Protocol of the Session on March 26, 2015

Ich bitte nunmehr die am Wahlverfahren beteiligten Schriftführerinnen und Schriftführer um die Stimmabgabe: Herrn Abgeordneten Krause, Frau Abgeordnete Edler sowie Frau Abgeordnete Hampel. Abschließend wählt der Sitzungsvorstand: die Abgeordneten Harms, Herbst und Gürth.

Ich frage nunmehr: Ist ein Mitglied des Landtages im Plenarsaal, das seine Stimme noch nicht hat abgeben können? - Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die Wahlhandlung ab.

Heißen Sie jetzt mit mir die zweite Gruppe der Gäste willkommen, Damen und Herren der Jüdischen Gemeinde zu Dessau sowie Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums in Hettstedt. Herzlich willkommen im Haus!

(Beifall im ganzen Hause)

Bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unterbreche ich die Sitzung, darf Sie aber bitten, im Raum zu verweilen.

Unterbrechung: 10.40 Uhr.

Wiederbeginn: 10.44 Uhr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie, die Plätze wieder einzunehmen. Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort.

Nach der mir vorliegenden Wahlniederschrift wurde die Wahl des Präsidenten des Landesrechnungshofes nach Artikel 98 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt mit folgendem Ergebnis durchgeführt: abgegebene Stimmen: 103; ungültige Stimmen: keine; gültige Stimmen: 103. Bei der gesetzlichen Zahl von 105 Abgeordneten und der Zahl der heute anwesenden Abgeordneten von 103, die an der Wahl teilnahmen, mussten 69 gültige Stimmen für den Wahlvorschlag abgegeben werden. Es gab eine Stimmenthaltung. Gegen den Wahlvorschlag stimmten 28, für den Wahlvorschlag stimmten 74 Abgeordnete.

(Starker Beifall bei der CDU - Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Die Abgeord- neten der CDU und der GRÜNEN sowie ei- nige Abgeordnete der SPD erheben sich von ihren Plätzen)

Für die Besucherinnen und Besucher auf der Gästetribüne sind die Gesten der Gratulation das offenkundige und offensichtliche Zeichen dafür, dass der Wahlvorschlag die erforderliche Mehrheit erreicht hat.

Im Namen des Hohen Hauses beglückwünsche ich den Abgeordneten Herrn Barthel zur Wahl zum Präsidenten des Landesrechnungshofes. Ich wünsche ihm alles Gute, insbesondere für eine erfolgreiche Amtsführung. Herzlichen Glückwunsch, Herr Abgeordneter Barthel!

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 b auf:

b) Beratung

Zustimmung des Landtages zur beabsichtigten Ernennung der Vizepräsidentin des Landesrechnungshofes

Antrag Landtagspräsident - Drs. 6/3760

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsident des Landesrechnungshofes hat mit Schreiben vom 3. Dezember 2014 einen Vorschlag zur Ernennung der Vizepräsidentin des Landesrechnungshofes unterbreitet und Frau Ministerialdirigentin Dr. Petra Suttner vorgeschlagen. Die Fraktionen konnten sich eingehend mit dem Vorschlag befassen.

Gemäß den Regelungen der Landesverfassung ist vor der Ernennung die Zustimmung des Landtages einzuholen. Die Entscheidung des Landtages über die erbetene Zustimmung ergeht in offener Abstimmung. Nach § 73 der Geschäftsordnung ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich. Danach ist die Zustimmung erteilt, wenn die Zahl der Jastimmen die der Neinstimmen übersteigt.

