Protocol of the Session on September 8, 2011

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir haben eine Fünfminutendebatte vereinbart. Als erste Debattenrednerin spricht Frau Kollegin Tiedge für die Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es bedurfte erst einer Zwangsgeldandrohung durch Brüssel, um die Bundesländer dazu zu bringen, das Datenschutzgesetz dahin gehend zu verändern, dass nunmehr auch der nicht-öffentliche Bereich an den Datenschutzbeauftragten übertragen wird. Das wird nun endlich mit dem uns heute vorliegenden Gesetz realisiert. Leider bedeutet das aber nicht, dass uns am heutigen Tag zur Beschlussfassung ein rundes und kritikfreies Gesetz vorliegt.

Wenn man mit der Erarbeitung des Gesetzentwurfes eher angefangen hätte - ich habe in meinem Redebeitrag in der letzten Sitzung bereits darauf hingewiesen -, dann hätte man auch ein richtig gutes, kritikfreies Gesetz hinbekommen. Aus der Sicht der LINKEN gibt es hauptsächlich drei Kritikpunkte, welche wir auch in den Ausschussberatungen deutlich gemacht haben.

Erstens. Um eine wirkliche Unabhängigkeit des Landesdatenschutzbeauftragten zu gewährleisten, ist es aus unserer Sicht notwendig, dass dieser

eine oberste Landesbehörde ist. Mit der Formulierung im Gesetz, nach der er in Wahrnehmung seiner Aufgaben als oberste Landesbehörde gilt, wird man diesem Anliegen nicht gerecht. Ein entsprechender Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wurde in den Ausschüssen mehrheitlich abgelehnt. Darauf wurde schon hingewiesen.

Zweitens. Mit Schreiben vom 2. September 2011 wies der Datenschutzbeauftragte Herr Dr. von Bose darauf hin, dass aus europäischer Sicht die Frage nach der Fremdbestimmung der Mitarbeiter und somit auch die Frage nach einem eventuellen Einfluss auf die unabhängige Wahrnehmung entstehe.

Die Fraktion DIE LINKE hat sich deshalb den Vorschlag des Landesdatenschutzbeauftragten zu eigen gemacht und einen entsprechenden Änderungsantrag vorgelegt. Der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist allerdings der weitergehende. Wir werden diesem zustimmen; denn natürlich wollen auch wir, dass Mitarbeiter, die versetzt werden wollen, auch versetzt werden dürfen; dies soll durch dieses Gesetz nicht verboten werden.

In vielen anderen Bundesländern hat man diese Regelungen bereits übernommen. Sie klären eindeutig, dass Stellen nur auf Vorschlag des Datenschutzbeauftragten besetzt werden, dass Mitarbeiter nur mit seinem Einverständnis abgeordnet bzw. versetzt werden können, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz Dienstvorgesetzter ist und dass die Mitarbeiter nur seinen Weisungen unterliegen.

Meine Damen und Herren! Zeigen Sie heute, wie ernst Sie es mit einer wirklichen Unabhängigkeit des Landesdatenschutzbeauftragten meinen, und stimmen Sie diesem Änderungsantrag zu.

Drittens. Einen weiteren Änderungsantrag hat die Fraktion DIE LINKE zur Einrichtung einer Datenschutzkommission vorgelegt. In Berlin gibt es einen Unterausschuss „Datenschutz und Informationsfreiheit“, der sich in der parlamentarischen Praxis überaus gut bewährt hat. Diese Datenschutzkommission soll die Stellung des Landesdatenschutzbeauftragten stärken und der Kooperation zwischen dem Landesbeauftragten, dem Landtag und der Landesregierung dienen.

