Protocol of the Session on June 4, 2015

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Striegel hat eine Nachfrage, Herr Minister.

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Sie haben gestern gegenüber der „Mitteldeutschen Zeitung“ gesagt, dass aus Ihrer Sicht ein Migrationsanteil von 10 bis 15 % für Sachsen-Anhalt notwendig ist. Sie haben das soeben in Ihrer Rede wiederholt. Ich stolpere insofern über Ihre Ausführungen, als ich nicht verstehe, wie wir das erreichen können. Wir müssen einen solchen Anteil erreichen. Sie selbst haben darauf verwiesen, dass wir künftig Fachkräfte brauchen. Wie können wir das erreichen, wenn wir nicht bereit sind, die Flexibilität zu entwickeln, zwischen den verschiedenen Formen von Zuwanderung zu wechseln? - Sie haben jetzt wiederholt gesagt, dass das Asylverfahren auf Schutz und eben nicht auf einen Arbeitsmarktzugang abzielt.

Meine zweite Frage betrifft konkret den Fall, den Herr Herbst vorgetragen hat. Wären Sie denn bereit, sich dieses Falles und ähnlich gelagerter Fälle auch persönlich anzunehmen, sodass Herr Yakhayev tatsächlich die Möglichkeit bekommt, seinen Schulabschluss zu machen und das zu erreichen, was Sie immer wieder propagieren, nämlich eine buntere, weltoffenere, unterschiedlichere und vielfältigere Polizei in Sachsen-Anhalt und gleichzeitig eine Zukunftsperspektive für junge Migranten in Sachsen-Anhalt zu ermöglichen?

Ich fange einmal mit dem zweiten Teil Ihrer Frage an. Wir wünschen uns auch einen höheren Anteil an Polizistinnen mit Migrationshintergrund, um interkulturelle Konflikte, die es gibt, vernünftig zu managen. Das ist eine ganz klare Aussage. Ich halte das für gut und richtig. Mit dieser Meinung bin ich übrigens nicht allein. Das sieht die gesamte Polizeiführung so.

Was Einzelfälle angeht, kann ich von hier aus schwerlich etwas dazu sagen. Das ist auch klar. Ich denke, darüber werden wir uns unterhalten. Wir werden Frau Dieckmann bitten, diesen Fall noch einmal zu prüfen; das ist völlig klar.

Ihre erste Frage ist vielschichtiger. Ich wiederhole mich jetzt und fange einmal beim Asyl an. Ich bin der Auffassung, dass es selbstverständlich ist, dass wir denjenigen, die zu uns kommen, weil sie ein Schutzbedürfnis nach Artikel 16 des Grundgesetzes und nach den Konventionen haben, Schutz bieten,

(Zustimmung bei der CDU)

und zwar nicht nur deshalb, weil es im Gesetz steht, sondern weil es eine humanitäre Verpflichtung ist, den Menschen zu helfen, die vor Krieg und Folter fliehen.

(Herr Weigelt, CDU: So ist es!)

Wir haben alles zu tun, was zu einer vernünftigen Integration beiträgt, um eine Willkommens- und Ankommenskultur zu schaffen und diese Menschen so schnell wie möglich in Arbeit zu bringen und auch dafür zu sorgen, dass sie unsere Sprache sprechen. Denn Deutschland ist ein monolinguales Land; das ist einfach so. Viele der Asylsuchenden sind bilingual. Bei uns ist jedoch die Sprache Deutsch. Dazu gehört, dass nicht nur wir ihre Kultur verstehen, sondern dass auch sie unsere Kultur akzeptieren; denn Integration ist keine Einbahnstraße. Das funktioniert nur von beiden Seiten aus.

Dann gibt es den zweiten Teil. Ich betone: Wir reden jetzt nur über Asyl. Ich sage ganz deutlich: Diejenigen, die keinen Asylgrund haben und zu uns kommen, die haben Deutschland auch wieder zu verlassen. Das ist ganz einfach.

