Protocol of the Session on December 12, 2014

Aber jetzt kommt der zweite Absatz:

„Wer hier beginnt, das Fehlverhalten eines Einzelnen als Fehlverhalten einer ganzen Partei darzustellen, stellt diese unter Generalverdacht, verhält sich undemokratisch und bedient durch populistische Stimmungsmache eventuell eigene parteipolitische Zwecke.“

Meine Damen und Herren! Ähnlich hat sich auch der Oberbürgermeister von der CDU in einem anderen Zusammenhang geäußert, der nämlich sagte, es sei ein Skandal, dass eine solche Debatte um diese Sache geführt werde. - Was ist eigentlich der Skandal? Die Debatte darum oder die Wahlfälschung?

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Außerdem stellt sich für mich noch eine Frage, die mich die ganze Zeit enorm umtreibt. Als Mitglied des Kreistags Stendal kann ich mich sehr gut daran erinnern, wie auf die Tube gedrückt wurde, dass die Kreistagswahlen anerkannt werden, sowohl vom CDU-Landrat, der auch Kreiswahlleiter war, als auch vom CDU-Kreistagsfraktionsvorsitzenden Kühnel.

Es gab eine Abstimmung dazu, ob wir die Feststellung des Ergebnisses verschieben, bis wir mehr darüber wissen, was bei der Stadtratswahl passiert ist. - Nein, es wurde auf die Tube gedrückt. Insbesondere mit den Stimmen der CDU gab es keine Verschiebung der Anerkenntnis oder Nichtanerkenntnis der Wahl. Wir hätten lange Zeit - -

(Herr Weigelt, CDU, und Herr Schröder, CDU: Das sind Unterstellungen!)

- Das ist keine Unterstellung. Das war so.

(Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

Zur Ehrlichkeit hätte auch gehört, dass Herr Kühnel nicht erst, als es die Zeitung sozusagen aufgeklärt hat, hätte sagen dürfen, dass er selbst zu denjenigen gehört hat, die mehr als vier Umschläge abgegeben haben.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Herr Striegel, GRÜNE: 18!)

- 18 Umschläge.

Wenn ich im Kreistag stehe und jene verteidige, die mehr als vier Umschläge abgegeben haben, dann kann ich das tun. Aber wenn ich gleichzeitig verschweige, dass ich einer derjenigen war, und sage, ich war nur der Bote, dann ist das schon ziemlich ernüchternd, was die Frage der schonungslosen Aufarbeitung betrifft.

Meine Damen und Herren! Bei der Briefnachwahl stand auf einem Stimmzettel: Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass die Bürger nach Ihrer Vetternwirtschaft an die Demokratie glauben.

In dieser Bemerkung liegt das Drama für die Demokratie, liegt Verantwortung für jeden Politiker, vor allem aber für die CDU.

Zu allen anderen Dingen haben meine Vorredner in unterschiedlicher Art und Weise schon Ausführungen gemacht.

Ich komme zu den Briefwahlen bzw. zur Bewertung aller rechtlichen Möglichkeiten oder Unmöglichkeiten. Ich behaupte, die Briefwahl ist löchrig wie ein Schweizer Käse und lädt an einigen Stellen direkt zur Manipulation ein. Mit der Vereinfachung der Briefwahlverfahren wollte man auf der Bundesebene im Jahr 1989 den Wählerinnen und Wählern die Stimmabgabe erleichtern, den bürokratischen Aufwand verringern und natürlich auch Kosten sparen. Diese Tendenz setzte sich nach meinem

Wissen schrittweise bis zum Jahr 2005 immer weiter fort.

Die entsprechenden Regelungen der Länder folgten sukzessive. Die Kommunalwahlgesetze und die Verordnungen ähneln sich sehr. Wer jedoch die Stichworte „Briefwahlen“ und „Fälschungen“ als Suchbegriffe im Internet eingibt, dem wird schnell klar, hier muss sich etwas tun. Die Liste der Manipulationen und der Fälschungen ist so lang wie die Dunkelziffer hoch ist.

Angesichts der Diskussionen, die zuvor stattfanden, möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen, dass diese Dinge vor nahezu keiner Partei oder Einzelkämpfern Halt machen. Schauen Sie sich diese Dinge an. In der Konsequenz heißt das, tatsächlich nachzuschauen, was hinter diesen angeblichen Einzelkämpfern und Manipulationen steckt.

(Zurufe von der LINKEN und von Frau Bra- kebusch, CDU)

Warum sage ich, dass diese Briefwahlen löchrig wie ein Schweizer Käse sind? - Ich möchte dazu den IT-Spezialisten Arnim Rupp zurate ziehen, der sich seit Jahren intensiv mit der Fälschungsproblematik beschäftigt. Er hat auch schon vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt und dazu Gutachten erstellt, mal gewonnen, mal verloren. Er hat betont, dass durch die Lockerungen und die jetzigen Möglichkeiten der Technik den Manipulationen immer stärker Tür und Tor geöffnet wird. Das sollte uns wirklich zu denken geben.

