Wir haben gemeinsam ein Jugendstrafvollzugsgesetz verabschiedet. Wir haben ein Gesetz für die Untersuchungshaft verabschiedet. Wir haben Burg-Madel gemeinsam mit Leben erfüllt. All das sind Beispiele dafür, dass sich im Strafvollzug in den letzten Jahren vieles verändert hat, aus meiner Sicht auch zum Positiven verändert hat.
Ich muss eingestehen, dass wir noch nicht den Status erreicht haben, bei dem auch ich mit dem Zustand insgesamt zufrieden bin. Deshalb könnte ich es mir leicht machen und sagen, dass es des Antrages eigentlich nicht bedarf; denn wir arbeiten selbstverständlich an den einzelnen Dingen, die hier im Detail aufgelistet sind.
Auf der anderen Seite bietet der Antrag natürlich eine gute Gelegenheit zur Diskussion im Hinblick auf die komplexen Herausforderungen, vor denen wir stehen. In der Tat ist Strafvollzug ein Thema, für das sich die Öffentlichkeit in der Vergangenheit nicht besonders interessiert hat.
Exemplarisch möchte ich nur darauf hinweisen, dass die Tatsache, dass der Musterentwurf für ein Strafvollzugsgesetz in einer Arbeitsgruppe von zehn Ländern gemeinsam erarbeitet wurde, mit der lapidaren Überschrift kommentiert wurde: Strafvollzug wird standardisiert. - Das ist mitnichten der neue Ansatz dieses Musterentwurfes. Hierin steht viel mehr; hierin steht ganz viel an Therapie, an Diagnose und an Resozialisierung.
Für den Strafvollzug interessiert sich die Öffentlichkeit meist erst dann, wenn etwas passiert. Dann ist das Interesse groß. Es wird nach Schuldigen gesucht und nach härteren Strafen gerufen und bei Entlassungen von ehemals Sicherungsverwahrten wird reflexartig ein schnellstmögliches erneutes Wegsperren gefordert.
Spätestens seit der Entscheidung des EGMR und des Bundesverfassungsgerichts hat sich diese Haltung zumindest in Fachkreisen verändert. Ich stelle durchaus mehr Aufmerksamkeit für diesen wichtigen Aufgaben- und Politikbereich fest.
Ja, es ist nicht nur eine Aufgabe der Politik; vielmehr ist der Aufgabenkomplex, dem wir uns hierbei stellen müssen, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns alle verpflichtet fühlen müssen. Deshalb ist hierbei eine Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg notwendig, die ich mit Blick auf die Vergangenheit in diesem Hohen Haus auch immer positiv gesehen habe.
Dass wir im Strafvollzug noch deutlich mehr tun müssen als bisher, hat uns nicht erst die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gezeigt. Es
ist ganz klar: Wir brauchen moderne vollzugliche Rahmenbedingungen. Wir brauchen neue Therapieansätze, neue Behandlungskonzepte und vor allen Dingen auch mehr Therapieangebote, die auf die speziellen Bedürfnisse der jeweiligen Gefangenen ausgerichtet sind.
Die Landesregierung wird sich dieser Herausforderung stellen und Gesetzentwürfe sowohl für ein Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz als auch für ein Strafvollzugsgesetz vorlegen.
Die ersten Ergebnisse liegen vor. Ich hatte bereits darauf hingewiesen, dass nach eineinhalb Jahren wirklich intensiver Arbeit von zehn Ländern der Musterentwurf für ein Strafvollzugsgesetz erarbeitet worden ist.
Aus meiner Sicht ist das ein sehr guter Entwurf. Er bietet eine Grundlage für einen modernen und therapieorientierten Strafvollzug, in dem ganz konkret definiert ist, was Resozialisierung bedeutet.
Ich möchte das nur beispielhaft an einigen Punkten deutlich machen. Es wird in Zukunft standardisierte Diagnoseverfahren geben. Der Entwurf widmet sich dem Ansatz „Resozialisierung von Anfang an“ und fordert einen Behandlungsvollzug, der ausgehend von der jeweiligen Diagnose auf die Entlassung auszurichten ist.
