Protocol of the Session on September 17, 2015

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kann noch einmal Frau Kollegin Professor Dr. Dalbert sprechen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kultusminister, Ihre Vorstellung war unterirdisch.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf: Wie bit- te?)

Wir haben schon im Juni 2015 erlebt, dass manche hier im Hohen Haus schon Anfang Juni die Arbeit einstellen wollten. Dann haben wir das heute bei Teilen dieses Hohen Hauses noch einmal erlebt. Wir sind bis zum März 2016 gewählt worden. Wir haben bis dahin noch vier weitere Landtagssitzungen. Für einen Gesetzentwurf werden zwei Beratungen benötigt. Dazwischen findet eine Anhörung im Ausschuss statt, es gibt eine Ausschussberatung, es wird eine Beschlussempfehlung erarbeitet. All das kann man tun. Das ist, finde

ich, solchen Problemen, die hier zu behandeln sind, auch angemessen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass man dabei nicht immer einer Meinung ist, gehört zur Demokratie dazu. Aber die Redebeiträge der Kolleginnen, die sich inhaltlich dazu geäußert haben, haben gezeigt, dass an manchen Stellen doch auch eine Übereinstimmung besteht.

Frau Reinecke, der Unterschied besteht darin, dass das eine ein Erlass und das andere ein Gesetz ist. Insofern ist es doch toll, wenn wir Einigkeit dahingehend haben, dass wir das Ehrenamt honorieren wollen. Dann können wir das gemeinsam in den Gesetzentwurf hineinschreiben. Dann werden wir im Ausschuss darüber beraten, ob es fünf, sechs, sieben, acht, neun oder zehn Tage sein sollen. Insofern verstehe ich Ihre negative Einlassung überhaupt nicht. Es ist doch wunderbar, dass wir, also LINKE, SPD und GRÜNE, hier im Hohen Hause dazu schon eine Übereinstimmung haben, die wir in das Schulgesetz hineinschreiben können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre Ausführungen zur freien Schulwahl und dazu, dass das eine ethnisch-räumliche Trennung herbeiführe - Sie nahmen Bezug auf ein Beispiel in Halle, wo wir tatsächlich eine räumliche Trennung haben -, waren für mich schlicht nicht nachvollziehbar. Das werden Sie in den Ausschussberatungen sicherlich noch einmal nachvollziehbarer erläutern können.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das wäre toll!)

Frau Bull hat dargestellt, dass es hinsichtlich der Berufsorientierung und des Ehrenamtes viel Übereinstimmung gibt.

Hinsichtlich der 100 € bin ich ganz bei Frau Bull, das ist einfach eine Abwägungsfrage. Bei uns, bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hat es Tradition, dass wir für freie Mobilität für Kinder und Jugendliche werben. Wir haben damals eine Veränderung des Schulgesetzes an dieser Stelle bewirkt. Aber es ist klar; man muss eine Abwägung treffen. Man kann das Geld nur einmal ausgeben. Wir werden gemeinsam darüber beraten, ob es an dieser Stelle oder doch an einer anderen Stelle ausgegeben werden soll. Das ist eine spannende Debatte.

Ich glaube, der Knackpunkt ist tatsächlich - das ist mir bei den Einlassungen der geschätzten Kollegin Reinecke deutlich geworden -, welche Vorstellung man davon hat, wer an welcher Stelle gut steuern kann. In Ihren Äußerungen ist mir sehr deutlich geworden, dass Sie dazu eine andere Auffassung als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben. Wir haben von unserer politischen Herangehensweise her grundsätzlich die Auffassung, dass wir lokaler Kompetenz vor Ort vertrauen und diese lokale

Kompetenz immer stärken wollen, das Mitmachen möglich machen wollen an allen Stellen, wo dies Sinn macht. Dazu haben Sie eine andere Auffassung. Das ist Ihnen unbenommen. Aber das ist, glaube ich, der Knackpunkt.

Damit bin ich bei Frau Bull. Natürlich müssen wir uns das genau angucken. Wir haben aus unserer Grundüberzeugung heraus gesagt, wir glauben, dass das dort tatsächlich gut verortet ist. Natürlich muss das Kultusministerium dort auch begleiten, informieren und beraten. Das ist unbenommen. Wir glauben, dass das ein guter Weg ist.

Das wird dann natürlich eine spannende Ausschussberatung, wenn es um die Frage geht: Wollen wir es tatsächlich so radikal machen? Oder was ist der Weg? - Ich glaube, genau darüber müssen wir beraten. Denn es ist zunächst eine politische Frage: Wer steuert in diesem Land so etwas Existenzielles wie die Schulpolitik? Machen das die Leute vor Ort oder wird das am grünen Schreibtisch in Magdeburg gemacht?