Was können wir tun, um es sicherer zu machen? - Es wurde schon hervorgehoben, dass es eine hundertprozentige Sicherheit nicht gibt. Im Fall der Stendaler Wahl gab es keine Fälschung der Wahlscheine, was heutzutage kein Problem mehr darstellt.

Im Fall der Stendaler Wahl kam es in erster Linie darauf an, dass es eine Trennung zwischen Wahlbenachrichtigung und Vollmacht gab, dass es sozusagen keinen persönlichen Kontakt zwischen dem Beauftragten, dem Bevollmächtigten und dem Wahlberechtigten gab. Hier müssen wir schauen, wie wir das verändern können. Das war schon einmal anders üblich.

Eine weitere Schlussfolgerung ist, dass wir - ich habe nicht verstanden, wie es war, und wusste nicht, dass es nur vier Vollmachten gibt - einheitliche Formulare sowohl für die Vollmacht als auch für die Vordrucke haben müssen, auf denen eindeutig vermerkt ist, dass nur vier Vollmachten möglich sind. Wir müssen überprüfen, wie wir es hinbekommen, dass Unterschriftenfälschungen nicht in diesem Ausmaß stattfinden können.

(Zurufe von der CDU und von den GRÜ- NEN)

Auch wer sich zu welchem Zeitpunkt geäußert hat, Landeswahlleiter, Kreiswahlleiter und Gemeindewahlleiter, muss im Verfahren geklärt werden. Lassen Sie uns überprüfen, was ich bereits Herrn Staatsminister gefragt habe, wie die Ebenen miteinander kommunizieren.

Dazu möchte ich ein Beispiel nennen. In der Presse wurde angekündigt, dass die Kreistagsfraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch die Kreistagswahl infrage stellen wollen, weil in der Begründung des Kreiswahlleiters gesagt wurde, dass der Wählerwille nicht verfälscht worden sei. Der Wählerwille ist aber gefälscht; denn die Unterlagen bekommt man sowohl für die Stadtratswahl als auch für die Kreistagswahl.

Wir hielten das für einen neuen Sachverhalt, hatten aber den kompletten Antrag noch nicht eingereicht, als sich schon die Landeswahlleiterin meldete und sagte, dass dies und jenes nicht gehe. Das empfanden wir als vorauseilenden Gehorsam, nämlich einen Antrag zu beurteilen, der bisher noch gar nicht eingereicht wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Abschließend sei betont: Wir werden die kriminellen Energien, wie es alle schon gesagt haben, nicht 100-prozentig ausschließen können. Aber wer hier - auch Sie, Frau Brakebusch - immer wieder sagt, dass wir schonungslos und schnell aufklären müssen, der hat keine Begründung dafür, unseren Antrag in den Ausschuss zu überweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Antrag ist seinem Wesen nach ein direkt abzustimmender Antrag. Wenn Sie sich distanzieren und bis zur nächsten Wahl schonungslos aufklären wollen, dann muss darüber direkt abgestimmt werden, oder Sie schieben das Problem, wie im Landkreis Stendal, im Land vor sich her. - Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Frau Brakebusch, CDU)

Danke schön, Frau Kollegin Dr. Paschke. - Mir liegen nun zwei Wortmeldungen als Fraktionsvorsitzende vor. Zunächst Herr Fraktionsvorsitzender Gallert und danach Frau Fraktionsvorsitzende Budde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass diese Debatte eine emotionale Debatte werden wird, war vorauszusehen. Es ist auch gut, dass es eine emotionale Debatte war; denn Wahlfälschung und Wahlbetrug sind nichts, was man sachlich und emotionslos abräumen kann.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Ich will auf einige Vorwürfe eingehen. Darf man in diesem Kontext die historische Verantwortung thematisieren oder darf man es nicht?

(Zuruf von der CDU)

Darüber kann man diskutieren - nur die CDU nicht. Denn der Erste, der es gemacht hat, war ihr eigener Chef der Staatskanzlei. Er meinte, die Vorgänge von vor 1989 thematisieren zu müssen.

(Staatsminister Herr Robra: Das hat Herr Striegel gesagt! - Zurufe von der CDU)

- Er sprach über Herrn Modrow, und das war vor 1989. - Ich sage ausdrücklich, dass das sogar legitim ist. Das können Sie machen.

(Zurufe von der CDU)

Das haben wir schon seit 25 Jahren, und wir haben dies zu Recht auszuhalten. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, darüber müssen wir diskutieren. Wissen Sie, was heute entlarvend war? - Entlarvend war die Reaktion der CDU, der das auch einmal passiert ist und die offensichtlich nicht der Meinung war,

(Frau Brakebusch, CDU: Das ist doch nicht das erste Mal!)

dass sie in irgendeiner Art und Weise Verantwortung dafür zu übernehmen hat, was sie vor 1989 war. Uns zu erzählen, das sie eine Widerstandsorganisation war,

(Heiterkeit bei der LINKEN)

in der es keinen Spielraum gab, das ist nicht ehrlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)

Ich hätte ehrlich gesagt nicht geglaubt, dass diese These heute wiederholt wird.

(Frau Bull, DIE LINKE: Null Selbstkritik! - Zu- rufe von der CDU)