Protocol of the Session on December 10, 2014

Wir möchten nach vorn blicken und darüber diskutieren, auch gemeinsam mit Ihnen, Herr Minister, wie man es innerhalb des Systems entwickeln kann - wir nennen das Evolution und nicht Revolution -, damit wir dann ein FAG haben, das man auch guten Gewissens im Wahlkreis vertreten kann und das man einem „normalen“ Bürgermeister wieder erklären kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank für den Debattenbeitrag. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Kollege Herr Meister das Wort. Bitte Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kommunalfinanzausgleich in Sachsen-Anhalt gleicht einer politischen Dauerbaustelle. Die Landesregierung ist leider nicht willens oder nicht in der Lage, diese abzuschließen.

Von einem aufgabenbezogenen FAG, zumindest aber von einem transparenten Berechnungsverfahren kann man heute nicht mehr sprechen. Es bestehen erhebliche systemische Probleme, angefangen bei einer unvollständigen Datengrundlage zu den kommunalen Ausgaben bis hin zur Einbeziehung geschätzter zukünftiger Steuereinnahmen. Die Berechnung der Verteilungsmaßnahmen ist teilweise nicht mehr nachvollziehbar.

Die Kommunen sind strukturell auf Landeszuweisungen angewiesen. Bundesweit, aber eben auch in Sachsen-Anhalt ist ihr Anteil an staatlichen Auf

gaben und Ausgaben höher als ihr Anteil an den Einnahmen. Daher ist die grundsätzliche Annahme der Landesregierung, die Kommunen finanzierten sich schon vollständig grundsätzlich selbst und das Land springe nur ein, wenn es nicht anders gehe, ziemlich weit weg von der Realität. Die Kommunen haben leider nur eingeschränkte Möglichkeiten, auf Haushaltsdefizite mit Mehreinnahmen oder Ausgabensenkungen zu reagieren.

Die angespannte Finanzsituation der Kommunen in Sachsen-Anhalt zeigt sich unter anderem daran, dass immer mehr Kommunen große Schwierigkeiten haben, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Sie haben deshalb auch erhebliche Probleme, die notwendigen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur von Sportanlagen über kommunale Immobilien, Theater bis hin zur kommunalen Wirtschaftsförderung zu bewerkstelligen.

Die Folge ist der zunehmende öffentliche Werteverfall, wie man ihn an Straßen, Radwegen oder Immobilien erkennen kann und zukünftig noch deutlicher wird registrieren müssen. Die kommunale Dienstleistungsqualität wird sinken, die kommunale Verschuldung wird deutlich steigen.

Die derzeit vorgesehenen Zuweisungen, insbesondere für die vom Land auf die Kommunen übertragenen Aufgaben reichen nicht aus. Viele Kommunen sind so gezwungen, Kassenkredite - sie sind vergleichbar mit einem Dispokredit - aufzunehmen. In den letzten vier Jahren stieg das Volumen dieser kurzfristigen Überbrückungskredite der Kommunen um 40 %. Das ist erheblich.

Die Kommunen Sachsen-Anhalts haben schon jetzt den höchsten Pro-Kopf-Stand an Kassenkrediten in Ostdeutschland. Auch das ist ein deutlicher Warnhinweis. Wir haben in der Anhörung lange erörtert, dass wir in dieser Hinsicht sehr weit vorn sind, und zwar im negativen Bereich. Das jetzige FAG ändert an dieser Lage leider nichts, sondern schreibt diese Entwicklung noch fort.

Eine Rückführung der kommunalen Verschuldung rückt in weite Ferne. Die im Landeshaushalt vorgesehene Tilgung von Schulden wird somit auch durch die Inkaufnahme der zunehmenden Neuverschuldung der kommunalen Haushalte ermöglicht. Dies ist aus der Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN finanzpolitisch wenig sinnvoll. Wir hatten während der Haushaltsdebatte die Gelegenheit, das zu erörtern. Die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN will daher die kommunalen Zuweisungen über das jetzt vorgesehene Maß hinaus deutlich erhöhen.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Um künftige finanzielle Mehrbelastungen im Bereich der Asylbewerberleistungen, welche auf erhöhte Zugangszahlen zurückzuführen sind, aufzufangen, müssen die Zuweisungen unserer Ansicht

nach um weitere 7 Millionen € auf dann 30 Millionen € jährlich erhöht werden. Letztlich sollten wir diesen Posten zukünftig meiner Ansicht nach aus dem FAG ganz herausnehmen und in einem eigenen Gesetz eine Spitzabrechnung regeln.

Notwendig ist aus unserer Sicht ferner, dass die von der Bundesregierung angestrebte Entlastung der Kommunen im Bereich der Eingliederungshilfe trotz der Aufgabenwahrnehmung durch das Land wenigstens hälftig erreicht wird. Dies würde die Kommunen um knapp 16 Millionen € pro Jahr entlasten.

