Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 85. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode.
Ich begrüße die Mitglieder des Hohen Hauses und alle Gäste auf das Herzlichste und stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.
Wir setzen nunmehr die 41. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Beratung mit den Tagesordnungspunkten 20 und 21. Das sind Aktuelle Debatten. Danach folgen die Tagesordnungspunkte 3 und 4.
Ich erinnere daran, dass sich für heute Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff und Herr Minister Dorgerloh ab 16 Uhr sowie Herr Minister Bullerjahn ganztägig entschuldigt haben.
Für das Thema in der Aktuellen Debatte beträgt die Redezeit je Fraktion zehn Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von zehn Minuten. Es wurde folgende Reihenfolge vereinbart: DIE LINKE, CDU, GRÜNE, SPD. Zunächst hat für die Einbringerin Frau Abgeordnete Hohmann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird Sie sicherlich nicht verwundern, dass meine Fraktion diese Aktuelle Debatte beantragt hat. Zum einen braucht man sich nur die Zeitungsüberschriften aus den letzten Tagen anzusehen. Dort liest man Schlagzeilen wie „Elternbeiträge explodieren“, „Proteste gegen Gebühren“ oder „Kinderbetreuung wird deutlich teurer“. Ich denke, das dürfte auch an Ihnen nicht spurlos vorbeigegangen sein. Zum anderen möchte ich daran erinnern, dass die Fraktion DIE LINKE ein eigenes Kinderförderungsgesetz eingebracht hatte.
Nun ist die Kinderbetreuung ein Thema, bei dem es wirklich schwerfällt, es allen recht zu machen: den Landkreisen, den Gemeinden, den Eltern, den Trägern. Trotzdem bin ich so frei zu behaupten: Wäre unser Gesetzentwurf vom Landtag beschlos
(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Das glaubst du selber nicht! - Zuruf von Herrn Daldrup, CDU - Unruhe)
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte Ihnen eingangs sagen, dass ich ausdrücklich nicht der Meinung bin, dass die Wiedereinführung des Ganztagsanspruchs und die Verbesserung der Personalschlüssel zu diesen zum Teil exorbitanten Steigerungen der Elternbeiträge geführt haben.
Das Land hat sich bemüht, dem Konnexitätsprinzip Genüge zu tun und die mit diesen Punkten verbundenen Kosten auszugleichen. Dies zu sagen, ist mir wichtig, um dem falschen und irreführenden Argument, das man immer wieder hört, nämlich dass die Kosten steigen würden, weil die Arbeitslosen ihre Kinder länger in die Kita bringen, eine deutliche Absage zu erteilen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst muss grundsätzlich gefragt werden: Weshalb kommt es überhaupt zu steigenden Elternbeiträgen im System der Kinderbetreuung? - Schaut man sich die Entwicklung in den letzten 15 Jahren an, so haben viele Gemeinden in Sachsen-Anhalt die sich jeweils verändernden landesgesetzlichen Regelungen dafür genutzt, die Beiträge anzupassen. Viele Gemeinden haben dies jedoch nicht getan. Diese haben über Jahre hinweg versucht, etwas für ihre Familien zu tun, die Beiträge konstant zu halten und diese, wenn überhaupt, dann nur in größeren zeitlichen Abständen an gestiegene Personal- und Sachkosten anzugleichen.
Ich denke, in einer Sache sind wir uns einig: Mit der Gestaltung der Elternbeiträge verfügen die Gemeinden in Sachsen-Anhalt über ein mächtiges Instrument, das es erlaubt, familienfreundliche Rahmenbedingungen in der Kommune entscheidend zu beeinflussen.
Damit komme ich zum ersten Problem: Das neue Kinderförderungsgesetz schränkt genau diesen elementaren Gestaltungsspielraum der Gemeinden ein. Einige Ursachen sind aus unserer Sicht die sogenannte 50:50-Regelung, nach der sich die Gemeinden und die Eltern das verbleibende Defizit teilen sollen, aber auch die Kürzungen bei den Finanzzuweisungen an die Gemeinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, die Regelung, dass laut Gesetz der Gemeindeanteil mindestens 50 % betragen muss, kommt eben nicht an der Realität vorbei.
Die Realität sieht nämlich so aus, dass die Kommunalaufsicht nicht allen, aber den meisten Gemeinden eine freiwillige Erhöhung ihres Anteils auf über 50 % untersagt. Damit sind mancherorts immens steigende Elternbeiträge vorprogrammiert. Das Problem hatte meine Fraktion schon vor der Verabschiedung des Gesetzes erkannt und benannt.
In den Sitzungen des Sozialausschusses war das Thema KiFöG regelmäßig Gegenstand der Tagesordnung. Auch hatten wir das Landesverwaltungsamt als oberste Kommunalaufsichtsbehörde und das Innenministerium eingeladen, um genau über diese Regelung zur Defizitfinanzierung zu diskutieren. Damals wurde den Mitgliedern des Ausschusses signalisiert, dass die Kommunalaufsichtsbehörden der Landkreise sehr sensibel mit der Regelung umgehen werden.
