auf die Füße gestellt und benannt, wie es uns heute in Sachsen-Anhalt geht. Sie haben zu Recht, Frau Professor Dalbert, auf ein erhebliches Defizit dieser Landesregierung aufmerksam gemacht. Den Antrag kann ich nur nachdrücklich unterstützen. Aber meine Hoffnung, dass er von dieser Landesregierung verstanden wird, hält sich in Grenzen.

Ich könnte also kurz und knapp sagen: Alles richtig erkannt; wir stimmen zu und erwarten, dass es umgesetzt wird. Aber so einfach, Herr Dr. Aeikens, mache ich es Ihnen nicht, vor allem nicht nach Ihrer Rede.

Eigentlich geht die Problematik des Erhalts der biologischen Vielfalt auf die fünfte Wahlperiode zurück. Damals haben wir uns mehrfach in diesem Hohen Hause dazu verständigt. Aber das möchte ich heute ausblenden und mich auf die Sitzung des Landtages im April 2012 beziehen. Der Ursprungsantrag zu der gleichen Problematik kam damals ebenfalls von Ihrer Fraktion, Frau Professor Dalbert, und wurde leider durch einen Alternativantrag der Koalition sehr weichgespült.

Dieser liegt uns übrigens heute in Kopie vor, mit drei, vier Änderungen bis hin zur Begründung. Ich finde, dies ist schon ein Zeichen dafür, dass der Kollege Bergmann Recht hatte, als er sagte, dass offensichtlich selbst die Koalition nicht mit dem zufrieden sei, was die Landesregierung erreicht habe.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Aber schauen wir uns diesen Mehrheitsbeschluss etwas genauer an. Er enthält vier Vorgaben an die Landesregierung. Wie wurden diese Aufträge durch die Landesregierung umgesetzt? - Leider nicht so, wie Sie es sich erhofft hatten, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der SPD.

Punkt 1 des Antrages hatte zum Inhalt, dass die Strategie - ich zitiere - „eine wesentliche Grundlage für ein nachhaltiges Handeln in Bereichen wie Bau und Verkehr, Bildung, Forst-, Land- und Wasserwirtschaft sowie Umwelt- und Naturschutz“ bildet. Wie es damit bestellt ist, kann man in der vorliegenden Antragsbegründung nachlesen. Ich will an dieser Stelle das Stichwort - dieses Stichwort hat der Minister nicht genannt - Umsetzung der Natura-2000-Regelung nennen. Dies ist letztlich ein Desaster für Sachsen-Anhalt.

In Punkt 2 erging die Aufgabe, die 214 Zielstellungen der Strategie durch einen Aktionsplan der Landesregierung zu untersetzen.

(Herr Leimbach, CDU: Ja!)

Dieser wurde nach mehrfachen Terminverschiebungen endlich Ende September 2013 vorgelegt und im Umweltausschuss in den Sitzungen im Oktober und im November 2013 debattiert. Übrigens haben bereits damals die Kollegen Bergmann und Stadelmann genauso wie der Kollege Weihrich und ich die unpräzise Schwerpunktsetzung und die fehlende Abrechenbarkeit moniert. Geändert, Herr Dr. Aeikens, hat sich bis heute rein gar nichts. Es gibt nach wie vor keine abrechenbare Zielstellung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der nächste Punkt des damaligen Beschlusses enthielt die Forderung, im Rahmen der Umsetzung der Strategie eine konkrete - ich betone: konkrete - Vorhabenplanung für den Artenschutz, für die das Land Sachsen-Anhalt besondere Verantwortung trägt, noch in dieser Wahlperiode zu erarbeiten und ein Moorschutzprogramm vorzulegen.