Die Auffassung der Landesregierung, wonach das Geld komplett in den Landeshaushalt gehört, wäre nur dann zutreffend, wenn sich die Situation der Kommunen in Sachsen-Anhalt deutlich besser darstellen würde als in anderen Ländern, sie also schon entlastet wären durch die Leistungen des Landes. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall. Wir haben keine Besserstellung der Kommunen.

Zugleich wollen wir den Kommunen mehr Anreize zur Konsolidierung geben und vor Ort erzielte Konsolidierungserfolge nicht durch eine direkte Zuweisungskürzung implizit bestrafen.

Konsolidierung muss sich lohnen. Jeden Konsolidierungserfolg unmittelbar für den Landeshaushalt zu vereinnahmen, ist kurzsichtig. Konsolidierungen werden dann nicht erfolgen. Insbesondere erfolgende Tilgungszahlungen sollten bei der Berechnung außer Betracht bleiben.

Recht hat der Minister, wenn er sagt, auch Kommunen machen Fehler. Natürlich, das ist verbreitet der Fall. Das sehen wir immer wieder. Aber dieses Argument kann beim FAG nur begrenzt eine Rolle spielen. Wir müssen die Berechnung in einer vernünftigen Form gestalten, sodass die Kommunen eine Chance haben, Konsolidierungserfolge zu erzielen und davon auch zu profitieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Um die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden zu stärken, sollen örtliche Steuereinnahmen nicht mehr zu 100 % bei der Bedarfsermittlung angerechnet werden. Wenn bei der Erhebung sogenannter Bagatellsteuern die Einnahme eines zusätzlichen Euro sofort zur Senkung der Zuweisungen aus dem FAG um eben diesen Euro führt, dann haben die Kommunen keinen Anreiz, ihre eigene Einnahmeposition zu verstärken.

Deshalb sollen - das ist unser Vorschlag - im Haushaltsjahr 2015 die Einnahmen aus örtlichen Steuern nur noch zu 75 % und im Haushaltsjahr 2016 zu 70 % bei der Bedarfsermittlung berücksichtigt werden. Dies entlastet die Kommunen um insgesamt 10 Millionen €.

Insgesamt werden die Kommunen durch die von uns vorgesehenen Änderungen im Vergleich mit

dem heutigen Ansatz der Koalitionsfraktionen um mehr als 115 Millionen € in den beiden kommenden Jahren entlastet. Darüber hinaus sehen wir beim Berechnungsverfahren weiteren Änderungsbedarf, damit das FAG zu einem verlässlichen und verständlichen Instrument der Kommunalfinanzen wird und nicht zum jeweiligen Ausgleich des Landeshaushaltes genutzt wird.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Mittelfristig halten wir es für erforderlich, die anfallenden Abschreibungsbeträge in die Bedarfsberechnungen einzubeziehen. Dieser Ansatz ist in unserem Änderungsantrag jedoch noch nicht berücksichtigt.

Zur Finanzierung unserer Vorstellungen hatte ich bereits in der Haushaltsdebatte einiges ausgeführt. Wir können nicht Schulden des Landes tilgen und zugleich die kommunalen Schulden hochfahren. Die öffentlichen Haushalte im Land sind insgesamt zu betrachten. Wir meinen daher, dass wir die Kommunen jetzt nicht hängen lassen dürfen, auch wenn dies bedeutet, dass die Tilgung auf der Landesebene weit geringer ausfällt, als dies wünschenswert wäre.

Der Änderungsantrag der LINKEN trifft bei uns grundsätzlich auf Sympathie. Ich sehe jedoch die Finanzierung der noch größeren Summe als unrealistisch an, sodass wir uns zu diesem Antrag der Stimme enthalten werden. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Meister. Herr Kollege Meister, der Kollege Hövelmann würde Sie gern etwas fragen.

Ja, bitte.

Dann erteile ich dem Kollegen Hövelmann für seine Frage das Wort. Bitte.

Vielen herzlichen Dank. - Herr Kollege Meister, ich habe Sie bisher so kennengelernt, dass das, was Sie sagen, auch ernst gemeint ist und keine rhetorische Floskel ist. Deshalb will ich konkret nachfragen.

Sie haben zu Beginn Ihres Redebeitrags gesagt, die Regierung würde davon ausgehen, dass die Kommunen in Sachsen-Anhalt durch eigene Einnahmen schon genügend Geld zusammenbekommen würden, um ihre Haushalte auszugleichen, und nur im Ausnahmefall Unterstützung aus dem Landeshaushalt brauchten.

Können Sie mir eine Kommune in Sachsen-Anhalt nennen, die keine Leistungen aus dem Finanzausgleichsgesetz erhält? Wenn Sie mir keine solche Kommune benennen können, würden Sie mir dann darin Recht geben, dass die von Ihnen zitierte Ausnahme doch die gesellschaftliche Realität in Sachsen-Anhalt ist?

