Protocol of the Session on February 26, 2015

Die Landesregierung, der LSB und der FSA berichten, dass homophobe Vorkommnisse im Sport nicht bekannt seien. Auf die Frage, welche Projekte des sachsen-anhaltischen Fußballverbandes und der Vereine sich mit dem Phänomen homophober und transphober Gewalt auseinandersetzen, hat der FSA lediglich mitgeteilt, dass er personelle Maßnahmen vorhalte sowie personelle Unterstützung und Öffentlichkeitsarbeit leiste. Seit Kurzem setzt das Projekt Mut einen eigenen Workshop-Baustein um. Das ist wichtig und sehr zu begrüßen.

(Zustimmung von Herrn Herbst, GRÜNE)

Der Abgleich zwischen der Antwort auf die Große Anfrage und der Realität in den Stadien und Umkleidekabinen macht jedoch deutlich, dass das von der Landesregierung gezeichnete Bild eines homophobiefreien Fußballsports in Sachsen-Anhalt wenig mit der Realität zu tun hat.

Wenn auf Fußballplätzen des Landes der gegnerische Verein mit dem Zusatz „schwul“ versehen wird, Spieler oder Schiedsrichter als „Schwuchteln“ oder „Tunten“ bezeichnet werden, zeigt sich, welch langer Weg gegen Diskriminierung im Sport noch zu gehen ist.

Da wir gerade bei der Realitätsferne der Landesregierung sind, will ich sagen, dass sie in ihrer Antwort auf unsere Große Anfrage aussagt, dass es keine Erkenntnisse über eine zielgerichtete rechtsextremistische Unterwanderung von Ultra- und Hooligangruppen sowie von Fußballvereinen, Fanclubs und Ordnerdiensten in Sachsen-Anhalt

gebe; rechtsextremistische Aktivitäten im Sinne von § 4 Abs. 1 des Verfassungsschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt seien innerhalb von Vereinen oder Fangruppierungen nicht festzustellen.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf das bereits angesprochene Fußballspiel in Gommern und den damit im Zusammenhang stehenden rechten Übergriff in einer Magdeburger Diskothek hinweisen. Hier, genau wie in der Verwobenheit der Hallenser Hoolszene mit den antiziganistischen Aktionen und Straftaten im dortigen Stadtteil Silberhöhe, zeigt sich natürlich eine enge Verwobenheit zwischen Neonazis, Rechtsextremismus und Sport. Dieser Verbindung müssen endlich auch die Sicherheitsbehörden auf den Grund gehen und sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Die Überraschung, mit der Polizei und Verfassungsschutz auf Entwicklungen wie Hogesa reagierten, ist mir völlig unverständlich. Das war eine absehbare Entwicklung.

„Auch Pegida und Legida“ - so ein Zitat aus der TAZ - „wären nicht denkbar ohne Anführer aus dem Sport“. Das gilt ebenso für Sachsen-Anhalt. Der Verein Miteinander e. V. berichtet, dass sich die Organisatorinnen und Ordnerinnen der Kundgebungen von Magida mehrheitlich aus der rechten Fußball- und Hooliganszene rekrutieren. Meine Damen und Herren, ich teile diese Einschätzung.

Wir dürfen nicht tatenlos zuschauen, wenn auf dem Platz oder in einem Verein Toleranz mit Füßen getreten wird. Die Probleme beginnen nicht erst, wenn sich gewalttätige Hooligans als Verteidiger des Abendlandes gebärden.

(Zuruf von Herrn Wunschinski, CDU)

Menschlichkeit, Akzeptanz, Respekt und Verständigung bilden die Basis unseres Miteinanders. Diese Werte muss der Fußball, muss der Sport bereits unseren Kindern vermitteln. Ich bin davon überzeugt - ich wiederhole mich gern -, dass Diskriminierungsfreiheit nicht nur von oben gefordert werden darf, sondern auch von unten gelebt werden muss.

Im Bereich der Rassismusbekämpfung sehe ich im Sport deutliche Fortschritte. Aber beim Thema Homo- und Transphobie stehen wir offensichtlich noch ganz am Anfang. Vorkommnisse mit homophobem Charakter sind alltäglich. Sie werden bisher aber nicht ernst genommen und dem FSA nicht bekanntgegeben. Das muss sich ändern.

