Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 91. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode, begrüße alle Mitglieder des Hohen Hauses und Gäste herzlich und stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.
Ich kann zum Auftakt mit einer frohen Botschaft aufwarten: Ein langjähriger, geschätzter Kollege dieses Hohen Hauses hat uns heute eingeladen, an seinem Geburtstag über ernsthafte Themen zu beraten.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Norbert Born! Glück und Gottes Segen! Alles Gute im Namen dieses Hohen Hauses!
Da er gesagt hat, wir sollen zügig weiterarbeiten, er will nach Hause, die Familie wartet, werden wir dies tun.
Wir setzen die 44. Sitzungsperiode fort und beginnen die heutige Beratung mit zwei Aktuellen Debatten, den Tagesordnungspunkten 6 und 27.
In der Aktuellen Debatte zu dem Thema beträgt die Redezeit je Fraktion zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Es wurde die folgende Reihenfolge vereinbart: SPD, DIE LINKE, CDU, GRÜNE.
Zunächst hat die Antragstellerin das Wort. Für die Fraktion der SPD spricht Abgeordneter Herr Steppuhn.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gute Arbeit sorgt für Fachkräftesicherung und Wirtschaftswachstum. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik braucht gute Arbeit. - Mit dieser Kernaussage möchte ich die heutige Debatte zum Thema „Gute Arbeit“ beginnen.
Eine vorwärts gerichtete Entwicklung der Arbeitsbedingungen und Einkommen ist ein Garant für eine positive Wirtschaftsentwicklung im Land. Nur wer mit Leidenschaft gute Arbeit im Land fördert, der kann auch eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik gestalten.
Dem DGB und seinen Gewerkschaften ist dafür zu danken, dass sie im Rahmen des DGB-Index Gute Arbeit in Sachsen-Anhalt mit einer auf einer Beschäftigtenbefragung basierenden Studie Anfang 2015 auf aktuelle Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt aufmerksam gemacht haben. Dies war für uns auch Anlass, diese Debatte heute anzumelden und zu führen.
Im Ergebnis der Studie ist deutlich geworden: Sachsen-Anhalt darf kein Billiglohnland mehr sein und muss zusehen, dass der begonnene Aufwärtstrend bei der Einkommensentwicklung fortgesetzt wird.
Meine Damen und Herren! Ich bin der festen Überzeugung, Fachkräfte wirbt man nicht am Stammtisch in Baden-Württemberg, sondern mit einem positiven Image von guter Arbeit und attraktiven Arbeits- und Lebensbedingungen im eigenen Land.
Meine Damen und Herren! Auch mit „Früher Aufstehen!“ kann man keine jungen Fachkräfte mit ihren Familien ins Land locken.
Meine Damen und Herren! Fachkräfte ins Land holen, Fachkräfte anziehen - dies geht nur mit dem, was zwischen Daumen und Zeigefinger herauskommt, und mit attraktiven Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel einem lebenswerten Umfeld, einer guten Kinderbetreuung, mit Familienfreundlichkeit, Gesundheitsförderung und attraktiven Weiterbildungsmöglichkeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Meine Damen und Herren! Zu der Debatte zum Thema „Gute Arbeit“ gehört natürlich der Mindestlohn. Wir als Sozialdemokraten sind froh darüber, dass der Mindestlohn zum 12. Januar 2015 eingeführt worden ist.
All diejenigen, die sich Sorgen darüber gemacht haben, dass die Arbeitslosigkeit steigt, sei gesagt - Herr Professor Sinn hat davon gesprochen, eine Million Arbeitsplätze geht verloren -: Auch wenn die Zahlen vielleicht noch nicht so belastbar sind, kann man jedenfalls für Sachsen-Anhalt, aber auch in Gesamtdeutschland feststellen: Die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeits
die klassische Niedriglohnbeschäftigung, gleichzeitig nimmt die sozialversicherungspflichtige Teilzeitarbeit zu, meine Damen und Herren. - Dazu sage ich: Das war ein gewollter Effekt. Es ist gut so, dass das passiert.
Wir werden die Arbeitsmarktzahlen im Verlauf des Jahres weiter beobachten. Aber ich glaube, wir können sagen: Der Mindestlohn wirkt; es gibt mehr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Alle, die geschrien haben, Arbeitsplätze werden vernichtet oder Mindestlöhne schaden der Wirtschaft, sind heute, glaube ich, zumindest eines Besseren belehrt. Wir können stolz darauf sein, dass sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Er ist nicht nur stabil, sondern er entwickelt sich nach vorn.