Das Moorschutzprogramm, Herr Dr. Aeikens, haben Sie bereits im Juni 2012 kassiert. Sie halten es für das Land Sachsen-Anhalt für nicht erforderlich. Die Artenschutzkonzepte - dazu haben Herr Bergmann und Frau Professor Dr. Dalbert bereits einiges gesagt - finden wir nicht umsonst in der heutigen Vorlage wieder. Auch diesbezüglich passierte letztlich nichts. Erst auf den Druck des Umweltausschusses hin beginnt man jetzt - Kollege Bergmann hat das dargestellt -, diesbezüglich etwas zu tun.

In Punkt 4 Ihres Beschlusses wurde um die regelmäßige Berichterstattung zu der Vorhabenplanung und zur Fortschreibung der Strategie für biologische Vielfalt in den Ausschüssen gebeten. Auch diesbezüglich passierte nichts. Es sei denn, der Ausschuss - es war immer die Opposition, die nachgefragt hat - hat nachdrücklich nachgefragt.

So richtig toll fand ich damals den letzten Satz in Ihrer Begründung, der lautete:

„Der Landtag soll bei der Fortschreibung des Aktionsplanes der Landesregierung und der Umsetzung der Maßnahmen eingebunden werden.“

Ich frage mich, wo wir als Landtag bei der Umsetzung und bei der Fortschreibung dieser Maßnahmen eingebunden worden sind. Papier kann verdammt geduldig sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Frau Professor Dalbert, ich finde den Antrag, wie gesagt, sehr gut und werde ihn auch unterstützen. Aber glauben Sie wirklich, dass diese Landes

regierung bzw. Minister Dr. Aeikens zu einem Umsteuern in der Lage sind?

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Nein, aber man muss es trotzdem sagen!)

Ich habe daran erhebliche Zweifel.

Aber, Herr Dr. Aeikens, nutzen Sie doch zumindest die Chance zum Umsteuern. Diese wollen wir Ihnen auch nicht verbauen. Wir würden dem Antrag der GRÜNEN deshalb gern zustimmen und Ihnen damit die Chance geben, nicht nur durchzusteuern, sondern auch umzusteuern und eine andere Schlagzahl an den Tag zu legen. Der Antrag bietet Ihnen hierzu die Möglichkeit.

Kollege Lüderitz, so groß Ihre Zweifel sind - -

Ich bin gleich fertig. - Der Alternativantrag hilft diesbezüglich wenig.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Leimbach.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bewahrung der biologischen Vielfalt ist ein wichtiges Thema und sie hätte bei dem vorgelegten Antrag der GRÜNEN dann auch etwas mehr Sorgfalt verdient. Ein beinahe gleichlautender Antrag mit vergleichbarem Duktus und beinahe gleichem Inhalt nach gut zwei Jahren wieder vorzulegen und zu glauben, dies würde nicht bemerkt werden, kann nicht überzeugen.

Wortgleich sind zum Beispiel einige gestanzte Hülsen, wie der Satz:

„Der fortschreitende Verlust der Biodiversität verursacht ökologische Probleme und hat negative ökonomische sowie gesellschaftliche Auswirkungen.“

(Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Das bleibt so, bis umgesteuert wird!)

Diese Wiederholungen, Frau Professor Dalbert, sind schon schade.

Es scheint so, dass sogar ideologische Weltuntergangslyrik - ich fand diesen Begriff, den Sie verwendet haben, schön - bemüht werden muss, um die Wiederholung zu rechtfertigen. Im Jahr 2012 prophezeien Sie eine existenzielle Bedrohung der

Menschheit. Drunter machen Sie es offensichtlich nicht.

(Herr Striegel, GRÜNE: Das ist die Realität!)

Diese sprachliche Überhöhung ist wirklich nicht gut für die Überzeugungskraft Ihres Antrages. Denn so wenig wir das Weltklima in Sachsen-Anhalt allein retten werden, so wenig werden wir auch bei dem Thema Artenvielfalt in unserem Land die Menschheit vor dem Aussterben bewahren können, so es denn überhaupt zu befürchten ist. Es bleibt aber gleichwohl eine wichtige politische Aufgabe für uns alle.

