Danke schön. - Wir können Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule „Völkerfreundschaft“ in Köthen hier im Hause willkommen heißen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines ist festzuhalten: Das Problem, das angeblich Anlass für dieses Gesetz war, gibt es gar nicht. Auch nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Jahr 2010 sind die kleinen Gewerkschaften nicht wie Pilze aus dem Boden geschossen. Auch heute noch ist die Bundesrepublik Deutschland und damit auch Sachsen-Anhalt ein Land, in dem unterdurchschnittlich häufig gestreikt wird.
Deswegen: Das Tarifeinheitsgesetz braucht es nicht. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gehört ganz klar zu denen, die sagen: Dieses Gesetz ist verfassungsrechtlich äußerst bedenklich, weil es die Koalitionsfreiheit einschränkt und weil es das Streikrecht gefährdet.
Damit gefährdet es am Ende auch den Betriebsfrieden. Das ist der Ertrag dieses Gesetzes. Ich muss schon sagen, dass - wie soll ich es ausdrücken? - es mich schon unangenehm berührt hat, dass es gerade eine SPD-Ministerin ist, die ein solches verfassungsrechtlich bedenkliches Gesetz auf den Weg bringt.
Kurz und gut. Lassen Sie es mich so zusammenfassen: Das Tarifeinheitsgesetz schießt mit verfassungswidrigen Kanonen auf Phantome.
Wir haben aber natürlich ein Problem. Wir haben ein Problem, das so aussieht, dass die Betriebe zunehmend zersplittern, dass die prekären Arbeitsbedingungen zunehmen. Ein Betrieb - eine Gewerkschaft, das ist schon lange nicht mehr die Realität bei uns im Land. Das hat aber ganz andere Ursachen. Das hat die Ursache, dass die Arbeitgeber häufig sehr kreativ darin sind, wenn es darum geht, den Kündigungsschutz zu umgehen, die betriebliche Mitbestimmung auszuhöhlen oder die tarifliche Bezahlung zu vermeiden. Deswegen sagen wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sehr klar: Das müssen wir auf Bundesebene anpacken.
Wir haben einmal das Problem der Leiharbeit, bei dem wir sehr deutlich sagen, Equal Pay vom ersten Tag an plus 10 % Flexibilitätszuschlag.
Wenn der Arbeitgeber das Arbeitsmarktrisiko auf den Arbeitnehmer abwälzt, dann muss er auch in der Lage sein, dieses Flexibilitätsrisiko zu vergüten.
Wenn ich in der letzten Zeit mit Gewerkschaften gesprochen habe, dann beklagten sie häufig vor allen Dingen die Flucht in die Werkverträge. Sie sagen: Das ist im Moment das Mittel der Wahl, mit dem Mitbestimmung und Tarifeinheit umgangen werden. Deswegen sagen wir sehr klar: Die Werkverträge müssen in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz aufgenommen werden, damit klar definiert wird, was eigentlich Werkverträge sind. Natürlich müssen auch die Betriebsräte bei den Werkverträgen beteiligt werden.
Wir brauchen auch eine bessere Kontrolle von Leiharbeit und Werkverträgen. Deswegen braucht es eine Personalaufstockung bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, damit diesen sogenannten Auswegen ein Riegel vorgeschoben wird.
Herr Thiel, Sie haben es bei der Einbringung schont erwähnt: Wir brauchen auch eine Abschaffung der sachgrundlosen Befristung. Denn das ist schlichter Unsinn. Das muss weg.
Natürlich muss auch das Land das Seinige tun. Die Landesregierung muss Verantwortung übernehmen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für eine sozial-ökologische Erneuerung. Wir wollen sozial-ökologische Standards haben. Dazu gehören natürlich die Bedingungen guter Arbeit und tarifgerechter Bezahlung. Deswegen sagen wir klar: Wo Landesgeld drin ist, müssen auch sozialökologische Standards drin sein.
Das betrifft das Vergabegesetz. Das betrifft die Wirtschaftsförderung. Das betrifft die Finanzierung von Projekten und Institutionen. Überall dort müssen wir als Land, muss die Landesregierung Verantwortung übernehmen und dafür sorgen, dass Bedingungen guter Arbeit und tarifgerechte Bezahlung selbstverständlich werden.
Insofern: Danke, liebe Kolleginnen und Kollegen, für den Antrag, dem wir natürlich gern zustimmen werden. Ich sage: Lassen Sie uns die tatsächlichen Probleme auf dem Arbeitsmarkt lösen, anstatt Phantome mit verfassungswidrigen Mitteln zu jagen. Wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, lehnen jede Aushöhlung der Arbeitnehmerrechte ab. Wir streiten für gute Arbeit in Sachsen-Anhalt. - Herzlichen Dank.