Alle beteuern immer wieder, wie wichtig ihnen der Datenschutz ist und welch hohen Stellenwert er doch genießt. Aber wie sieht es damit bislang in der Wirklichkeit aus? - Der Datenschutz ist doch nur ein Thema von vielen im Innenausschuss, welcher sich aufgrund der Vielzahl der Themen eben nur am Rande, das heißt von Fall zu Fall, mit dem Datenschutz befasst, zum Beispiel aufgrund der Vorlage des Tätigkeitsberichtes des Datenschutzbeauftragten oder dann, wenn es zu einem Skan

dal gekommen ist, was neuerdings recht häufig passiert. Das wird dem Anliegen des Datenschutzes aber absolut nicht gerecht.

Zum Abschluss möchte ich noch kurz auf die personelle Ausstattung eingehen. Der Innenminister sagte bereits, dass die Aufgaben beim Landesdatenschutzbeauftragten auch mit den zwei Stellen aus dem Landesverwaltungsamt - es waren noch nicht einmal zwei, sondern anderthalb Stellen; daraus macht man jetzt zwei, rundet also auf - nicht bewältigt werden können.

Der vorherige Präsident des Landesverwaltungsamtes hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Stellenbesetzung im Landesverwaltungsamt nicht ausgereicht habe, um die betreffenden Aufgaben wahrnehmen zu können. Die Stellen werden auch nicht ausreichen, um die Aufgaben jetzt beim Landesdatenschutzbeauftragten erledigen zu können. DIE LINKE geht davon aus, dass mindestens acht Stellen beim Landesdatenschutzbeauftragten notwendig sind, um die zusätzlichen Aufgaben für den nicht-öffentlichen Bereich zu realisieren.

(Herr Borgwardt, CDU: Plus die zwei oder insgesamt?)

- Insgesamt acht. - Meine Damen und Herren, sollten Sie den Änderungsanträgen meiner Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie dem Entschließungsantrag nicht zustimmen, werden wir uns bei der Abstimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der Stimme enthalten. Denn in letzter Konsequenz wird dann wieder nur ein halbherziger Gesetzentwurf verabschiedet. Wir sind schon jetzt auf die Reaktionen aus Brüssel gespannt.

Wir werden uns in absehbarer Zeit ganz sicher wieder mit diesem Gesetz beschäftigen müssen. Das ist eigentlich schade; denn heute wurde eine Chance verpasst, einen wirklich guten und runden Gesetzentwurf zu verabschieden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Danke schön, Frau Kollegin Tiedge. - Als Nächster spricht Herr Kolze für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Europäische Gerichtshof hat mit seinem Urteil vom 9. März 2010 für einen Paukenschlag gesorgt. Er hat entschieden, dass die für die Überwachung und Verarbeitung personenbezogener Daten im nicht-öffentlichen Bereich zuständigen Kontrollstellen ihre Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen müssen und dass

sie insbesondere keiner Rechts- und Fachaufsicht staatlicher Stellen unterstehen dürfen. Er hat weiterhin festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen die Verpflichtung aus der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr verstoßen hat.

Da die gesetzgeberische Umsetzung des Urteils des EuGH noch nicht in allen Ländern erfolgt ist, hat die Europäische Union ein Mahn- bzw. Aufforderungsschreiben im Zwangsgeldverfahren übermittelt und eine Nachfrist bis zum 31. Oktober dieses Jahres gesetzt. Dem folgend haben wir als regierungstragende Fraktionen einen Gesetzentwurf in dieses Hohe Haus eingebracht, der genau dies umsetzen soll. Wir hatten also die Zuständigkeit im nicht-öffentlichen Bereich des Datenschutzes neu zu regeln.

Dieser Verantwortung, meine Damen und Herren, sind die Koalitionsfraktionen nachgekommen. Wir haben jetzt - das wurde bereits gesagt - ausschließlich die neue Zuständigkeit geregelt in dem Wissen - der Minister des Innern Herr Stahlknecht hat dies bereits geäußert -, dass wir im Bereich des Datenschutzes weitere Nachbesserungen vornehmen müssen, die wahrscheinlich auch infolge der Regelung der neuen Zuständigkeit notwendig sind.

