Protocol of the Session on March 26, 2015

Was fehlt, ist die Auseinandersetzung mit den zum Beispiel bei Nazikonzerten dargebotenen Inhalten. Dort wird zum Hass gegen Menschen aufgerufen, dort wird Gewalt gefeiert, dort wird mit Gesten, mit Devotionalien, mit Liedern, mit Publikumsgesängen die eigene Identität gefestigt, der die radikale Ablehnung von Demokratie, demokratischen Werten, Prozessen und Normen immanent ist.

An dieser Stelle zeigt sich im Übrigen auch, wie eng polizeiliche Einsatzkonzepte und die Handlungsmöglichkeiten der Versammlungsbehörden miteinander verknüpft sind, insbesondere dann, wenn Polizei eben nicht Versammlungsbehörde ist.

Wenn ein polizeiliches Einsatzkonzept nicht deutlich macht, dass ein Abbruch der Veranstaltung jederzeit durchsetzbar wäre, wenn Verstöße gegen Auflagen - wenn überhaupt - erst bei einer Auswertung im Nachhinein auffallen, wenn nicht einmal geschaut wird, was das Publikum während eines Konzertes macht, sondern nur - und auch das eher schlecht - auf die Lieder gehört wird, wenn Angriffe auf Journalisten nur zögerlich und auf Nachfrage hin geahndet werden, dann schränkt das nicht nur die neonazistische Erlebniswelt nicht ein, sondern dann wird dadurch eben auch erschwert, dass eine Versammlungsbehörde aufgrund der dokumentierten und geahndeten Auflagenverletzungen bei einer Veranstaltung einen Veranstalter als unzuverlässig für kommende Veranstaltungen einstufen oder eben auch sorgsam dokumentierte, begründete und rechtssichere Verbotsverfügungen erstellen kann.

Gestern war in der Volksstimme zu lesen: „Ermittlungen wegen Hassplakat auf Magida-Demonstration“. Ich frage Sie: Warum kam es denn nicht zu einer Intervention in der Situation? Warum wurde denn die Demo nicht angehalten, sondern konnte einfach weiterlaufen?

(Beifall bei der LINKEN - Herr Striegel, GRÜNE: Warum durften die Fackeln benut- zen?)

- Warum durften die Fackeln benutzen?

(Herr Striegel, GRÜNE: Absurd!)

In der Tat. Das ist ein richtiger Hinweis des Kollegen Striegel. Auch Herr Erben hat darauf aufmerksam gemacht, sehr zu Recht.

Ermittlungen im Nachgang zu Demonstrationen sind nun wirklich keine Neuheit für Nazis, haben keinerlei Auswirkungen, haben keinerlei abschreckenden Charakter, zumal sie oftmals ohne Konsequenz bleiben.

Warum wird im Bereich der einen Versammlungsbehörde eine Uniformierung von Versammlungsteilnehmern konsequent problematisiert und das Abstellen zur Bedingung für den Fortgang der Veranstaltung gemacht, im Bereich einer anderen Versammlungsbehörde aber als komplett irrelevant - unter der Rubrik: Wir können da nichts machen - abgetan?

Wieso stellen Verbotsverfügungen regelmäßig darauf ab, dass es sich nicht um eine Versammlung entsprechend dem Versammlungsgesetz handelt, scheitern mehrfach vor Gericht, und die Versammlungsbehörden sind nicht in der Lage, für kommende Versuche Schlüsse daraus zu ziehen?

Wie ist es möglich, dass eine Versammlungsbehörde einen von heute auf morgen durch Hans Püschel avisierten Neujahrsempfang der NPD im Burgenlandkreis nicht als das erkennt, was er offensichtlich war, nämlich eine Ersatzveranstaltung für eine zu Recht verbotene Veranstaltung mit der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck?

Wieso kann diese Ersatzveranstaltung mit denselben Themen, denselben Referenten und derselben begründeten Wahrscheinlichkeit der Begehung von Straftaten einfach durchlaufen? - Ursula Haverbeck sammelt bundesweit, auch europaweit, Anklagen, Ermittlungsverfahren, Gefährderansprachen wie kaum jemand sonst, aber auch den Behörden in Naumburg ist nichts Besseres eingefallen, als im Nachhinein ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und die Veranstaltung einfach durchlaufen zu lassen.

