Protocol of the Session on June 5, 2015

Jetzt frage ich Sie: Wie wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass Deutschland - wir sind nun einmal ein Teil von Deutschland - im Jahr 2020 im Vergleich zu 1990 eine Reduzierung um 40 % erreicht? Das ist die erste Frage.

Was spricht dagegen, sich die Herausforderungen, vor denen wir stehen, vor Augen zu führen, indem wir eigene, auf Sachsen-Anhalt heruntergebrochene Klimaschutzzielen definieren, und uns damit zu verdeutlichen, was wir tun müssen bzw. welche Maßnahmen wir daraus abzuleiten haben?

Frau Frederking, schönen Dank für die Frage. Ich hatte darum gebeten, damit ich noch etwas länger reden darf. Ich beantworte die Frage auch sehr gern; denn das ist eine Frage, die die SPD in den letzten Wochen mehrmals beantwortet hat.

Das Referenzdatum des IPCC liegt bei Mitte der 90er-Jahre, was den Vergleich der Klimaschutzdaten angeht. Wir nehmen immer Bezug auf 1990. Es ist völlig unbestritten, dass in den neuen Bundesländern gerade in den ersten Jahren nach der Wende viel Industrie abgeschaltet wurde, viele Kraftwerke vom Netz genommen wurden. Deswegen waren die Ziele sehr schnell erreicht; denn

man hat viele CO2-Emittenten sehr schnell vom Netz genommen.

Wenn Sie heute sagen, wir müssten in der gleichen Geschwindigkeit weitermachen, dann kann man das tun. Das ist ein hehrer Anspruch. Fakt ist aber, dass Sie unsere Wirtschaft damit in ein ungleich schwierigeres Fahrwasser bringen als etwa die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Wenn man dort ein oder zwei Braunkohlekraftwerke vom Netz nimmt, dann erreicht man dort wirklich etwas; denn dort stehen noch richtig alte Kamellen, was bei uns schon lange nicht mehr der Fall ist.

Das ist für uns ein Problem; damit verursachen wir für unsere Wirtschaft einen zusätzlichen Nachteil. Das möchte ich nicht; denn auf diese Art und Weise entsiedeln wir die neuen Bundesländer noch weiter. Das kann nicht Ziel und Zweck der Politik sein.

(Zustimmung bei der SPD)

Das ist auch nicht Ziel und Zweck der Umweltpolitik, die ich betreiben möchte. Wir möchten die Umwelt für die Menschen gestalten. Wir möchten nicht die Umwelt ohne die Menschen gestalten; denn die verlassen dann das Land.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Kollege Bergmann. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Lüderitz. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch für mich bleiben nach der Einbringung mehr Fragezeichen als Antworten, was diesen Antrag betrifft. Die Bezeichnung Antrag ist wohl eher unserer Geschäftsordnung geschuldet.

(Herr Striegel, GRÜNE: Ja, wir halten uns meistens daran!)

Das, was uns vorliegt, ist ein wahlprogrammähnliches Dokument oder ein - so will ich es sagen - Dietmar-Weihrich-Memorandum. Kollege Weihrich, auch den Weltumwelttag kann man als Begründung für diesen Antrag allein nicht gelten lassen.

Lieber Dietmar Weihrich, in meiner Fraktion hat man mir am Dienstag damit gedroht, diesen Antrag zu überweisen. Ich war fast froh, dass das bei einem Antrag nur mit Mehrheit möglich ist. Es hätte Ihrerseits eines Gesetzentwurfs bedurft, wenn wir mit den Stimmen unserer beiden Fraktionen eine Überweisung hätten stemmen wollen. Dann wäre auch ich etwas in Erklärungsnöte gekommen, obwohl - das will ich hier auch in aller Deutlichkeit sagen - wir bei vielen inhaltlichen Dingen zu 90 % die gleiche Auffassung haben, was die Umsetzung von Natur- und Umweltschutzpolitik in der jetzigen

Legislaturperiode betrifft. Dabei sind wir nicht sehr weit auseinander. Aber ob man das in dieser Form machen sollte, das würde ich mit einem großen Fragezeichen versehen.

Man stelle sich vor, dieser Antrag wäre im Ausschuss. Ich frage einmal den jetzigen Vorsitzenden, wie er denn eine Berichterstattung dazu praktikabel durchführen wollte, vielleicht noch mit nachgeordneten Behörden. Das beträfe fast das komplette Themenspektrum unseres Ausschusses. Es beträfe auch unzählige Anträge, die sich noch immer im Geschäftsgang befinden. Das wäre parlamentarisch sehr schwer handhabbar. Ich denke, das wissen Sie.

