Protocol of the Session on July 3, 2015

Zweitens. Strukturpolitik für ländliche Räume heißt für uns, landwirtschaftliche Unternehmen zu fördern, die auf regionale und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe mit einer hohen Wertschöpfung setzen und vielen Menschen Arbeit und Einkommen im ländlichen Raum garantieren. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist ein Kurswechsel in der EU-Agrarpolitik längst überfällig.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Statt öffentliche Mittel wie Direktzahlungen - ich habe das hier im Hohen Hause schon einmal hervorgehoben, aber man muss es immer wieder sagen - nach Hektar zu bemessen, sollten diese Zahlungen vielmehr an das Vorhalten von Arbeitsplätzen und die ökologische Leistung der Unternehmen gebunden sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich höre schon wieder den Vorwurf: DIE LINKE lässt Agrarpolitik zur Sozialpolitik verkommen.

(Herr Leimbach, CDU: Das ist Marktpolitik!)

Bedenken Sie doch nur einmal: Zurzeit erhält ein landwirtschaftliches Unternehmen, welches mit drei Arbeitskräften 900 ha Marktfruchtfläche bewirtschaftet, keine Tiere hält, von November bis Februar eine Winterpause einlegen kann, weil im Wesentlichen die Arbeit erledigt ist, nach Hektar die gleichen öffentlichen Mittel, sprich Direktzahlungen, wie ein landwirtschaftliches Unternehmen gleicher Größe, das 500 Kühe mit Nachzucht hält, Milch produziert, Schweine hält, Schweine schlachtet, vermarktet und verkauft, den regionalen Wirtschaftskreislauf in Gang bringt und darüber hinaus noch Hühner hält und 42 Menschen Arbeit gibt.

(Zuruf von Herrn Daldrup, CDU)

Eigentlich müssten bundesweit die Alarmglocken bei den Rechnungshöfen klingeln.

Ich kann nur abschließend bemerken: Ein Agrarstrukturgesetz, das diesen von mir dargelegten Ansprüchen nicht gerecht wird, wie dieser Entwurf, hat nicht nur seinen Namen nicht verdient, sondern

mehr noch: Ein solcher Entwurf gehört schlichtweg in die Tonne.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es ist gut, dass Sie das auch so erkannt haben. Der Auftrag ist eigentlich erfüllt. Wir hatten das, glaube ich, im Plenum noch nicht, dennoch bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag, um damit öffentlich zu bekunden, dass Sie nach einem langen Diskussionsprozess auch zu dieser Erkenntnis gekommen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr für die Einbringung, Herr Kollege Krause. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Aeikens. Bitte sehr.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herzlichen Dank an die Fraktion DIE LINKE dafür, das Thema Agrarstruktur auf die Tagesordnung des Landtages zu bringen. Dieses Thema Bodenmarkt gehört ins Parlament, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Scheurell, CDU: Jawohl!)

Allerdings - das sage ich auch gleich zu Beginn -: Die Schlussfolgerung, die DIE LINKE zieht, dieses Vorhaben nicht weiter zu verfolgen, ist falsch.

(Zustimmung von Herrn Daldrup, CDU - Zu- ruf von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Warum? - Wir haben ein Bodenrecht, das aus den 50er- und 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts stammt, das Reichssiedlungsgesetz sogar aus den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Wir versuchen also, mit einem Bodenrecht aus einer Zeit, als Kühe mit der Hand gemolken wurden und Pferdefuhrwerke das Bild des Dorfes prägten, Phänomenen des Bodenmarktes im Jahr 2015 zu begegnen.

Der Bundesgerichtshof warnt inzwischen sogar vor einer Delegitimation des Bodenrechts. Vieles wird am geltenden Bodenrecht vorbei gehandelt. Die Verwaltung beschäftigt sich mit Transfers von Flächen in einer Größenordnung von wenigen Hektaren, zum Beispiel damit, ob der örtliche Arzt kauft oder ob diese Flächen über ein Vorkaufsrecht landwirtschaftlichen Betrieben zur Verfügung gestellt werden. Aber wenn 3 000 ha an Aktiengesellschaften oder an außerlandwirtschaftliche Investoren veräußert werden, hat der Staat keine Eingriffsmöglichkeiten; er erfährt es noch nicht

einmal. Das kann doch nicht sein, meine Damen und Herren!

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Herrn Krause, Salzwedel, DIE LINKE)

Seit nunmehr fast 100 Jahren ist in Deutschland der Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke geregelt. Der Boden soll den landwirtschaftlichen Betrieben erhalten bleiben und nicht zum Gegenstand von Spekulationen werden.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Krause, Salzwedel, DIE LINKE: Sie reden am The- ma vorbei!)

Waren es bis 1918 auch Kriegsgewinnler, die auf den landwirtschaftlichen Bodenmarkt drängten und unter anderem Anlass zu einer neuen Regelung gaben, so sind es heute, in Zeiten der Eurokrise und der Globalisierung, zunehmend kapitalkräftige Unternehmen, die nach sicheren Geldanlagen suchen und dadurch eine gesetzliche Neuregelung herausfordern. Landgrabbing, meine Damen und Herren, die Übernahme landwirtschaftlicher Flächen durch externe Investoren in großem Stil, hat inzwischen die Europäische Union erreicht, auch Deutschland und hier insbesondere die neuen Bundesländer. Deshalb beschäftigt das Thema inzwischen auch die Gremien der EU, und das zu Recht.

