Protocol of the Session on February 27, 2015

tiken gibt es auch bei anderen Krankheiten als Multipler Sklerose. - Nein, ich lege mich nicht auf eine konkrete Zahl fest.

Es gibt Krankheitsbilder, die kann ich Ihnen nennen, aber keine Zahlen. Das ist bei anderen Medikamenten im Übrigen auch so, dass nicht jeder, der diese Krankheit hat, ein bestimmtes Medikament bekommt. Das muss dann auch im Einzelfall entschieden werden. Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker.

Danke schön, Frau Kollegin Lüddemann. Weitere Nachfragen gibt es nicht. - Für die Einbringung des zweiten Antrages hat Abgeordnete Frau Zoschke das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dass Cannabis bisher so unzureichend als Medikament genutzt wurde und wird, hat einen einzigen Grund. Das ist die Cannabisprohibition, die seit Jahrzehnten mit großem ideologischen Popanz aufgeladen und gegen jede wissenschaftliche Erkenntnis aufrechterhalten wird.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE - Oh! bei der CDU)

Aber alle Achtung - inzwischen scheinen sich auch die ganz großen ideologischen Cannabisgegner einer Tatsache nicht mehr verschließen zu können, dem Faktum, das Cannabis für viele Menschen ein segensreiches Medikament wäre, im Kern ein Palliativmedikament mit sowohl krampflösender als auch schmerzlindernder Wirkung. Hilfreich ist es bei einer ganzen Spannbreite an Diagnosen, wie Krebs, Multipler Sklerose, spastischen Erkrankungen, Aids, Glaukom, ADHS, Rheuma sowie anderen Schmerz- und Entzündungskrankheiten.

Für eine Cannabismedikation kommt nach vorsichtigen Schätzungen, Herr Steinecke, mindestens 1 % der Bevölkerung infrage. In Deutschland wären es demnach 800 000 bzw. in Sachsen-Anhalt 22 000 Menschen. Tatsächlich erhalten in ganz Deutschland gerade einmal etwa 5 000 Personen cannabishaltige Arzneimittel verschrieben. Wie viele davon in Sachsen-Anhalt leben, konnte uns die Landesregierung leider nicht sagen.

Die Kosten für das Medikament Sativex werden inzwischen bei Multipler Sklerose und spastischen Erkrankungen von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Eine Therapie mit Dronabinol, etwa bei starken chronischen Schmerzen, kostet 250 bis 400 € im Monat und muss von den Patientinnen und Patienten selber bezahlt werden, ebenso wie das besonders wirksame reine Cannabis in Blütenform.

Erschwerend kommt hinzu, dass eine Ausnahmegenehmigung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beantragt werden muss. Die Ärztinnen und Ärzte sind wegen der Beantragung sehr zögerlich; denn diese bedeutet seitenweise Begründungen, viel Bürokratie bei wenig Honorar. Derzeit gilt noch, dass die Menschen austherapiert sein müssen. Kein anderes Medikament darf so gut helfen wie Cannabis.

Das Verfahren ist derart rigide, dass bundesweit nur ca. 300 Personen bisher eine solche Genehmigung erhalten haben. In Sachsen-Anhalt war es mit Stand vom Oktober 2014 lediglich eine einzige Person. Das ist ein Negativrekord.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielleicht kann uns Minister Herr Bischoff später noch sagen, was aus den drei Anträgen geworden ist, die im Oktober 2014 noch nicht abschließend beschieden waren, und wie viele neue Anträge eventuell inzwischen vorliegen.

Erstaunlich ist auch der Preis. In Kanada kostet Apotheken-Cannabis vom gleichen Hersteller ca. 5 € pro Gramm, in Deutschland 15 bis 25 €. Da es sich bei den Nutzern häufig um Menschen handelt, die seit vielen Jahren schwer erkrankt sind, leben nicht wenige von ihnen auf Grundsicherungsniveau. Das heißt, diejenigen, die Cannabis am dringlichsten benötigen, können es sich schlichtweg nicht leisten, jedenfalls nicht legal.