Wer dem Vorschlag in der Drs. 6/3760 zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist niemand. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktionen der SPD, der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit hat der Vorschlag nicht die erforderliche Mehrheit erhalten. Der Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Beratung

Solidarisch und entschlossen gegen Rassismus

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/3901

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3914

Für die Einbringung erteile ich der Abgeordneten Frau Quade das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehöre nun wirklich nicht zu denjenigen, die großes Interesse an neonazistischen und rechten Aktivitäten, wie es Sachsen-Anhalt in den letzten Wochen erfahren hat, prinzipiell für problematisch halten oder gar als Nestbeschmutzung ansehen - keineswegs. Oftmals sind es eben nur mediale Aufmerksamkeit und medialer Druck, die zur Anerkenntnis von Problemen und zum Nachdenken über Lösungen führen.

(Unruhe)

Entschuldigung, Kollegin Quade. - Vielleicht könnte die Tontechnik dafür sorgen, dass die Rednerin akustisch besser zu verstehen ist?

(Beifall bei der LINKEN - Herr Lange, DIE LINKE: Das wäre sehr schön! Danke schön!)

In einem Punkt stelle ich einen Dissens fest. Vielfach war die Rede von einer durch die Ereignisse in Tröglitz zutage getretenen neuen Dimension rechter Bedrohung und Gewalt. Dem widerspreche ich: Sie ist nicht neu.

(Beifall bei der LINKEN)

Einschüchterungen, der Aufbau von Bedrohungsszenarien und die Androhung und Anwendung von Gewalt sind immanenter Bestandteil rechter und neonazistischer Politikkonzepte und des Agierens ihrer Protagonisten, auch hier in Sachsen-Anhalt. Für alle, die als Nichtdeutsche wahrgenommen werden, für ihre Unterstützerinnen, für engagierte Antifaschistinnen, für Politikerinnen, die sich gegen Rechts exponieren, für alle, die sich rechten und neonazistischen Bestrebungen widersetzen, gehören sie seit vielen Jahren zum Alltag, insbesondere im Osten Deutschlands. Sie sind Realität und sie sind eine allzu oft negierte und bagatellisierte Realität.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Betroffenen verfügen meist nicht über die Möglichkeit, sich politische und mediale Aufmerksamkeit zu verschaffen. Vielleicht liegt darin der Grund für die Wahrnehmung, dass es eine neue Dimension sei. Erinnern Sie sich bitte an die Debatte zu den No-go-Areas und dazu, ob sie denn tatsächlich existieren würden, sowie zu dem Schaden für das Image des Landes, insbesondere zur Fußballweltmeisterschaft, den viele Politikerinnen fürchteten, - nicht aber zu der Frage der tatsächlichen Übergriffe.

Es ist auch nicht neu, dass Nazis gerade in kleineren Ortschaften und Dörfern fest etablierte Bestandteile des Gemeinwesens und des öffentlichen Lebens sind, dass sie für ihre Positionen kaum kritisiert werden und dass diejenigen, die dies tun, eben zur Zielscheibe werden.

Darin scheint mir das Kernproblem im Fall Tröglitz zu liegen: Gerade in der Frage des Umgangs mit Asylsuchenden und Flüchtlingen sind ihre Positionierungen offenbar durchaus anschlussfähig für Menschen, die gemeinhin der demokratischen Mitte zugeordnet werden.

An dieser Stelle müssen die Zuwanderungs- und Asylpolitik ansetzen. An dieser Stelle muss die Politik deutlich andere Signale setzen als bisher. An dieser Stelle heißt es, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die Staat und Politik haben, um deutlich zu machen: Alle Menschen sind gleichberechtigt und haben das Recht auf ein Leben in Würde und Selbstbestimmung. Und ein Deutscher ist nicht mehr wert als ein Nichtdeutscher.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus der Sicht meiner Fraktion gehört das zwingend in die Betrachtung der Ursachen für rechte Hegemonien, für rechte Verankerungen und rechte Erfolge - mit nichts anderem haben wir es in Tröglitz zu tun - hinein.