(Zustimmung bei der CDU)

Denn das ist - ich komme nachher noch auf die Flexibilität zu sprechen - für mich auch eine Frage des sozialen Friedens. Ich nenne einmal ein Beispiel, auch wenn es vielleicht etwas weit hergeholt ist. Wenn Sie in einer Straße, in der als Höchstgeschwindigkeit 50 km/h zugelassen sind, mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h fahren, dann bekommen Sie einen Bußgeldbescheid, weil geltendes Recht angewendet wird. Darüber diskutiert hier auch niemand. Wenn nach der geltenden Rechtslage derjenige, der keinen Asylgrund hat, Deutschland wieder zu verlassen hat, und wir wenden das Recht nicht mehr an, dann versteht derjenige, bei dem Recht angewendet wird, nicht mehr, warum es bei anderen nicht angewendet wird.

(Beifall bei der CDU - Herr Herbst, GRÜNE: Bei den Betroffenen ist das „Bußgeld“ sehr viel höher!)

Deshalb gibt es aus gutem Grund Regelungen, die besagen: Es gibt Asylgründe, wenn diese vorliegen, gibt es ein Bleiberecht; und wenn kein Asylgrund vorliegt, gibt es kein Bleiberecht. An dieser Stelle gibt es ein Problem. Wenn man das Recht nicht schnell umsetzt, sondern wenn solche Verfahren sechs, sieben oder acht Jahre dauern und diese Personen solange geduldet werden, dann gilt das, was ich in meiner Rede gesagt habe, dass sie diese Menschen zu 99 % nicht mehr abschieben können, weil es dann auch inhuman wäre.

Deshalb brauchen wir an dieser Stelle ein Scharnier, um diese Personen aus dem Asylverfahren herauszunehmen, in die Zuwanderung zu überführen und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. An dieser Stelle brauchen wir Flexibilität.

Zu dem Interview mit der „Mitteldeutschen Zeitung“. Herr Augustin hat mich gefragt: Wie viele ausländische Mitbürger und Mitbürgerinnen würde

Sachsen-Anhalt vertragen? - Wenn man davon ausgeht, dass der Durchschnitt in der Bundesrepublik Deutschland bei ungefähr 9 % liegt und dass 16 Millionen Menschen mittlerweile einen Migrationshintergrund haben, dann ist ein Ausländeranteil von 2,3 % in Sachsen-Anhalt unglaublich wenig. Deshalb sage ich, auch unter Berücksichtigung des sozialen Friedens kann ein Land mehr als 2,3 % vertragen; denn andere Bundesländer können das auch.

Jetzt kommt die nächste Größe ins Spiel. Wenn man davon ausgeht, dass wir in fünf Jahren einen Fachkräftemangel haben werden, dass dann etwa 100 000 Fachkräfte fehlen werden, und dass in 20 Jahren in Deutschland etwa sechs Millionen Fachkräfte fehlen werden, wenn man in einem Land lebt, das sich nicht mehr selbst reproduziert - man brauchte 2,1 Kinder je Frau, um den derzeitigen Stand zu halten; bei uns sind es im Durchschnitt 1,4 -, dann muss bei aller Aufgeregtheit - ich meine damit nicht Sie, sondern die allgemeine Diskussion über Migration - die Frage zulässig sein: Wie soll sich Deutschland in Zukunft aufstellen, wenn uns die Fachkräfte fehlen?

Wie wollen wir wettbewerbsfähig bleiben? Wie sieht ein Gesellschaftsvertrag in Deutschland in 20 Jahren aus? - Wir haben vor zehn Jahren noch über eine deutsche Leitkultur diskutiert. Damals gab es ganz andere Voraussetzungen. Heute brauchen wir eine Diskussion darüber, wie sich Deutschland in 15 oder 20 Jahren unter den Parametern darstellen wird. Denn das sind Fakten; das ist die normative Kraft der Realität. - Das muss man über Zuwanderung steuern, und zwar über gezielte Zuwanderung.

