Protocol of the Session on November 14, 2014

Weiterhin ist ungeklärt, ob das Ministerium doch zu der Auffassung kommt, dass einer Abschiebung nichts mehr im Wege steht, wenn die Lage in Bezug auf die Verbreitung des Virus besser wird. Angesichts der von mir soeben beschriebenen Folge- und Sekundärwirkungen von Ebola wäre das nach Auffassung meiner Fraktion verheerend.

Die Argumentation der Landesregierung bei der Beantwortung der Kleinen Anfrage zielt auch auf die anzunehmenden sehr geringen Fallzahlen in Sachsen-Anhalt ab und kommt zu dem Schluss, dass ein Abschiebestopp deswegen nicht notwendig sei. Herr Minister, wir haben kein Dissens, was die Prognose der Fallzahlen angeht. Auch ich gehe nicht davon aus, dass es in Sachsen-Anhalt tausende Menschen betreffen wird. Wir reden von Einzelfällen; das ist richtig.

Aber die Argumentation kann man doch auch trefflich umdrehen. Wenn es eben so wenige Menschen betrifft, gerade dann sind die Folgen eines solchen Abschiebestopps absolut überschaubar und können nicht zu nicht beherrschbaren Folgen für die Unterbringung, Betreuung und Versorgung in Sachsen-Anhalt führen. Insofern steht aus unserer Sicht einem generellen Abschiebestopp das nun absolut nicht im Weg.

Das Beharren auf die Einzelfallprüfung und der Verzicht auf eine eindeutige Festlegung im Landtag machen nur dann Sinn, wenn man es als prioritäres Ziel betrachtet, wirklich und unbedingt dafür zu sorgen, dass kein einziger Mensch auch nur einen einzigen Tag länger als in Bezug auf die Akutphase notwendig hier in Sachsen-Anhalt bleiben kann. Diese Priorität teilt meine Fraktion ausdrücklich nicht.

Es bleibt mir daher nur, zu wiederholen: Mit Effizienz hat das nichts zu tun und mit Effizienz im Sinne der Betroffenen schon gar nicht. Uns erschließt sich nicht, warum wir dieses Instrument des generellen Abschiebestopps, das wir als Land haben, nicht nutzen und damit zur Sicherheit der potenziell Betroffenen beitragen sollten. Der Alternativantrag der Koalitionsfraktion ist für uns tatsächlich keine Alternative. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Quade, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Stahlknecht. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Quade! Da das, was ich in meiner Rede hätte vortragen wollen, alles schon in der Antwort auf die Kleine Anfrage steht und Sie das freundlicherweise vorgetragen haben, kann ich es relativ kurz machen.

Wir haben - insofern wiederhole ich das kurz -, weil wir nur eine geringe Zahl an Fällen haben, die in Betracht kommen können, von einem generellen Abschiebestopp abgesehen. Wir haben auch faktisch ein Abschiebungshindernis, weil nämlich Ausreisen mit dem Flugzeug nach Guinea, Liberia und Sierra Leone aus tatsächlichen Gründen nicht möglich sind, weil es im internationalen Flugverkehr entsprechende Beschränkungen gibt.

Wir haben in der gesamten zurückliegenden Zeit nur eine Abschiebung nach Nigeria gehabt und zwar auf Wunsch des Betroffenen selbst, also nicht weil wir das wollten, sondern er selbst.

Da wir eine geringe Anzahl von bei uns lebenden Menschen haben, die dorthin überhaupt abgeschoben werden könnten, haben wir uns für eine Einzelfallprüfung entschieden. Wir prüfen das zehn Tage zuvor und erreichen am Ende gemeinsam das - uns eint dann wieder das gleiche Ziel -, was Sie auch wünschen, dass wir derzeit dorthin nicht abschieben. Das ist die Verfahrenspraxis, für die wir uns entschieden haben. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Minister. - Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Erben.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst erst einmal teile ich, ähnlich wie Herr Minister Stahlknecht, die Darstellung, die Frau Kollegin Quade zur Lage in Ebola-Gebieten hier kundgetan hat. Wir sind uns sicher auch darüber einig, welches Ausmaß diese Katastrophe hat.

Es ist aber auch so, dass niemand dorthin abgeschoben wird. Es ist auch nicht beabsichtigt, jemanden abzuschieben. Der Schutz ist in SachsenAnhalt mit der gegenwärtigen Regelung gewährleistet.

Frau Kollegin Quade, ich will Sie aber auf den letzten Satz Ihres Antrages hinweisen. Darin heißt es:

„Die Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Rheinland-Pfalz haben bereits einen Abschiebestopp beschlossen, in Hessen gibt es einen solchen Beschluss noch nicht.“

Ich vermute, Sie meinten Sachsen-Anhalt an dieser Stelle.