Meine Damen und Herren! Ich will nicht missverstanden werden: Jede Situation, jede Versammlung, jedes Konzert muss individuell betrachtet und beurteilt werden; ein Patentrezept gibt es nicht. Das ist völlig klar. Aber solche Fehler ziehen sich systematisch durch das Agieren der Versammlungsbehörden und auch teilweise der Polizei in den letzten Jahren und brauchen deshalb eben weit mehr als einen Erlass, der ehrenamtliche Kommunalpolitiker schützen will.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Das alles ist auch nicht neu. Gerade mit dem Umgang mit Nazikonzerten und Möglichkeiten und

Grenzen staatlichen Agierens haben wir uns hier im Hohen Hause sehr intensiv beschäftigt. Wir haben im Innenausschuss sehr intensiv an diesem Thema gearbeitet und hierzu eine wirklich sehr aufschlussreiche Anhörung durchgeführt. Diese hat einen deutlichen Handlungsbedarf aufgezeigt, so wie ich ihn eben beschrieben habe. Der Punkt ist allerdings, dass dies bisher ohne Konsequenz blieb.

Deshalb haben wir die Punkte 3 und 4 unseres Antrages so detailliert gefasst. Bevor Sie mir entgegnen, dass es sich angesichts dieser Detailliertheit um einen Eingriff in den Kernbereich exekutiven Handelns handele, will ich Ihnen sagen: Für meine Fraktion scheint dies erstens notwendig zu sein - denn es ist bislang nichts passiert -, und zweitens erinnere ich mich sehr gut an die Worte des Innenministers in der letzten Innenausschusssitzung, als wir über Tröglitz sprachen, dass er sich über konkrete Verbesserungsvorschläge freuen würde. - Die haben wir gemacht.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Eines ist völlig klar: Auch das entschlossenste behördliche Agieren verhindert nicht, dass rechte und demokratiefeindliche Einstellungen entstehen. Es verhindert keinen Rassismus. Sie lassen sich auch nicht verbieten. Auch aufgelöste Nazikonzerte ändern nichts an der menschenverachtenden Einstellung ihrer Besucher. Hierfür braucht es in der Tat langfristige politische Konzepte und ein gesellschaftliches Klima, das Solidarität, Menschenwürde und Offenheit atmet.

Für uns steht aber ebenso fest: Das Signal der konsequenten staatlichen Ächtung von Rassismus und Neonazismus als Konsens der Demokraten ist unabdingbar. Wenn Staat und Verwaltung nicht alle Mittel ausschöpfen, die ihnen zur Verfügung stehen, wenn Einschüchterungen, Bedrohungen und rechte Straftaten nicht als solche erkannt werden, wenn Neonazikonzerte einfach durchlaufen können, maximal im Nachgang ermittelt wird und Auflagenverstöße ohne spürbare Konsequenz bleiben, dann verkommt staatliche und politische Ächtung von Neonazismus und Rassismus zur hohlen Phrase und bleiben die Betroffenen allein.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das kann für uns nicht hinnehmbar sein. Um es deutlich zu sagen: Es geht hierbei nicht um die Forderung nach politischer Justiz oder Parteilichkeit der Behörden. Es ist keineswegs Rechtsbeugung oder nicht rechtskonforme Auslegung von Gesetzen, die wir hier fordern. Es geht darum, das Grundgesetz ernst zu nehmen und die daraus abgeleiteten Strafnormen ernst zu nehmen und als das wirksam werden zu lassen, was sie von ihrem Ursprung her sind: parteiisch pro Demokratie.

Die umfassende und vor allem spürbare Ächtung und Ahndung von Rassismus und Neonazismus in all ihren Erscheinungsformen eben auch durch die kommunalen Verwaltungen, durch die kommunalen Behörden und durch die Versammlungsbehörden ist dafür unabdingbar. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Kollegin. - Wir treten nun in die Aussprache ein. Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Als Erster spricht für die Landesregierung Herr Minister Stahlknecht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den heute zur Diskussion stehenden Anträgen geht es um die Anerkennung, Förderung und Unterstützung in erster Linie ehrenamtlich Tätiger, die sich insbesondere um die Entwicklung einer Willkommenskultur im Land bemühen. Dieses Engagement kann sich der Wertschätzung, so denke ich, der Mitglieder dieses Hohen Hauses sicher sein.

