Meine Damen und Herren! Die Lohnlücke ist übrigens nicht nur eine Gerechtigkeitslücke - nein, sie ist auch eine riesengroße Peinlichkeit. Beim Thema Entgeltgleichheit in Deutschland sind wir das Schlusslicht in Europa. Im EU-Durchschnitt sind es noch 16,2 % - auch zu viel. In Deutschland sind es 22 %. Das heißt: Der Wirtschaftsriese Deutschland ist ein Gerechtigkeitszwerg beim Thema Entgeltgleichheit. So klar ist das.
Für mich ist das jedenfalls schwer erträglich. Übrigens: Die Lohnkluft in Westdeutschland ist in den vergangenen Jahren um einen Prozentpunkt zurückgegangen. In Ostdeutschland ist sie um drei Prozentpunkte gestiegen und größer geworden. Auch das sollte uns in einem ostdeutschen Parlament nachdenklich stimmen.
Wir haben drei Ursachen: erstens die Teilzeitarbeit, die angestiegen ist, zweitens der Anreiz über Ehegattensplitting oder Betreuungsgeld und ein Drittes. Und damit komme ich auf unseren Freund James Brown zurück, der begleitet uns heute noch ein bisschen. Brown singt in dem Lied nämlich weiter davon, dass schon Noah als Mann die Menschheit mit der Arche gerettet hat
und dass Mann die Welt mit Autos beschenkt hat, dass er die Eisenbahn und die Elektrizität entwickelt und gebracht hat, also all die technischen Errungenschaften - toll, richtig gut -, die Grundlagen für die heute Zivilisation. Gerhard Schröder hätte das anders ausgedrückt. Er hätte gesagt: Die Männer sind für die wichtigen Themen zuständig und die Frauen für das Gedöns.
Es ist aber das Gleiche. Fakt ist, dass die Berufe, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, oft schlechter bezahlt werden. Das ist so. Selbst in den Tarifverträgen ist das so geregelt. Ja, ich nenne das eine Beispiel, das immer angeführt: Warum bekommen Männer, wenn sie Dreckwäsche aus Pflegeheimen abtransportieren, einen Erschwerniszuschlag, aber die Frauen, die mit der Dreckwäsche im Pflegeheim hantieren, bekommen keinen Erschwerniszuschlag? Das macht einmal mehr plastisch deutlich, wo auch in Tarifverträgen solche Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten versteckt sind. Diese gehören abgeschafft, meine Damen und Herren.
Das ist selbst in den technischen Berufen so. Es gibt einige, die sagen: Das wächst sich aus, Fachkräftemangel, immer mehr Frauen in technischen Berufen, das wird sich angleichen. Nein, es gibt auch einen bereinigten Wert. Das sind immer noch 7 %, selbst wenn genau die gleiche Arbeit gemacht wird, außer vielleicht im öffentlichen Dienst und bei den Sparkassen, aber auch da wäre ich sehr vorsichtig. Es ist immer noch ein Unterschied von 7 %. Also es wächst sich nicht aus, nie, in keinem Bereich. Auch wenn die Frauen in die technischen Berufe gehen, wird sich das nicht auswachsen. Es sind immer noch 7 %.
Meine Damen und Herren! Ich sage ganz deutlich: Das muss gesetzlich geregelt werden. Wir unterstützen die Bildungsministerin bei ihrem Vorgehen. Es werden viele Schritte sein, die dafür notwendig sind. Zunächst muss man Transparenz herstellen, damit man weiß, wo die Ungerechtigkeiten sind. Ich habe eben ein Beispiel aus Tarifverträgen gebracht. Aber Schritt für Schritt muss es vorangehen, damit am Ende gilt: gleicher Lohn für
gleiche Arbeit. Und, meine Damen und Herren, - anders ausgedrückt - es darf nicht heißen: Die Dicke der Lohntüte bemisst sich daran, wer in der Mittagspause auf welche Toilette geht. Denn so ist das heute noch.
Die Lohnunterschiede haben aber auch Langzeitfolgen. Eine habe ich vorhin genannt: Die Altersarmut hat ein weibliches Gesicht. Aber auch bei der Vermögensverteilung gibt es Unterschiede.
- Rechnen Sie jetzt aus, wie viel Sie alle mehr verdienen als Ihre Frauen? Das Gegrummel hier im Raum hat so einen tiefen Ton. Ich gehe davon aus, dass Sie jetzt alle ausrechnen, wie viel Sie mehr verdienen als Ihre Frauen auf vergleichbaren Positionen.
