Protocol of the Session on September 9, 2011

Ebenso gehören die Halbzeitbilanzen ins LIV und nicht ins Nirwana des World Wide Web zur Rechercheerprobung der Referentinnen und Referenten. Ansonsten hätte nämlich Professor Böhmer Recht gehabt, als er aus dem Landtag ein Teilzeitparlament machen wollte.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Im Anhang 2 der durch Rambøll erstellten Halbzeitbilanz, also im Strategiebericht 2010, befindet sich eine Scoretabelle. Darin kann jeder, den es interessiert, erfahren, wie die Umsetzung bei ESF, EFRE und ELER bewertet wird. Darin sind auf 200 Seiten Dutzende rote Scores mit den Begründungen angeführt, die Aktion sei „bislang nicht an

gelaufen“, sei „eingestellt“ worden oder der Auszahlungsstand liege „unter 10 %“. Ich erspare mir die Nennung der vielen Punkte, die darunter fallen.

Abschließend bleibt die Frage zu stellen, ob es Zufall ist, dass die Landesregierung besonders schlecht bei der Umsetzung der sozialen und ökologischen EU-Fördermaßnahmen ist. Herr Dr. Aeikens, wäre es nicht zielführend gewesen, den Agrarausschuss, den Umweltausschuss und den Finanzausschuss - wobei die Reihenfolge keine Rangfolge ist - im Vorfeld zu kontaktieren, Ihre Vorschläge vorzustellen und somit nicht den Landtag als Haushaltssouverän zu umgehen oder zu übergehen?

Ich danke der „kommunalen Familie“ für ihre schon jetzt geäußerte Kritik und nochmals der „Mitteldeutschen Zeitung“. Hätte sie es am Dienstag nicht veröffentlicht, hätten wir diese Aktuelle Debatte heute nicht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

(Anhaltender Beifall bei der LINKEN - Befall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege Czeke. Wir fahren fort in der Aktuellen Debatte. Für die Fraktion der SPD spricht - -

(Minister Herr Dr. Aeikens meldet sich zu Wort - Minister Herr Stahlknecht: Herr Präsi- dent!)

- Entschuldigung. Natürlich spricht zunächst der zuständige Minister, Herr Kollege Aeikens.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte ebenfalls zunächst einmal danke sagen; in diesem Fall aber nicht der „Mitteldeutschen Zeitung“, die ich, wie auch die „Volksstimme“, sehr schätze. Ich möchte der Fraktion DIE LINKE sehr herzlich dafür danken, dass sie diese Aktuelle Debatte initiiert hat und ich insofern Gelegenheit habe, vor diesem Hohen Hause und der Öffentlichkeit einige Dinge klarzustellen und zurechtzurücken, die mit einem gewissen Geschmack behaftet und auch mit gewissen Fehlern versehen zurzeit in der Öffentlichkeit kolportiert werden. Insofern danke ich Ihnen, Herr Gallert, für die Möglichkeit, die Sie mir durch die Aktuelle Debatte eingeräumt haben.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Bitte sehr!)

Worum geht es? - Meine Damen und Herren! Erst einmal ist es, so glaube ich, wichtig festzustellen, dass die EU Halbzeitbewertungen in ihrem Förderverfahren ausdrücklich vorsieht. Das trifft nicht nur für den ELER, sondern auch für den EFRE und für den ESF zu.

Die Kommission gibt in den Verordnungen ausdrücklich vor, dass - das ist auch sinnvoll - zur Halbzeit einer Förderperiode eine Überprüfung der Maßnahmen durchgeführt wird und daraus Schlussfolgerungen hinsichtlich der zukünftigen Umsetzung dieser Fördermaßnahmen gezogen werden. Die Kommission gibt auch vor, dass diese Überprüfung mit einer wissenschaftlichen Begleitung durchgeführt wird.

Insofern ist es also etwas völlig Normales, was wir an dieser Stelle tun, was wir auch in der letzten Förderperiode getan haben und was allen, die damit befasst sind, bekannt ist.

