Protocol of the Session on July 2, 2015

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unterrichtsausfall ist an unseren Schulen mittlerweile Alltag. Wenn Sie sich die Zahlen bezogen auf die Landkreise anschauen, werden Sie feststellen, dass wir in einzelnen Landkreisen, vor allen Dingen in den großen Städten Halle und Magdeburg, mittlerweile jenseits der 5 % des Totalausfalles sind.

Wenn Sie noch die Zahl der Fälle hinzunehmen, in denen Unterricht nicht fachgerecht vertreten wird, aber vertreten wird und deshalb nicht als Totalausfall auftaucht, werden diese Zahlen noch einmal

deutlich problematischer. Die Arbeitsverdichtung für die Lehrkräfte nimmt immer weiter zu. Langzeiterkrankungen wurden erwähnt.

Der Minister hat eben nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, dass in den letzten Jahren in SachsenAnhalt an den Schulen eine gute Qualität erzielt wurde

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

und dass Schülerinnen und Schüler gute Werte erreichen, auch im Vergleich zu anderen Ländern.

Vielleicht kommt die Landesregierung einmal auf die Idee, dass es möglicherweise daran liegen könnte, dass wir in den letzten Jahren eine gute Personalausstattung an unseren Schulen hatten. Vielleicht gibt es ja einen Zusammenhang, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben noch einmal erfahren, dass die Ausbildungskapazitäten in Sachsen-Anhalt für den Lehrkräftenachwuchs nicht ausreichend sind.

Ich habe heute von Herrn Güssau von der CDU viele Problembeschreibungen gehört. Sie wissen, dass wir dabei nicht so weit auseinanderliegen. Ich habe jedoch keine klaren Vorschläge dazu gehört, wie Sie der Probleme Herr werden wollen.

Die Situation, die wir jetzt haben, ist nicht vom Himmel gefallen; vielmehr reden wir darüber, dass diese Mangelsituation in der Mitte dieser Legislaturperiode eintreten wird, seit der vorletzten Legislaturperiode, meine Damen und Herren.

Sie haben politisch exakt das Gegenteil gemacht. Sie haben die Ausbildungskapazitäten heruntergefahren - schon nach dem Jahr 2002, gemeinsam mit der FDP. In den letzten beiden Legislaturperioden haben Sie nichts unternommen, um die Personalplanung dieser Landesregierung und die drastischen Kürzungen im Personalbestand strukturell zu verändern. Nichts haben Sie unternommen! Jeden Antrag dazu haben Sie abgelehnt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben auch in den letzten Haushaltsberatungen wieder darauf hingewiesen. Ich wiederhole das zum Schluss noch einmal: Sie können in einer Situation, in der von uns allen ein stabiles Schulnetz gewünscht wird und die Schülerzahlen nicht sinken, keinen weiteren Personalabbau in diesem Land praktizieren. Sie müssen ihn strukturell stoppen.

Es hilft nichts, jedes Jahr nachzusteuern. Dieses Nachsteuern ist jedes Mal ein Eingeständnis, dass Ihre eigentliche politische Zielstellung im Personalbereich absurd und nicht zu erreichen ist. Das

sollten Sie endlich eingestehen. - Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Herr Höhn. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Reinecke. Bitte, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute in diesem Hohen Hause wiederholt mit den Fragen der Unterrichtsversorgung, und das ist auch gut so.

Aus der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU, glaube ich, hat jede Fraktion einen anderen Erkenntnisgewinn. Wir sind der Meinung, die Beantwortung ist eine gute Grundlage für die weitere Analyse der aktuellen personellen Situation und der zukünftigen Entwicklungen an unseren Schulen.

Aus den Prognosen für die Entwicklung der Schülerzahlen und dem erwarteten Ausscheiden von Lehrkräften aus dem aktiven Schuldienst ist der zukünftige Bedarf an neu einzustellenden Lehrern möglichst langfristig und möglichst genau abzuleiten. Insbesondere die Zahl der Lehramtsabsolventen und die Kapazitäten der Referendariate sind zu erhöhen.

Die Aussage, dass nichts passiert ist, kann ich in diesem Raum so nicht stehen lassen. Wenn ich mir anschaue, dass in den Zielvereinbarungen die Öffnungsklausel eingebaut wurde, dann kann man nicht von „nichts“ reden. Das hat der Kultusminister in seiner Rede bereits ausgeführt.

Er hat auch den notwendigen Einsatz von Seiteneinsteigern als Lehrkräfte und ihre berufsbegleitende Qualifizierung beschrieben. Das wird für die nächsten Jahre ein wichtiges Thema sein, auch wenn man es nicht überbewerten soll. Die mir bekannten Beispiele bestärken mich in dieser Forderung.

Auch mit dem Blick auf andere Bundesländer werden wir uns für ein entsprechendes Programm einsetzen. Herr Güssau sprach von einem attraktiven Programm. Ich denke, in dieser Richtung werden wir ansetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Prognosen haben ihre Grenzen. Das wurde von den Vorrednern angesprochen. Wir wissen, dass wir die Geburtenzahlen relativ genau prognostizieren können. Schwieriger ist die Berechnung der durchschnittlichen Verweildauer der Schülerinnen und Schüler im System der allgemeinbildenden Schulen. Sie ist unter anderem von dem Besuch eines dritten Schuljahres hinsichtlich der flexiblen Schul

eingangsphase abhängig. Wir kennen die Entwicklung der Übergangsquote in den Gymnasien.

Das Thema von Schulabschlüssen für Hauptschüler und Hauptschülerinnen hat sich unter dem Stichwort der sogenannten Kooperationsklassen in den letzten Jahren auch entwickelt.

