Protocol of the Session on July 3, 2015

vorgehen. Ich fand es auch bemerkenswert, weil dies Ihrer alten Linie, die Landwirtschaft endlich in die Marktwirtschaft zu entlassen, vollkommen widersprach, was ich an dieser Stelle sogar unterstützen würde.

Dann habe ich eine Tour durch das Land gemacht. Interessanterweise ist mir in beinahe jedem Wahlkreis sofort angeboten worden, unbedingt mit den dortigen Agrargenossenschaften bzw. mit den entsprechenden Nachfolge-GmbHs zu reden, und zwar wegen dieses Gesetzes. Dabei haben sie bereits angekündigt, dass der Landesbauernverband diesen Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, eindeutig und in jeglicher Beziehung als völlig untauglich zur Lösung der von ihnen beschriebenen Probleme benannt hat. Das ist das Problem, Herr Aeikens.

(Beifall bei der LINKEN)

Nach acht derartigen Terminen in den Agrargenossenschaften weiß ich inzwischen auch, dass das Ziel, über das Sie immer reden, nämlich die Preisbildung am Bodenmarkt zu beschränken, auch mithilfe einer Verordnung erreicht werden kann. Dies hätten Sie übrigens auch schon vor einem Dreivierteljahr mit einer Verordnung machen können. Ihnen geht es aber - dies ist sehr deutlich an den Kappungsgrenzen abzusehen - um die Behinderung von Betrieben mit 70, 80 oder 100 Beschäftigten und mit 10 Millionen € Umsatz, weil Sie sie als die Struktur gefährdend ansehen.

Dazu sage ich Ihnen tatsächlich, dass dies wirtschaftspolitisch falsch ist, weil diese Betriebe eine andere Innovationskraft und andere Möglichkeiten haben, soziale Rahmenbedingungen zu realisieren. Sie dienen ein Stück weit der Beseitigung eines Problems, das der CDU-Fraktionsvorsitzende gerade im Sommerinterview noch einmal aufgegriffen hat, nämlich eine Überwindung der Kleinteiligkeit der Wirtschaft bei uns in Sachsen-Anhalt, die tatsächlich hier und dort zum Innovationshemmnis wird.

(Herr Schröder, CDU: Der Zusammenhang war aber ein anderer!)

Deshalb ist dieser Gesetzentwurf falsch. Ich unterstütze ausdrücklich die Entscheidung, dessen Umsetzung in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu verfolgen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Gallert, ich will auf Ihre Aussagen eingehen, die leider dokumentieren, dass Sie auf dem agrarpolitischen Feld nicht sonderlich zu Hause sind.

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Ich will Ihnen gern Nachhilfe geben und will auch gern mit Ihnen Betriebe besuchen.

Erstens. Mit einer Verordnung können sie Preise nicht reglementieren. Das sagt Ihnen jeder Jurist.

Zweitens. Mit Blick auf die Innovationskraft der Betriebe erliegen Sie einem Trugschluss, wenn Sie glauben, nur Größe macht innovativ. Ich kann Ihnen viele andere Beispiele zeigen und bin gern bereit, mit Ihnen solche Betriebe aufzusuchen.

Drittens. Richtig ist, dass die Spitze des Bauernverbandes ihre Bedenken geltend gemacht hat. Richtig ist auch, dass es in jedem Verband unterschiedliche Auffassungen gibt. Richtig ist, dass manche das Gesetz missverstehen oder auch missverstehen wollen.

Wenn Sie von einer kleinteiligen Wirtschaft im Agrarsektor Sachsen-Anhalts sprechen, wo die Betriebe im Durchschnitt sechsmal so groß sind wie im Schnitt der Republik, dann müssten Sie sofort sagen, in Westdeutschland muss die Landwirtschaft völlig dichtgemacht werden, und wenn die Landwirtschaft in Deutschland eine Zukunft hat, dann hat sie im Osten eine Zukunft. Diese Schlussfolgerung ist absolut falsch, lieber Herr Gallert.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Wir treten jetzt in die Debatte ein. Der Minister hat seine Redezeit verdreifacht. Ich bitte, das nicht zum Anlass zu nehmen, es ihm gleich zu tun.