Nun kann man trefflich darüber streiten, welches Mittel das effizientere ist. In jedem Fall ist das Mittel, was wir in Sachsen-Anhalt angewandt haben, ein angemessenes Mittel, um Flüchtlingen aus den Ebola-Gebieten einen effektiven Abschiebeschutz zu bieten. Die Einzelfallprüfung ist dafür geeignet und angemessen. Deswegen unterstützen wir den entsprechenden Alternativantrag.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Danke sehr, Kollege Erben. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Wicke-Scheil.

Fieber, Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Schüttelfrost, Magenkrämpfe,

Lähmungen, Psychosen, im weiteren Verlauf innere und äußere Blutungen, Hautausschlag, Rötungen der Bindehaut, Atemnot, Schockzustand, multiples Organversagen - das sind Symptome der Ebola-Erkrankung, gegen die es im Moment noch keine Medikamente und Impfung gibt.

Wie ernst auch der WHO die Lage ist, sieht man daran, dass man möglicherweise auch solche Medikamente bereits bei Patienten anwendet, die noch nicht alle vier Phasen der klinischen Studien durchlaufen haben. Die Letalität liegt bei 50 bis 90 %.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Verkehrsverbindungen in die entsprechenden Gebiete eingestellt wurden.

Das Auswärtige Amt gibt Reisehinweise heraus, rät von Reisen nach Liberia, Guinea und Sierra Leone ab und ruft die dort lebenden Deutschen zur Rückreise auf.

Es gibt unterschiedliche Auswirkungen dieser Abschiebung für den Betroffenen. Zunächst wird ihm eine Unterkunft verweigert, teilweise sogar Nahrung und Wasser. Geschwächte Körper sind natürlich besonders empfänglich für bestimmte Infektionen. Aber jeder Erkrankte und jeder Infizierte verschärft auch die prekäre Situation der Gesundheitseinrichtungen.

Ich habe einmal ausgerechnet, was ein EbolaKranker bei uns im Krankenhaus kosten würde, und zwar nur bei Schmerzbehandlung und bei Beatmung bei einer mittleren Verweildauer von 25 Tagen. Das sind 16 000 €. Diesen Betrag kann man dort in einem ohnehin geschwächten Gesundheitssystem nicht aufbringen.

Es gibt durchaus rechtliche Grundlagen - Frau Quade und auch der Minister haben darauf hingewiesen -, die es ermöglichen, für eine kurze Zeit, also für sechs Monate, eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung auszusprechen. Wir werden dem Antrag der LINKEN zustimmen.

Es folgt noch ein kurzes Wort zu dem Alternativantrag. Ich bin nicht ganz so nachsichtig wie Sie, Frau Quade; denn eine Einzelfallprüfung heißt auch, dass möglicherweise jemand abgeschoben werden kann. Damit nimmt man billigend in Kauf, dass der Betroffene dieser Krankheit zum Opfern fällt. Deshalb werden wir den Alternativantrag ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dank sehr, Kollegin Wicke-Scheil. - Für die CDUFraktion spricht der Abgeordnete Herr Krause.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ebola-Epidemie in mehreren Ländern Westafrikas ist der schwerste Ausbruch seit der Entdeckung des Virus im Jahr 1976. Vor allem die Länder Sierra Leone, Liberia und Guinea sind betroffen. Die Zahl der Verdachts- und Todesfälle steigt weiter stark an. Der Ebola-Ausbruch in Westafrika überfordert die Gesundheitssysteme in den betroffenen Ländern und droht mühsam errungene Entwicklungsfortschritte zunichte zu machen.

Die große Koalition auf der Bundesebene setzt sich dafür ein, den Kampf gegen die Ebola-Epidemie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen. In einem gemeinsamen Entschließungsantrag wird die Bundesregierung gebeten, mehr finanzielle Hilfe für die Weltgesundheitsorganisation, für die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ und andere Organisationen, die sich vor Ort engagieren, bereitzustellen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat weitere 85 Millionen € zur Eindämmung von Ebola in Westafrika bewilligt.

Mit den bereits zugesagten 17 Millionen € stellt Deutschland insgesamt 102 Millionen € zur Verfügung. An den Hilfsgeldern der EU in Höhe von insgesamt 150 Millionen € trägt Deutschland einen Anteil von 30 Millionen €. Darüber hinaus hat die Bundeswehr eine Luftbrücke zum Transport von Hilfsgütern eingerichtet. Deutschland ist keineswegs untätig und lässt die Menschen vor Ort nicht allein.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neben dieser dringend benötigten Hilfe vor Ort wird derzeit in vielen Landesparlamenten darüber diskutiert, Abschiebungen in die von Ebola betroffenen Länder auszusetzen und somit zeitlich befristet nicht zu vollziehen. Die Bundesländer Niedersachsen, Hamburg und Rheinland-Pfalz haben einen solchen Abschiebestopp bereits beschlossen.

