Protocol of the Session on November 14, 2014

(Beifall im ganzen Hause)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf das Ergebnis der Wahlhandlung bekanntgeben. Wie ich eingangs erläuterte, werden auch der Präsident und der Vizepräsident des Landesverfassungsgerichts mit der Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Abgeordneten, mindestens jedoch mit der Mehrheit der Mitglieder des Landtags gewählt.

Nach der mir vorliegenden Wahlniederschrift hat die Wahl folgendes Ergebnis: Abgegebene Stimmen: 88. Ungültige Stimmen: Keine. Gültige Stimmen: 88.

Das heißt, bei der gesetzlichen Zahl von 105 Abgeordneten und der 88 Abgeordneten, die heute an der Wahl teilgenommenen haben, mussten 59 gültige Stimmen für den Wahlvorschlag abgegeben werden.

Für den Wahlvorschlag stimmten 76 Abgeordnete, gegen den Wahlvorschlag stimmten neun Abgeordnete. Es gab drei Stimmenthaltungen. Damit ist festzustellen, dass Herr Winfried Schubert zum Präsidenten des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt und Herr Lothar Franzkowiak zum Vizepräsidenten des Landesverfassungsgerichts

Sachsen-Anhalt wiedergewählt wurden.

(Beifall im ganzen Hause)

Im Namen des Hohen Hauses spreche ich beiden Gewählten die herzlichsten Glückwünsche zu ihrer Wahl aus. Ich wünsche Ihnen, Herr Schubert und Herr Franzkowiak, eine erfolgreiche weitere Amtsführung und persönlich sowie im Namen des Hohen Hauses alles Gute.

Zugleich gibt sich der Landtag die Ehre, alle ausgeschiedenen Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder des Landesverfassungsgerichts sowie die soeben neu gewählten Richter und stellvertretenden Richter sowie die Landesregierung, die Vertreter der Fraktionen und die Mitglieder des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung gegen 13.50 Uhr in das Kloster Unser Lieben Frauen einzuladen. Ich freue mich auf Ihr Kommen und noch einmal herzlichen Glückwunsch zur Wahl.

(Beifall im ganzen Hause)

Damit ist der Tagesordnungspunkt 2 erledigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Beratung

Ganztagsschulangebote für Menschen mit Behinderungen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/3571

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3602

Einbringerin ist Frau Bull. Bitte sehr, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ja, es ist in der Tat eine unendliche Geschichte:

(Zustimmung bei der LINKEN)

die Betreuung von Kindern mit sogenannter geistiger Behinderung nach der Schule, vor allen Dingen dann, wenn ihre Eltern voll berufstätig sind und wenn die Kinder das 14. Lebensjahr überschritten haben, weil dann das Kinderbetreuungsgesetz nicht mehr greift, was im Übrigen auch völlig nachvollziehbar ist.

Die Schule für sogenannte geistig Behinderte schließt in der Regel zwischen 14.30 Uhr und 15 Uhr.

Wer sich jetzt an unendliche Debatten hier im Parlament erinnert fühlt, der liegt goldrichtig. Sie werden sich alle an die irgendwie schon beispielhafte Aktion von betroffenen Eltern erinnern, die damals erreicht haben, dass Abgeordnete aus allen Fraktionen das Kultusministerium und das Sozialministerium dazu bewegt haben, für die betroffene Familien eine Lösung zu finden. Frau Gorr, Frau Späthe, Frau Lüddemann werden sich gut daran erinnern.

Was war das Ergebnis der damaligen Debatte? - Das war erstens eine Mehrheitsentscheidung der Koalition, die darin bestand, Einzelfalllösungen aus einer großen Palette von Möglichkeiten anzubieten, und zwar grob strukturiert im Rahmen der Angebote der GB-Schulen - das sind die Schulen für Kinder mit geistigen Behinderungen; das dürfte wahrscheinlich der Einzelfall im Land sein -, aber auch im Rahmen des SGB XII. Das wiederum ist zumeist mit nicht unerheblichen Kosten für die Eltern verbunden.

Unsere Kritik lautete damals: Eltern brauchen - zumal wenn sie alleinerziehend sind - ein unschlagbares Durchhaltevermögen, um sich im Dschungel der rechtlichen Möglichkeiten und Vagheiten zurechtzufinden und sich nicht abwimmeln zu lassen.

Ein weiterer Kritikpunkt war, dass sich die Eltern irgendwann zwischen ihrer Berufstätigkeit - das heißt, ob sie sich noch lohnt, wenn sie etwas be

zahlen müssen, zum Beispiel für den Familienentlastenden Dienst - und dem persönlichen Budget entscheiden müssen. Das ist den meisten Eltern auch angeboten worden.

Zudem haben wir kritisch angemerkt, dass die Kinder permanent zwischen Schule und Einrichtungen hin- und hergeschoben werden. - Das sind nur drei der wesentlichen Kritikpunkte.

Meine Damen und Herren! Es kommt hinzu - das liegt in der Natur der Sache -, dass Einzelfalllösungen immer zu einem Ungleichgewicht zwischen denen, die so etwas bewilligen - sie sind mit der Macht der Behörde und der Macht der Bürokratie ausgestattet -, und denjenigen, die darauf angewiesen sind, führen. Denn oft besteht die Funktion von Verwaltung angesichts leerer Kassen und extremen Personalmangels darin, lediglich abzuwehren und auszusitzen, bis die Leute mürbe sind. Das klingt hart, aber das ist die vielfach von Eltern erzählte Realität.

Einzelfalllösungen sind der öffentlichen Kontrolle weitgehend entzogen, gerade beim SGB XII. Sie stoßen schon allein beim Datenschutz an Grenzen.