Bevor wir mit dem ersten Debattenredner Herrn Barth für die SPD einsteigen, begrüßen wir Schülerinnen und Schüler des Agricolagymnasiums Hohenmölsen. Seien Sie recht herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Barth, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute nicht das erste Mal, dass wir über die Agrarstrukturen in Sachsen-Anhalt diskutieren. Der Minister hat ausführlich dargelegt, welche Hintergründe dieser Gesetztentwurf hatte. Er hat auch schon am 26. Februar 2015 in seiner Regierungserklärung darauf hingewiesen, dass es darum geht, unsere Landwirtschaft vor börsennotierten Aktiengesellschaften und spekulativen Bodenkäufen durch Nichtlandwirte durch ein Agrarstrukturgesetz zu schützen.

Das durch die Landgesellschaft in Auftrag gegebene Gutachten zum Bodenmarkt gab auch durchaus Anlass, anzunehmen, dass mit einem Agrarstruk

turgesetz gegen Bodenspekulation vorgegangen werden kann.

Hervorheben möchte ich noch einmal den anstehenden Generationswechsel, für den wir in der Landwirtschaft zukunftsorientierte Lösungen brauchen. Dabei geht es insbesondere auch um die Frage, wie es gelingen kann, scheidenden Gesellschaftern einen Austritt aus den Unternehmen zu ermöglichen, ohne dabei Gefahr zu laufen, dass die Unternehmensanteile in Größenordnungen von börsennotierten Aktiengesellschaften erworben werden.

Es gibt also durchaus gute Gründe, die Entwicklungen am Bodenmarkt kritisch zu hinterfragen und nach geeigneten Lösungen zu suchen.

Jetzt komme ich auf ein Thema, über das wir in dem Zusammenhang eigentlich immer mit beraten haben. Bevor der Gesetzentwurf in das Hohe Haus kommt, wollten wir ein Leitbild erstellen. Vor dem Hintergrund bin ich jetzt eigentlich der festen Ansicht, dass es ohne Zweifel hilfreich gewesen wäre, dieses Leitbild dem Gesetzentwurf voranzustellen.

Ich weiß, wir standen unter Zeitdruck. Wir wollten dieses Gesetz noch in dieser Legislaturperiode umsetzen. Aber es hat so richtig keine Diskussion im breiten Rahmen stattgefunden. Wenn wir das gemacht hätten - der festen Überzeugung bin ich -, dann wäre es uns vielleicht sogar gelungen, den Bauernverband und die anderen Verbände, die dem Gesetzentwurf sehr kritisch gegenüberstehen, in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Also, wie gesagt, wir können es jetzt noch nachholen. Vielleicht sollten wir doch einmal darüber reden, welche Landwirtschaft wir in Sachsen-Anhalt haben wollen, und das in einem Leitbild im breiten Konsens, wenn er denn machbar ist, verankern.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Jeder in diesem Hohen Haus, meine sehr verehrten Damen und Herren, weiß, dass ein Gesetzentwurf der Landesregierung, der in den Landtag kommt, nicht im Ursprungszustand wieder aus dem Landtag herauskommt. Vor dem Hintergrund haben wir als SPD-Landtagsfraktion und als Politiker hierzu unsere Änderungswünsche eingebracht.

Einen Punkt hat der Minister schon angesprochen. Das ist die Rolle der Mehrfamilienbetriebe. Wir sind der Meinung, Agrargenossenschaften und GmbHs müssen als Mehrfamilienbetriebe akzeptiert und dementsprechend berücksichtigt werden; denn es kann nicht sein, dass für eine Agrargenossenschaft mit vielen mitarbeitenden Genossen die gleichen Maßstäbe angelegt werden wie für einen Einzelbetrieb.

Mehrfamilienbetriebe sind in der heterogenen Unternehmensstruktur unseres Landes eine Bereicherung, welche sich nicht zuletzt regelmäßig in einer vorbildlichen Berufsausbildung sowie dem Vorhalten überdurchschnittlich vieler Arbeitsplätze äußert. Diesen Betrieben - das muss ich leider hier auch so sagen - nur ansatzweise eine Gefahr für die Agrarstruktur zu unterstellen, ist für uns nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Deshalb halten wir im Gesetz hinsichtlich der Restriktion der Flächenausstattung eine Differenzierung entsprechend der Anzahl der mitarbeitenden Gesellschafter für zwingend erforderlich.