Wir sind aufgerufen, ein Klima und Schutzräume zu schaffen, in denen Betroffene sich offenbaren können. Erst wenn Homophobie im Sport sichtbar

gemacht werden kann, werden wir sie auch wirksam bekämpfen können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sport, meine Damen und Herren, ist nicht nur der Spiegel der Gesellschaft, sondern eben auch Vorbild. Fairplay ist weit mehr als nur ein Sportbegriff. Fairplay unabhängig von Herkunft, Religion oder sexueller Ausrichtung muss eine Selbstverständlichkeit im Bewusstsein aller Menschen werden. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Striegel. - Bevor wir in die Debatte einsteigen, begrüßen wir ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftssekundarschule Kastanienallee Halle an der Saale.

(Beifall im ganzen Hause)

Für die Landesregierung spricht jetzt in Vertretung von Herrn Minister Stahlknecht Herr Minister Webel. Als ehemaliger Landrat hat man zu allem etwas zu sagen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der sehr geehrte Herr Präsident hat bereits angekündigt, dass ich statt des Innenministers reden werde.

Am 16. Januar 2014, also vor etwas mehr als einem Jahr, richtete die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ihre Anfrage zum Thema „Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Gewalt im Sport in Sachsen-Anhalt“ an die Landesregierung. Schwerpunkte der Fragestellungen waren neben der Gewalt im Fußballsport auch der polizeiliche Umgang mit Gewalt insbesondere im Fußballsport.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Seit der Beantwortung der Großen Anfrage sind bereits einige Monate vergangen. In meinen Ausführungen werde ich auch auf aktuelle Entwicklungen eingehen. Uns allen ist bewusst, dass der organisierte Sport in Sachsen-Anhalt maßgebliche Beiträge zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes leistet.

(Zustimmung von Herrn Kurze, CDU)

Unter dem Dach des LSB sind in Sachsen-Anhalt aktuell 48 Landesfachverbände, 14 Kreis- und Stadtsportbünde, 3 165 Sportvereine und 341 303 Mitglieder organisiert. Das am 1. Januar 2013 in Kraft getretene Sportfördergesetz regelt die Förderung der gemeinnützigen Sportorganisationen und schreibt unter anderem fest, dass die Förderung der Achtung der Menschenwürde und die Bekämp

fung menschenverachtender, rechtsextremer, rassistischer und sexistischer Einstellungen der Stärkung demokratischer Werte wie Fairness, Teamgeist und wechselseitigem Respekt dienen soll.

Jährlich finden in Sachsen-Anhalt Tausende Sportveranstaltungen in unterschiedlichen Sportarten statt. Bei der überwiegenden Anzahl davon kommt es nicht zu Gewalttaten. Die Polizei des Landes Sachsen-Anhalt stellt jedoch beim Fußball, insbesondere bei den Spielen der ersten Mannschaften des HFC und des 1. FCM, wiederholt Störungen, Ordnungswidrigkeiten und Straftaten fest.

Insofern hat die Landesregierung zum Themenkomplex A eingeschätzt, dass es signifikante Unterschiede zwischen der Sportart Fußball und allen anderen Sportarten gibt. Dies wird auch durch die Entwicklung der letzten Monate bestätigt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Von den mehr als 340 000 Mitgliedern des LSB sind rund 27 % im Fußball organisiert. Nach Aussage des LSB werden im Fußball je Spielsaison rund 30 000 Pflichtspiele durchgeführt. Dazu kommen in jeder Saison Hunderte Freundschaftsspiele und auch Fußballturniere. Der Fußballverband hat dem Ministerium für Inneres und Sport mitgeteilt, dass seine statistische Auswertung der Spieljahre 2008/ 2009 bis 2013/2014 ergeben hat, dass in diesem Zeitraum 131 564 Spiele stattfanden. Bei 1 481 Spielen gab es Vorkommnisse; das entspricht 1,13 %.

Durch den LSB und den Fußballverband wurden hier insbesondere folgende Gewaltphänomene wahrgenommen: Tätlichkeiten zwischen den Spielern, verbale und körperliche Attacken gegen Schiedsrichter, Fanausschreitungen und Anwendung von Pyrotechnik. Auch rassistisch motivierte Gewalt spielt in diesem Zusammenhang eine Rolle. Dem LSB wurden im Jahr 2013 insgesamt 52 Gewaltdelikte im Fußball bekannt, davon

13 Fälle von rassistisch motivierter Gewalt. Im Jahr 2014 waren es aktuell 55 Delikte, darunter 26 Fälle rassistisch motivierter Gewalt.