Einzelfalllösungen sind immer etwas Prekäres, weil sie oft aus der Not heraus gestrickte Angebote sind. Wenn es die Schule nicht geschafft hat, die Eltern abzuwimmeln - das nehme ich ihnen aber nicht übel, weil das Personal dort vorn und hinten fehlt -, dann schaffen das ganz sicher die nächsten Instanzen: die Schulämter, die Sozialämter, die Jugendämter, die Landesämter, die Sozialagentur und die Ministerien.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens ist damals das Schulgesetz geändert worden. Mit der Änderung des Schulgesetzes ist auch der Rechtsanspruch auf einen Hort abgeschafft worden, der im Schulgesetz enthalten gewesen ist, und durch eine schwammige und de facto leicht zu umgehende Regelung ersetzt worden.

Im Schulgesetz steht jetzt: Förderschulen für geistig Behinderte unterbreiten Ganztagsangebote. Auf „müssen“ und „sollen“ wird verzichtet. Die einen haben sich das hineingedacht, die anderen haben sich das herausgedacht.

Was Ganztagsangebote sind, wird lediglich an der Definition der KMK gemessen. Das geht am Problem weitgehend vorbei; ich will sie damit nicht langweilen. Schon der Ursprungszustand in den sogenannten GB-Schulen hätte diesen Umstand weitgehend erfüllt. Das hat uns keinen Schritt weitergebracht und es gibt keine zusätzlichen Ressourcen - anders als bei Ganztagsschulen. Es gibt nämlich einen feinen Unterschied zwischen Ganztagsschulen - solche gibt es bei den Förderschulen

nicht - und Ganztagsangeboten. Darüber habe ich eine Weile gegrübelt.

Ganztagsangebote sind unter Personalvorbehalt gestellt. Vor dem Hintergrund - das habe ich schon einmal gesagt -, dass die Personaldecke extrem dünn ist und schon für die Unterrichtsversorgung nicht ausreicht, ist von vornherein völlig klar gewesen, dass das ein Kartenhaus war und - ich spitze es zu - dass es ein Kartenhaus sein sollte.

(Beifall bei der LINKEN)

So weit zur Vorgeschichte.

Es kam, wie es kommen musste. Eine Reihe von Eltern - das will ich gern zubilligen -, darunter die Protagonisten von damals selbst, wurde in ihrer Situation tatsächlich entlastet. Ihnen ist geholfen worden.

(Zustimmung von Frau Reinecke, SPD)

Das ist gut und richtig so. Das ist auch durchaus ein Fortschritt. Das muss man an dieser Stelle sagen. Eine Reihe anderer Familien steht aber nach wie vor im Regen.

Hinzu kommt ein weitgehend normaler und bekannter Vorgang: Die nachlassende öffentliche Präsenz des Problems und die Bereitwilligkeit der Behörden, nach akzeptablen und gangbaren Wegen zu suchen, stehen in einem direkt proportionalen Verhältnis zueinander - so will ich es einmal sagen. Das heißt, beides lässt nach. Das ist einer der Gründe für diesen Antrag, meine Damen und Herren.

Ich will zwei Erfahrungen schildern.

Beispiel Nr. 1. Ein Mädchen mit Down-Syndrom ging bis zum 14. Lebensjahr in eine integrative Kita. Das ist in den meisten Fällen so. Mit dem 14. Lebensjahr endet dieser Rechtsanspruch. Die Mutter beginnt ihre Bemühungen um ein Betreuungsangebot bereits ein Jahr - ein ganzes Jahr! - zuvor. Sie selbst ist 35 Stunden in der Woche berufstätig und trotzdem nicht rechtzeitig zu Hause, bis ihre Tochter aus der Förderschule kommt.

Die Schule teilt mit, länger als 15 Uhr sei nicht möglich. Das überrascht aus den von mir mehrfach genannten Gründen nicht. Jetzt beginnt das bekannte ressourcen-, kräfte- und zeitaufwendige Hin und Her, welche Einzelfalllösung wie lange unter welchen Umständen irgendwie möglich ist. Dieser Fall zieht sich - das kann ich vorwegnehmen - über eineinhalb Jahre hin und endet erfolglos.

Während dieser Zeit des Hin und Her über ein Jahr wurden acht Angebote unterbreitet. Ich will Ihnen das im Einzelnen aufzeigen, weil es sich immer schnell sagen lässt, dass den Familien unendlich viele Angebote unterbreitet worden seien, sie aber alle abgelehnt hätten.

Zunächst der kostenpflichtige Familienentlastende Dienst, kurz FED. Sie brauchte pro Tag sechs Stunden á 18 €. Das sind am Tag zwischen 80 € und 100 €. Das hängt auch von der Preisliste der FED ab. Jetzt kann jeder hochrechnen, der rechnen kann, dass man bei diesen Kosten als Mutter oder als Vater auch zuhause bleiben kann.

Der nächste Vorschlag war eine WaisenhausStiftung. Diese teilte der Mutter telefonisch mit, dass es nicht gehe.

Ein weiterer Vorschlag war das Kinder- und Jugendfreizeitzentrum. Natürlich haben prinzipiell alle Kinder und alle Jugendlichen Zugang dazu; das ist keine Frage. Das Mädchen mit dem Down-Syndrom braucht aber eine Betreuung. Ansonsten brauchen wir diesen ganzen - ich will nicht sagen Heckmeck - Aufwand nicht zu betreiben. Eine Betreuung wird aber nicht finanziert.

Die Familie hat zwischenzeitlich einen Antrag auf Eingliederungsleistungen gestellt. Der Antrag wurde abgelehnt. Die Begründung ist interessant - ich zitiere -:

„Hierzu ist festzustellen, dass eine reine Nachmittagsbetreuung zur Sicherstellung der Berufstätigkeit von Angehörigen keine Leistung der Eingliederungshilfe ist.“