Wir hatten in unserer Großen Anfrage zu Cannabis die Landesregierung gefragt, wie sie die Preisdiskrepanz zwischen dem Apotheken-Cannabis und dem Cannabis auf dem Schwarzmarkt bewertet. Die Antwort war, dass man dies nicht bewerten könne, weil man die Preise des Schwarzmarktes nicht kenne.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Komisch fanden wir dann, dass die Landesregierung an anderen Stellen zeigte, dass sie die Preise für Crystal Meth, Heroin und Kokain sehr wohl kennt.

(Heiterkeit bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Sei es drum. Dann klären wir die Landesregierung jetzt einmal auf: Die sogenannten Schwarzmarktpreise liegen in der Größenordnung der kanadischen Apothekenpreise, nämlich bei etwa 5 € pro Gramm oder leicht darüber.

Zurück zu den politischen Entwicklungen. Wir fanden es beachtlich, dass ausgerechnet ein CDUMinister ein Gesetz angekündigt hat, das Cannabis als Medikament besser zugänglich machen will. - So weit, so gut. Weil aber Herr Minister Gröhe zugleich deutlich betont hat, dass er dem Cannabis-Missbrauch - wie er das nennt - weiterhin unterbinden möchte, steht zu befürchten, dass dieser

Gesetzentwurf ohne entsprechenden Druck von außen eben nicht der große Wurf wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es scheint absehbar, dass die ideologischen Scheuklappen in Sachen Cannabis weiterhin eine wirkliche Lösung für alle Betroffenen verhindern, dass weiterhin ein bürokratisches Antragsverfahren und enge Reglementierungen die Nutzung von Cannabis als Medikament beeinträchtigen werden. Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass die Landesregierung sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für eine generelle Lösung auf der Bundesebene engagiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu erläutere ich Ihnen gern die einzelnen Punkte.

Das muss aber schnell gehen.

(Zurufe: Ja!)

Ich habe elf Minuten Redezeit, Herr Präsident. Für die Einbringung des Antrags habe ich elf Minuten Zeit. Stimmt’s?

Okay, wir achten darauf.

Punkt 1 a) betrifft die richtige Verortung von Cannabis im Betäubungsmittelgesetz. Wichtig ist, dass für die Sicherung von Cannabis gegen unerlaubten Zugriff keine höheren Anforderungen gestellt werden dürfen als für andere verschreibungsfähige Betäubungsmittel, wie Morphium, Methadon oder Dronabinol. Letzteres ist ja bereits ein Medikament auf Cannabisbasis.

Es ist doch fraglos Ausdruck ideologischer Verbohrtheit, wenn etwa einem Krebspatienten im Endstadium zur Schmerzstillung sehr wohl Morphium zugänglich gemacht werden kann, aber das besonders wirkungssichere Cannabis mitunter vor Gericht erfochten werden muss. Es wird dann zynisch, wenn dieser Patient den positiven Bescheid gar nicht mehr erlebt. Dass dieser Missstand ausgeräumt werden muss, dürfte doch wohl auf allgemeine Zustimmung stoßen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Eigenanbau für den Eigenbedarf soll straffrei sein. Bevor Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, uns gleich mit Nachdruck darauf aufmerksam machen: Ja, wir wissen es. Diese Forderung geht schon etwas über die rein medizinische Nutzung

von Cannabis hinaus. Dennoch haben wir das aus vier Gründen bewusst so gewählt.

Erstens haben im letzten Jahr mehrere Palliativpatienten nach einem langwierigen Prozess ihr Recht auf Eigenanbau vor Gericht erstritten. Wir halten es für unwürdig, dass schwerkranke Menschen auch zukünftig diesen Prozess jeweils individuell austragen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens steht zu erwarten, dass die von uns angestrebte Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung zeitlich nicht ohne Verzögerung umzusetzen ist.

Drittens gibt es immer wieder Lieferengpässe beim Apotheken-Cannabis, die wir den Menschen in der Schmerztherapie wahrlich nicht zumuten wollen.

Viertens würde die Straffreistellung des Eigenanbaus Polizei und Justiz entlasten.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Das ist natürlich ein Argument!)