Danke schön, Frau Kollegin Dalbert. - Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Steppuhn.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin schon ein wenig verwundert, was Herr Kollege Thiel und auch Frau Kollegin Dalbert in diese Debatte zum Tarifeinheitsgesetz hineininterpretieren.
Ich glaube, es ist durchaus ein Gesetz, das die Tarifautonomie und auch die Sozialpartner in diesen Bereichen deutlich stärkt.
Ich gebe aber durchaus zu, dass es immer auch eine sensible Debatte ist, wenn man über das Streikrecht redet und wenn man über die Tarifeinheit in Branchen und in Unternehmen diskutiert und daran Veränderungen vornehmen will.
Herr Minister Bischoff hat es am Anfang seiner Rede gesagt: Dieses Tarifeinheitsgesetz, diese Veränderungen gehen auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2010 zurück. Ich erinnere mich daran, dass es im Jahr 2010 bei der LINKEN einen Vorsitzenden gegeben hat, der Klaus Ernst hieß. Er ist noch heute Bundestagsabgeordneter. Herr Präsident, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, was Herr Ernst im Jahr 2010 gesagt hat. Er hat gesagt:
„Das Bundesarbeitsgericht hat einen Grundpfeiler des deutschen Tarifrechts gekippt. Die Politik muss jetzt umgehend reagieren und die Gesetzeslücke schließen. Es darf nicht sein, dass etwa sogenannte christliche Gewerkschaften Gefälligkeitstarifverträge für ein paar wenige abschließen und der ganze Betrieb muss darunter leiden. Das gefährdet den innerbetrieblichen Frieden und kann ganze Belegschaften spalten.“
„Die Bundesregierung muss jetzt umgehend die Gesetzeslücke schließen. Dazu hat der DGB einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt.“
Ich möchte auch daran erinnern - von daher lohnt es sich auch, mit den Gewerkschaften darüber zu diskutieren; ich kenne die Historie hier in SachsenAnhalt auch ein bisschen, zumindest seit 24 Jahren -: Wir haben insbesondere in den 90er-Jahren beklagt, dass damals die christlichen Gewerkschaften, sogenannte Pseudogewerkschaften, die eigentlich keine Gewerkschaften sind, mit ein paar wenigen Mitgliedern Tarifverträge abgeschlossen haben, zum Beispiel im Metallhandwerk, und dass diese Tarifverträge Gültigkeit erlangt haben und dazu geführt haben, dass die IG Metall nicht in die Betriebe hineingekommen ist, um dort Tarifpolitik zu machen. Das ist damals der Grund dafür gewesen, dass man diese Tarifeinheit immer wieder angemahnt hat.
Ich weiß natürlich auch, dass es zwischen den Gewerkschaften unterschiedliche Auffassungen dazu gibt. Aber die große Mehrheit der DGB-Gewerkschaften - bis auf Ver.di - will dieses Tarifeinheitsgesetz. Ich glaube, es gibt eine Menge guter Argumente dafür, warum das jetzt so gemacht worden ist, wie es sich darstellt.
Ich möchte auch daran erinnern, dass es hierbei nicht nur um die GDL und den Bahnstreik geht, wobei mich daran einiges wundert. Ich möchte daran erinnern, dass die GDL einmal eine reine Beamtengewerkschaft war. Erst als man den Beamten gesagt hat: Ihr seid jetzt keine Beamten mehr, weil wir mit der Bahn eigentlich etwas anderes vorhaben, hat diese Bahngewerkschaft das Streikrecht für ihre Beschäftigten bekommen. Das kritisiere ich nicht.
Was ich kritisiere, ist, dass dadurch zwei Gewerkschaften in einem Betrieb, in einem Unternehmen entstanden sind. Von diesen ist die EVG, die DGBGewerkschaft, eigentlich die größere; doch die GDL, die damals nur für die Lokführer zuständig war, sagt: Wir wollen aber auch für die gesamte Belegschaft zuständig sein. Wie soll das ausgehen, wenn eine Gewerkschaft besser sein will als die andere? Gibt es in jedem Jahr Tarifverhandlungen, bei denen es darum geht, welche die bessere Gewerkschaft ist? - Von daher ist, glaube ich, dieses Tarifeinheitsgesetz an dieser Stelle genau richtig und muss zu Ergebnissen führen.
Ich möchte all das hier eigentlich gar nicht auswerten, aber wenn man einmal betrachtet, was dort stattfindet - - Ich weiß nicht, ob die Kolleginnen und Kollegen von der CDU das wissen: Herr Weselsky ist CDU-Mitglied
(Herr Schröder, CDU: Die SPD sitzt auf der anderen Seite! Es geht quer durch alle Par- teien! Jetzt brauchen wir noch einen von den GRÜNEN!)