Die wissenschaftliche Begleitung erfolgt durch das ISW in Halle und durch das Unternehmen Rambøll. Wenn wir uns die wissenschaftliche Begleitung der Ergebnisse anschauen, dann gelangen wir zu der Schlussfolgerung, dass wir mit unserer Programmatik und auch mit unseren Modifikationsvorschlägen grundsätzlich richtig liegen. Auch eine Vorabstimmung mit der EU hat ergeben, dass das, was wir als Umschichtung vorschlagen, durchaus auf Akzeptanz stoßen wird.

Dieser Vorschlag durchläuft ein definiertes Verfahren. Er ist zunächst in der strategischen Clearingstelle unter der Leitung von Herrn Staatsminister Robra behandelt worden, hiernach in der Staatssekretärskonferenz. Am letzten Dienstag habe ich die Vorschläge dem Kabinett vorgestellt. Gestern hat der Begleitausschuss hierzu getagt, der sich aus Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppen und Vertretern der Ressorts zusammensetzt. Der Begleitausschuss hat diesen Vorschlägen zugestimmt.

Herr Czeke, ich finde es nicht sehr fair, wenn man dieses Gremium, das eine hohe Verantwortung trägt, das intensiv diskutiert und sich intensiv in diesen Prozess einschaltet, als Abnick-Gremium deklariert. Das sollten Sie nicht tun, Herr Czeke. Ich habe großen Respekt vor der verantwortungsvollen Arbeit dieses Begleitausschusses.

(Zustimmung bei der CDU)

Eine abschließende Befassung wird nach der Befassung des Begleitausschusses am nächsten Dienstag im Kabinett erfolgen. Hiernach wird der Vorschlag zeitgerecht bei der EU-Kommission eingereicht.

Ein zweites Thema ist das Umschichtungsvolumen. Es handelt sich hierbei um ca. 10 % des Gesamtvolumens der ELER-Mittel, die uns zur Verfügung stehen. Ein Betrag in Höhe von ca. 84 Millionen € wird zur Umschichtung vorgeschlagen. Wie wir von der Bundesregierung wissen, ist das kein ungewöhnliches Volumen, sondern wird von anderen Ländern durchaus übertroffen.

Es ist nicht so, wie ich es in einer Zeitung gelesen habe, dass das gesamte Umschichtungsvolumen

an andere Ressorts umgeschichtet wird, sondern lediglich ein Anteil von 34 Millionen €. Der übrige Anteil des Umschichtungsvolumens in Höhe von 50 Millionen € wird dem MLU weiterhin für originäre Zwecke zur Verfügung stehen.

Diskutiert wird die Frage des Mittelabflusses. Sie haben das Thema angesprochen. Wir haben inzwischen einen Bewilligungsstand von 56 %. Das ist erheblich. Das könnte auch mehr sein, ohne Frage. Aber man muss auch nach den Gründen fragen, wieso denn die Dinge so liegen, wie sie sind.

Dabei haben wir Folgendes zu beachten. Ich darf daran erinnern, dass aus der alten Förderperiode ein erheblicher Mittelüberhang bestand. Wir waren von der EU gehalten - das ist auch richtig -, in den Jahren 2007 und 2008 zunächst einmal die Mittel der alten Förderperiode zu verwenden. Das heißt, es kam zu einem vergleichsweise späten Anfang des Mittelabflusses.

Ein weiterer Grund für den derzeitigen Bewilligungsstand ist die verantwortungsbewusste Finanzpolitik des Landes. Wir haben in der finanziellen Krise, in der wir uns neu verschulden mussten, für den Haushaltsplan 2010/2011 gesagt, wir stellen nicht die Kofinanzierungsmittel ein, die wir eigentlich gern hätten, sondern wir reduzieren diese Kofinanzierungsmittel, um uns nicht noch weiter zu verschulden. Dies haben wir mit der berechtigten Hoffnung getan - die sich auch als richtig erwiesen hat -, dass wir im Rahmen des Verfahrens zur Aufstellung des Haushaltsplanentwurfs 2012/2013 in der Lage sind, die volle Kofinanzierung zu bewerkstelligen. Das ist verantwortungsvolle Haushaltspolitik.

