Ich eröffne die 87. Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Ich begrüße alle Mitglieder des Hohen Hauses sowie die Gäste herzlich und stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.
Wir setzen nunmehr die 42. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Beratung mit dem Tagesordnungspunkt 18, danach folgt der Tagesordnungspunkt 17.
Ich darf daran erinnern, dass sich für heute Ministerpräsident Herr Dr. Reiner Haseloff, Minister Herr Bullerjahn, Minister Herr Dorgerloh sowie Minister Herr Bischoff ganztägig entschuldigt haben.
In der Aktuellen Debatte beträgt die Redezeit je Fraktion zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Es wurde folgende Reihenfolge vereinbart: SPD, DIE LINKE, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Zunächst hat für die Antragstellerin, die Fraktion der SPD, die Fraktionsvorsitzende Frau Katrin Budde das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immerhin haben wir heute bei den anwesenden Mitgliedern der Landesregierung eine Frauenquote von 30 %. Das schafft die Landesregierung sonst nicht.
- Dann wird die Quote noch besser, Hartmut; dann sind es 50 %. Aber ich würde es vorziehen, wenn du zuhörst, weil es doch auch sehr viel um den Bereich der Wirtschaft geht, um Löhne und Gehälter. - Ach Mensch, noch ein Herr! Schade, jetzt sind es nur noch 25 %.
Es wird immer weniger. Ja, meine Herren, so ist das: Je mehr Männer in den Raum kommen, desto schlechter wird die Quote. Das sollten Sie
sich einmal überlegen, da scheint mathematisch irgendetwas falsch gelaufen zu sein bei der Aufstellung der Landesregierung.
Was für ein schöner Einstieg, alle sind wach. Dann wenden wir uns jetzt vielleicht doch dem wirklichen Thema von heute zu, nämlich dem Thema Equal Pay oder Entgeltgleichheit, also der Lohnlücke, die wir endlich schließen wollen.
Ich fange mit dem Jahr 1966 an; das war - da war ich gerade ein Jahr alt - also vor fast 60 Jahren. - Nein, vor fast 50. Ich bin 1965 geboren. - Hier hat mir einer eine falsche Zahl hineingeschrieben.
Damals hat James Brown eines seiner bekanntesten Lieder geschrieben: „This is a man’s world“. Erinnern Sie sich an das Lied? - Das war eine reale Beschreibung der damaligen gesellschaftlichen Zustände, in der Tat. Aber wenn man das auf heute überträgt, dann könnten wir eigentlich immer noch sagen: This is still a man’s world. Denn das, was in dem Lied gesungen worden ist, gilt noch immer.
Wenn man das immer wieder deutlich sagt und stetig wiederholt, dann hat man ganz oft die Reaktion - die sind erwartbar, die sind vorhersehbar -, dass gesagt wird: Was wollt Ihr denn beim Thema Gleichberechtigung eigentlich noch? Die ist doch da, ist doch erledigt. Ihr seid doch gleichberechtigt. - Aber wir haben sie nicht, die Gleichberechtigung, ganz wirklich nicht. Natürlich ist es besser als vor 100 Jahren, auch besser als vor 50 und vor 49 Jahren, aber es ist noch lange nicht gut.
Natürlich haben wir Frauen heute das Wahlrecht, ja. Wir haben das Recht zur freien Berufswahl, ja. Wir werden Bundeskanzlerin und Ingenieurin. Wir werden Ärztin, Fraktionsvorsitzende. Wir werden Bauhaus-Chefin, Intendantin, Justizministerin, Ministerpräsidentin; das ist alles drin heute. Diese Berufe wären früher für Frauen undenkbar gewesen.
- Schön, dass das noch ein Aufregerthema ist. - Wer gestern Abend, wie ich, auf dem Empfang der Sparkassen war, der hat vielleicht, wenn er mit
Zum einen: Die Grußworte wurden nur von Männern gehalten. Das würde vermutlich keine Zeitung erwähnen. Bei Veranstaltungen, wo Frauen die Grußworte halten, bekommt man schon einmal den Kommentar von einer großen regionalen Zeitung, ob sich die Männer dann im Raum überhaupt wohlfühlen bei so vielen Grußworten von Frauen, oder: Der Oberbürgermeister war ein Quotenmann.
