Protocol of the Session on November 13, 2014

(Unruhe bei der CDU)

Ja, nach mehr als 20 Jahren brauchen wir eine Überarbeitung, aber nur eine Abfrage bei den kommunalen Gleichstellungsbeauftragten oder bei den Bürgermeistern zu machen, das kann, glaube ich, nicht die Evaluation eines solch wichtigen Gesetzes sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zustimmung von Frau Feußner, CDU, und von Frau Rotzsch, CDU)

Es muss Geld für Externe in die Hand genommen werden. Man muss sich wirklich einmal von außen sagen lassen, was läuft und was nicht läuft.

Ich dachte, liebe Kollegen von der CDU - so ist es jedenfalls in der Vorbereitungsgruppe zum Frauenfachforum gesagt worden -, dass das Abschreiben von Thüringen vom Tisch wäre. Ich bin an dieser Stelle etwas enttäuscht, aber auch gespannt auf die weitere Arbeit.

Noch ein Punkt, der mir auch sehr wichtig ist: In einer Regierungserklärung unter dem Titel „Sachsen-Anhalt auf dem Weg zu mehr Gleichstellung“ hätte ich erwartet, wenigstens ein, zwei Sätze zur Gleichstellung der LSBTI-Menschen in SachsenAnhalt zu hören.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Gleichstellung der Geschlechter ist absolut wichtig und ist mir wirklich ein Herzensthema, an dem ich selbst seit mehr als 25 Jahren arbeite. Aber der gesamtgesellschaftliche Aktionsplan, wenn ich das einmal als Stichwort nennen darf, steht immer noch im Raum. Es steht immer noch im Raum, wie es damit weitergeht. Wenn man eine gleichstellungspolitische Regierungserklärung ab

gibt, dann hätte man dazu ein paar Worte sagen müssen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Insgesamt ist das Landesprogramm, glaube ich - die Regierungserklärung vielleicht weniger -, ein Meilenstein, um zu mehr Gleichstellung im Land zu kommen. Ich glaube, es sind noch viele Anstrengungen nötig. Ich erwarte, ehrlich gesagt, nicht, dass wir dazu noch etwas von dieser Landesregierung hören werden. Ich kann nur hoffen, dass im Jahr 2016 auch auf diesem Feld andere Verhältnisse herrschen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Herr Lange, DIE LINKE: Damit endlich etwas vorwärts geht!)

Danke schön, Frau Kollegin Lüddemann. - Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Budde.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Minister Stallknecht, welcher Mann bekommt schon eine Regierungserklärung zum Geburtstag geschenkt,

(Herr Schwenke, CDU: Oh!)

und dann auch noch von der einzigen Frau im Kabinett, mit diesem Thema und zum 50.?

(Zustimmung bei der SPD)

Ich glaube, das ist einmalig.

(Minister Herr Stahlknecht: Und wird dabei zitiert!)

- Und wird dabei zitiert.

Meine Damen und Herren! Was wäre Gleichstellung und Gleichberechtigung? Zum Beispiel wäre es Gleichstellung und Gleichberechtigung, wenn nicht hinter vorgehaltener Hand darüber geredet würde, dass die zuständige Ministerin tatsächlich 50 % ihrer Arbeitszeit dem Bereich der Gleichstellungspolitik verschreibt, und man nicht ab und zu hören würde: Na ja, macht sie überhaupt noch Justizpolitik? Wer fragt im Bereich Wirtschaft und Wissenschaft danach, ob man das 50 : 50 aufteilt? Oder im Bereich Landesentwicklung und Verkehr? Oder im Bereich Landwirtschaft und Umwelt? Es wird gar nicht infrage gestellt, dass man die Arbeitszeit und auch die Initiativen gleichberechtigt auf die Politikfelder aufteilt, die das Ministerium vertritt.

Wenn das in der Öffentlichkeit akzeptiert und auch nicht hinter vorgehaltener Hand anders diskutiert würde, dann wären wir schon einen großen Schritt weiter.

Ich will den Weg zur Gleichberechtigung und Gleichstellung, der heute immer noch vor uns liegt - wir sind erst ein Stückchen darauf gegangen -, einmal mit Worten beschreiben, die vor 95 Jahren gesprochen wurden. Einiges hat sich seit damals trotz der von meinen Vorrednerinnen zu Recht skizzierten Erfolge eben doch noch nicht geändert.