Meine Damen und Herren! Wie gesagt, es gibt noch andere Punkte, die wir in diesem Gesetzentwurf noch hätten ändern wollen. Ich nenne nur die Kompetenzen des Landes beim Handel mit Gesellschaftsteilen, die Wirksamkeit der Preisobergrenze, wenn zum Beispiel die BVVG diese überschreitet, oder den Flächenanteil von Unternehmen an der Gemarkung, über den die Landesregierung nach eigenen Angaben derzeit keinen Überblick hat. Ich verweise auf die Kleine Anfrage von Herrn Krause.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt aber auch Punkte in diesem Entwurf, die wir gut und richtig finden. Ich hatte es schon gesagt. Die Gleichstellung von Genossen und Gesellschaften beim Flächenerwerb war enthalten. In den Abfindungsmöglichkeiten für Boden sehen auch wir eine Alternative zur Veräußerung von Gesellschafteranteilen an Dritte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Rest der Wahlperiode ist für die Einbringung eines Entwurfes eines Agrarstrukturgesetzes, welches von einer breiten Mehrheit getragen wird, deutlich zu kurz. Der Minister hat darauf hingewiesen. Wir haben unseren Alternativantrag so formuliert, dass das Gesetz jetzt nicht beerdigt ist, sondern dass wir weiterhin zu diesem Gesetz in der Diskussion bleiben werden. Das ist nach wie vor auch zwingend notwendig. Ich gehe fest davon aus, dass in der nächsten Legislaturperiode in Sachsen-Anhalt ein Agrarstrukturgesetz kommt.

Ich will auch nur noch einmal darauf hinweisen, wir sind auch - der Minister hat es erwähnt - als Beispielland für ein solches Gesetz bundesweit im Fokus. Ich denke, vor diesem Hintergrund sollten wir uns bemühen, etwas Vernünftiges zustande zu bringen.

In diesem Sinne bitte ich um die Zustimmung zu unserem Alternativantrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Kollege Barth. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Frederking.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit Jahren beklagen neben der Landwirtschaft auch alle Fraktionen, dass die Kauf- und Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen nach oben schnellen. Alle politischen Kräfte erachten regulierende rechtliche Hebel als erforderlich, um eine Preisdämpfung zu erzielen. Das ist die wesentliche Voraussetzung dafür, damit der Boden im Besitz derjenigen bleibt bzw. in die Hände derjenigen kommt, die ihn vor Ort bewirtschaften.

Das bedeutet gleichzeitig, dass außerlandwirtschaftliche Investoren möglichst vom Bodenmarkt fernzuhalten sind; denn sie treiben die Preise nach oben, weil sie den Boden als Spekulationsobjekt betrachten. Zudem fließen ihre Gewinne in aller Regel ab und im ländlichen Raum geht Wertschöpfung verloren. Diese Entwicklung ist falsch und Besorgnis erregend. Alle sind sich darin einig, dass hier Handlungsbedarf besteht.

(Herr Borgwardt, CDU: Das ist schon einmal schön!)

Aber

(Zuruf von Herrn Scheurell, CDU - Unruhe)

Einigkeit herrscht schon nicht mehr bei dem Ziel, das Größenwachstum von Betrieben zu begrenzen. Deshalb ist auch eine breite und tiefe Diskussion mit der Politik und den berufsständischen Vertretungen über die Ziele des Gesetzes und über das landwirtschaftliche Leitbild so wichtig. Herr Barth hat das vorhin schon ausgeführt.

Der mit den berufsständischen Vertretungen diskutierte Entwurf eines Agrarstrukturgesetzes des Landwirtschaftsministeriums hat schon heftigste Kritik erfahren und wird insbesondere vom Bauernverband abgelehnt.

Einige sehen unzulässige Eingriffe bei Eigentum und Pacht und befürchten, dass sich mit den Vorschlägen im Agrarstrukturgesetz die landwirtschaftlichen Betriebe nicht mehr vernünftig entwickeln können. Außerdem wird kritisiert, dass das erste Ziel, bei dem sich alle einig sind, nämlich die Preisdämpfung und die Zurückdrängung von außerlandwirtschaftlichem Kapital, mit den im Gesetzentwurf vorgesehenen Instrumenten nicht erreicht wird.

Meine Fraktion findet den vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE befremdlich, weil per Landtagsbeschluss der Landesregierung der Weg ab

geschnitten werden soll, überhaupt ein Gesetz in den parlamentarischen Raum einzubringen.