Haben Sie uns einmal gefragt, ob wir uns wohlfühlen, wenn so viele Männer ein Grußwort halten? - Das wird auch nicht geschrieben. Das ist im Grunde auch richtig so - das andere aber genauso.
- eines mussten Sie darauf suchen: eine Frau. Da drängelten sich ausschließlich Männer vor der Wand zum Fotografieren.
Die Bilder sprechen eine reale Sprache. Deshalb sage ich: Ja, es ist schon viel passiert, aber eben nicht genug.
Meine Damen und meine Herren! Das, was am Ende zählt, ist natürlich das zwischen Daumen und Zeigefinger. Im Berufsleben, da gibt es sie eben nicht, die Gleichstellung oder die gleiche Bewertung der Arbeit in Geld, die sich zwischen Daumen und Zeigefinger auszahlt. Da gibt es nach wie vor eine Realität für Frauen und eine Realität für Männer. Ich sage einmal, im 21. Jahrhundert wäre es wirklich nett, wenn wir in der gleichen Realität leben würden und nicht in unterschiedlichen.
Damit komme ich auf James Brown zurück, der dann sagte - ich mache es gleich auf Deutsch -: Und nachdem der Mann alles erschaffen hatte, was er konnte, verdiente er Geld, damit er Dinge von anderen Männern kaufen konnte. Genau so läuft das auch an vielen Stellen der Arbeitswelt. Das ist eine wunderbare Beschreibung und die Fakten sprechen da eine klare Sprache.
Die Aufstiegschancen in diesem Land sind nach wie vor geschlechterabhängig. Frauen tragen nach wie vor die größeren Risiken im Erwerbsleben. Sie sind nach wie vor diejenigen, die am meisten und vor allem häufig unfreiwillig in Teilzeit und prekärer Beschäftigung sind. Deshalb, meine Damen und Herren, gilt noch ein Satz: Altersarmut ist weiblich. Das ist die Folge.
Obwohl wir Frauen oft gleich gute oder auch bessere Berufs- und Bildungsabschlüsse haben als Männer, in der Arbeitswelt werden wir trotzdem ganz oft abgehängt, und wir werden sogar im Schnitt auf gleichen Positionen schlechter bezahlt als Männer. Die Lohnlücke in Deutschland liegt aktuell bei 22 %, meine Damen und Herren.
- Darüber kann man sich echt aufregen, das stimmt. Und die Nebendebatten sind richtig gut, wenn sie dazu führen, dass die Lohnlücke geringer wird. - 22 %, das ist fast ein Viertel weniger Lohn, als Männer bei vergleichbarer Arbeit in der Lohntüte haben.
- Das ist in der Tat unglaublich. - Wir haben dazu vor genau einer Woche den Equal-Pay-Day begangen. Man muss auch wirklich ausdrücklich sagen: Wir haben ihn begangen, nicht gefeiert; denn zum Feiern gibt es da nichts. Ich möchte das einmal verdeutlichen: Der Equal-Pay-Day ist ein Symbol dafür, dass in diesem Land Frauen im Schnitt noch immer 22 % weniger verdienen.
Es gibt jetzt unterschiedliche Lesarten für den 20. März. Entweder bekommen Frauen im Vergleich zu Männern ab dem 20. März endlich Geld, obwohl sie seit dem 1. Januar arbeiten, oder sie arbeiten bis zum 20. März des Jahres, um im Vergleich zu den männlichen Kollegen auf den gleichen Verdienst der männlichen Kollegen vom letzten Jahr zu kommen. Dann wird das alles sehr plastisch und sehr realistisch. Aber egal welche Lesart man nimmt, meine Damen und Herren, der Befund bleibt der gleiche, und das ist eine reale gesellschaftliche Ungerechtigkeit und die gehört abgeschafft.
Meine Damen und Herren! Die Lohnlücke ist übrigens nicht nur eine Gerechtigkeitslücke - nein, sie ist auch eine riesengroße Peinlichkeit. Beim Thema Entgeltgleichheit in Deutschland sind wir das Schlusslicht in Europa. Im EU-Durchschnitt sind es noch 16,2 % - auch zu viel. In Deutschland sind es 22 %. Das heißt: Der Wirtschaftsriese Deutschland ist ein Gerechtigkeitszwerg beim Thema Entgeltgleichheit. So klar ist das.