Das heißt konkret: Mehr Vollzugslockerungen, mehr Besuchszeiten und natürlich auch ein enges Miteinander zwischen dem Strafvollzug und dem Leben draußen. Das bedeutet, es muss eine engmaschige Zusammenarbeit nicht nur zwischen der Justiz und dem Strafvollzug, sondern auch zwischen den Ehrenamtlichen und den Kommunen geben.
Ohne dass ich jetzt dazu neige, pathetisch zu werden, kann man hierbei tatsächlich von einer neuen Vollzugsphilosophie sprechen. Diese ist auch für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes gut, weil eine erfolgreiche Resozialisierung letztlich weniger Straftaten bedeutet, und weniger Straftaten bedeuten letztlich weniger Opfer, sodass das genau die Richtung ist, in die wir gehen müssen.
Deshalb möchte ich Sie an dieser Stelle auffordern, sich gemeinsam mit uns dieser Aufgabe zu widmen. Wir sollten über diesen Musterentwurf im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung intensiv diskutieren und ausgehend davon eine gemeinsame Strategie zur konkreten Umsetzung im Strafvollzug in Sachsen-Anhalt entwickeln.
Natürlich - auch das will ich nicht verhehlen - geht das nicht ohne Finanzen. Die Umsetzung dieser hohen Standards kostet natürlich Geld. Wir brauchen ausreichend und gut qualifiziertes Personal. Deshalb müssen auch die Diskussionen um die inhaltlichen Standards mit der Frage verbunden werden, wie wir diese Veränderungsprozesse konkret umsetzen werden.
Natürlich hängt die Umsetzung auch davon ab, wie die zukünftigen Strukturen im Strafvollzug in Sachsen-Anhalt gestaltet sind. Diesbezüglich hat die Landesregierung die Zeichen der Zeit erkannt und sich bereits in der Koalitionsvereinbarung dazu verpflichtet, ein Konzept zur Entwicklung zukunftsfähiger Justizvollzugsstrukturen vorzulegen. Hierfür gilt ein relativ enger Zeitrahmen; das Konzept soll nämlich bis zum Jahresende vorliegen.
Ein Blick auf die aktuellen Zahlen der Haftplätze und Gefangenen zeigt sehr deutlich, wo unsere Defizite liegen. Wir haben heute einen Überhang an Haftplätzen. Wir haben aktuell 2 487 Haftplätze. Im Jahr 2011 waren davon durchschnittlich 2 100 Plätze belegt.
Das heißt, wir haben auf der einen Seite Überkapazitäten. Wir haben jedoch auf der anderen Seite eine kleinteilige Anstaltsstruktur, die personalintensiv ist.
Ich muss dieses Hohe Haus nicht daran erinnern, dass einige unserer Anstalten 100 Jahre und älter sind und deshalb aufgrund der baulichen Voraussetzungen nicht unbedingt das mitbringen, was man sich für einen modernen Strafvollzug wünscht.
Wir haben in den letzten 20 Jahren viel investiert. Mittel in Höhe von ungefähr 210 Millionen € sind in die Sanierung der Haftanstalten geflossen. Wir haben in den Jahren 2006 und 2007 schon einmal ermittelt, wie viel eine verfassungsgemäße Sanierung der Anstalten kosten würde. Dabei ergab sich damals ein Betrag in Höhe von 210 Millionen €.
Wenn man eine gesetzeskonforme Ausgestaltung, sprich Einzelunterbringung, erreichen will, kostet das noch einmal zusätzlich 100 Millionen €, sodass man schon angesichts dieser Größenordnung sieht, dass es keinen Weg an einer Konzentration vorbei gibt.
Das heißt, wir werden, wenn das Konzept vorliegt, auch über die Standorte und über die Schließung von Standorten, an denen kein zukunftsfähiger Strafvollzug möglich ist, diskutieren müssen.