Dies ist mittlerweile fast zwei Jahre her. Inzwischen haben sich jedoch die Geldströme des Landes an die Kommunen verändert. Geringere FAGMittel an die Gemeinden lassen ihnen kaum mehr Spielraum, einen höheren Anteil an den Kita-Kosten zu übernehmen. Dass an dieser Stelle ein Erlass hilft, wie ihn Frau Budde fordert, wage ich zu bezweifeln.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich mich an die damaligen Verhandlungen zum KiFöG recht entsinne, haben CDU und SPD den § 12b in das Gesetz aufgenommen, um eine Obergrenze für Elternbeiträge einzuziehen, quasi als eine Art Schutzklausel, damit Elternbeiträge nicht über 50 % des Defizits steigen.
Nach heutigem Kenntnisstand ging das aus meiner Sicht voll daneben. Das, was wir derzeit erleben, sind erst die Anfänge einer großen Kostenlawine, die auf die Eltern im Land zurollt; denn die Verhandlungen stehen momentan erst am Anfang.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das neue Instrument der Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsvereinbarung zeigt nun erstmals die tatsächlichen Kosten der Kinderbetreuung auf. Den Einrichtungsträgern kann man daraus im Grunde keinen Vorwurf machen. Sie müssen im Rahmen der Gespräche mit den Jugendämtern prospektive Entgelte vereinbaren. Sie müssen also die Preissteigerungen und Tarifanpassungen von morgen jetzt schon einpreisen.
Daneben werden auch Inhalte vereinbart, die das Gesetz entweder gar nicht oder nur sehr vage formuliert, so zum Beispiel - neu - die Abschreibungskosten, Hausmeisterdienste oder eine feste
Anzahl von Freistellungsstunden für die Kita-Leitung. Ein Rahmenvertrag auf Landesebene fehlt derzeit noch, sodass für die Landkreise eine Orientierung bei den Verhandlungen fehlt.
Meine Fraktion lässt zurzeit durch den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst im Hause prüfen, ob Investitions- und Abschreibungskosten überhaupt auf die Elternbeiträge umgelegt werden dürfen. Im aktuellen Kommentar zum KiFöG wird darauf hingewiesen, dass zum Beispiel Investitionskosten nicht auf den Elternbeitrag umzulegen sind.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen, dass all diese eben angesprochenen Dinge zu einer Verteuerung führen. In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht vergessen, dass der Wegfall des Eigenanteils freier Träger, der mit dem neuen Finanzierungsverfahren verbunden war, nun auch zum Tragen kommt. Diesen können sich Eltern und Gemeinden gegenwärtig auch irgendwie teilen.
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Ich verteufele die Entgeltvereinbarungen nach § 78b f. SGB VIII nicht. Sie sind in den Hilfen zur Erziehung seit Langem im Einsatz und können ein Instrument darstellen, um die tatsächlichen Kosten der Kinderbetreuung im Land transparenter zu machen. Jedoch muss auch dazu gesagt werden: Es lief seit dem ersten Kinderbetreuungsgesetz Sachsen-Anhalts auch ohne Entgeltvereinbarung und auch ohne 50:50-Regelung im Grunde ganz gut.
Vor allem aber müssen wir jetzt darauf achten, dass sich die mit dem Ganztagsanspruch verbundene Intention nicht in ihr Gegenteil verkehrt, weil die Beiträge für einen Kita-Platz den Eltern über den Kopf wachsen und sie deshalb die Kinder aus der Kita nehmen müssen.
Den Vorschlag der Landeselternvertretung zur Reduzierung der Elterngebühren kann meine Fraktion nachvollziehen. Die Begrenzung auf 40 % ist eine Möglichkeit zur finanziellen Entspannung bei den Familien. Wir denken aber, dass noch weitere Details untersucht werden sollten.
Was ist aus unserer Sicht in einem ersten Schritt zu tun? - Das wäre zum Ersten, dass wir uns die Regelungen zur Defizitfinanzierung genauer anschauen sollten. Wir sollten prüfen, ob eine Belastung der Eltern von gegebenenfalls 50 % minus X möglich wäre, oder eine Streichung des Satzes im Gesetz vornehmen.
Zweitens. Wir sollten anstreben, dass der Rahmenvertrag auf Landesebene wirklich zum Tragen kommt und bald abgeschlossen werden kann, damit die Landkreise sich orientieren können. Falls dies längere Zeit dauert, müsste eigentlich das Ministerium schon eine Verordnung in der Tasche haben, die dann ab dem Sommer greifen sollte.
Drittens sollten wir untersuchen, welche Kosten tatsächlich auf Elternbeiträge anzurechnen und umzulegen sind.
Diese Fragen sollten auch in unserer nächsten Expertenrunde im Sozialministerium besprochen und geklärt werden.
Natürlich behält sich meine Fraktion vor, außerdem parlamentarisch tätig zu werden, auch wenn das Gesetz noch nicht evaluiert ist und auch wenn jetzt noch nicht klar ist, wie die Verfassungsklage der Gemeinden ausgeht.
Zusammenfassend möchte ich sagen, dass es für uns sehr wichtig ist, schon jetzt auf die Probleme der Gebührenerhöhung aufmerksam zu machen und nach geeigneten Lösungen zu suchen. Dazu soll die heutige Aktuelle Debatte beitragen. Es darf nicht dazu kommen, dass die Eltern, die Gebühren schlichtweg nicht mehr zahlen können und ihre Kinder aus den Einrichtungen nehmen.
Zum Schluss sei mir noch ein Satz gestattet. Ich denke, wenn wir von frühkindlicher Bildung sprechen, dann sollten wir auch - wie dies bei Schulen und Hochschulen der Fall ist - über eine Gebührenfreiheit der Eltern sprechen. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.