- ein nicht ganz ernst gemeinter Zwischenruf -, oder die hatten das Glück, bei der Karriereentwicklung nach vorn zu kommen. Auch das kann es natürlich sein.
Die folgenden beiden Punkte würde ich gern noch nennen. Zum einen geht es um die Langzeitfolgen. Das eine ist das Thema Rente, die Rentenlücke, die auch eine klare Sprache spricht. Die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen beträgt gegenwärtig im Durchschnitt 57 %. In Westdeutschland, also in den alten Bundesländern, liegt sie bei 63,8 %,
in Ostdeutschland bei 36,7 %. Ich glaube übrigens nicht, dass sich das angleicht oder dass das in Ostdeutschland so bleibt. Denn wenn wir die Patchwork-Arbeitsverhältnisse und den hohen Frauenanteil bei der Teilzeitarbeit in Ostdeutschland in den letzten Jahren sehen, dann müssen wir feststellen, dass das nicht so bleiben wird, dass es hier eine bessere Situation als in den alten Bundesländern gibt.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass es nicht viel mehr Argumenten bedarf. Aber es gibt natürlich noch viel mehr Argumente für die Behauptung, dass wir ein Entgeltgleichheitsgesetz brauchen. Ich möchte den armen James Brown hier nicht so stehenlassen; denn er hat am Ende gesagt: Das ist zwar eine Welt der Männer, aber sie würde gar nichts sein ohne die Frauen und ohne die Mädchen. Glauben wir ihm. Ich glaube, Recht hat er. Wir haben eine Menge zu tun, damit
Danke schön, Kollegin Budde. - Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Professor Dr. Kolb.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Anlass für die heutige Debatte ist der Equal-Pay-Day, der wie jedes Jahr am 20. März begangen wurde. Es ist wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Einmal im Jahr, nämlich am Equal-Pay-Day, gibt es ein großes Erschrecken über den Gender-Pay-Gap und dann passiert wieder ein Jahr lang nichts.
In diesem Jahr war das etwas anders. Es war insofern anders, als dieses Thema der Lohnungerechtigkeit zwischen Frauen und Männern sogar einen ganz unpolitischen Bereich erreicht hat. Es ist nämlich auch im Rahmen der diesjährigen OscarVerleihung diskutiert worden, weil Patricia Arquette für ihre Kolleginnen beklagt hat, dass selbst in Hollywood Schauspielerinnen weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Nun mag man sagen: Bei den Millionen sind das Luxusprobleme. Aber es zeigt, dass wir hier ein strukturelles Problem haben.
Ja, meine Damen und Herren Abgeordneten, es hat sich noch etwas anderes verändert. Manuela Schwesig hat erneut am Equal-Pay-Day ihre Absicht bekundet, noch in diesem Jahr einen Entwurf für ein Entgeltgleichheitsgesetz vorzulegen. Das führte dann zu Diskussionen, wie wir sie in ähnlicher Weise schon bei der Frauenquote erlebt haben. Deshalb lassen Sie mich anhand der Meinungsäußerungen einzelner Verbände einmal darstellen, welches Problem wir im Zusammenhang mit dem Thema Entgeltgleichheit - ich sage lieber: Lohngerechtigkeit - haben.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag meint, die Aussage, in Deutschland bestehe eine geschlechterspezifische Entgeltungleichheit von 22 %, sei wenig aussagekräftig, weil dieser Entgeltunterschied eben nicht auf einer Diskriminierung beruhe, sondern auf dem unterschiedlichen Erwerbsverhalten wie Teilzeitbeschäftigung und Erwerbsunterbrechungen. Das unterstellt, dass Frauen das freiwillig machen und dass das insofern gerechtfertigt ist.
Der BDA geht noch einen Schritt weiter. Er sagt: Alle Tarifverträge gewährleisten eine diskriminierungsfreie Entlohnung nach Qualifikation und Leistung. Weiter heißt es - in Richtung Frauen -: Bei
deutlich geringerer Arbeitszeit sind gleiche Karriere- und Verdienstchancen wenig realistisch. Außerdem würden sich Frauen für Jobs entscheiden, die schlechter bezahlt sind. Das ist wieder dieses typische Argument: Frauen sind doch selbst daran schuld. Warum suchen sie sich nicht einen Job, der besser bezahlt ist?
Ich stelle mir dann immer die alleinerziehende Mutti vor, die zehn Bewerbungen geschrieben hat und nach neun Absagen froh ist, dass sie bei einem Arbeitgeber ein Vorstellungsgespräch hat und den Job bekommt. Sie sagt dann nicht: Und jetzt wollen wir noch einmal über mein Gehalt verhandeln.