Was uns hier im Hohen Hause einen sollte - darauf zielen die Punkte 1 und 2 unseres Antrages ab -, ist die Solidarität mit allen von rechter und rassistischer Diskriminierung, von Ausgrenzung, Stimmungsmache und Gewalt Betroffenen - egal ob Punk, Obdachloser, Flüchtling oder Bürgermeister. Allen Menschen, die sich in vielfältiger Weise für Asylsuchende und Flüchtlinge, für Integration, für Anerkennung und gegen Rassismus und Ausgrenzung engagieren, gebühren unser Dank und unsere Unterstützung,

(Beifall bei der LINKEN)

zumal sie oftmals - auch das gehört dazu - Aufgaben, die eigentlich von staatlicher Seite zu erfüllen wären, ehrenamtlich und trotz widriger Bedingungen schultern und Fehlstellen staatlicher Asylpolitik ausgleichen und zu mildern versuchen.

Tröglitz ist aber eben auch kein Einzelfall in Bezug auf problematisches bzw. verbesserungswürdiges Agieren staatlicher Behörden und kommunaler Verwaltungen, insbesondere auch der Versammlungsbehörden im Land.

Ein Blick auf die Situation und die Ereignisse der letzten Jahre ist deshalb ratsam. Er macht eben auch deutlich, dass das Problem auch nicht durch bessere und regelmäßige Kommunikation der Verfassungsschutzbehörden zu lösen ist. Ich bitte Sie!

Die länderübergreifenden Aktivitäten von Nazis aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen lassen sich bei jeder Nazidemo in Ostdeutschland nachvollziehen, lassen sich in antifaschistischen Fachpublikationen verfolgen. Selbst wenn sich aus der Arbeit des Verfassungsschutzes in diesem Bereich und den Treffen, die nun regelmäßig stattfinden sollen, Erkenntnisse ziehen ließen, die nicht auch mit einem Blick auf Facebook zu erlangen wären - was wäre denn der Gewinn solcher Informationen? Was wäre denn mit solchen Informationen anzufangen? Es gilt doch nach wie vor das Prinzip: Quellenschutz steht über allem.

Sachsen-Anhalt ist ein Hauptveranstaltungsort von Nazikonzerten, bundesweit. Die behördliche Begleitung und Beauflagung hat uns in der Vergangenheit mehrmals beschäftigt; denn nicht selten sind dabei grobe handwerkliche Fehler zutage getreten, die unter dem Strich zu für die Nazis erfolgreichen und lukrativen Events - auch im Vergleich zu anderen Bundesländern - in angenehmer und entspannter Atmosphäre führten.

Denn anders als in anderen Bundesländern ist es hier offenbar die Regel, dass keine Anfahrtskontrollen stattfinden, dass Tattoos und Kleidung eben

nicht routinemäßig auf strafrechtliche Relevanz geprüft werden, dass Polizei vor dem Konzertgelände wartet, dass auch bei Verstößen gegen Auflagen oder Beschränkungen, die in anderen Bundesländern regelmäßig zum Abbruch und zur Auflösung von Veranstaltungen führen, lediglich im Nachgang ermittelt wird, aber keine Intervention erfolgt.

Zu einer Wir-können-nichts-machen-Haltung auf der einen Seite gesellen sich auf der anderen Seite im Regelfall erfolglose und nicht rechtssichere Verbotsversuche, die meist auf bau- oder wegerechtliche Probleme oder Einschränkungen abzielen und darauf ein Verbot aufbauen wollen, die aber aus gutem Grund eben nicht zu dem Verbot einer Versammlung führen können und von den Verwaltungsgerichten regelmäßig gekippt werden.

Was fehlt, ist die Auseinandersetzung mit den zum Beispiel bei Nazikonzerten dargebotenen Inhalten. Dort wird zum Hass gegen Menschen aufgerufen, dort wird Gewalt gefeiert, dort wird mit Gesten, mit Devotionalien, mit Liedern, mit Publikumsgesängen die eigene Identität gefestigt, der die radikale Ablehnung von Demokratie, demokratischen Werten, Prozessen und Normen immanent ist.