Protocol of the Session on March 27, 2015

(Frau Bull, DIE LINKE: Ja!)

Diese Arbeitsgruppe hat eine sehr intensive und engagierte Arbeit geleistet. Sie hat eine Vielzahl von Expertinnen und Experten eingeladen und angehört, nicht nur Expertinnen und Experten aus

Deutschland, sondern auch aus anderen Staaten, um festzustellen: Wie kommt es, dass in anderen Ländern die Entgeltlücke nicht so groß ist? Welche Regelungen gibt es dort, die eine solche Entwicklung verhindern und die gewährleisten, dass Frauen und Männer gleich bezahlt werden?

Ausgehend von diesen Anhörungen ist eine Bestandsaufnahme gemacht worden, die den IstZustand beschreibt, die aber auch eine Ursachenanalyse enthält. Aufgrund dieser Diskussion ist dann - das war nicht der eigentliche Auftrag - ein umfangreicher Katalog von Handlungsvorschlägen zur Herstellung von Entgeltgleichheit entstanden. Insgesamt sind das mehr als 60 Maßnahmen, die in diesem Katalog zusammengefasst worden sind, der jetzt der Konferenz der Gleichstellungsministerinnen und Gleichstellungsminister vorgelegt wird, die Anfang Juli 2015 tagt und die dann weitergehende Beschlüsse zu diesem Thema fassen wird.

An diesen 65 Vorschlägen sieht man, dass diese Arbeitsgruppe - das ist auch meine Auffassung - relativ schnell zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es eben nicht e i n e Maßnahme ist, die geeignet ist, die Lohngerechtigkeit herzustellen, sondern dass wir ein Maßnahmenbündel brauchen.

Es gibt aber ein paar Themen, die quasi vor der Klammer stehen, die immer wieder auftauchen und um die wir uns jetzt auch vorrangig kümmern müssen. Das ist das Thema Lohntransparenz. Das ist genau das, was Manuela Schwesig für ihren Gesetzentwurf angekündigt hat. Ja, wir brauchen einen individuellen Auskunftsanspruch, weil eine Frau in einem Gerichtsverfahren belegen muss, dass sie schlechter bezahlt wird als ihr männlicher Kollege. Das geht nur, wenn man dafür auch belastbare Daten hat. Ansonsten sind arbeitsgerichtliche Verfahren von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Wir wünschen uns diese Transparenz generell. Wir haben schon einen ganz konkreten Versuch unternommen, und zwar im Bundesrat bei der Umsetzung der sogenannten Bilanzrichtlinie. Nach dieser Bilanzrichtlinie sind große Unternehmen verpflichtet, einen allgemeinen Lagebericht zu erstellen. Wir wollten, dass im Rahmen dieses allgemeinen Lageberichts auch Aussagen zur Situation hinsichtlich der Entgeltgleichheit in diesen Unternehmen enthalten sind. Das hat leider im Bundesrat nicht die notwendige Mehrheit bekommen. Aber wir bleiben an diesem Thema dran und werden das weiter verfolgen.

(Zuruf von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Wir reden im Moment viel über Tarifverhandlungen und -verträge. Auch das ist ein Thema, das man sich im Rahmen von Entgeltgleichheit noch einmal genau anschauen

muss, auch wenn die Gewerkschafter der Meinung sind, das sei alles in Ordnung. Ich bin der Meinung, dass flächendeckend alle Tarifverträge und auch die Manteltarifverträge auf strukturelle Lohndiskriminierung überprüft werden müssen; denn wenn man immer nur oben ein paar Prozentpunkte drauflegt, führt das dazu, dass sich die Ungleichgewichte verstärken.

Mich verwundert auch: Wenn man die Bilder im Fernsehen über die Tarifverhandlungen sieht, dann verhandeln dort meist Männer. Es sitzen kaum Frauen am Tisch. Deshalb wünsche ich mir, dass in Zukunft die Interessen von Frauen dadurch, dass mehr Frauen in diese Tarifverhandlungen entsandt werden, tatkräftige Unterstützung finden.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde mich dafür starkmachen, dass diese Vorschläge nicht einfach nur Papier bleiben, sondern dass wir daraus ein konkretes Maßnahmenbündel schnüren, um tatsächlich die Grundlagen dafür zu legen, dass der Gender-Pay-Gap in Zukunft geringer wird.