Meine Damen und Herren! Wirtschaft und Arbeit müssen zukünftig wieder mehr zusammengedacht werden. Deshalb brauchen wir nicht nur eine Weiterentwicklung des Vergabegesetzes, sondern auch eine Weiterentwicklung der GRW-Richtlinie.
Die Forderungen der Sozialdemokraten, wie wir die GRW-Richtlinie auch mit sozialen Kriterien, mit Leben erfüllen, liegen auf dem Tisch. Ich glaube, das ist ein Thema, das wir uns ernsthaft vornehmen werden, auch in der nächsten Legislaturperiode.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, ein ganz entscheidendes Thema für die Zukunft wird sein, dass wir mehr für die Ausbildung und für die Weiterbildung tun. Ich glaube, hierbei sind die Unternehmen zunächst selbst gefragt. Ich glaube, es ist auch an der Zeit, dass wir in Sachsen-Anhalt ein Weiterbildungsgesetz bekommen, das zum Beispiel auch die berufliche Weiterbildung sehr stark regelt; denn wer Fachkräfte für die Zukunft sichern will, muss etwas für die Weiterbildung tun, muss etwas für die Ausbildung tun. Ich glaube, dies ist ein Thema, das uns gerade in der nächsten Zeit sehr beschäftigen wird. Deshalb ist es richtig, auch in diesen Bereich zu investieren.
Dazu gehört, dass unser Land für eine vorbildliche Sozialpartnerschaft, für eine Stärkung der Tariflandschaft und für mehr Demokratie durch mehr Mitbestimmung in den Betrieben eintritt. Hierbei setzen wir insbesondere auf einen Branchendialog der Landesregierung mit den Sozialpartnern.
Sehr oft wird das Beispiel des Branchendialoges in der Chemieindustrie erwähnt. Ich glaube, gerade daran wird deutlich, wie gut es einer wirtschaftlichen Entwicklung tun kann, wenn Sozialpartner in einer Branche zusammenarbeiten.
Ich sage sehr deutlich: Wir brauchen einen Branchendialog in allen Branchen. Auch das muss Wirtschaftspolitik leisten: diesen Branchendialog zu organisieren, zu unterstützen, und zwar nicht nur in der Chemieindustrie, sondern in allen Branchen. Das, glaube ich, muss der Ansatz sein.
Meine Damen und Herren! Wirtschaftspolitische Sonntagsreden und marktradikale Sprüche allein bringen unser Land nicht voran. Das, was wir in unserem Land brauchen, ist eine gute und vorwärtsgerichtete Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik.
Arbeitsmarktpolitisch läuft es bereits. Die Wirtschaftspolitik hinkt noch ein wenig hinterher. Deshalb haben wir Sozialdemokraten - das ist bekannt - etwas andere Vorstellungen von der Wirtschaftspolitik, als sie im Moment bei uns im Land betrieben wird.
Meine Damen und Herren! Gute Arbeit braucht das Land. Fachkräftesicherung ist, glaube ich, das, worum es zukünftig gehen wird, wenn wir sagen, dass wir die Wirtschaft voranbringen und Wirtschaftswachstum wollen. Deshalb gibt es verschiedene Bausteine, die anzupacken sind; einige habe ich genannt.
Das Wichtigste ist - davon bin ich fest überzeugt -: Wir brauchen eine vorwärtsgerichtete Einkommensentwicklung. Die Einkommen müssen besser werden. Mindestlohn ist das eine. Aber ich glaube, wir müssen gerade in den Branchen, in denen es absehbar einen deutlichen Fachkräftebedarf gibt, dafür sorgen und diese Prozesse unterstützen, damit es positive Einkommensentwicklungen gibt.
Es gibt sehr viele Bereiche, in denen mittlerweile eine Einkommensentwicklung erreicht ist, die nahezu dem Westniveau entspricht. Aber es gibt auch Bereiche, in denen noch vieles zu tun ist. Dabei schaue ich insbesondere auf das Handwerk.
Wenn wir uns einmal die Industriebereiche und die Handwerksbereiche anschauen, dann stellen wir fest: Es gibt noch eklatante Unterschiede, auch bei den Einkommen. Daher sage ich sehr deutlich: Das Handwerk steht mit der Industrie in einem Wettbewerb um Fachkräfte. Daher gibt es, gerade was die Einkommensentwicklung im Handwerk anbelangt, noch einiges zu tun.