Insoweit, meine liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, werden wir Ihrem Entschließungsantrag heute in diesem Hohen Hause zustimmen, weil er unsere Intention trifft. Das ist eine Sache, bei der man das Rad nicht ein zweites Mal erfinden muss. Wir können das im Ausschuss gemeinsam vorantreiben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zu Artikel 1 werden wir in Punkt 1 zustimmen. Dem Punkt 2, die Datenschutzkommission betreffend, werden wir hingegen nicht folgen. Daher bitte ich darum, Herr Präsident, hierüber eine getrennte Abstimmung vorzunehmen.

Dem diesbezüglichen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN können wir nicht zustimmen, weil das Beamtenrecht eine Umsetzung schlichtweg nicht kennt; es kennt lediglich Abordnung und Versetzung. Die damit verfolgte Intention wird allerdings unter Punkt 1 des Änderungsantrages der Fraktion DIE LINKE aufgegriffen, dem wir zustimmen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kolze. - Als Nächster spricht der Kollege Striegel für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin zunächst froh zu hören, dass wir in der Zukunft gemeinsam weiter an dem Thema Datenschutz arbeiten können. Ich denke, dass wir das sehr produktiv tun werden. Nichtsdestotrotz hätten wir das schon in der Vergangenheit erreichen können; denn Sie wissen sehr genau: Bereits im Landtag der fünften Wahlperiode lag ein Gesetzentwurf vor, an dem die damals im Landtag vertretenen Fraktionen gemeinsam hätten arbeiten können; doch das ist nicht geschehen. Momentan setzen wir eigentlich nur das Selbstverständliche um.

(Herr Dr. Brachmann, SPD: Wir haben auf Sie gewartet!)

- Es freut mich, dass Sie auf die Grünen gewartet haben. Wir werden uns an der Novellierung des Datenschutzgesetzes und vor allem auch an der Modernisierung des Datenschutzgesetzes selbstverständlich beteiligen.

Ein moderner Datenschutz muss mit dem Stand von Wissenschaft und Technik Schritt halten. Er muss auf veränderte Techniknutzung reagieren. Er muss neuen Missbrauchsmöglichkeiten vorbeugen und er muss das vom Bundesverfassungsgericht ausgestaltete Recht auf informationelle Selbstbestimmung durchsetzen helfen.

Dazu bedarf es in Zeiten einer nahezu unermesslichen Sammelwut von staatlichen Stellen - Stichwort: Funkzellenauswertung - und einer noch größeren Sammelleidenschaft von Unternehmen - Stichwort: Verknüpfung vielfältigster Kundendaten zu Profilen, um beispielsweise die Kreditwürdigkeit eines Menschen bestimmen zu können - neuer Instrumente und einer verbesserten Ausstattung der Datenschützer. Meine Fraktion wirbt auch deshalb für eine zügige Modernisierung des sachsen-anhaltischen Datenschutzrechtes. Deshalb bitten wir alle Fraktionen im Hause um Unterstützung für unseren Entschließungsantrag.

Die besten gesetzlichen Wirkungen, meine Damen und Herren, bleiben jedoch wirkungslos, wenn ihre Einhaltung nicht kontrolliert werden kann. Mit der Übertragung der Kompetenzen für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich auf den Landesbeauftragten zum 1. Oktober 2011 wird absehbar ein großes Personalproblem entstehen.

Die bisher im Landesverwaltungsamt und beim Innenministerium ansässigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren in der Vergangenheit - so jedenfalls die Aussagen in der kürzlich erfolgten Anhörung und in den früheren Anhörungen - nicht in der Lage, ihren Kontrollpflichten vor Ort in dem erforderlichen Umfang nachzukommen.

Das Land Sachsen-Anhalt steht - das wurde im Rahmen der Anhörung ebenfalls deutlich - in der Kritik durch andere Bundesländer, weil zum Bei

spiel erforderliche Arbeiten im Düsseldorfer Kreis nicht in vollem Umfang erledigt werden konnten.