Wir haben dazu eine klare Einstellung. Diese klare Einstellung möchten wir im Ausschuss zur Grundlage der Debatte machen. Das ist für uns, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sechs Monate vor der Wahl ganz normale politische Arbeit, für die wir in diesen Landtag gewählt wurden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr. - Damit ist die Aussprache beendet und wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/4368 ein.

Ich frage zunächst, wer einer Überweisung zustimmt. Diejenigen bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Gesetzentwurf überwiesen worden.

Es wurde gesagt, der Entwurf soll in den Bildungsausschuss überwiesen werden. Gibt es weitere Wünsche zur Überweisung? - Das sehe ich nicht. Damit ist der Gesetzentwurf in den Bildungsausschuss überwiesen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 3.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Asylverfahren

Gesetzentwurf Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/4372

Einbringer des Gesetzentwurfes ist Kollege Herr Borgwardt. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Derzeit sind gerichtliche Asylverfahren auf der Grundlage der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeit in Asylverfahren vom 7. Juni 1994 am Verwaltungsgericht Magdeburg konzentriert. Das Verwaltungsgericht Magdeburg ist also landesweit für alle Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz und wegen Asylbewerberinnen und Asylbewerber betreffende Maßnahmen der Ausländerbehörden örtlich zuständig.

Diese Regelung beruht im Wesentlichen auf einer Maßgabe des Einigungsvertrages, die den neuen Bundesländern in der ersten Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung im Interesse eines möglichst rationellen und flexiblen Einsatzes der knappen Ressourcen die Möglichkeit einräumte, durch Rechtsverordnung Zuständigkeitskonzentrationen anzuordnen.

Die Konzentration war damals auch richtig, um die mit der Spezialmarterie des Asylrechts vertrauten Verwaltungsrichterinnen und -richter unseres Landes einsetzen zu können, insbesondere im Hinblick auf die Vorhaltung umfangreicher Dokumentationen über die Herkunftsländer der Asylsuchenden.

Meine Damen und Herren! Seit Erlass der Zuständigkeitsverordnung haben sich die Rahmenbedingungen jedoch grundlegend geändert. Derzeit sind wir in einer besonderen Situation. Der Bundesinnenminister hat im Sommer bekanntgegeben, dass Deutschland bis zum Ende dieses Jahres mit insgesamt 800 000 aufzunehmenden Flüchtlingen zu rechnen hat. Herr Gabriel, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hat eine Million Flüchtlinge genannt.

Gemäß dem Königsteiner Schlüssel muss Sachsen-Anhalt somit mit einer Aufnahme von vielleicht mehr als 23 000 Flüchtlingen rechnen. Die letzte Prognose vom Mai dieses Jahres sah für Sachsen-Anhalt 11 400 Antragsteller vor. Allein im Monat Juli sind fast 83 000 Asylbegehrende nach Deutschland eingereist. Entsprechend der auf das Land entfallenden Aufnahmequote von rund 2,85 % waren etwa 2 350 Personen in Sachsen-Anhalt aufzunehmen. Im Monat August stieg die Zahl auf fast 2 500 Personen an.

Nach Einschätzung der Bundesregierung ist eine Abschwächung dieser Entwicklung nicht absehbar. Vielmehr muss auch weiterhin mit anhaltend hohen und möglicherweise auch mit weiter steigenden Zahlen gerechnet werden. Es kann also nicht ausgeschlossen werden, dass sich die derzeit sehr hohen Zugangszahlen auch im nächsten Jahr fort

setzen und möglicherweise weiter erhöhen werden.

Mit der in jüngster Zeit drastisch angestiegenen Zahl von asylsuchenden Flüchtlingen ist auch die Zahl der entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren weiter stark angestiegen. Während die Asylkammern beim Verwaltungsgericht Magdeburg im Jahr 2011 insgesamt 635 Verfahrenseingänge, und zwar Hauptsachen- und Eilverfahren, verzeichneten, waren es im Jahr 2014 bereits 2 834 und allein im ersten Halbjahr dieses Jahres 1 665 Verfahren.

Diese enorme Verfahrenslast soll nicht nur durch die bereits erfolgte Einstellung neuer Richterinnen und Richter auf Probe bewältigt werden, sondern ihr muss auch durch eine Verteilung der Arbeit auf beide Verwaltungsgerichte im Land Rechnung getragen werden.

Wir wollen daher die bisher bestehende Zuständigkeitskonzentration für erstinstanzliche asylrechtliche Streitigkeiten beim Verwaltungsgericht Magdeburg aufheben. Zukünftig wird sich dadurch die gerichtliche Zuständigkeit im Asylverfahren nach den allgemeinen Regeln der Verwaltungsgerichtsordnung richten.