Ich bin dem Ministerpräsidenten und dem Finanzminister außerordentlich dankbar dafür, dass wir das so durchgesteuert haben, ohne die Landeskasse in den Jahren 2010 und 2011 zusätzlich zu belasten, aber mit der Perspektive, durch die vollständige Kofinanzierung in den Jahren 2012 und 2013 die Bewilligungen bis zum Ende des Jahres 2013 und den Mittelabfluss im Rahmen der n+2-Regelung bis zum Ende des Jahres 2015 zu organisieren.

Das ist verantwortungsvolle Finanzpolitik, die dazu führen wird, meine Damen und Herren, dass nicht das eintritt, was einige befürchten, dass wir nämlich Mittel zurückgeben müssen, die dann an andere Bundesländer verteilt werden.

Herr Minister, möchten Sie Zwischenfragen beantworten?

Ja, gern.

Wenn Sie wollen, dann können wir die Fragen schon jetzt zulassen. Es gibt drei Zwischenfragen, und zwar von Herrn Gallert, von Herrn Czeke und von Frau Dr. Klein. Wir können die Fragen auch am Schluss Ihrer Rede stellen lassen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Sonst hätte ich mich auch mit der Karte gemeldet!)

Dann machen wir das am Schluss. Ich freue mich auf die Fragerunde.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Thema bei diesen EU-Programmen ist, dass wir Programme im Vorfeld konzipieren, die dann zu einem späteren Zeitpunkt zur Anwendung kommen. Die Planungen gehen auf die Jahre 2005 und 2006 zurück. Es gibt Themen, die sich in der Zwischenzeit als relevanter herausgestellt haben, als es damals prognostizierbar gewesen ist. Es gibt Themen, die wir mit anderen Mitteln besser begleiten können.

Zum Beispiel können wir mit den Mitteln, die im Rahmen des Health-Checks zur Verfügung gestellt werden, einzelbetriebliche landwirtschaftliche Förderungen mit einem günstigeren Kofinazierungsverhältnis bestreiten. Zum Beispiel waren wir in der Lage, Mittel, die im Rahmen des Hochwasserschutzes zur Verfügung gestellt worden sind, aus Rückflüssen der Sonder-GAK zu finanzieren, mit günstigeren Finanzierungsschlüsseln für die Landeskasse. Das heißt, eine Finanzoptimierung besteht darin, meine Damen und Herren, dass man im Laufe des Prozesses zu Änderungen kommt.

Es gibt auch Programme, die schlichtweg weniger als prognostiziert nachgefragt werden. Es gibt Programme, die intensiver als prognostiziert nachgefragt werden. Meine Damen und Herren! Es ist eine bekannte Schwäche der Planwirtschaft, dass das Handeln der wirtschaftlichen Akteure nicht präzise prognostizierbar ist. Deshalb sind Planwirtschaften, wie es sie heute noch in Nordkorea und auch in Kuba gibt, weniger erfolgreich als marktwirtschaftliche Systeme.

Weil die EU das weiß, haben wir auch die Möglichkeit, während der Förderperiode Umschichtungen vorzunehmen und gegenzusteuern, meine Damen und Herren. Wir werden von dem Volumen in Höhe von 84 Millionen € einen Betrag von 34 Millionen € an andere Ressorts abgeben. Davon erhält das MK einen Betrag von 25 Millionen € für die Schulbauförderung im ländlichen Raum. Einen Betrag von 9 Millionen € erhält das MS für die Kindertagesstättenförderung. In diesen Bereichen erfolgen bereits Förderungen.

Damit leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum. Für junge Familien ist das ein Attraktivitätsindikator. Man kann doch nicht ernsthaft dagegen sein, meine Damen und Herren, dass die Landesregierung die Kommunen bei der Renovierung von Schulen und Kindertagesstätten unterstützt. Das ist doch ein parteiübergreifendes und allgemeines Anliegen.