Letztlich soll damit eine Veränderung der bisherigen Umweltpolitik erreicht werden. Das ist logischerweise auch unsere Auffassung. Auch wir sind mit dem jetzt Erreichten nicht zufrieden. Dies zum jetzigen Zeitpunkt zu erreichen, erscheint mir aber eher unwahrscheinlich. Darüber wäre dann eventuell nach dem 13. März 2016 zu reden. Ich würde diesen Antrag als einen guten Merkposten ansehen, um diese Dinge dann abzuarbeiten.

(Herr Borgwardt, CDU: In den Koalitionsver- handlungen!)

Noch vier Anmerkungen inhaltlicher Natur. Einige Dinge hat Kollege Bergmann schon vorweggenommen. Ich möchte nur kurz auf einige Dinge eingehen. Auch ich halte die Zielstellung, bis 2021 die Gewässergüte in Gänze auf einen guten ökologischen Zustand zu heben, für überaus optimistisch und für - das wissen Sie auch sehr gut - fachlich eigentlich nicht erreichbar. Wir müssen den Zeitkorridor mindestens bis 2027 setzen. Selbst bis dahin wird es aus rein hydrologischen Gründen kaum möglich sein, alle Gewässer in einen guten ökologischen Zustand zu versetzen.

Zum Bodenschutz und zu dem Null-Hektar-Ziel. Auch ich weiß, dass es in unseren beiden Parteien immer wieder diese Forderung gibt. Man kann, wie es der Minister gemacht hat, die Flächeninanspruchnahme schönrechnen und versuchen, das mit statistischen Tricks hinzukriegen. Aber realistisch ist es nicht, die Flächeninanspruchnahme auf null Hektar zu reduzieren. Denn das funktioniert ganz einfach nicht.

(Herr Borgwardt, CDU: Das glaubt ihr selber nicht!)

Unter Punkt 5 - auch das hat Kollege Bergmann kurz angerissen - haben Sie nur die Deichrückverlegung in den Fokus genommen. Das ist doch etwas zu kurz gesprungen. Für uns sind Polder unverzichtbar.

Sie versuchen, in der Umweltpolitik ein umfängliches Bild zu zeichnen. Dazu habe ich noch eine letzte Anmerkung: Den Nachhaltigkeitsbeirat und ein vernünftiges und belastbares Nachhaltigkeits

konzept nicht zu erwähnen, das finde ich ganz einfach schade. Diesbezüglich hätten Sie bei uns ruhig einmal eine Anleihe nehmen können.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Lieber Dietmar Weihrich, danke für den Merkpostenantrag. Ich gehe jedoch davon aus, dass er heute keiner Mehrheit erhalten wird. Auch wir werden uns dazu nur der Stimme enthalten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Kollege Lüderitz. - Für die CDUFraktion spricht der Abgeordnete Herr Leimbach. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Es ist zwar schönes Wetter draußen, und es gibt noch einige Tagesordnungspunkte, die uns vom Wochenende trennen, aber der Antrag der GRÜNEN ist so merkwürdig, dass ich doch mehr Worte als eigentlich beabsichtigt dafür benötige.

Nach unserer Auffassung ist der Antrag diffus. Und dies ist die freundliche Version; denn ich nehme es doch eher als einen Nachlass wahr,

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

- Sie müssen sich noch nicht aufregen; das Beste kommt noch -, der mit der heißen Nadel gestrickt ist und eigentlich keine praktische Substanz hat. Deswegen es richtig, ihn abzulehnen.

(Zuruf von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Ich hatte auch den Eindruck, dass sich der Antrag offensichtlich nicht an uns Fachpolitiker richtet, nicht einmal an Kollegen, die einen Einblick bekommen wollen, nicht einmal an interessierte Journalisten, sondern wahrscheinlich an abwesende und unbeteiligte Beobachter, die in Unkenntnis der Themenvielfalt und der Sorgfalt bei unserer bisherigen Arbeit im Ausschuss, aber auch der, wie ich finde, guten Arbeit der Landesregierung, irrig glauben könnten, den GRÜNEN sei hiermit ein großer, komplexer Wurf gelungen. Das ist in Anbetracht des schönen Wetters doppelt ärgerlich.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD)

Wenn es zu einer Überweisung gekommen wäre, dann hätten wir uns unter Zurückstellung vieler anderer wichtiger Themen im Umweltausschuss und wahrscheinlich auch in vielen anderen zu beteiligenden Ausschüssen bis zum Ende der Wahlperiode mit dem Sammelsurium an Fachthemen unentwegt beschäftigen können, die Sie in Ihrem Antrag aufgezählt haben. Es scheint auch fast das Ziel dieses Antrages gewesen zu sein, ein Beschäftigungsprogramm quasi in Abwesenheit zu

organisieren; denn Sie haben die Worte „Agenda für die nächsten Monate“ benutzt.