Gleichwohl gibt und gab es in der Vergangenheit Vorkommnisse in unserem Bundesland - ich nenne beispielsweise den Rücktritt des Ortsbürgermeisters von Tröglitz oder rechte Demonstrationen und Musikveranstaltungen -, die, auf den ersten Blick betrachtet, den Anschein erwecken können, dass nicht alle Mittel des Versammlungsrechts ausgeschöpft wurden und werden oder aber die zuständigen Behörden und Landesämter unkoordiniert oder rechtsunsicher handeln würden. Dieser Eindruck erweist sich jedoch bei genauerem Hinsehen - darauf werde ich noch eingehen - als unrichtig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ehrenamtliches Engagement ist - ich glaube, darin sind wir uns einig - für die Zivilgesellschaft wichtig. Es wird daher von der Landesregierung ausdrücklich wertgeschätzt und mit konkreten Taten unterstützt. So können Vereine, freie Träger, Initiativen und Private, die sich für Flüchtlinge und Zugewanderte einsetzen, finanzielle Zuschüsse, professionelle Beratung und Unterstützung erhalten.

Die neue Netzwerkstelle „Willkommenskultur“ wurde am 11. März 2015 vorgestellt. Ihr Ziel ist es, ehrenamtlich Engagierte zu beraten, zu vernetzen und unbürokratisch finanziell zu unterstützen. Für die Förderung einer Willkommenskultur hat das Land Sachsen-Anhalt für die Jahre 2015 und 2016 Mittel in Höhe von jeweils 350 000 € in den Haushalt eingestellt. Zusätzlich fördert unser Haus mit der Integrationsrichtlinie lokale Projekte mit jeweils 250 000 € in den Jahren 2015 und 2016. Darüber hinaus werden Integrationsstrukturen in den Landkreisen und kreisfreien Städten mit weiteren

590 000 € in diesem und im kommenden Jahr unterstützt.

Sicherheitsbehörden und Polizei sind an das Prinzip - Frau Quade, Sie erwähnten es - der Rechtsstaatlichkeit gebunden. Sie haben Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren und Entscheidungen nach Recht und Gesetz zu treffen. Die Kraft eines Rechtsstaates zeigt sich aber auch darin, dass er den Umgang mit seinen Gegnern - ich bewerte die NPD so, weil sie einen anderen Staat will - den allgemein gültigen rechtsstaatlichen Grundsätzen unterwirft.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Niemandem darf der Schutz von Grundrechten verwehrt werden. Dieses Prinzip wird von der Rechtsprechung zu Recht immer wieder betont.

Das Versammlungsrecht knüpft nicht an die Gesinnung der Versammlungsteilnehmer an, sondern dient der Abwehr unmittelbarer Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die aus konkreten Handlungen folgen. Demnach unterfallen auch die Äußerungen rechtsextremistischen Gedankengutes im Grundrecht der Meinungsfreiheit, solange damit nicht gegen geltendes Recht verstoßen wird.

Gleichwohl sind die allgemeinen und besonderen Sicherheitsbehörden und die Polizei - dies ist gegenüber dem Landtag wiederholt betont worden - stets gehalten, gegen rechte Veranstaltungen im Rahmen des rechtlich Möglichen vorzugehen und diesen Rahmen auch auszuschöpfen.

Das ist nur in dem Umfang möglich, wie tatsächliche Anhaltspunkte Störungen für die öffentliche Sicherheit erwarten lassen. Maßgeblich ist die stets zu erstellende einzelfallbezogene Gefahrenprognose. Eingriffe der Sicherheitsbehörden und der Polizei sind demnach nur dann zulässig, wenn zur Gefahrenprognose Tatsachen vorliegen und diese Tatsachen einen konkreten Bezug zum jeweiligen Sachverhalt aufweisen.

Das Ministerium für Inneres und Sport hat in der Vergangenheit in einer Vielzahl von Erlassen entsprechende Hinweise für den Umgang mit derartigen Veranstaltungen gegeben, beispielsweise mit der Handlungsanleitung zum Umgang mit rechtsextremistischen Musikveranstaltungen aus dem Juli 2011.

Hierzu zähle ich auch die Einrichtung der Zentralstelle für extremistische Musik im Landeskriminalamt im vorigen Jahr. Diese unterstützt die Polizei und die Sicherheitsbehörden bei der Erfüllung ihrer gefahrenabwehrrechtlichen Aufgaben und wird beratend tätig. Das schließt Schulungen der mit diesen Aufgaben betrauten Mitarbeiter zu strafrechtlich und jugendschutzrechtlich relevantem Liedgut ein. Den Anstoß für die Einrichtung dieser Stelle gab eine NPD-Veranstaltung im Sommer 2013 in Berga.

