Protocol of the Session on February 27, 2015

Zum Punkt a) möchte ich sagen, dass er uns einfach zu unkonkret ist. Nun gibt es die Ankündigung eines Gesetzes auf Bundesebene. Hier gilt es aber, die Maßstäbe zu setzen. Das haben wir in unserem Antrag getan; auch das hatte ich bereits erläutert.

Zu den Formulierungen wie „soll in der Regel nicht verfolgt werden“ und „im Regelfall das Strafverfahren einzustellen“ möchte ich in Zuspitzung sagen: Das trifft heute bereits zu. 90 % aller Strafverfahren wegen Cannabis werden eingestellt.

Also noch einmal kurz und knapp: Wir teilen das Anliegen, halten den Antrag für dieses Anliegen aber für unzureichend.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Es gibt Tausende Menschen, für die Cannabis als Medikament ein Segen wäre, auch in Sachsen-Anhalt. Eine weitere Verzögerung oder auch eine halbherzige Umsetzung käme zwar nicht im juristischen, dennoch aber im moralischen Sinne einer unterlassenen Hilfeleistung gleich.

In diesem Sinne werbe ich um Zustimmung zu unserem Antrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Kollegin Zoschke. - Wir treten in die Aussprache ein. Für die Landesregierung spricht Herr Minister Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich plädiere dafür, bei der Debatte zu diesem Thema, die mit einer solchen Vehemenz geführt wird, ein wenig zurückzuschalten, da ich denke, dass alle im Hause sagen werden - auch jene, die jetzt noch reden -: Das ist der richtige Weg.

Übrigens ist Cannabis - ich habe eben noch einmal nachgeschaut - nach dem Ersten Weltkrieg wegen des Missbrauchs von Morphium verboten worden. Das ist dann noch verstärkt worden. Dafür gibt es bestimmte Gründe.

Daher denke ich, dass Wissenschaft und Forschung neue Entwicklungen und Erkenntnisse bringen werden. Dass Bewegung in der Sache ist, ist klar. Es gibt übrigens seit fünf Jahren fast jährlich im Bundestag Anfragen von den beiden Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE, mit denen man sich mit unterschiedlichen Ergebnissen in den Ausschüssen beschäftigt.

Aber die Richtung ist klar: Wenn etwas zu medizinischen Zwecken und zum Wohle der Menschen ist, muss und sollte man dies auch ermöglichen.

Ich möchte trotzdem noch zwei Punkte erwähnen. Zu der Frage, warum wir nicht alle Zahlen haben. Wir fordern sie vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ab. Wenn wir sie nicht bekommen, Frau Zoschke, dann würde ich einfach einmal die Fraktion DIE LINKE fragen. Wir haben ja nur die Zahlen, die wir bekommen; ich kann sie mir ja nicht rausschnitzen. Vielleicht haben Sie bessere Zahlen; dann würde ich diese auch verwenden wollen. Ich kenne sie nicht. Ich weiß nicht, wer was in Sachsen-Anhalt benutzt. Ich hätte das auch gern gewusst, auch mit Blick auf dieses

Haus. Also bitte ich, auch hier ein wenig herunterzuschalten.

Es ist wohl klar, dass es nur Regelungen geben kann, die auf Bundesebene festgeschrieben werden. Dass die Länder etwas für sich allein regeln, halte ich nicht für zielführend.

Sie haben es erwähnt: Die Bundesbeauftragte Frau Mortler hat den Vorschlag gemacht. Es wird im Jahr 2016 einen Gesetzentwurf geben. Zwischendurch wird es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe geben, in die wir uns so einbringen werden, wie das der Landtag möchte.

Dass es richtig ist, habe ich in den letzten Wochen auch gelesen und mich gefragt, warum die Diskussion noch einmal mit dieser Vehemenz hochkommt.

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ich weiß nicht, wann wir diese Diskussion hier geführt haben, vor zehn oder acht Jahren. Ich nehme einmal an, dass es damit zu tun hat, dass es um medizinische Dinge geht.