Die globalen Kapitalanleger machen sich auf dem Bodenmarkt eine Gesetzeslücke zunutze, die das Grundstücksverkehrsgesetz gelassen hat. Die Übernahme von Anteilen und von ganzen Landwirtschaftsbetrieben ist nicht im Grundstücksverkehrsgesetz geregelt. Über diesen nicht kontrollierten Anteilskauf dringen Investoren in die Landwirtschaft ein und tragen dazu bei, dass die Bodenpreise Größenordnungen erreicht haben, die sich mit landwirtschaftlicher Bewirtschaftung nicht mehr rechtfertigen lassen.

(Herr Scheurell, CDU: Das stimmt!)

Außerlandwirtschaftliche Investoren bewirken, dass Wertschöpfung und Steuern aus dem ländlichen Raum abfließen und dass das Geld des Dorfes nicht mehr im Dorf verbleibt, dass unsere Dörfer ihr Gesicht verlieren und die Landwirtschaft an Akzeptanz verliert. Das können, wollen und dürfen wir nicht zulassen, meine Damen und Herren!

(Zustimmung bei der CDU)

Verschwindet die Landwirtschaft in der Anonymität, findet sie immer weniger Akzeptanz. Das Thema Akzeptanz der heutigen Landwirtschaft war übrigens ein Hauptthema des Bauerntages in der letzten Woche in Erfurt.

Ein aktuelles Beispiel: Die börsennotierte KTG Agrar bewirtschaftet nach eigenen Angaben in den neuen Bundesländern ca. 30 000 ha. In SachsenAnhalt ist sie an sechs Standorten engagiert. Nach

Meldungen der „Agrarzeitung“ will die KTG Agrar mithilfe einer portugiesischen Versicherung, einer indirekten Tochtergesellschaft von Fosun International Limited, den chinesischen Markt erschließen. Der neue Aktionär will 620 000 Aktien erwerben. Die Muttergesellschaft Fosun International Limited ist eine global agierende Beteiligungsgesellschaft mit Sitz in Schanghai. Das heißt in diesem Fall: Ein Teil der Wertschöpfung unserer Felder fließt nach Schanghai. Und das ist eine Folge der Schlupflöcher in unserem Grundstücksverkehrsrecht, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Borgwardt, CDU: Genau so ist das!)

Diese Schlupflöcher in unserem Grundstücksverkehrsrecht müssen gestopft werden,

(Zustimmung bei der CDU)

damit die Wertschöpfung unserer Landwirtschaft nicht nach Schanghai oder sonst wohin versickert, sondern den Menschen in unserem ländlichen Raum in unseren Dörfern zugute kommt.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Scheurell, CDU: Jawohl!)

Ich freue mich sehr, dass ein führender ostdeutscher Politiker dieses Problem erkannt hat und nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ vor den Konsequenzen stark gestiegener Bodenpreise in folgender Weise warnt - ich zitiere -:

„Es besorgt mich, wenn internationale Hedgefonds hier in Größenordnungen Zehntausende Hektar kaufen wollen. Da können örtliche Bauern nicht mithalten. Es steht ihre Existenz sowie die Lebensqualität auf dem Lande auf dem Spiel.“

Wissen Sie, wer das gesagt hat? - Bodo Ramelow, der linke Ministerpräsident in Thüringen. Er hat das Problem offenbar besser erkannt als DIE LINKE hier bei uns in Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei und Zurufe von der CDU)

Es gibt auch einen breiten Konsens unter den Verbänden dazu, dass unsere Ursachenanalyse richtig ist und dass wir etwas tun müssen.

Wir sind auch nicht das einzige Bundesland, das über den Bodenmarkt diskutiert. Ich habe diese Thematik kürzlich mit meinen Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg erörtert. Wir sind uns völlig darin einig, dass es diesbezüglich Handlungsbedarf gibt, meine Damen und Herren.

Brandenburg hat inzwischen einen Fünf-PunktePlan vorgelegt, der allerdings nach meiner Einschätzung zu kurz greift, um die erforderliche Wirkung zu entfalten. Es gibt in Bayern eine Diskussion über diese Thematik, ebenso in Niedersach

sen, wo wir beobachten müssen, dass gerade in der Tierhaltung zunehmend Betriebe von Externen übernommen werden und Landwirte nicht mehr das Sagen haben.

Der jüngste Agrarbericht der Bundesregierung widmet einen gesonderten Abschnitt der Bodenmarktfrage, nämlich unter der Überschrift „Den Herausforderungen auf den Bodenmärkten begegnen".

Ebenso hat sich der Deutsche Bauernverband in einem Positionspapier dem Bodenmarkt gewidmet. Ich sehe auch an dieser Stelle eine sehr weitgehende Übereinstimmung.

Zur Vorbereitung unserer Gesetzesinitiative wurden umfängliche Studien herangezogen. Ich bin dem Thünen-Institut in Braunschweig für wesentliche Vorarbeiten dankbar. Auch ein vom Bundesverband der Landgesellschaften in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten hilft uns bei der Bearbeitung dieser Thematik.

Professor Schmidt-De Caluwe aus Halle hat niedergelegt, dass Anteilsverkäufe dem Bodenrecht unterworfen werden können. Eine Bund-LänderArbeitsgruppe hat sich in mehrmonatiger Arbeit intensiv dieser Thematik gewidmet und kommt ebenfalls zu der Schlussfolgerung, dass Handlungsbedarf besteht.

Herr Gallert, Herr Krause, davor können Sie doch nicht die Augen verschließen.