Übrigens finde ich, dass der Kollege Daldrup Recht hatte, als er einwandte, dass der Lebensraumtyp Mensch in Ihrer gesamten Agenda überhaupt nicht vorgekommen ist.

Dann hätten wir also zu der Sitzung des Umweltausschusses regelmäßig wegen der Themenvielfalt das halbe Ministerium zum Bericht und Rapport einbestellt.

(Herr Borgwardt, CDU: Und Anhörungen!)

Wenn es Ziel war, Arbeitsbeschaffung oder gar systematische Überlastung zu organisieren, dann hätte der Antrag das Zeug zu dieser Zielerreichung gehabt.

Wir sind uns darin einig, lieber Herr Kollege Weihrich, dass viele Sätze in diesem Antrag wahr und auch richtig sind. Aber die Schlussfolgerungen, die Sie daraus ziehen, und die Beispiele, die Sie in Ihrer Rede erwähnt haben, tragen Ihren Antrag genauso wenig wie die Begründung. Diese ist übrigens - wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben - so schwach, dass man sich manchmal fragen muss, ob die Begründung nur hinterhergeschoben wurde, weil man eine braucht, oder ob sie tatsächlich die einzelnen Gliederungspunkte tragen soll - das tut sie nicht.

Schon im zweiten Satz ist zu erkennen, was, wie ich glaube, das Credo des Antrages ist: die Landesregierung einmal richtig Maß zu nehmen. Sie kritisieren sie, ohne irgendwie zu belegen, dass Ihre Kritik berechtigt wäre. Natürlich werden auch Punkte benannt, die in der Wahlperiode noch nicht zur vollständigen Befriedigung der GRÜNEN beigetragen haben. Aber die meisten dieser Punkte liegen vorrangig im Kompetenzbereich des Bundes und der Europäischen Union.

Sie selbst räumen das ein, indem Sie sagen, dass wir zum Beispiel eine nationale Klimastrategie brauchen. Das hat aber mit dem Bundesland Sachsen-Anhalt herzlich wenig zu tun. Sie mögen im Nachhinein bedauern, dass Ihr Klimaschutzgesetz abgelehnt wurde, aber das sind die Realitäten, mit denen Sie sich - jedenfalls im Moment - anfreunden müssen.

Es werden Punkte benannt, die einen richtigen Inhalt beschreiben. Aber zu sagen, dass die Umsetzung der Deichrückverlegungen innerhalb von zehn Jahren wünschenswert sei, das hat auch ein gewisses Maß an Realitätsverdrängung zum Inhalt. Wenn Sie wissen, wie lange Naturschutzverbände, die sich mit aller Unterstützung um Musterprojekte kümmern, brauchen, um diesbezüglich überhaupt einen gesellschaftlichen Konsens zu erzielen, dann sind zehn Jahre eine absolut unrealistische Perspektive. Deswegen ist es auch richtig, dass dieser Antrag heute abgelehnt wird.

Wir brauchen meiner Meinung nach auch keine komplexe Natur- und Umweltschutzstrategie, ein weiteres Papiermonster mit überbordenden Bürokratieungetümen. Wir glauben, dass wir diese Themen fachlich und spezifisch sehr viel besser umsetzen können.

Aber eines muss ich Ihnen sagen: Sie haben mich mit einem Detail in Ihrer Begründung ernsthaft bezaubert.

(Herr Striegel, GRÜNE: Oh!)

Ihr Vorschlag zu einem Erfahrungsaustausch mit Kalifornien hat das Ministerium geradezu begeistert - das vermute ich jedenfalls. Bei diesem Erfahrungsaustausch wäre zu vermuten, dass der Kohlendioxidausstoß der Hin- und Rückflüge den gesamten Wert des Erfahrungszuwachses leicht kompensieren könnte.

(Zuruf von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE - Zustimmung bei der SPD)