Also, ich kenne eine solche Kommune nicht. Die interessante Frage ist eigentlich, ob die Landesregierung auf diesem Standpunkt steht. Ich habe die Ausführungen des Ministers so verstanden, dass eigentlich davon ausgegangen wird, es gebe die kommunale Selbstverwaltung, die Kommunen sollten doch bitte zusehen, dass ihre Haushalte ausgeglichen seien und das Land springe ein, wenn der Haushalt nicht ausgeglichen sei.

Ich gebe Ihnen darin völlig Recht; die Realität im Land ist eine andere. Darin sind wir einer Meinung: Alle Kommunen nehmen daran teil. Aber der Geist, der dahinter steht, der weht auch so ein bisschen durch das FAG. Der Geist unserer Vorlage ist eben ein anderer. Wir müssen uns darüber im Klaren sein - ich glaube, darin sind wir einer Meinung -, dass es immer grundsätzlich eines Finanzausgleichs bedürfen wird, nicht nur unter den Kommunen, sondern auch vom Land an die Kommunen, weil sie mehr Aufgaben als Einnahmen haben. Das ist vom grundsätzlichen System in der Bundesrepublik Deutschland so.

(Herr Borgwardt, CDU: Das, was er will, geht eben gar nicht! Das ist Käse!)

Danke sehr. - Jetzt darf Kollege Erben seinen Geist wehen lassen. Bitte, Herr Kollege.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Pfingsten ist lange vorbei. Also wird es zumindest kein heiliger Geist sein.

(Heiterkeit bei der SPD)

Ich denke, die uns heute vorliegende Beschlussempfehlung ist letztlich ein guter Kompromiss zwischen den Interessen der Kommunen in SachsenAnhalt einerseits und den Möglichkeiten des Landes andererseits. Bei aller Diskussion um die Frage des aufgabenbezogen FAG darf man an dieser Stelle nicht ganz vergessen, dass das Landesverfassungsgericht auch gesagt hat, dass die Kommunalfinanzen nicht losgelöst von der Leistungsfähigkeit des Landes zu betrachten seien.

Im Gesetzgebungsverfahren, aber auch schon in der Beratung der Koalitionsfraktionen im Vorhinein hat es eine Reihe von Änderungen im Sinne der

Kommunen gegeben. Ich will sie jetzt nicht alle aufzählen. Dazu gehörte auch die anspruchsvolle Aufgabe, diese Veränderungen heute im Haushaltsplan konkret mit Beträgen zu untersetzen. Das ist beim vergangenen Tagesordnungspunkt passiert.

Ich will aber zum Thema Asyl noch eines sagen: Ich glaube, wir haben uns - der Kollege Barthel hat das in gleicher Weise angekündigt, als das Gesetz eingebracht worden ist - einen besonderen Schwerpunkt gesetzt, nämlich wir wollen keine offene Flanke bei der Ausfinanzierung bei der Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen in diesem Landes haben.

Das ist gerade mit den Maßnahmen, die wir mit der Auftragskostenpauschale, mit § 4a und mit der entsprechenden Aufstockung im FAG sowie mit dem heutigen Änderungsantrag zu Einzelplan 03 getroffen haben, gelungen. Wir haben entsprechende Regelungen und die Kommunen können die Lasten schultern. Der Finanzminister hat heute auch angekündigt, dass wir nötigenfalls nachfassen werden und müssen.

Es gibt ja viele Diskussionen zum FAG, auch in den Fraktionen. Mir begegnet immer mal der Vorwurf, es gebe nur ein paar Leute, die mit anderthalb Milliarden Euro herumjonglieren und sich dann wundern, dass man 100 Millionen € hoch- oder herunterfährt. Das FAG ist kompliziert. Aber das liegt nun einmal in der Sache begründet.

Außerdem haben wir ein lernendes FAG. Wir haben ein neues System eingeführt, für das es keine Vorbilder gibt. Wir können nicht einfach bei anderen Bundesländern nachfragen, wie sie das machen, weil die Systeme nun einmal sehr unterschiedlich sind. Wir haben ein besonderes, man kann schon fast sagen, ein radikales System, weil wir nämlich insbesondere mit der Auftragskostenpauschale die Aufgaben steuerkraftunabhängig ausfinanzieren. Das heißt aber nicht, dass wir für zukünftige Finanzausgleichsgesetze keine neuen Überlegungen anstellen müssen.

Ich will auf einige Punkte eingehen. Die flächendeckende Einführung der Doppik ändert die Zahlenbasis. Das muss auch abgebildet werden. Es kann kein ewiges Zurückrechnen mehr in die Kameralistik geben und darauf basierend die Finanzausgleichsmasse berechnet werden.

(Zustimmung von Herrn Barthel, CDU)