Die Landesregierung wurde in der Großen Anfrage befragt, inwiefern Erkenntnisse über aktuelle rechte Unterwanderung von Ultra- und HooligansGruppen sowie von Fußballvereinen, Fanclubs und Ordnerdiensten vorliegen. Es wurde mitgeteilt, dass keine Erkenntnisse über eine zielgerichtete Unterwanderung vorliegen.

Wie Sie wissen, wurden in den zurückliegenden Monaten im Bundesgebiet Versammlungen zum Thema „Hooligans gegen Salafisten“ durchgeführt. Insbesondere die Versammlungen in Köln und Hannover wurden hinsichtlich der Teilnehmerzahl und der Polizeieinsätze durch die Medien sehr intensiv begleitet. In Köln wurden massive Ausschreitungen verzeichnet.

Eine für den 5. Dezember 2014 in Halle angemeldete entsprechende Versammlung wurde durch den Anmelder wieder abgemeldet, sodass bisher in Sachsen-Anhalt keine Versammlungen mit dem Motto „Hogesa“ durchgeführt wurden.

Zur Teilnahme von Personen aus Sachsen-Anhalt an den „Hogesa“-Versammlungen in Köln und Hannover liegen dem Innenministerium keine validen Zahlen vor. Aufgrund des polizeilichen Informationsaustausches wird davon ausgegangen, dass sich auch Personen aus Sachsen-Anhalt an den Versammlungen beteiligt haben.

Unmittelbar im Anschluss an die Ereignisse in Köln wurde das Land Sachsen-Anhalt davon in Kenntnis gesetzt, dass eine Person aus Magdeburg in Köln im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Gewahrsam genommen wurde. Hier finden also aktuell Entwicklungen statt, die auch das Land Sachsen-Anhalt berühren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seitens des LSB und des Fußballverbandes wurden in den vergangenen Jahren vielfältige Maßnahmen zur Gewalt- und Rassismusprävention im Fußballsport ergriffen. Einen besonderen Stellenwert hat hierbei das Mut-Projekt des LSB, das am Beginn des Jahres 2011 seine Arbeit aufnahm. „Mut“ steht für „Menschlichkeit und Toleranz im Sport“. Ziel des Projektes ist es, die demokratischen Strukturen des Sports zu stärken und rechtsextremistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Die Grundidee dabei ist, dass die Mitglieder des LSB mithilfe akzeptierter Akteure, die aus den Sportstrukturen kommen, selbst tätig werden.

Die wesentlichen Projektinhalte sind: Bildungsarbeit, Aufklärung und Sensibilisierung sowie Vermittlung von Kompetenzen zum Umgang mit Rechtsextremismus und seinen Erscheinungsformen, Entwicklung eines verbandsspezifischen Konzeptes für den Fußballverband Sachsen-Anhalt, Aufbau eines Netzwerkes gegen Extremismus im Sport und Aufbau einer Beratungs- und Unterstützungsstruktur sowie Beratung der Sportvereine vor Ort.

Hierzu kann aktuell mitgeteilt werden, dass im Zeitraum von 2011 bis 2014 die Mut-Mitarbeiter an 150 Aus- und Weiterbildungen mit ca. 2 700 Teilnehmern beteiligt waren. Die Zahl der Beratungsfälle durch das Mut-Projekt ist in den letzten Monaten deutlich gestiegen. Waren es im Jahr 2013 noch 56 Fälle, wurden am 31. August 2014 bereits 71 Beratungsfälle registriert.

Das Mut-Projekt ist Bestandteil des Bundesprojektes „Zusammenhalt durch Teilhabe“ und wird aus Bundes- und Landesmitteln gefördert. Seit dem Jahr 2015 beteiligt sich auch der Fußballverband an der Förderung. Die Landesförderung beträgt in den Jahren 2015 und 2016, wie auch im Jahr 2014, jeweils 30 000 €.

Ergänzend zu unserer Antwort in der Großen Anfrage kann ich Ihnen mitteilen, dass sich das MutProjekt in den vergangenen Monaten verstärkt der Thematik der Homophobie im Sport zugewandt hat. Hierzu wurde ein spezielles Bildungsmodul entwickelt. Der LSB teilte mit, dass dieses Modul im Jahr 2014 bereits mehrmals durch verschiedene KSB oder SSB und Kreisfachverbände Fußball angefordert wurde.

Darüber hinaus hat sich der LSB für eine Teilnahme am Förderschwerpunkt Homophobie und Transphobie des Bundesprogrammes „Demokratie leben - Aktiv gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit“ beworben. Das Land hat den Antrag des LSB mit einer Interessenbekundung und der Zusage der Kofinanzierung für die Jahre 2015 bis 2019 unterstützt. Eine endgültige Entscheidung über seine Teilnahme liegt mir noch nicht vor. Sollte der Bund den Förderantrag des LSB ablehnen, ist beabsichtigt, ein Landesprojekt mit dem LSB zur Prävention von Homophobie im Sport zu initiieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Teil C der Großen Anfrage wird nach den Aktivitäten der Landesregierung zur Gewaltprävention im Sport und hier konkret auch nach dem „Runden Tisch gegen Gewalt beim Fußball“ gefragt. Hierzu kann ich Ihnen aktuell mitteilen, dass der Runde Tisch unter Leitung des Innenministers inzwischen sechsmal getagt und bei der letzten Sitzung am 8. Oktober 2014 auch die Antwort der Landesregierung auf diese Große Anfrage behandelt hat. Die 7. Sitzung des Runden Tisches wird am 16. März 2015 stattfinden und sich mit extremistischen Erscheinungsformen im Fußball und mit dem Thema „Ordnungsdienste und Sicherheitsfirmen im Auftrag der Vereine“ befassen.

Damit komme ich zum letzten Fragenkomplex, zum polizeilichen Umgang mit Gewalt, insbesondere im Fußballsport. Ich verrate sicher kein Geheimnis, wenn ich an dieser Stelle ganz klar sage, dass jede Einsatzstunde der Polizei bei Fußballspielen das Land Geld kostet und der Innenminister dieses Geld gern anders verwenden würde.

In der Antwort auf die Große Anfrage hat das Innenministerium mitgeteilt, dass in der Saison 2012/ 2013 im Fußball insgesamt 48 058 Einsatzstunden angefallen sind. In der Saison 2013/2014 waren es 66 951, also fast 20 000 Stunden mehr, und auch die Spielsaison 2014/2015 hat bereits zahlreiche Polizeieinsätze im Fußballsport erforderlich gemacht. Ich erinnere hierbei an das Fußballspiel am 24. September 2014 zwischen dem Halleschen FC und der SG Dynamo Dresden in Halle oder an die Ausschreitungen von Magdeburger Fans beim Auswärtsspiel am 9. Dezember 2014 in Berlin.

Das am 28. Februar 2015 bevorstehende Spiel des HFC gegen den FC Hansa Rostock gehört

zu den Begegnungen mit erhöhtem Risiko, da zwischen beiden Fangruppierungen eine ausgeprägte Feindschaft besteht. Das wurde auch durch die Vorkommnisse am 15. Februar 2015 deutlich, als Rostocker Fans, die auf der Rückreise von einem Spiel ihrer Mannschaft waren, im Bahnhof Schkopau durch vermutlich Hallesche Fans angegriffen wurden.

Die Polizei ist weiterhin bemüht, durch Kommunikation im Einsatz Gewalt zu vermeiden, jedoch ist es bisher nicht gelungen, die Anzahl der Gewalt suchenden bzw. gewaltbereiten Personen maßgeblich zu verringern. Das liegt auch daran, dass viele dieser Personen eine Kommunikation mit der Polizei ablehnen oder dass es in bestimmten Situationen zu gruppendynamischen Prozessen mit Ausschreitungen kommt.

Durch Projekte wie zum Beispiel „SiKomFan“ - „Mehr Sicherheit im Fußball - Verbesserung der Kommunikationsstrukturen und Optimierung des Fandialogs“ - sollen die Möglichkeiten zur Kommunikation zwischen allen Beteiligten verbessert werden. Der HFC, die Stadt Halle und die Polizeidirektion Süd sind Teilnehmer dieser Studie.