Ich halte es für absolut notwendig, dass bei der Diskussion über einen solchen Abschiebestopp zunächst die Frage erörtert wird, wie viele Menschen denn tatsächlich von einer Abschiebung in diese Region bedroht sind. Dem Kollegen Herbst wurde auf seine Kleine Anfrage von der Landesregierung erst kürzlich mitgeteilt, dass seit dem 8. August 2014, also seit dem Tag, an dem die WHO die Ebola-Epidemie in Westafrika zum internationalen Gesundheitsnotfall erklärt hat, keine Personen aus Sachsen-Anhalt in die von Ebola betroffenen Staaten Liberia, Sierra Leone, Guinea und den Senegal abgeschoben worden sind.

Hinsichtlich des geforderten Abschiebestopps teilen die Koalitionsfraktionen die Einschätzung der Landesregierung, dass derzeit keine Notwendigkeit für eine generelle Aussetzung von Abschiebungen in die von der Ebola-Epidemie betroffenen Länder gesehen wird. Es sind, wenn überhaupt, nur sehr geringe Fallzahlen zu erwarten.

Damit ist die Einzelfallprüfung nach § 60 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes, wonach einem Ausländer eine Duldung erteilt werden kann, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern, das gegenüber einem generellen Abschiebestopp effizientere Verfahren. Hierdurch wird hinsichtlich der Entwicklung in Westafrika auch bei zu befürchtenden Abschiebungen angemessen reagiert.

Im Übrigen begrüßt meine Fraktion die Vorgaben des Ministeriums für Inneres und Sport, dass zur Sicherstellung dieser Verfahrensweise beabsichtigte Abschiebungen von Personen in die betroffenen Länder frühzeitig, spätestens aber zehn Tage vor dem geplanten Abschiebungstermin, dem Ministerium zu melden sind.

Abschließend bitte ich Sie um Zustimmung zum Alternativantrag der Koalitionsfraktionen CDU und SPD. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt zwei Fragen, Herr Kollege Krause. Würden Sie sie beantworten?

Ich bin heute für Herrn Kolze als Redner eingesprungen. Die Fragen müssten Sie dann an Herrn Kolze richten, der heute an einer Beerdigung teilnimmt. Das tut mir Leid.

Möchten die Fragestellerinnen ihre Fragen hier dennoch formulieren? - Ja, Frau Zoschke, bitte.

In seiner Rede hat der Kollege betont, dass derzeit kein Bedarf für einen Abschiebestopp besteht. Ich hätte gern gewusst, was mit dem Begriff „derzeit“ gemeint ist.

Die Frage wird an den Kollege Kolze weitergeleitet. - Frau Quade, Sie haben jetzt die Möglichkeit, zu erwidern.

Vielen Dank zunächst einmal für die tatsächlich überwiegend unaufgeregte Debatte. Das war auch mein Ziel, weil ich in der Tat davon ausgehe, dass wir uns in der Zielstellung einig sind. Das weiß ich durchaus zu schätzen.

Es erschließt sich mir nach wie vor nicht. Herr Kollege Krause hat die zwei Wege noch einmal darstellt, die es alternativ gibt. Entweder wir entscheiden heute, dass es einen generellen Abschiebestopp für ein halbes Jahr geben soll, oder es soll mit der gleichen Zielsetzung, dass nicht abgeschoben werden soll, jeder Einzelfall überprüft werden. Das heißt, dass jeder Fall an das Ministerium übergeben werden muss. Dort wird jeder Fall dann geprüft und einer Entscheidung zugeführt. Es erschließt sich mir nicht, was an dem Weg der Einzelfallprüfung effizienter sein soll. Effizienter ist das, was Sie in Ihrem Antrag formuliert haben.

Deswegen habe ich nach wie vor ein Problem hinsichtlich der logischen Nachvollziehbarkeit Ihres Antrags. Aber es ist offenkundig geworden, dass die Mehrheit hier im Hause diesen Weg gehen will.

Frau Wicke-Scheil, noch ein Wort zu Ihnen. Sie haben mich entweder missverstanden oder nicht richtig zugehört. Ich habe ausdrücklich die Kritik an der Einzelfallüberprüfung angeführt, dass das Ergebnis offen bleibt und dass das natürlich auch bedeuten kann, dass man zu dem Schluss kommen kann, dass abgeschoben werden könnte.