Auch bei aktuellen Geschehnissen findet ein ständiger Austausch zwischen Ministerium, Sicherheitsbehörden und Polizei statt mit dem Ziel, die jeweils anstehende Lage durch rechtssicheres Handeln zu bewältigen. Dieser Austausch macht dabei keineswegs an Ländergrenzen halt, was die von mir initiierte Zusammenkunft der Sicherheitsbehörden in Zeitz am 13. März 2015 unterstreicht. Das Treffen von Vertretern der Verfassungsschutzbehörden aus Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen und des Bundes sowie des polizeilichen Staatsschutzes hat gezeigt, dass die Kommunikationswege funktionieren.

Liebe Frau Quade, es ist mit Sicherheit nicht so, dass wir die Prävention in die Hände des Verfassungsschutzes gelegt haben, wie Sie das eben möglicherweise haben ausdrücken wollen. Um das Wissen der Sicherheitsbehörden auch zukünftig in die Entscheidung der Versammlungsbehörden vor Ort einfließen lassen zu können sowie Informationsverluste weitestgehend zu vermeiden, beabsichtige ich, zeitnah Regionalkonferenzen vor Ort zu veranstalten. Neben den Sicherheitsbehörden sollen daran in erster Linie Vertreter der Landkreise und des Landesverwaltungsamtes teilnehmen. Dabei sollen diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch in versammlungsrechtlichen Fragen noch einmal vertieft geschult werden.

Gefahrenprognosen müssen immer wieder neu und jeweils an den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles gemessen erstellt werden. Es sind stets einzelfallbezogen verschiedene Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Das ist auch der Grund dafür, dass pauschale und abstrakte Handlungsanweisungen zum Umgang mit rechten Veranstaltungen kaum gegeben werden können.

Dem Landesverwaltungsamt kommt in seiner Funktion als Fachaufsicht und Bündelungsbehörde unbestreitbar eine zentrale Bedeutung zu. Ihm obliegt eine Schlüsselfunktion bei dem Bemühen der Landesregierung, rechte Umtriebe zu bekämpfen.

Selbstverständlich sind auch in diesem Bereich weitere Verbesserungen möglich und auch geboten. Die fachaufsichtliche Begleitung wird daher auch künftig weiter intensiviert, wie bereits im Kontext mit dem Beschluss des Landtages vom 31. Januar 2014 mit dem Titel „Zivilgesellschaftlichen Protest gegen Neonazikonzerte unterstützen - Kommunen nicht allein lassen - ausgeführt.

Als aktuellen Beleg hierfür möchte ich den Erlass meines Hauses vom 12. März 2015 im Zusammenhang mit den nicht akzeptablen Vorkommnissen in Tröglitz nennen. Der Erlass enthält Handlungsempfehlungen für Versammlungsbehörden, um in Situationen konkurrierender schutzwürdiger Interessen Hilfestellungen für den Entscheidungspro

zess zu geben. Dafür enthält er eine zusammenfassende Darstellung des Versammlungsgrundrechtes und der Möglichkeiten und Pflichten der Versammlungsbehörde, das geschützte Selbstbestimmungsrecht der Veranstalter und Teilnehmer einer Versammlung auf der einen Seite mit dem genauso verfassungsrechtlich geschützten Recht Dritter auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit auf der anderen Seite rechtssicher zum Ausdruck zu bringen.

Ich bin der Überzeugung, dass der Landtag und die Landesregierung den hohen Stellenwert der Tätigkeit Ehrenamtlicher in diesem Land erkannt haben und entsprechend würdigen. Einschüchterungen und Bedrohungen im Zuge des politischen Meinungsaustausches sind nicht zu akzeptieren, entschlossenes staatliches Handeln ist hier ohne jeden Zweifel gefragt.

Die zuständigen Behörden sind bemüht, den hierfür zur Verfügung stehenden Rechtsrahmen auszuschöpfen. Entsprechende Maßnahmen müssen aber auch rechtlichen Überprüfungen standhalten. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Minister. - Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Gallert.

Unser Antrag hat zwei Ziele: Zum einen soll er Solidarität mit den Betroffenen zum Ausdruck bringen, zum anderen soll er die Frage der Demonstrationen und deren Handhabung beleuchten.