Jetzt kommt der nächste Schritt. Im Augenblick gibt es eine Zuwanderung innerhalb der EU. Das ist übrigens keine Frage der Zuwanderung, sondern eine Frage der Freizügigkeit, die wir irgendwann einmal vereinbart haben. Wenn es den Menschen in den südeuropäischen Ländern oder in Polen irgendwann einmal besser geht, dann werden sie sagen: Ich habe fünf, sechs oder sieben Jahre im Ausland gearbeitet - wie es einige von uns vielleicht auch tun -, jetzt geht ich zurück in meine Heimat. Dann brauchen wir irgendwann Zuwanderung aus Nicht-EU-Staaten.

Das ist Migrationsmarketing, das ist der Kampf um die besten Köpfe. Das ist in anderen Ländern auch nicht anders. Insofern muss man Anreize schaffen. Dafür haben wir heute noch nicht die endgültige Lösung. Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Diskurs, den wir führen müssen. Über Asyl wird man Zuwanderung nicht steuern und Fachkräftemangel nicht mindern können. Denn das würde ein Bleiberecht für alle bedeuten. Und damit schließt sich der Kreis zu dem, was ich eingangs gesagt habe: Ich bin strikt gegen ein Bleiberecht für alle.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön. So weit für die Landesregierung der Innenminister. - Wir können weitere Gäste begrüßen, nämlich die zweite Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Schiller-Gymnasiums in Calbe. Willkommen im Landtag!

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Fraktion der CDU spricht jetzt Herr Abgeordneter Kolze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt ein Antrag der Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vor, mit dem beabsichtigt wird, die Integration von Flüchtlingen durch konkrete Maßnahmen zu verbessern.

Richtig ist, dass insbesondere Deutschland derzeit das Ziel einer rapide steigenden Zahl von Menschen ist, die aus unterschiedlichsten Gründen ihre Herkunftsländer verlassen, um hier ein besseres Leben zu führen. Die Beliebtheit Deutschlands als Zielstaat ist natürlich auch eine Konsequenz der im europäischen Vergleich sehr hohen und guten Unterbringungsstandards und Sozialleistungen. Zum Vergleich: Allein Sachsen-Anhalt wird in diesem Jahr mehr Menschen aufnehmen als die gesamte Tschechische Republik. Ich werde nicht müde, es immer wieder zu sagen: Wir werden unserer humanitären Verantwortung gerecht.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es schade, dass diese schwierigen Herausforderungen der Asyl- und Flüchtlingspolitik zunehmend nicht hinreichend differenziert diskutiert werden. Sie möchten alle Menschen, die nach Deutschland kommen, als Einwanderer bzw. Zuwanderer deklarieren.

Wir, meine Damen und Herren, verfolgen an dieser Stelle einen anderen Ansatz. Menschen, die wegen politischer Verfolgung oder menschenrechtswidriger Behandlung in ihrer Heimat zu uns kommen, können bei uns eine Aufnahme erwarten. Dabei müssen wir zugegebenermaßen für Asylsuchende und Geduldete die Maßnahmen der Integration sowie die Zugänglichkeit zum Arbeitsmarkt und zu Bildungsangeboten weiter verbessern. Auch wenn in dieser Wahlperiode auf der Bundes- und der Landesebene diesbezüglich bereits viel erreicht worden ist, werden wir nicht müde, hierbei weiterhin gezielt initiativ tätig zu werden.

Zu vielen in Ihrem Antrag genannten Punkten können wir uns im Innenausschuss verständigen. Zum Beispiel können wir über eine weitere Verbesserung der schulischen, beruflichen und sprachlichen

Qualifikation beraten, damit diese Menschen noch schneller und besser in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Der Ausbau der Vermittlung von Erstorientierungsangeboten, die bereits heute in der in der ZASt angeboten werden, ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Unterstützung von Jugendlichen bei der beruflichen Ausbildung, zum Beispiel durch ergänzenden Sprachunterricht an den Berufsschulen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Allerdings dürfen wir auch nicht die Augen davor verschließen, dass nicht alle zu uns kommenden Menschen gleichermaßen gute Gründe für eine Aufnahme als Asylberechtigter oder Flüchtling vorbringen können. So kommt ein großer Teil aus Staaten, in denen ihnen keineswegs politische Verfolgung droht. Bei vielen Asylbewerbern liegen rein wirtschaftliche Motive vor, die - für mich menschlich nachvollziehbar - zum Verlassen der Heimat geführt haben.