Ebenso schwierig ist die Prognose bei den Lehrkräften. Die Grenzen dieser Prognose lassen sich durch die nicht erwarteten Fluktuationen belegen. Es wurde gesagt, dass 150 Lehrkräfte angegeben wurden, tatsächlich aber 220 unplanmäßig ausgeschieden sind.

Insofern haben das Kultusministerium und auch das Landesschulamt keinen leichten Job. Wir kennen die Anstrengungen von Schulleitungen und Schulverwaltung, im Tagesgeschäft schnell und auch flexibel zu reagieren.

In diesem Zusammenhang ist weiterhin die Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit nicht deutscher Herkunft zu beachten; denn diese wächst.

Inzwischen gibt es konzeptionelle Vorstellungen, wie insbesondere der Erwerb der deutschen Sprache für Kinder mit Migrationshintergrund gesichert werden kann. Ohne Kenntnisse der deutschen Sprache ist ein Bildungsaufstieg für Zuwanderer nicht möglich.

Katrin Budde hat es gestern im Rahmen der Haushaltsrede an dieser Stelle gesagt: Sprache verbindet und gemeinsame Sprache verbindet noch mehr.

Wir wissen, die geopolitischen Ereignisse nehmen weiterhin Einfluss. Wir wissen nicht, wie viele Kinder von Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt zukünftig die Schulen besuchen werden.

Wir haben also unterschiedliche Szenarien, die wir für die zukünftige Entwicklung zu beachten haben, und die große Herausforderung, damit flexibel umgehen zu können.

Einiges in dieser Richtung ist in Sachsen-Anhalt schon geschehen. Noch einmal die Wiederholung: Nichts ist nicht gelaufen. Diese Unterstellung weise ich deutlich von uns.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Erhöhung der Zahl der Neueinstellungen auf 370 Lehrkräfte für das laufende und das kommende Schuljahr wird die Sicherung der Unterrichtsversorgung angestrebt, und erstmalig seit dem Regierungsantritt der großen Koalition wurden mehr Lehrer eingestellt, als ursprünglich im PEK vorgesehen. Dafür hat sich die SPD starkgemacht und wir werden an diesem Thema bleiben.

(Beifall bei der SPD)

Allerdings bleiben noch zu viele ausgeschriebene Stellen mangels geeigneter Bewerbungen unbe

setzt. Auch hierauf wird flexibel reagiert, indem frei gebliebene Stellen in jeder neuen Bewerbungsrunde wieder angeboten werden. Allerdings ist die Werbung von Lehrern auch über die Landesgrenze hinweg zu professionalisieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz der angestrebten durchschnittlich bei 103 % liegenden Unterrichtsversorgung sind Stundenausfälle und nicht fachgerechte Vertretungen nicht vollständig zu vermeiden. Der durchschnittliche Krankenstand wurde angesprochen. Ich habe in einer der letzten Debatten noch einmal darauf abgestellt, dass das Vertretungsmanagement weiterentwickelt werden muss und verbessert werden kann.

Herr Minister Dorgerloh hat Recht, wenn er feststellt, dass sich die Stundenvertretungen und Stundenausfälle nicht gänzlich verhindern lassen, weil das in der Natur der Sache liegt. Es ist nicht planbar, wer wann und wie lange erkrankt.

Seien wir ehrlich und erinnern uns an unsere eigene Schulzeit: Auch damals gab es diese Probleme schon.

Aber richtig ist: Wir tragen die Verantwortung dafür, dass personelle und organisatorische Rahmenbedingungen geschaffen werden, um den Unterrichtsausfall so gering wie möglich zu halten.

Unabhängig davon, was im Haushaltsplan 2015/ 2016 festgelegt wurde, wurde die Zuweisung von Personalverstärkungsmitteln für zusätzliche Personalbedarfe erhöht bzw. ein Vertretungspool mit 100 neu einzustellenden Lehrkräften als sogenannte regionale Vertretungsreserve geschaffen. Damit verringern wir den Unterrichtsausfall.

Es ist positiv anzumerken, dass diese neu eingestellten Lehrkräfte nach zwei Jahren regulär einer Schule zugewiesen werden sollen und weitere 100 Lehrkräfte als sogenannte regionale Vertretungsreserve neu eingestellt werden können. So kommt es in der nächsten Zeit zu einer gewissen Kontinuität für die Arbeit der Schulen.

Es wird sich zeigen müssen, wie sich die Bewerberlage für solche „Feuerwehrstellen“ entwickelt und inwieweit das Fachministerium und das Landesschulamt den Bewerbern im Sinne einer zügigen Besetzung der Stellen entgegenkommen.

Ich benutze den Begriff „Feuerwehr“ sinnbildlich. Dieses Bild besetze ich nicht negativ. Ich habe ein positives Bild; denn gemeint sind nicht die Löschzüge, wenn es brennt; es geht vielmehr um den präventiven Ansatz und Einsatz, um die präventive Aufgabe, die die Feuerwehr auch hat. Das ist ein Weg zu der Lösung, die wir anstreben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über die Herausforderungen, die Möglichkeiten und Grenzen wurde in den bisherigen Beiträgen diskutiert. Ich denke, die dargestellten Probleme sind Pro

blembeschreibungen. Aber es geht darum, darüber hinaus mit Leidenschaft, mit Verantwortung und vor allen Dingen mit Augenmaß dieses Thema weiter voranzubringen. Ich glaube, das richtige Augenmaß ist der schwierigste Part; denn allein der Ruf nach populären Lösungen, den ich hier teilweise höre, bringt uns nicht weiter.

Es wurden Schritte in die richtige Richtung gegangen. Daran anzuknüpfen ist die Aufgabe der regierungstragenden Fraktionen. Ich denke, wir werden mit diesen Unterlagen die Analyse weiter voranbringen. - Vielen Dank.