Ich würde verstehen können, dass die Diskussion dann so vehement geführt würde, wenn wir keine alternativen Mittel hätten, also wenn wir bei Menschen, die Schmerzen haben, gar nichts dagegen machen könnten. Alternativen haben wir jedoch. Wir wissen heute, dass Cannabisprodukte eventuell schneller und exakter helfen können.

Ich habe am Sonntagabend in der „Welt“ in einem Artikel gelesen, in dem der Kurswechsel der Bundesregierung deutlich gemacht worden ist, dass in Amerika die Wissenschaftler zurzeit die Forschung hinsichtlich der medizinischen Folgen des Einsatzes von Cannabinoiden wieder aufnehmen, die sie vor mehr als zehn Jahren eingestellt haben. Dabei ging es nicht nur um Schmerzlinderung, sondern auch - das war für mich neu - um Depression. Man hat gesagt: Die Mittel, die wir heute haben, die Antidepressiva, wirken erst nach einer gewissen Zeit; man muss sie eine Weile einnehmen, während Cannabisprodukte sofort wirken.

Aber die Wirkung und die Medikation sind wichtigen Fragen. Ich denke, wir sollten die Forschung, die Wissenschaftler daran arbeiten lassen. Vielleicht gibt es dann eine abgestimmte Meinung und wir werfen uns dann nicht mehr gegenseitig vor, dass dies nur ideologische Vorbehalte seien.

Der nächste Punkt, den ich ansprechen möchte - alles andere habe ich bereits gesagt, als es in der Aussprache zur Großen Anfrage um Legalisierung ging -: Was ich auf jeden Fall nicht vermengen würde, wäre, wenn man etwas legalisiert und dies mit medizinischen Zwecken begründet. Das hat Frau Lüddemann zu Recht unterschieden. Ich finde die Unterscheidung auch richtig, weil man dann nicht immer das Gefühl haben muss, durch die

Hintertür würde doch etwas anderes gemacht. Es kann ja sein, dass es irgendwann einmal legal wird.

Bei einer Selbstmedikation besteht die Gefahr, dass Menschen nicht einschätzen können, in welcher Menge und in welcher Konzentration sie sie einnehmen und welche Folgen das hat. Daher halte ich es für richtig, dass die Ärzte eine Empfehlung geben.

Ich halte es auch für richtig, dass es in den Fällen, in denen es eine Empfehlung gibt, also wenn es ärztlich verordnet wird, keine Strafverfolgung geben darf. Ich finde es auch richtig und werde mich dafür einsetzen, wenn das geregelt ist, dass die Kosten, die die Betroffenen bisher selbst tragen müssen, künftig die Krankenkassen zu tragen haben.

Deshalb denken wir, das ist der richtige Weg. Diesen Weg der medizinischen Indikation gehe ich auf jeden Fall mit.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister. - Für die Fraktion der CDU spricht Herr Abgeordneter Schwenke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Landtagsabgeordnete! Nach der Aussprache zu den Großen Anfragen zum Thema harte Drogen und Cannabis in der letzten Sitzung des Landtages dürfen wir heute erneut über das Thema Cannabis debattieren.

Nach den schon sehr ausführlichen und tiefenscharfen Ausführungen meiner Vorredner kann ich mich kurz fassen.

Vielen Dank auch, Frau Lüddemann, für die sachliche Darstellung. Das erspart mir jetzt eine tiefenscharfe nochmalige Wiederholung des Ganzen.

Ich möchte auf den Umgang mit diesem Thema eingehen. Sie fordern zum einen im Antrag der LINKEN, den Anbau und die Nutzung von Cannabis zu entkriminalisieren, und in beiden Anträgen zum anderen den Zugang zu Cannabis als Schmerzmittel zu vereinfachen.

Zu Letzterem gibt es derzeit - das haben sowohl Sie selbst als auch der Minister gerade ausgeführt - eine bundesweite Diskussion, verbunden mit einer konkreten Fachdiskussion in den BundLänder-Gremien mit dem Ziel, in den nächsten Monaten einen Gesetzentwurf vorzulegen, der beinhaltet, den Zugang zu Cannabis als Therapie- und Arzneimittel für schwerstkranke Schmerzpatienten zu vereinfachen.