Ihr abzulehnender Antrag verzerrt absichtlich die Wirklichkeit. Sowohl im europäischen Maßstab als auch im nationalen Vergleich müssen wir uns in Sachsen-Anhalt weder mit Blick auf den Trend noch mit Blick auf die Richtung unserer Entwicklung verstecken.

Der Landtag als Haushaltsgesetzgeber und die Landesregierung sind in der Umsetzung, wie wir finden, auf einem guten Weg, Artenvielfalt zu bewahren. Dafür setzen wir erhebliche Ressourcen ein.

Wer unverstellt auf das Thema schaut, der wird allerdings feststellen können, dass es keinen Automatismus dafür gibt, dass mehr Ressourcen auch mehr Artenvielfalt erzeugen.

Wir beobachten den Wolf in Deutschland, den Biber selbst in kleinsten Stadtteichen oder die Lachse in unseren Flüssen. Für den Kormoran beispielsweise brauchten wir eine Verordnung, um der Populationsdynamik überhaupt begegnen zu können oder um die Äsche vor dem Kormoran zu schützen. Neu und spannend sind die Zielkonflikte, auch aus dieser Trendumkehr.

(Herr Borgwardt, CDU: So ist es!)

Deshalb setzen wir uns weiterhin für die ökologische Durchgängigkeit unserer Flüsse ein. Wir bauen Fischtreppen und stellen mehr als 10 % unserer Landesfläche unter besonderen Schutz.

Die öffentliche Hand, das Land, wir betreiben Nationalparke und Biosphärenreservate und werden allein für Natura 2000, auch mit dem Schwerpunkt Biodiversität, in den nächsten Jahren mehr als 5 Millionen € ausgeben, um die Bedingungen zu erfüllen.

Dazu kommt noch eine vielleicht etwas kleinteilige Projektförderung im Bereich der Biodiversität. Wir fördern spezielle Themen, wie die Renaturierung von Feuchtlebensräumen, den Artenschutz für Flussseeschwalben und Lachmöwen, das Anlegen von Streuobstwiesen oder den Großtrappenschutz, verehrte Frau Dalbert. Der Gesamtaufwand geht in die Millionen. Allein für die Biosphärenreservate

und die Großschutzgebiete geben wir jährlich mehr als Millionen aus.

Dass Sie die Mopsfledermaus erwähnen, die es immerhin geschafft hat, den Bau der A 143 rund um Halle zu verhindern, und behaupten, dass diese Art von uns nicht ernsthaft wahrgenommen würde, ist schon grotesk.

(Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Das ist aber keine Maßnahme zum Erhalt der Mopsfle- dermaus!)

Genauso grotesk ist die Behauptung, dass die Aktivitäten der Landesregierung unzureichend sind. Das, was Sie hier fabriziert haben, erscheint deswegen wahrscheinlich vielen hier im Hohen Haus eher als Wahlkampf als eine gerechte Bilanz.

Wir wollen, dass die Biodiversitätsstrategie aus dem Jahr 2010 und der Aktionsplan fortgeführt werden und die Aufgaben, die sich daraus ergeben, auch mit Zwischenschritten unterlegt werden, aber nicht mit operativer Hektik, sondern tatsächlich mit Konzentration. Wir wollen auch, dass über die Ziele regelmäßig berichtet wird.

Es spricht überhaupt nichts dagegen und es ist sogar notwendig, die Öffentlichkeit und die Fachleute näher zusammenzubringen. Aber Ihr Vorschlag als Conclusio aus Ihrem Antrag, einmal jährlich eine Konferenz durchzuführen, ist wirklich dünn gewesen. Das ist wirklich verharmlosend dünn, und es zeigt, dass Sie die Eingangsbemerkungen über die Wichtigkeit des Themas nicht mit konkreten Vorschlägen untersetzen können.