Ja, man klagt, dass man die Arbeitgeber nicht mit zusätzlicher Bürokratie bestrafen dürfe. Im Übrigen sei das ohnehin alles reine Symbolpolitik.
Als ob die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern nicht schon heute eine Bedrohung des Betriebsfriedens wäre.
Es wird bestritten, dass die tatsächlichen Ursachen für den Gender-Pay-Gap damit behoben werden können. Weiter heißt es: Der individuelle Auskunftsanspruch sei kaum geeignet, diese tatsächlichen Ursachen für die Lohnunterschiede abzubilden. Das Gesetzesvorhaben suggeriere, die Betriebe würden Personen aufgrund ihres Geschlechts unterschiedlich behandeln; dabei hätten die Unternehmen grundsätzlich ein großes Eigeninteresse daran, dass ihre Lohnstrukturen und die Entgeltfindung als fair und gerecht erachtet werden.
Dabei denke ich an das Beispiel Birkenstock, wo Frauen grundsätzlich 1 € pro Stunde weniger bekommen haben als ihre männlichen Kollegen, und frage mich: Ist das tatsächlich im Interesse von Unternehmen?
Ich halte es in dieser Hinsicht genau so wie mit der freiwilligen Selbstverpflichtung, die zu einer höheren Frauenquote in den Führungsetagen führen sollte. Ich glaube nicht daran, dass sich die Dinge durch den Markt regeln und dass Unternehmen Dinge freiwillig verändern.
Ich glaube, dass die Zitate auch deutlich gezeigt haben, dass wir zunächst im Bewusstsein aller verankern müssen, dass das tatsächlich ein Problem ist. Denn wenn man diese Zitate liest und manche Sprüche hört, hat man das Gefühl: Na ja, 22 % sind es sowieso nicht; bereinigt sind es
ja nur noch 7 % - wo ist denn da das Problem? - Natürlich, jeder Prozentpunkt Unterschied, selbst 1 %, ist ein Problem, weil es Unrecht ist, dass Frauen schlechter bezahlt werden als Männer.
Deshalb sage ich: Ja, es ist Zeit. Es ist Zeit nicht nur für ein Entgeltgleichheitsgesetz, sondern auch für ein Bündel von Maßnahmen; denn mit einem einzigen Gesetz werden wir die Ursachen für die Entgeltungleichheit in der Tat nicht beseitigen. Ich finde, es ist an der Zeit, dass Deutschland in Europa nicht mehr an der drittletzten Stelle steht, sondern dass wir hier die Grundlagen dafür schaffen, dass in Zukunft der Gender-Pay-Gap geringer wird.
Erschreckend ist - Frau Budde hat es schon gesagt -, dass sich der Gender-Pay-Gap in den neuen Bundesländern und auch in Sachsen-Anhalt in den letzten Jahren erheblich vergrößert hat. Das zeigt eben, dass hier jetzt die gleichen strukturellen Probleme wirken wie schon seit Jahrzehnten in den alten Bundesländern. Wenn man sich beispielsweise die Tarifabschlüsse anschaut, dann stellt man fest: Im Bereich der technischen Berufe gab es Tariferhöhungen von 11,7 %, bei den Gesundheitsberufen und bei den sozialen Berufen von 6,8 %. Daran sieht man, dass sich dadurch die Lücke nicht verringern, sondern in Zukunft vergrößern wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Sie haben die Brisanz der Lage längst erkannt und die Landesregierung mit Beschluss vom September 2012 beauftragt, tätig zu werden. Wir haben diesen Auftrag beherzt und mit sehr viel Engagement aufgegriffen. Wir haben zunächst eine landesinterne Arbeitsgruppe mit dem Sozialministerium und mit dem Wirtschaftsministerium gegründet. Wir waren uns dann sehr schnell einig, dass das kein Problem ist, das wir auf der Landesebene lösen können.
Wir haben dann die Tatsache genutzt, dass Sachsen-Anhalt im Jahr 2013 das Vorsitzland der GFMK war. Wir haben auf meine Initiative hin einen Beschluss erreicht, auf dessen Grundlage eine länderoffene Arbeitsgruppe der Konferenz der Gleichstellungsministerinnen und Gleichstellungsminister eingesetzt worden ist, in der auch die zuständigen Fachressorts wie Arbeit und Wirtschaft mitwirken und an der auch das Justizressort beteiligt worden ist. Es haben sich insgesamt 15 Bundesländer beteiligt. Das zeigt ganz deutlich, wie groß das Interesse an diesem Thema ist.