Für Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Asylbewerber nach dem Ausländerverfahrensgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat, also entweder Halle oder Magdeburg. Damit wird auch das zweite Verwaltungsgericht in SachsenAnhalt in die Bearbeitung solcher Verfahren einbezogen.

Meine Damen und Herren! Unsere Ziele liegen auf der Hand. Wir wollen eine Beschleunigung der Verfahren sowie eine gleichmäßige Auslastung der Gerichte erreichen und den Reiseaufwand und die entsprechenden Kosten für die Teilnahme an mündlichen Verhandlungen für Verfahrensbeteiligte und Rechtsanwälte aus dem südlichen Teil unseres Bundeslandes verringern.

Zur Verfahrensdauer nur so viel: Zum Stichtag 31. März 2015 betrug die Verfahrensdauer bei vorläufigen Rechtsschutzverfahren, also bei Eilverfahren, durchschnittlich 1,5 Monate, bei Hauptsacheverfahren 10,1 Monate. Wir hoffen sehr, dass sich die Aufhebung der Konzentration auch spürbar auf die Verfahrensdauer auswirkt.

Ich komme zur gleichmäßigen Verteilung der Verfahren an den Gerichtsstandorten Magdeburg und Halle. In den ersten vier Monaten dieses Jahres hätte sich, vorausgesetzt diese gesetzliche Neuregelung wäre bereits im Januar dieses Jahres in Kraft getreten, eine annähernd gleichmäßige Verteilung der Verfahren auf die Verwaltungsgerichte Halle und Magdeburg ergeben. Genau das wollen wir mit dem Gesetzesvorschlag erreichen.

An beiden Verwaltungsgerichten im Land sind in großer Zahl erfahrene Verwaltungsrichterinnen und -richter tätig und elektronische Datenbanken erleichtern den Zugriff auf die entscheidenden Informationen. Zudem hat die Zuständigkeitskonzentration für asylrechtliche Verfahren inzwischen zu einer erheblichen Ungleichbelastung der beiden Verwaltungsgerichte geführt. Während das derzeit allein für asylrechtliche Verfahren zuständige Verwaltungsgericht Magdeburg nach den aktuellen Personalbedarfberechnungen einen erheblichen personellen Fehlbedarf aufweist, sowohl im richterlichen als auch im nichtrichterlichen Dienst, besteht beim Verwaltungsgericht Halle zumindest statistisch in beiden Bereichen ein - wenn auch geringer - Personalüberhang.

Dieser Gesetzentwurf ist damit nicht nur ein richtiger, sondern auch ein notwendiger Schritt.

Meine Damen und Herren! Für Verfahren, die zum Zeitpunkt der Aufhebung der Zuständigkeitsverordnung bereits beim Verwaltungsgericht Magdeburg anhängig sind, bleibt dieses Gericht auch weiterhin zuständig, auch wenn die Klägerin bzw. der Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Bezirk des Verwaltungsgerichts Halle untergebracht war.

Grund hierfür ist, dass nach Rechtsanhängigkeit einer Sache eintretende Veränderungen der die örtliche Zuständigkeit des Gerichts begründenden Umstände unbeachtlich bleiben.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ausdrücklich bei unserem Koalitionspartner dafür bedanken, dass wir den Gesetzentwurf so kurzfristig auf den Weg bringen konnten. Insbesondere bedanke ich mich auch beim Justizministerium für die sehr konstruktive Zusammenarbeit.

Zum Abschluss, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte ich noch einige Gedanken äußern. Die CDU-Fraktion verfolgt für die Zukunft das Ziel, dass ein Großteil der ablehnenden Bescheide noch während der zentralen Unterbringung der Flüchtlinge in einer zentralen Erstaufnahmeeinrichtung ergeht.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Dies würde zu einer stärkeren Belastung des Verwaltungsgerichts führen, in dessen Bezirk sich die jeweilige Erstaufnahmeeinrichtung befindet. Wenn uns dies wünschenswert zukünftig gelingen wird, dann werden sich aufgrund der sich verändernden Verwaltungspraxis andere Belastungsschwankungen zwischen den Gerichten ergeben. Diese müssten dann im Rahmen der Möglichkeiten durch entsprechende personalwirtschaftliche und weitere organisatorische Maßnahmen ausgeglichen werden. Dies ist aber eine Aufgabe für die Zukunft.

Gestatten Sie bitte abschließend noch einige Worte zu der Frage, warum wir die Verordnung per Gesetz aufheben. Die Maßgabe des Einigungsver