Noch verweigern die Koalitionsfraktionen dem mit neuen Zuständigkeiten versehenen unabhängigen Landesbeauftragten eine auskömmliche Personalausstattung. Mit lediglich zwei oder drei aus dem Einzelplan des Innenministeriums zu übertragenden Stellen ist der nicht-öffentliche Datenschutz kaum sinnvoll zu begleiten. Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen wird dieses Parlament beweisen müssen, ob und wie wichtig ihm ein effizienter Datenschutz ist.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für Bürgerrechte und Transparenz ein. Deshalb werden wir auch weiterhin für einen starken und personell auskömmlich besetzten Datenschutz streiten.

Meine Fraktion - das ist hier schon benannt worden - hat kurzfristig noch eine Anregung des Landesdatenschutzbeauftragten aufgegriffen, um dessen Unabhängigkeit auch mit Blick auf seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zweifelsfrei festzustellen. Gleichwohl ist uns selbstverständlich die eigene Entscheidungsmöglichkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig; diese wollen wir wahren. Wir haben uns an dieser Stelle, was die Formulierungen anbelangt, von den Empfehlungen des GBD leiten lassen. Insofern bitte ich auch um Zustimmung zu unserem vorliegenden Änderungsantrag. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Striegel. - Wir kommen zu dem nunmehr letzten Debattenredner, zu Herrn Kollegen Dr. Brachmann von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle sind uns wohl darüber einig - das hat die bisherige Debatte gezeigt -, dass wir heute, was die Veränderungen im Datenschutz anbelangt, gewissermaßen lediglich eine Zwischenetappe hinter uns bringen.

Wir als Regierungsfraktionen haben, als der Gesetzentwurf eingebracht worden ist, deutlich gemacht: Wir wollen in diesem Zusammenhang nur jenes regeln, was notwendig ist, um die Zuständigkeit für den nicht-öffentlichen Bereich auf den Landesdatenschutzbeauftragten zu übertragen. Dass es darüber hinaus einer Modernisierung des Datenschutzrechtes bedarf, dass es fortzuschreiben ist - insbesondere im Hinblick auf die Veränderungen im Nutzerverhalten sowie bei der Informations- und Kommunikationstechnik -, steht außer Zweifel.

Herr Striegel, Ihr Entschließungsantrag macht das deutlich, was die Koalitionsfraktionen und die Landesregierung ohnehin vorhatten. Sie haben unter

Punkt 2 aufgelistet, woran man alles denken muss. Wir haben bereits in der Anhörung und im Zusammenhang mit ihrer Auswertung über einige Fragen diskutiert. Auch das Eckpunktepapier der Datenschutzbeauftragten „Ein modernes Datenschutzrecht für das 21. Jahrhundert“ wird man einbeziehen müssen, wenn man sich darüber verständigt.

Ich denke, jetzt liegt genügend Material auf dem Tisch, um diesen Gesetzentwurf zeitnah verabschieden zu können. Die Formulierung in dem Entschließungsantrag lautet „bis spätestens Ende 2012“; ich meine, das ist ein vertretbarer Zeitraum.

Ich möchte kurz auf die Punkte eingehen, die hier kritisch erwähnt worden sind. Darüber, was die Stellung als oberste Landesbehörde anbelangt, haben wir im Ausschuss diskutiert. Dazu gab es durchaus noch Klärungsbedarf. Frau Tiedge, das kann auch im Zusammenhang mit dieser Novelle noch einmal aufgegriffen werden. Wenn dazu Veränderungsbedarf besteht, können wir das aufnehmen.

Der zweite Punkt betrifft die Datenschutzkommission. Auch darüber haben wir schon mehrfach diskutiert. Es gibt Für und Wider. Selbst der hessische Datenschutzbeauftragte hat in der Anhörung gesagt - in seiner schriftlichen Stellungnahme ist das nachzulesen -, dass dies ein Notnagel sei. Nach Möglichkeit sollte man - so der hessische Datenschutzbeauftragte weiter - auf die Einrichtung zusätzlicher Kommissionen verzichten. - Das ist auch unsere Überzeugung.