48 Eisenbahnstrecken wurden in Sachsen-Anhalt seit 1990 abbestellt. Abbestellungen von Eisenbahnstrecken haben immer eine einschneidende Bedeutung: Ist der Zug erst einmal weg, bleibt er weg. Es ist der erste Schritt zur Aufgabe der gesamten Strecke, weil neue Investitionen unwirtschaftlich werden; zahlreiche Beispiele in Sachsen-Anhalt und im gesamten Bundesgebiet belegen das.
Eine Abbestellung ist damit eine dauerhafte Demontage öffentlicher Daseinsvorsorge für die betroffene Region, darüber hinaus Demontage eines Stücks Geschichte, eines Stücks Heimat, eines umweltfreundlichen Verkehrsträgers sowie eines möglichen Potenzials für qualifizierte Arbeitsplätze. Eine ernstzunehmende Strategie gegen die demografischen Probleme sieht anders aus.
Darum ist die Aufrechterhaltung eines Mindestbetriebs immer besser als eine vollkommene Abbestellung. Die Entscheidungen hinsichtlich der Wipperliese und der Heidebahn folgen einem kurzsichtigen „Ja oder Nein“, „Hopp oder Top“ ohne Augenmaß. Das stört nicht nur mich. Sie tragen zu einer Demontage der öffentlichen Daseinsvorsorge in unserem Land bei.
In jedem Jahr erhalten wir zweckgebunden sehr viel Geld vom Bund für den SPNV, allein in diesem Jahr 367 Millionen €. Das Land nimmt Geld aus diesem Topf und stopft damit andere Haushaltslöcher. 31 Millionen € werden jährlich der Schiene
entzogen, im letzten Jahr, in diesem Jahr und in den nächsten beiden Haushaltsjahren. Fachverbände und Gewerkschaften kritisieren diese Praxis der zweckentfremdeten Verwendung seit Langem.
„Andere Bundesländer machen das auch.“, sagt die Landesregierung zu ihrer Verteidigung. Statt sich aber dahinter zu verstecken, wäre es höchste Zeit, die Finanzierung der Ausbildungsverkehre auf rechtskonforme Füße zu stellen und die Zweckbindung einzuhalten.
Dann würden wir vielleicht heute nicht über Wipperliese und Heidebahn, über Ausdünnungen oder Stilllegungen von Strecken, über Schließungen von Bahnhaltepunkten und anderes diskutieren.
Laut Aussage des Staatssekretärs Klang in der Bereinigungssitzung müssen wir das eigentlich auch für die nächsten beiden Jahre nicht. Keine Abbestellungen aus finanziellen Gründen - das ist die Quintessenz. Wir haben genug Haushaltsausgabereste. Wenn man das Protokoll richtig liest, dann stellt man fest, dass es diese anscheinend auch bei der Nasa gibt.
Ich fordere Sie auf: Stehen Sie dazu! Geben Sie das Geld dorthin, wo es hingehört: nämlich in den SPNV.
Bei der Wipperliese haben wir es offensichtlich mit einem Sinneswandel zu tun, den ich ganz und gar nicht nachvollziehen kann. Die Wipperliese - das ist eine traditionsreiche Bahn mit hoher Bedeutung für den Tourismus - könnte ein Pfeiler der Verbindung des Wippertals mit der Tourismusregion Harz sein. Den Beweis für diese Bedeutung liefern nicht zuletzt die steigenden Fahrgastzahlen trotz sinkender Schüler- und Bevölkerungszahlen in der Region.
Aufgrund des besonderen Beitrags besitzt sie auch nach der Ansicht der - daher habe ich das nämlich - Regionalen Planungsgemeinschaft Halle besonderen raumordnerischen Schutz; das Protokoll liegt mir vor. Deshalb wurde wohl auch investiert, seit 2011 etwa 1,17 Millionen € seitens des Landes, der DB Regio und der Mansfelder Kreisbahn.
Erst 2014 wurde ein neuer Verkehrsvertrag mit einer Laufzeit bis 2018 geschlossen. Frühestes Kündigungsdatum darin ist der Dezember 2015. Doch
plötzlich - gerade einmal ein halbes Jahr später - gab es eine Umkehr in der Auffassung dazu und eine Entscheidung für den Nichtweiterbetrieb. Zu geringe Nachfrage, zu hohe Investitionskosten.
Die Lage muss so dramatisch gewesen sein, dass der frisch geschlossene Verkehrsvertrag abrupt und jenseits der vertraglichen Frist gekündigt wurde. Alle wirtschaftlichen Konsequenzen hätte das Verkehrsunternehmen Mansfelder Kreisbahn zu tragen. Die Mansfelder Kreisbahn spricht von Vertragsbruch und prüft Schadensersatzansprüche. Auch die Nasa kennt anscheinend genau das Konfliktpotenzial und rechnet offenbar mit möglichen Forderungen in Höhe von 300 000 € für diese abrupte Kündigung; das konnte ich einem NasaPapier entnehmen.