Im Jahr 2015 sind dreimal mehr Asylbewerber vom Westbalkan nach Deutschland gekommen als aus den Krisengebieten in Syrien. Die Anträge dieser Personen müssen aus rechtlichen Gründen nahezu immer abgelehnt werden. Ich sage ganz deutlich: Diejenigen, für die kein Asylgrund besteht, da sie nicht politisch verfolgt werden und auch keinen anderen Flüchtlingsschutz genießen oder die Voraussetzung für eine gesteuerte Zuwanderung in unser Land nicht erfüllen, sind zurückzuführen. Die Entscheidung hierüber muss zeitnah erfolgen und konsequent durchgesetzt werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Eine Beschleunigung der Asylverfahren nutzt nichts, wenn diese Menschen trotz Ablehnung nicht abgeschoben werden, weil sie die von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen der Integration genießen. Dies würde anderenfalls ein Bleiberecht durch die Hintertür für alle bedeuten. Dies lehnen wir ab.

(Zustimmung von Herrn Borgwardt, CDU)

Vor diesem Hintergrund befürwortet es meine Fraktion ausdrücklich, Asylantragsteller, die aus sicheren Herkunftsländern stammen und bei denen daher von vornherein zu erwarten ist, dass ihr Asylantrag abgelehnt wird, zukünftig nicht mehr auf die Kommunen zu verteilen und sie stattdessen für die Dauer des Asylverfahrens in den zentralen Aufnahmeeinrichtungen zu belassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sollten die Thematik im Innenausschuss weiter vertiefen. Ich bitte Sie daher abschließend um Zustimmung zu der Überweisung dieses Antrages in den Ausschuss für Inneres und Sport zur weiteren Beratung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Kollege Kolze, möchten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Striegel beantworten?

Herr Striegel, bitte.

Ich habe eine kurze Frage, Herr Kollege Kolze. Sie sagen, dass Sie die Leute gleich in der ZASt in Halberstadt belassen wollen. Ist die ZASt nach Ihrer Kenntnis von der bisherigen oder der zukünftigen Kapazität dafür ausgelegt? Ist das mit Blick auf die Kapazitäten der ZASt überhaupt möglich?

Die ZASt habe ich beispielhaft genannt. Wir wissen beide, dass in der ZASt jetzt die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, um eine möglichst schnelle Durchführung der Asylverfahren rechtlich möglich zu machen. Ob wir das direkt in der ZASt in Halberstadt machen oder ob die ZASt in Halberstadt eine Außenstelle an einem Punkt in diesem Land erhält, wo es möglich ist, eine menschenwürdige Unterbringung während dieser Verfahren zu gewährleisten, das wird die weitere Debatte zeigen.

Es gibt eine Nachfrage. - Kollege Striegel.

Nach meiner Kenntnis sind die Kapazitäten der ZASt weder jetzt noch in der Zukunft dafür ausgelegt. Das höre ich zu diesem Thema aus dem Harz. Aber wenn ich Ihnen zuhöre, dann habe ich das Gefühl, Ihnen schwebt eine Art Abschiebehaft light vor. Trifft es das?

Wie Sie das nennen, lieber Kollege Striegel, überlasse ich Ihnen. Ich kann nur eines sagen: Wir können unsere Kommunen nicht weiter mit Menschen belasten, von denen wir heute wissen, dass sie in Deutschland kein Aufenthaltsrecht haben und deshalb zurückgeführt werden müssen. Deshalb müssen wir gemeinsam nach einer Lösung dafür suchen, wie wir als Land unsere Kommunen an dieser Stelle entlasten und die Rückführung zentral organisieren. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU)