Gerade der Landkreis Stendal verfügt über geschichtlich dokumentierte Äußerungen des Kreisvorsitzenden der CDU in Stendal zur Bewertung der Kommunalwahlen und über treueste Grußadressen zur SED im Mai 1989. Es gibt Reden des ersten Ministerpräsidenten dieses Landes - ein Jahr später, noch im Wahlkampf und kurz danach -, in denen er sich zu den Nachfolgern dieser SED äußerte. Man kann es sich nicht vorstellen, dass das dieselbe Person war. Noch im Mai 1989 verfasste er die schärfsten Grußadressen und dann machte er Äußerungen über meine Partei. Herr Präsident, da waren die Vergleiche mit der Camorra eher lustiges Beiwerk.
Vielleicht ist es wirklich ein Gewinn für die politische Kultur, wenn jeder, der hier sitzt, mit den Äußerungen, die er macht, auch einmal selbst konfrontiert werden kann. Vielleicht lernen wir daraus etwas für den gemeinsamen Umgang mit uns selbst, dass politische Vorwürfe und politische Auseinandersetzungen sich auch einmal umkehren können. Das ist etwas, was diese Debatte auch bringen kann.
Ein allerletzter Punkt. Ja, viele Informationen sind aus der Zeitung. Aber dem Kollegen Tögel vorzuwerfen, dass er vor 1989 gelernt habe, dass alles, was in der Zeitung steht, stimmen müsse - wenn Sie mir das vorgeworfen hätten, dann hätte ich das ertragen müssen -, ist eine Frechheit.
Es hätte zwar bei mir auch nicht gestimmt, aber ich hätte mich nicht dagegen wehren können und es ertragen müssen. Aber ihm das vorzuwerfen, ist wirklich eine bodenlose Frechheit.
Wir hätten uns ja nicht auf die Informationen aus der Zeitung verlassen müssen. Es hätte eine Quelle geben können, die diese Informationen sehr schnell freiwillig öffentlich debattiert hätte. Die Organisation war die CDU. Sie wollte es nicht, und deswegen bedanken wir uns ausdrücklich für die Arbeit, die die Presse diesbezüglich gemacht hat. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gallert, vielen Dank. Jetzt kann ich den Teil, der meinen Kollegen Tögel betrifft, schon mal streichen, weil dem, was Sie gesagt haben, nichts hinzuzufügen ist.
Meine Damen und Herren! Die CDU lässt es selten an Deftigkeit fehlen. Herr Präsident, vielleicht sollten Sie sich einmal anschauen, wie heftig der frühere wirtschaftspolitische Sprecher Ihrer Fraktion in manchen Debatten mit anderen Positionen umgegangen ist. Ich glaube, Sie haben ein sehr enges Verhältnis zu ihm.
Zur Rolle von Blockparteien in der DDR und zum Thema Blockflötenlegende. Dass der Volksmund alle Parteien, die mitgespielt haben, als Blockflöten bezeichnet hat, dürfte selbst Ihnen nicht entgangen sein und auch denen nicht, die erst nach dem Jahr 1989 geboren wurden.
Eine Legende ist es deshalb noch lange nicht. Es wäre schön, wenn wir hier feststellen könnten - Sie berufen sich immer darauf, dass Sie Widerstandskämpfer in der DDR waren -, dass es zu allen Zeiten in der DDR in allen Parteien aufrichtige Mitglieder gegeben hat, die in ihren eigenen Parteien immer den Mainstream bekämpft haben.
Mir sind davon aus allen Parteien zu DDR-Zeiten welche über den Weg gelaufen. Einem von ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich überhaupt das Abitur machen durfte.
Und ja, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt war das ähnlich, Herr Schröder. Da hat die Ost-CDU nach 1945 gekämpft und sich gewehrt, da sind Mitglieder verfolgt worden, aber auch die Sozialdemokraten. Der Unterschied danach war, dass die SPD geschluckt worden ist unter Mittun einiger ihrer Mitglieder. Die CDU hat weitergemacht und hat sich verändert.
- Oh doch. Slogans wie „25 Jahre DDR, 25 Jahre Mitarbeit der CDU am Aufbau des Sozialismus“, „Christlich-Demokratische Union Deutschlands
vom 26. Juni 1945 bis 26. Juni 1970: Der Sozialismus ist die Zukunft und der Frieden“. - Das alles gehört zur Geschichte. Auch in meiner Partei gibt es nicht nur schöne Erinnerungen, sondern es gab auch schwierige Entscheidungen.
Wenn ich mir die Plakate anschaue, die auf dem Marktplatz in Thüringen hochgehalten worden sind und auf denen der Spruch stand „Wer hat uns verraten? - Sozialdemokraten!“ - und das von der CDU -, dann muss ich sagen, das waren die Kommunisten, die das damals zu uns gesagt haben. Manch einer sollte sich, wenn er einen Spruch nutzt, auch einmal überlegen, woher dieser Spruch kommt. In diesem Zusammenhang war er völlig bekloppt.
Vielleicht sollten Sie mit Blick auf die Ereignisse vor November, Dezember 1989 einfach auf Ihren Altministerpräsidenten Professor Böhmer hören, der gesagt hat, man sollte die Bevölkerung nicht für dumm verkaufen, sondern auch die eigene Geschichte aufarbeiten; dann würde vieles einfacher sein.
In Bezug auf das Vermögen der Blockparteien gab es die Vereinbarung, dass nur das rechtsstaatlich erworbene Vermögen übernommen werden sollte. Dann stellte sich die Frage, was überhaupt rechtsstaatlich erworbenes Vermögen ist. Die CDU hat dann alle materiellen Dinge in eine Gesellschaft gepackt; die hat sie auch später nicht übernommen. Aber die Barmittel, meine Damen und Herren, in Höhe von umgerechnet 11,2 Millionen €, haben Sie übernommen.
- Natürlich haben Sie sie übernommen. Sie sind zum einen in die Landesverbände und zum anderen in einen Treuhandfonds geflossen. Über diesen Treuhandfonds ist die Personalabwicklung in der Alt-CDU vorgenommen worden. Zudem sind davon die Kreis- und Landesgeschäftsstellen aufgebaut worden. Das ist nicht schlimm, aber es ist einfach so. Deshalb sollte man sehr differenziert darauf gucken, was übernommen worden ist und was nicht.
Meine Damen und Herren, so viel zu diesem Thema. Allerdings befürchte ich für Sie, dass dies noch häufiger zur Sprache kommen wird; denn man kann sich nicht auf Dauer seiner eigenen Geschichte verschließen. Sie muss irgendwann aufgearbeitet werden.
Wir hatten einmal in Brandenburg eine Sozialministerin. Die hochgeschätzte Regine Hildebrandt - ich hoffe, der Präsident rügt mich nicht, wenn ich das jetzt zitiere -, hat gesagt:
- Warten Sie erst einmal, was kommt. - Das hat sie deshalb gesagt, weil, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, 80 % bis 90 % derer, die dort in der Landtagsfraktion gesessen haben, Altfunktionäre der CDU gewesen sind. Das war, glaube ich, der Hintergrund für ihre Äußerung.
Dies geschah in einer Zeit, in der die CDU die SPD gleichermaßen diffamiert hat, wenn wir Altmitglieder der SED aufgenommen haben.
Das gehört auch zur Schizophrenie dieser Debatte. Diesen Teil aus dieser Zeit müsste man sich auch einmal angucken.
Ich will gar nicht darüber reden, was der Landesvorsitzende der CDU in diesem Land und der Ministerpräsident im Zusammenhang mit dem Thüringer Modell auf den Landesparteitagen über die SPD gesagt haben. Das war sehr auch deftig.
Auch wenn Sie dabei schmunzeln und das nun wiederum lustig finden, dann kann ich nur sagen, wer austeilt, der muss auch einstecken können; zumindest dann, wenn es Gründe dafür gibt.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Frau Feußner, CDU: Das finde ich nicht lustig! - Herr Weigelt, CDU: Was unterstellen Sie uns?)
Ich bin auch Landesvorsitzende und weiß, dass in jeder Partei etwas passieren kann. Es sind viele Menschen gemeinsam unterwegs und man weiß nicht immer, wie jeder tickt oder sich verhält. Die SPD kennt das auch. Deswegen sage ich das völlig ohne Schadenfreude.
Für mich ist aber wichtig, wie man in dem Moment reagiert, in dem es offensichtlich wird. Das ist mit entscheidend. Ich glaube, Sie sollten zumindest darüber nachdenken, ob Sie an dieser Stelle auch wirklich richtig reagiert haben oder ob es nicht ein Stück konsequenter hätte sein können.