Protocol of the Session on September 17, 2015

Gestatten Sie bitte abschließend noch einige Worte zu der Frage, warum wir die Verordnung per Gesetz aufheben. Die Maßgabe des Einigungsver

trages - ich ging bereits eingangs darauf ein -, worauf die bereits angesprochene Verordnung beruht, ist inzwischen vom Bundesgesetzgeber durch das BMJ-Maßgabenbereinigungsgesetz für nicht mehr anwendbar erklärt worden.

Die auf dieser Grundlage erlassenen Verordnungen gelten aber fort, können jedoch aufgehoben werden. Daher ist der Gesetzentwurf auch die richtige Herangehensweise, wenn wir die Verordnung aufheben wollen.

Die von den Koalitionsfraktionen vorgesehenen Regelungen zum Inkrafttreten des Gesetzes zum 1. Februar 2016 gibt der Justizverwaltung und den angrenzenden Bereichen der betroffenen Gerichte die Möglichkeit, die notwendigen organisatorischen Vorbereitungen für einen reibungslosen Übergang zu treffen. Auch die Rechtsuchenden und ihre Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte können sich auf die neue Zustandsregelung einstellen.

Bitte stimmen Sie der Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zu. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Herr Kollege Borgwardt, für die Einbringung. - Bevor die Justizministerin Frau Professor Kolb spricht, können wir Damen und Herren der Krankenpflegeschule des Ameos-Klinikums Aschersleben bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, herzlichen Dank. - Ich möchte mich zunächst bei den beiden Koalitionsfraktionen bedanken für die schnelle Einbringung dieses Gesetzentwurfes zu einem Thema, das uns als Ministerium für Gleichstellung und Justiz schon seit mehr als einem Jahr beschäftigt. Es ist ein Thema, das wir gerade aktuell in jeder zweiten Schlagzeile lesen können.

Die Ministerpräsidenten haben sich gestern Abend in Berlin getroffen. Im Moment ist der Tenor, was die Asylverfahren betrifft, dass alles viel zu langsam gehe, dass man beschleunigte Verfahren brauche. Hierauf hatte man sich eigentlich bereits im letzten Jahr verständigt.

Dennoch haben wir aktuell einen Verfahrensrückstau beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von 300 000 Verfahren. Gerade lief die Meldung über den Ticker, dass der Präsident des Bundesamtes aus persönlichen Gründen zurückgetreten

ist, was die Situation möglicherweise nicht unbedingt vereinfacht.

Ja, wir stehen vor großen Herausforderungen, aber wir gehen diese an. Herr Borgwardt hat es dankenswerterweise bereits gesagt: Wir haben das Verwaltungsgericht in Magdeburg, das derzeit ausschließlich für die Asylverfahren zuständig ist, bereits personell verstärkt. Aber wir müssen auch schauen, welche anderen Möglichkeiten es gibt. Dabei liegt es nahe, dass die Arbeitsbelastung auf beide Verwaltungsgerichte in Halle und Magdeburg gleichmäßig verteilt wird.

Es ist bereits auf den Einigungsvertrag als damalige Rechtsgrundlage verwiesen worden. Ich möchte dazu ergänzen: Hintergrund war damals, dass wir zwei große Verfahrensarten hatten, die die Verwaltungsgerichte belastet haben. Das waren die offenen Vermögensfragen und die Asylverfahren. Damals wurde festgelegt, dass Verfahren zu offenen Vermögensfragen am Verwaltungsgericht in Halle bearbeitet werden und die Asylverfahren an Verwaltungsgericht Magdeburg konzentriert werden.

Heute haben wir eine Situation, in der die Verfahren zu den offenen Vermögensfragen weitgehend abgearbeitet sind, sodass die Ungleichgewichtung entstanden ist.

Lassen Sie mich inhaltlich etwas zu den Verfahren sagen. Es geht um die Gewährung von Asyl. Asylanträge werden dann positiv entschieden, wenn ein Flüchtling nachweisen kann, dass er in seinem Herkunftsland politisch verfolgt wird oder dass er in seiner Heimat um sein Leben fürchten muss.

Fehlen diese Asylgründe oder kommt der Flüchtling aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat, muss er mit einer Abschiebeverfügung rechnen. Gleiches galt bisher für die sogenannten Dublin-Verfahren. Das heißt - so ist es derzeit noch die Regelung in der Europäischen Union -, der Asylantrag muss in dem Land gestellt werden, in dem die Europäische Union erstmalig betreten wird. Bisher haben die Verwaltungsgerichte in vielen Verfahren entscheiden müssen, ob eine Rückführung in dieses Land möglich ist. Das wird sich jetzt möglicherweise ändern bzw. wurde durch die Tatsachen bereits fast überholt.

In den letzten beiden Fällen, also immer dann, wenn jemand aus einem sicheren Herkunftsstaat kommt oder er in einem anderen Staat die Europäische Union betreten hat, handelt es sich um sogenannte Eilverfahren. Hierbei geht es um sogenannte Abschiebeverfügungen, nach denen der Betroffenen innerhalb einer Woche auszureisen hat. Dagegen kann er wiederum innerhalb einer Woche Klage einreichen. Diese muss dann wiederum innerhalb einer Woche vom Verwaltungsgericht entschieden werden.

Diese Fristen verdeutlichen noch einmal, unter welchem Druck die Kolleginnen und Kollegen vor Ort stehen. In der Tat führt dies dazu, dass zunächst die Eilverfahren abgearbeitet werden und dann die sogenannten Hauptsacheverfahren, also diejenigen, in denen mangels Vorliegens von Asylgründen jemand abgelehnt wurde, zurückstehen müssen.