Lassen Sie uns dazu Zeit. Lassen Sie die Projektgruppe, die eingerichtet worden ist, arbeiten; denn ich denke, dass sich eine sinnvolle und begründete Entscheidung nur dann treffen lässt, wenn man auch die entsprechenden fiskalischen, personalwirtschaftlichen und vollzuglichen Konsequenten abschätzen kann.
Wir erarbeiten jetzt diese analytischen Grundlagen, um Ihnen einen begründeten Entscheidungsvorschlag vorlegen zu können. Ich kann Ihnen versichern, dass wir Ihnen die Prüfungsergebnisse rechtzeitig vorlegen werden. Wie in der Vergangenheit wollen wir das, was wir vorhaben, so früh wie möglich transparent machen, um Sie rechtzeitig in die Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen.
Lassen Sie mich abschließend noch auf den in dem Antrag der LINKEN erhobenen Wunsch nach einem Resozialisierungsgesetz eingehen, weil ich unter diesem Stichwort die Möglichkeit habe, an dieser Stelle auf weitergehende positive Veränderungen im Bereich des Strafvollzugs hinzuweisen, die wir in den letzten Jahren gemeinsam erreicht haben.
Sachsen-Anhalt hat ein gut ausgebautes System der Straffälligenhilfe. Wir haben ein duales System. Auf der einen Seite haben wir den staatlichen Sozialen Dienst. Auf der anderen Seite haben wir ein gut ausgebautes und flächendeckendes Netz von Trägern der freien Straffälligenhilfe.
Wir haben gemeinsam mit dem Projekt „Zebra“ ein Netz von Anlaufsstellen für die Beratung und für die Betreuung von Haftentlassenen sowie für die Vermittlung von gemeinnütziger Arbeit erreicht. Wir haben einen Landesverband für die freie Straffälligenhilfe, der einen flächendeckenden Täter-OpferAusgleich anbietet.
Wir haben gemeinsam mit dem Sozialressort die forensischen Ambulanzen zunächst als Modellprojekt eingerichtet. Wir haben also jetzt auch die Möglichkeit einer therapeutischen Nachsorge geschaffen.
Ich glaube, die Debatte über die Zukunft macht es auch notwendig, die Dinge, die wir schon erreicht haben, an dieser Stelle noch einmal konkret zu benennen.
Ich bin zuversichtlich, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich kann Ihnen versichern, dass das Ministerium für Justiz und Gleichstellung mit Hochdruck an den entsprechenden Konzepten arbeitet.
Das, was wir vorhaben, ist keine leichte Aufgabe. Es handelt sich hierbei tatsächlich um einen grundlegenden Strukturwandel im Bereich des Strafvollzugs. Ich bin mir sicher, dass es gemeinsam mit Ihnen gelingen wird, diese Herausforderungen zu stemmen.
Deshalb würde ich gern an die bewährte Zusammenarbeit in der Vergangenheit anknüpfen und gemeinsam mit Ihnen im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung über diese Dinge diskutieren. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Für die CDU-Fraktion spricht im Rahmen der Fünfminutendebatte jetzt Herr Borgwardt. - Wir müssen das „Geschenk“ der Ministerin übrigens nicht annehmen.
Herr Präsident, diese Absicht hatte ich nicht. - Verehrte Kollegen! Liebe Kollegin Eva von Angern, ich weiß nicht, mit wem Sie reden, wahrscheinlich mit
Ich bin also nicht über den Antrag erschrocken; ich habe die Fleißleistung gelobt. Man könnte sagen, es ist eine Mischung aus großer Anfrage und Berichtspflichten.
Wenn man sich den Antrag in aller Ruhe durchliest, dann würde man, wenn man es wirklich ordentlich macht, auf eine Redezeit von ungefähr zehn Minuten kommen. Eigentlich ist nur eine Redezeit von fünf Minuten vorgesehen. Dank der Ministerin habe ich nun eine Redezeit von zehn Minuten und 41 Sekunden. Ich werde diese Redezeit jedoch nicht ganz ausschöpfen.
Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Wer das Leben seiner Mitmenschen zerstört, deren Gesundheit verletzt oder ihr Eigentum nicht achtet, zerstört grob das Vertrauen in ein sicheres Zusammenleben innerhalb unserer Gesellschaft. Wer dies tut, muss mit einer Reaktion rechnen. Unser Rechtsstaat begegnet schwerwiegenden Rechtsgutverletzungen mit einer Strafe.
Für Privatrache und Faustrecht der Verletzten oder der Angehörigen ist in unserer Gesellschaft kein Raum. Die schwerste strafrechtliche Reaktion auf strafbares Verhalten ist eine Freiheitsstrafe. Sie wird jedoch nur in Ausnahmefällen verhängt. In nur knapp 6 % aller Verurteilungen entscheiden die Gerichte auf Freiheitsentzug ohne Bewährung.
Der Justiz- und Strafvollzug hat dabei in erster Linie zwei Aufgaben. Er soll die Gefangenen auf ein straffreies Leben vorbereiten und die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten der Gefangenen schützen. Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.
Die CDU-Fraktion sieht bei sich die besondere Verpflichtung, die Sicherheit der Bevölkerung durch einen effizienten - die Frau Ministerin und meine Vorredner gingen darauf schon ein - und auf Resozialisierung ausgerichteten Justizvollzug zu verbessern.
Die im Jahr 2006 durchgeführte Föderalismusreform erklärte die Gesetzgebung zum Strafvollzug zur Ländersache. Bis die Länder eigene Gesetze haben, gilt das Strafvollzugsgesetz des Bundes aus dem Jahre 1976.
Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Kolb hat bereits erwähnt, dass sich zehn Bundesländer nach eineinhalbjährigen Beratungen auf einen Entwurf für ein einheitliches Gesetz für den Erwachsenenstrafvollzug geeinigt haben, in dem der Vollzug der von Gerichten verhängten Strafen geregelt wird. Die Schaffung eines Strafvollzugsgesetzes ist auch Teil unseres Koalitionsvertrages. Die zehn Bundesländer haben sich auf gemeinsame Standards für den Erwachsenenstrafvollzug geeinigt; meine Vorredner gingen ebenfalls darauf ein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemäß den Vorstellungen der CDU-Fraktion ist es für ein erfolgreiches und zukunftsweisendes Vollzugskonzept unerlässlich, dass die Strafgefangenen in angemessener Weise auf die Haftentlassung vorbereitet werden.
Erfahrungsgemäß sind Gefangene vorrangig bestrebt, Lockerungen zu erhalten. Lockerungen müssen sich aber in ein nachhaltiges Resozialisierungskonzept einpassen. Missbräuche von Lockerungen müssen im Interesse der Sicherheit der Allgemeinheit verhindert werden.
Auf den folgenden Punkt kommt es uns insbesondere an: Der Vollzug muss die Bereitschaft des Gefangenen wecken und fördern, an für ihn geeigneten Maßnahmen auch mitzuarbeiten. Nutzen kann der Gefangene letztlich seine Chance aber nur selbst.
Kann das Ziel einer Maßnahme dauerhaft nicht mehr erreicht werden, ist eine weitere Teilnahme in aller Regel nicht mehr sinnvoll. Das ist beispielweise der Fall, wenn der Gefangene nicht hinreichend mitarbeitet. Diese Fälle haben wir sehr häufig. Die Maßnahme soll dann beendet werden. So kommen die kostenintensiven Bildungs- und Behandlungsmaßnahmen jenen Gefangenen zugute, die diese in sinnvoller Weise für sich selbst und zum Wohle unserer Gesellschaft nutzen möchten.
Die Vergangenheit hat auch gezeigt, dass verurteilte Gefangene während und nach ihrer Haftzeit intensiver betreut und überwacht werden müssen. - Darin stimme ich Ihnen ausdrücklich zu, Frau Ministerin.