Wir werden im Rahmen der Gleichstellungsministerkonferenz überlegen, ob wir vielleicht Manuela Schwesig auf der Bundesebene noch einmal unterstützen, indem wir im Herbst im Bundesrat diese Dinge konkret machen, weil die Diskussionen auf der Bundesebene nicht ganz so leicht sind, wie wir uns das wünschen.

Ich denke, deshalb brauchen wir Unterstützer und müssen unsere Reserven mobilisieren, damit eine Vision Wirklichkeit werden kann, eine Vision, die für mich wie folgt aussieht: In einer Arbeitswelt und Gesellschaft, wie ich sie mir vorstelle, kann jede junge Frau, die ein Studium oder eine Ausbildung beginnt, sagen: Ich kann alles werden, wenn ich gut bin, auch Vorstandsvorsitzende. Ich kann darauf vertrauen, dass ich fair bezahlt werde, und Kinder bekommen kann ich dabei auch noch. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Ministerin. - Wir fahren in der Aussprache fort. Als Nächster spricht der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Gallert.

Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe soeben einen interessanten Zuruf von Herrn Bergmann aus der SPD-Fraktion vernommen, der sagte: Zu diesem Thema dürfen keine Männer reden. Darauf sage ich: Herr Berg

mann, wissen Sie, so lange wir genau so herangehen, wird das Problem immer größer.

(Beifall bei der LINKEN - Unruhe)

Wir werden die Gerechtigkeitslücke erst dann schließen, wenn sich diese nicht nur aus der Sicht der Frauen als Skandal darstellt, sondern wenn es auch Männer gibt, die diese als Skandal bezeichnen. Deswegen rede ich hierzu.

(Beifall bei der LINKEN)

Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, die heutige Aktuelle Debatte ist von der SPD-Fraktion beantragt worden - ich bin ihr ausdrücklich dankbar dafür -, und zwar mit der Intention - das hat Katrin Budde deutlich gemacht -, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen. Ich glaube, alle Rednerinnen und Redner, die heute sprechen werden, werden diesem Anliegen im Wesentlichen zustimmen.

Das ist auch richtig so. Diese Gerechtigkeitslücke muss geschlossen werden, weil sie ein gesellschaftlicher Skandal ist, weil sie diskriminierend ist. Deswegen muss es unsere gemeinsame Aufgabe sein, dagegen vorzugehen. Deswegen ist die Aktuelle Debatte gut.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das Problem ist nur, wenn wir diese Aktuelle Debatte vor fünf oder zehn Jahren durchgeführt hätten, hätten wahrscheinlich genauso alle Rednerinnen und Redner in diesem Landtag dafür plädiert, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Nur, die gesellschaftliche Realität ist eine andere. Das hat Katrin Budde auch klar gesagt. Jawohl, wir haben in Ostdeutschland die Situation, dass die Gerechtigkeitslücke nicht kleiner, sondern größer wird, und zwar im Ergebnis von politischen Entscheidungen derjenigen, die behaupten, dass sie kleiner werden müsste. Daran müssen wir uns orientieren.

Wenn man bei diesem wirklich ernsten Thema einmal genauer hinschaut - ich sehe, das tut nur ein Teil in diesem Saal -, dann muss man sagen, dass der Bericht der Gleichstellungsministerin mit Blick auf das Ergebnis sehr ernüchternd war: Wir haben zwei Arbeitsgruppen gegründet, im Land haben wir ohnehin keinen Spielraum und dem Bund haben wir einen Katalog vorgelegt. Ist dies das Ergebnis von Gleichstellungspolitik in dieser Legislaturperiode?

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Leider ja. Das ist das Ergebnis von Gleichstellungspolitik in dieser Legislaturperiode. Deswegen überrascht es auch nicht, dass die Frauenquote in dieser Landesregierung bei vollständiger Anwesenheit der Landesregierung immer geringer wird.