Wir werden uns auch mit diesen Fragen intensiv auseinandersetzen müssen. Deshalb bin ich dankbar, dass wir mit der Aufhebung der Asylkonzentration organisatorisch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir die Verfahren schneller bearbeiten können, weil wir die Arbeit auf mehrere Schultern verteilen.

Angesichts der neuen Möglichkeiten der Verteilung in unterschiedlichen Erstaufnahmeeinrichtungen nunmehr auch im Süden von Sachsen-Anhalt werden sich dadurch auch die Wege für die Betroffenen deutlich verkürzen, sodass das aus meiner Sicht eine notwendige Maßnahme ist und ich auch optimistisch bin, dass wir die Ausschussberatungen zügig abschließen können, um pünktlich zum 1. Februar 2016 die Zuständigkeit beim Verwaltungsgericht in Halle umsetzen zu können. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Frau Ministerin. - Es ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen. Als erster Debattenredner spricht Kollege Herbst für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf hebt die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Asylverfahren auf.

Derzeit konzentriert sich die Zuständigkeit für erstinstanzliche asylrechtliche Streitigkeiten beim VG Magdeburg. Hintergrund hierfür - die Ministerin ist soeben darauf eingegangen - war eine Maßgabe des Einigungsvertrages, die den neuen Bundesländern in der ersten Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung im Interesse eines möglichst rationellen Einsatzes der damals knappen Ressourcen die Möglichkeit einräumte, durch Rechtsverordnung Zuständigkeitskonzentrationen anzuordnen.

Mehr als 20 Jahre später haben sich die Rahmenbedingungen nun grundlegend verändert. Zudem nimmt die Zahl der Asylverfahren infolge der steigenden Flüchtlingszahlen zu, was zu einer großen Ungleichbelastung der beiden Verwaltungsgerichte geführt hat.

Während die Asylkammern beim Verwaltungsgericht Magdeburg im Jahr 2011 635 Verfahrens

eingänge verzeichneten, waren es im Jahr 2014 bereits 2 834.

Laut einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE machte der Anteil der Asylkammern am Geschäftsanteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg im Jahr 2014 bereits 58,1 % aus. Im ersten Halbjahr 2015 waren es dann schon 66,6 %.

Nach der Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr ist für das Jahr 2015 beim VG Magdeburg mit 3 200 bis 3 500 Neueingängen in Asylverfahren zu rechnen.

Trotz der personellen Verstärkung am Verwaltungsgericht Magdeburg wird es daher zwangsläufig zu einem personellen Fehlbedarf und zu weiteren Verfahrensverzögerungen kommen. Dem, meine Damen und Herren, sollten wir in der Tat entgegenwirken, indem wir das zweite Verwaltungsgericht Sachsen-Anhalts, das VG Halle, in die Bearbeitung von Asylverfahren einbeziehen.

Ich denke, die Vorteile liegen auf der Hand:

erstens eine Beschleunigung der Verfahren, da neu anfallende Asylverfahren auf mehr Richterinnen und Richter verteilt würden,

zweitens eine größere Ortsnähe, was den Reiseaufwand für die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung für Verfahrensbeteiligte, aber auch für Rechtsanwälte verringern würde.

Drittens kann dies sukzessiv zu einer gleichmäßigeren Auslastung der beiden Verwaltungsgerichte führen.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion befürwortet daher die Aufhebung der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit im Asylverfahren; denn sie ist sachlich richtig.

Was wir nicht befürworten,

(Beifall bei den GRÜNEN)

meine Damen und Herren, ist, wenn diese Veränderungen hauptsächlich durchgeführt werden, um die Verfahren so zu beschleunigen mit dem Ziel, Menschen auch schneller abschieben zu können. Das wäre, meine Damen und Herren, eine Schwerpunktsetzung, die wir nicht mittragen können.

Ich bin gespannt darauf, was die CDU-Fraktion dazu sagen wird. Ich freue mich aber, dass das in den bisherigen Wortbeiträgen zu diesem Thema auch nicht vorgekommen ist.

Kurz, meine Damen und Herren: Aufhebung der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Asylverfahren.

(Herr Schröder, CDU: Das ist geltendes Recht!)

- Ja, aber, Kollege Schröder, mit den richtigen Motiven. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

Danke sehr, Herr Kollege Herbst. - Für die SPDFraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Brachmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Gesetzentwurf an sich ist, denke ich, alles durch Herrn Borgwardt gesagt.

Ich will ein paar politische Erwägungen, die mich hier umtreiben, thematisieren. Momentan sind wir bei dem Thema Flüchtlinge. Die dramatischen Bilder, die uns dazu täglich erreichen, fordern uns als Politik und Gesellschaft, die Flüchtlinge vernünftig unterzubringen. Darauf richtet sich derzeit das Hauptaugenmerk.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Dann beginnt das Asylverfahren. Dabei haben wir als erste Baustelle das BAMF. Die Nachricht hat uns gerade erreicht: Der Chef des Bundesamtes ist zurückgetreten. In der Tat liegt dort ein Verfahrensstau, weshalb da derzeit die Säge klemmt und wir in Größenordnungen den Aufenthalt über längere Zeiträume zu organisieren haben, und das auch bei denjenigen, die keine Bleibeperspektive haben. Aber dennoch werden sie, solange über das Asylverfahren nicht entschieden ist, in

Deutschland bleiben.