Bei Vertragstreue und Kündigung zum Dezember 2015 hätte das Land diese 300 000 € für sinnvolle Dinge ausgeben können. Ich mache einen Vorschlag: Der Betrieb der Wipperliese kostet ca. 280 000 € im Monat; da bleibt sogar noch ein bisschen Geld für Ansichtskarten aus dem Mansfelder Land.
Genauso wenig wie ich kann übrigens Herr Faber vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen diesen plötzlichen Sinneswandel nachvollziehen; er wartet noch immer auf eine Antwort auf seinen Brief zu dieser Problematik von Minister Webel.
Sehen wir uns einmal Ihre Argumente für die Schließung an. Argument 1, sinkende Nachfrage: Ja, es gibt einen Rückgang der Schüler- und Bevölkerungszahl in der Region. Dennoch ist die Fahrgastzahl - die Summe derer, die diese Bahn benutzen - seit Jahren konstant und nach dem aktuell vorgelegten Zählergebnis - wie gesagt, ich habe ein Protokoll von der Planungskonferenz Halle - im Jahr 2013/2014 sogar auf 50 000 gestiegen.
Nach Angaben des Landes existiert auch eine andere Zählung, die angeblich sinkende Fahrgastzahlen festgestellt haben will - okay.
Wie auch immer dieser Zählungen ausfallen: In einem halben Jahr können Sie eine Veränderung, die zu einer solch drastischen Entscheidung kommt, nicht seriös feststellen; das ist meine Meinung.
Ich komme zu Ihrem zweiten Argument, der Brückensanierung: Von Beginn an heißt es: Notwendige Brückensanierungen haben die Situation um die Wipperliese dramatisch zugespitzt. Auch jetzt sind die Brücken der Hauptgrund des Ministeriums für die Abbestellung.
Die Brücken auf der Strecke haben eine Traglast von bis zu 18 t. Die Triebwagen der Wipperliese wiegen 11 t. Weitere Verkehre gibt es nach meinen Informationen nicht auf der Strecke. Der
Sanierungsbedarf steht im Zusammenhang mit einem Betrieb mit Hochgeschwindigkeitszügen oder schwerem Güterverkehr, wie es die aktuelle Einstufung der Strecke durch das Eisenbahn-Bundesamt eigentlich vorsieht. Die Wipperliese könnte jedoch weiterfahren, wie sie es seit nunmehr 94 Jahren über diese Brücken tut. Die Notwendigkeit von Brückensanierungen als Argument für die Abbestellung der Wipperliese vorzubringen, ist also aus meiner Sicht ebenso falsch wie das Argument sinkender Fahrgastzahlen.
Noch zwei Sätze zu der Idee, die Wipperliese durch Busverkehr zu ersetzen. Egal, ob Regionale Planungsgemeinschaft, Landkreis, Kreistag, Touristen oder eben die 13 000 Bürgerinnen und Bürger, die sich mit Unterschriften für den Erhalt der Wipperliese einsetzen - sie alle sprechen mit einer Stimme: Ein Ersatz der Wipperliese durch Busverkehr ist weder gleichwertig noch möglich.
Der Bus ist langsamer, weniger umweltfreundlich, kann die Wipperliese in ihrer touristischen Bedeutung mit ihrem Fahrerlebnis und ihrer Anbindungsfunktion an den Harz schlichtweg nicht ersetzen.
Es wird gesagt, die Betriebskosten für die Wipperliese seien viel höher als beim Betrieb der gleichen Strecke mit dem Bus. - Das stimmt. Aber dafür bietet die Wipperliese auch etwas, was der Bus gar nicht leisten kann: Die Bedeutung der Wipperliese für die Region und den Tourismus ist mit einem profanen Vergleich der Betriebskosten nicht abzubilden.
schlussfolgert: Ein Einstellen der Wipperliese ist ein Rückschlag für die seit Jahren aufgebaute Vernetzung und die vom Land gewollte Integration des Wippertals in die Tourismusregion Harz. - Ich schließe mich dieser Einschätzung uneingeschränkt an.
Weil es keine weiteren Verkehre auf der Strecke gibt, setzt eine Abbestellung der Wipperliese wahrscheinlich einen Sargnagel für die Einstellung der ganzen Eisenbahnstrecke. Mit unserem Antrag wollen wir genau das verhindern und dem Landkreis Zeit verschaffen, um die Wipperliese als Bestandteil eines neuen Tourismuskonzepts weiterzuentwickeln. Ich hoffe, Sie unterstützen unseren Antrag.
Das Anliegen unseres zweiten Antrags ist ähnlich gelagert und betrifft die Heidebahn zwischen Bad Schmiedeberg und der Lutherstadt Wittenberg. Bei der Heidebahn habe ich ähnliche Bauchschmerzen beim Blick auf die Argumente.
Im Jahr 2008 startete das Pilotprojekt Heidebahn mit dem Ziel, Schülerverkehr auf die Schiene zu verlagern. Dokumenten der Nasa aus dem