- Das finde ich auch.

Zu der bereits angesprochenen Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung. Zugegeben, der Weg klingt natürlich wenig elegant: Wir wollen die Landesregierung damit beauftragen, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die Bundesregierung beim Gemeinsamen Bundesausschuss darauf hinwirkt. - Okay, das gibt Abzüge in der B-Note. Aber schlussendlich führt kein Weg daran vorbei, dass medizinisch sinnvolle Therapien auch bezahlt werden müssen.

Auch wenn der Bundestag dies nicht direkt regeln kann, hat doch das Bundesgesundheitsministerium die Möglichkeit, gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss ein Verfahren zur Bewertung von Cannabis und cannabishaltigen Rezepturen einzufordern. Sollte dieser dennoch untätig bleiben, kann das Ministerium als Aufsichtsbehörde eine entsprechende Richtlinie erlassen.

Da dieser Vorgang so oder so fraglos wertvolle Zeit kosten wird, ist unsere Forderung nach der Legalisierung des Eigenanbaus umso notwendiger.

Noch kurz zu den Punkten, die wir vorab auf Landesebene regeln könnten. Das betrifft die Punkte 2 a) und b). - Ja, auch das geht wieder etwas über die Frage der therapeutischen Nutzung von Cannabis hinaus. Wir wollen die Strafverfolgungsfreigrenze anheben und Modellprojekten von Cannabisklubs nach spanischem Vorbild eine Chance geben.

Ich verweise hierzu erneut auf die notwendige Entlastung der Strafverfolgungsbehörden. Meine Fraktionskollegin Gudrun Tiedge und auch der Kolle

ge Sebastian Striegel haben in der Diskussion zu unserer Großen Anfrage im Januar-Plenum alles Notwendige dazu gesagt. Die Cannabisklubs nach spanischem Vorbild unterliegen im Übrigen klaren Regelungen. So müssen die Mitglieder namentlich bekannt und mindestens 18 Jahre alt sein. Es gilt hier auch das Werbeverbot, das wir im Kontext der Cannabisregulierung generell einfordern.

Der Punkt 2 c) dürfte sich schließlich aus dem Zweck unseres Antrages von allein erklären: Wir treten für eine Überprüfung der Fälle von Strafverfolgung ein, in denen der Besitz einer begrenzten Menge von Cannabis auf medizinische Gründe zurückzuführen ist.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Nun noch zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wir freuen uns sehr, dass wir bei dieser Thematik den gleichen Impetus zugrunde legen. Es hatte sich bereits in der Debatte im Januar zu unserer Großen Anfrage gezeigt, dass wir uns mit Blick auf das Thema Cannabis und Drogen weitgehend einig sind.

Zu den konkreten Vorschlägen - ich beginne von hinten mit dem Punkt b) -: Ja, die Frage der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung ist nicht leicht zu lösen; dies erwähnte ich bereits. Ein Off-Label-Use halten wir allerdings für eine sehr barrierestarke und zugleich unzureichende Lösung; denn einerseits lässt sich auch dieses Verfahren nicht direkt vom Bundestag anweisen, sondern müsste auch über den Gemeinsamen Bundesausschuss geklärt werden; dort haben wir also die gleichen Abzüge in der B-Note. Andererseits - das ist das eigentliche Problem - würde dieses Verfahren einen großen Teil von Patientinnen und Patienten ausschließen.

In einem Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts vom April 2006 wurden verschiedene Voraussetzungen des Off-Label-Use definiert. Die problematischste in unserem Zusammenhang ist die, dass eine lebensbedrohliche Krankheit vorliegen muss, und zwar schon in lebensbedrohlichem Zustand. Wer also „nur“ chronisch unter Schmerzen leidet, wie zum Beispiel bei schwerem Rheuma, fällt dabei komplett heraus.

Zum Punkt a) möchte ich sagen, dass er uns einfach zu unkonkret ist. Nun gibt es die Ankündigung eines Gesetzes auf Bundesebene. Hier gilt es aber, die Maßstäbe zu setzen. Das haben wir in unserem Antrag getan; auch das hatte ich bereits erläutert.