Deswegen ist, glaube ich, diese Landesregierung für diese Negativentwicklung leider ein gutes oder vielmehr sehr schlechtes Beispiel.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte kurz sagen: Selbst wenn wir uns als Politikerinnen und Politiker hier heute hinstellen und sagen, wir wollen die Gerechtigkeitslücke in diesem Bereich schließen, ist das auch kein politischer Konsens mehr. Nein, es gibt inzwischen mit der AfD eine Partei - ich sage nur: Beatrix von Storch -, die ausdrücklich für ein konservatives Familienbild eintritt und dieses legitimiert, die genau davon ausgeht, dass wir zu einem traditionellen Familienbild zurückkehren, bei dem es einen Hauptverdiener gibt - das muss natürlich der Mann sein - und maximal eine Zuverdienerin. Das ist inzwischen wieder die gesellschaftliche Debatte.

Dieses konservative Familienbild finden wir auch in anderen Papieren. Es gibt seit einigen Wochen auch in der CDU einen konservativen Kreis, der explizit davon ausgeht, dass die Familie in ihrem Bestand gesellschaftlich bedroht ist wie nichts anderes. Ich habe dieses Papier hier vorn liegen. Ich möchte gern einmal wissen, wodurch diese Familie so bedroht wird; es sei denn, es ist das traditionelle Familienbild, bei dem der Mann das Sagen hat und die Frau dazugehört, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU)

Ich sage ganz klar: Unsere politische Position wird es sein, die Auseinandersetzung zu führen und dieses gesellschaftliche Rollback zu vermeiden. Ich glaube, das ist notwendig.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Frau Brakebusch, CDU - Unruhe)

Worum geht es an dieser Stelle tatsächlich? - Katrin Budde hat die Sache mit den 3 % gesagt. Ja, aber man muss auch eines sagen: Die Gerechtigkeitslücke im Westen Deutschlands beträgt in etwa 25 %.

(Unruhe bei der CDU)

Vom Osten Deutschlands kann ich Ihnen die Zahlen auch sagen: Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen 5 %, Sachsen-Anhalt 8 %, Brandenburg 9 %, Sachsen 11 %, Berlin 10 %.

Woher kommt dieser extreme Unterschied? - Er kommt daher, dass wir ein unterschiedlich tradiertes Familienbild haben. Der Osten hat ein moderneres tradiertes Familienbild. Der Osten hat nämlich das Familienbild, dass Männer und Frauen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt haben, und zwar zum Vollzeitstellenarbeitsmarkt. Deswegen sind die Unterschiede im Osten deutlich kleiner als im Westen. Dort haben wir das traditionelle Familienbild, bei dem wir den Mann als

Hauptverdiener und die Frau als Zuverdienerin haben.

(Zurufe von der CDU - Unruhe)

Ich sage aber auch: In der DDR war nicht alles Gold, was glänzt. In der DDR sind zwei Probleme nicht gelöst worden. Das betrifft die Doppelbelastung der Frau.

(Unruhe bei der CDU)

Zwar hatten Mann und Frau den gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt, die Verantwortung für die Familie zu Hause blieb aber trotzdem eher bei der Frau. Deswegen hatten wir in der DDR auch die gläserne Decke, die verhindert hat, dass Frauen Karriere gemacht haben. Hierbei gilt, genau wie heute, folgendes Prinzip: Je höher die Arbeitsintensität, je höher die Anforderungen an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden, je flexibler, je mehr man omnipräsent sein muss, umso stärker kann derjenige, der in der Arbeitswelt Karriere machen oder auch nur bestehen will, nur noch eines tun, nämlich auf Familie und Familienarbeit verzichten. Er muss nämlich unwahrscheinlich flexibel sein; er muss permanent erreichbar sein.

Angesichts dieser Situation haben wir dann das Problem, dass sich ein Teil der Menschen aus der Arbeitswelt sukzessive zurückziehen muss. Irgendjemand muss nämlich Familie organisieren. Das sind traditionell Frauen.

(Zurufe von der CDU)

Wenn wir das durchbrechen wollen, dann müssen wir zu einem klaren anderen Bild kommen, nämlich zu der Begrenzung von Arbeitszeit, zu der Akzeptanz, dass ein Mensch nicht permanent omnipräsent ist. Das gilt übrigens auch für die Akzeptanz im Landesdienst, dass ich nicht nach jeder Strukturreform die Leute durch die Gegend schicken kann.

(Beifall bei der LINKEN)