In diesem Zusammenhang soll auch die Finanzierung im Interesse der Patienten geklärt werden. Dies begrüße ich - das sage ich ganz deutlich - ausdrücklich. Mein Misstrauen, sehr geehrte Frau Zoschke, gegenüber Gesundheitsminister Gröhe ist dabei wesentlich geringer als Ihres.

(Zuruf von Frau Zoschke, DIE LINKE)

Ich denke schon, dass das ein Erfolg werden kann.

Das heißt aber auch, dass in diesem Bereich schon gehandelt wird. Deshalb bedarf es Ihrer Anträge hier eigentlich nicht; ich komme abschließend noch einmal darauf zurück.

Sehr geehrte Damen und Herren! In Bezug auf das Thema Anbau von Cannabis quasi auf dem eigenen Balkon zur Selbstmedikation bin ich wesentlich skeptischer. Diesen Vorschlag halten wir im Interesse der Patienten für geradezu abenteuerlich.

(Zuruf von Frau Frederking, GRÜNE)

Die Qualität des selbstangebauten Cannabis kann nie der Qualität und Sicherheit von cannabishaltiger Fertigarznei entsprechen. Außerdem halten wir die dann fehlende konsequente ärztliche Beratung und Begleitung für mehr als problematisch, ja sogar für gefährlich.

(Herr Striegel, GRÜNE: Das ist doch falsch!)

- Herr Striegel, ich zitiere Sie nachher noch; ich wollte es eigentlich nicht machen.

Die von Cannabis ausgehende Suchtgefahr würde völlig vernachlässigt werden. Hierzu wurde erst vor wenigen Tagen wieder eine Studie veröffentlicht. Ich glaube, es war eine holländische Studie. Darin wird unter anderem davor gewarnt, dass schon beim Konsum von geringen Mengen Cannabis Psychosen bei den Konsumenten auftreten können.

Heute Morgen gab es im Fernsehen einen Bericht aus Amerika im „MoMa“; ich glaube, aus Washington. Dort wurde genau dieses Thema dargestellt. Die jungen Menschen, die dort durch die Gegend fuhren, waren durchaus angekifft und nach meiner Auffassung nicht wirklich arbeitsfähig. Der Arzt, der anschließend zitiert wurde, hat ausdrücklich auch noch einmal auf die Gefahr von Psychosen und von Angstzuständen durch den Konsum von Cannabis hingewiesen. Er war auch persönlich betroffen; sein Sohn hat nach dem Missbrauch von Cannabis Selbstmord begangen.

Das sind nur wenige Beispiele, die die Gefährdung der Cannabis-Konsumenten deutlich machen. Wir sehen hierbei ein nicht vertretbares Risiko.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ihre Anträge, vor allem der der LINKEN, lassen eher vermuten, dass es weniger um die Schmerzindikation geht, sondern dass Sie versuchen, über die Hintertür den

Anbau und den Konsum von Cannabis zu legalisieren. Dagegen sind wir nach wie vor.

Cannabis ist und bleibt eine sucht- und gesundheitsgefährdende Droge. Um es ganz klar zu sagen: Auf die alte Forderung von Herrn Ströbele „Gebt das Hanf frei“ antworte ich eindeutig mit Nein.

Da uns aber auch der Stand der Diskussion auf der Bund-Länder-Ebene zur angedachten Gesetzgebung bezüglich des Umgangs mit und des Zugangs zu cannabishaltigen Arzneimitteln interessiert, beantrage ich namens meiner Fraktion die Überweisung beider Anträge zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales sowie zur Mitberatung in die Ausschüsse für Wissenschaft und Wirtschaft sowie für Inneres und Sport. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Kollege Schwenke. - Als Nächste spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Lüddemann. - Sie verzichtet. Für die Fraktion der SPD spricht die Abgeordnete Frau Grimm-Benne.