(Zustimmung bei der CDU - Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Das Programm gibt es seit Jah- ren!)

Wir sind erst einmal dabei, Mittel einzusammeln und die Verfahrensregeln zu definieren. Dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Das ist ein Programm, meine Damen und Herren, das die Kommunen als Angebot zu verstehen haben. Ich bin wirklich verwundert, wenn ich lesen muss, dass Kommunen angeblich zur Neuverschuldung gezwungen werden. Was haben Sie denn für ein Verständnis von den Kommunalpolitikern? Das sind doch verantwortungsbewusste Menschen.

(Beifall bei der CDU)

Viele von Ihnen sind in der Kommunalpolitik tätig, in den Gemeinderäten, in den Stadträten, in den Kreistagen. Sie wissen doch, was Sie beschließen. Meine Damen und Herren! Diese Vorverurteilung der Kommunalpolitiker, zu denen auch Mitglieder Ihrer Partei, Herr Gallert und Herr Czeke, gehören, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen.

Wir sammeln jetzt Geld für ein wichtiges politisches Anliegen ein. Wir werden uns innerhalb der Landesregierung darüber verständigen, mit welcher Art von Programmatik dieses Geld ausgereicht wird.

Eines, meine Damen und Herren, müssen wir uns auch noch einmal vor Augen führen: Die finanzielle Situation unserer Kommunen im Land ist sehr differenziert. Eines erlaube ich mir auch zu sagen: So wie Herr Schäuble in Berlin Mehreinnahmen zu verzeichnen hat, so wie wir erfreulicherweise Mehreinnahmen aufgrund der verbesserten wirtschaftlichen Situation zu verzeichnen haben, trifft dieses auch auf Kommunen zu. Das muss man an dieser Stelle auch einmal sagen dürfen, meine Damen und Herren.

Nun zu dem Vorwurf, es finde keine Einbeziehung des Parlamentes statt. Natürlich findet eine Einbeziehung des Parlamentes statt. Das, was wir an dieser Stelle zur Umschichtung vorgeschlagen haben, ist Bestandteil der Aufstellung des Haushaltsplans 2012/2013. Meine Damen und Herren! Das muss miteinander kompatibel sein. Das haben wir auch miteinander kompatibel gestaltet. Insofern wird nach der Beschlussfassung des Haushaltsplans durch die Landesregierung, die am nächsten Dienstag erfolgen wird, und nach der Einbringung im Plenum eine intensive Diskussion in den Aus

schüssen auch über diese Programmatik möglich sein.

Herr Czeke, Ihre Ausführungen, die ich nicht im Detail kommentieren möchte, deuten darauf hin, dass diese fachliche Diskussion dringend notwendig ist, um Irritationen auszuräumen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir uns die bisherige Bilanz vor Augen führen und uns fragen, was wir mit dem EUProgramm im ländlichen Raum erreicht haben - sowohl in der letzten Förderperiode als auch in dieser Förderperiode bis zur Halbzeit -, dann können wir sagen, wir haben wesentlich dazu beigetragen, die Lebensqualität, die Wirtschaftsqualität und die Umweltqualität im ländlichen Raum mit der Vielfalt unserer Programme signifikant zu verbessern.

Wir haben ein Übriges getan, meine Damen und Herren - das wollen wir auch honorieren -, indem wir zum Beispiel das Förderprogramm Leader stärker aufstocken: Wir haben sehr viel bürgerschaftliches Engagement geweckt. Ich bin immer wieder davon angetan, wenn ich sehe, mit wie viel Zeitaufwand und Sachverstand die Mitbürgerinnen und Mitbürger in den Leader-Arbeitsgruppen engagiert dafür arbeiten, ihr Lebensumfeld im ländlichen Raum mitzubestimmen und darüber zu entscheiden, in welche Richtung die Förderung gehen soll, was in den jeweiligen Regionen gefördert werden soll. Es ist doch gut so, dass wir so etwas fördern, meine Damen und Herren. Es ist doch gut, dass wir Schulen und Kindertagesstätten fördern.

(Zustimmung bei der CDU)