Am 19. Februar 1919 hat Marie Juchacz, eine Sozialdemokratin, in der Weimarer Nationalversammlung als erste Frau in einem deutschen Parlament gesprochen. Ich als Fraktionsvorsitzende bin sehr froh, sie heute wiederholen zu können. Sie sagte:

„Meine Herren und Damen! Es ist das erste Mal, dass in Deutschland die Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf …

Die Frauen besitzen heute das ihnen zustehende Recht der Staatsbürgerinnen. […]

Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist. Aber damit begeben wir uns nun keineswegs des Rechts, andersgeartete Menschen, weibliche Menschen zu sein. Es wird uns nicht einfallen, unser Frauentum zu verleugnen, weil wir in die politische Arena getreten sind und für die Rechte des Volkes mitkämpfen. […]

Wir Frauen sind uns sehr bewusst, dass in zivilrechtlicher wie auch in wirtschaftlicher Beziehung die Frauen noch lange nicht die Gleichberechtigten sind. Wir wissen, dass hier noch mit sehr vielen Dingen der Vergangenheit aufzuräumen ist, die nicht von heute auf morgen aus der Welt zu schaffen sind. Es wird hier angestrendester und zielbewusstester Arbeit bedürfen, um den Frauen im staatsrechtlichen und wirtschaftlichen Leben zu der Stellung zu verhelfen, die ihnen zukommt.“

(Beifall bei der SPD)

Das, meine Damen und Herren, sind Worte, die noch heute ihre volle Gültigkeit besitzen.

Auch wenn die Frauen damals von vielen Dingen geträumt haben, die heute schon Wirklichkeit sind, ist es doch noch lange nicht das, was wir uns für unsere Töchter und Enkelinnen wünschen.

Ein Blick zurück: Die Bestandsaufnahme in punkto rechtlicher und tatsächlicher Gleichstellung ist auf den ersten Blick positiv. Wenn ich mir die gesellschaftliche Position der Frauen von vor hundert Jahren anschaue, dann hat sich vieles verbessert. Frauen haben das Walrecht, das Recht zur freien Berufswahl. Sie werden Bundeskanzlerin, Pilotin, Ingenieurin, Ärztin, Gleichstellungsministerin, Rektorin, Fraktionsvorsitzende oder PGFin. Die Gleich

stellung von Frauen und Männern steht in der EUCharta, im Grundgesetz, in den Landesverfassungen und sie ist inzwischen ganz selbstverständlich auch Bestandteil von Koalitionsverträgen. Früher wäre das undenkbar gewesen.

Wenn ich die Situation heute mit der von Anno dazumal vergleiche, dann muss ich feststellen, dass wir einiges geschafft haben; und das ist gut so.

(Zustimmung bei der SPD)

Aber reicht das aus? Und wie sieht es mit dem Fortschritt der Gleichberechtigung oder gar der Gleichstellung aus, wenn wir die aktuellen Entwicklungen in den Blick nehmen? Dann stellen wir fest, dass es für Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen bittere Realitäten gibt, so zum Beispiel vier bittere Realitäten in der Arbeitswelt.

Erstens. Frauen sind diejenigen, die am meisten in Teilzeit arbeiten. Zweitens. Frauen haben zwar gleich gute oder oft auch bessere Berufs- und Bildungsabschlüsse als Männer; in der Arbeitswelt werden Frauen trotzdem oft abgehängt. Drittens. Frauen werden auf gleichen Positionen im Durchschnitt schlechter bezahlt. Viertens. Frauen werden seltener Chefin.

Der Befund aus diesen vier Realitäten ist sehr einfach: Leistung zahlt sich für Frauen nicht immer aus oder eben seltener. Wenn das strukturell einzig und allein am Geschlecht liegt, dann gibt es dafür einen einfachen Begriff: Diskriminierung; und die gehört abgeschafft.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Wie, meine Damen und Herren, ändern wir das für unsere Töchter und Enkelinnen? Die Ministerin hat heute das Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt vorgestellt. Das ist ein gutes Programm. Es steht auf der Basis, dass Gleichstellung politikfeldübergreifend ist. Das ist der einzig richtige Ansatz; denn Gleichstellung kennt kein Ressortprinzip. Deshalb verstehen wir Gleichstellung im Land auch als Herzensprojekt des gesamten Kabinetts. Nicht wahr, meine Herren?

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn wir heute über Gleichstellung und Selbstbestimmung reden, reden wir nicht mehr von einem einzelnen singulären Ziel, von dem großen Wurf, sondern wir reden über Frauen in vielen verschiedenen Lebenssituationen.

Selbstbestimmung und Gleichstellung heißt, Frauen in Führungspositionen zu bringen und auf allen Ebenen des Berufslebens Familie und Beruf unter einen Hut bringen zu können. Das bedeuten ebenso die Einführung von Quoten, eine gute Kinderbetreuung und ein Programm für Alleinerziehende; denn vor allem Mütter sind alleinerziehend. Dies bedeutet ein Rückkehrrecht nach Teilzeitarbeit in

eine Vollzeitstelle, übrigens für Frauen und Männer, wenn die Zeit einer intensiven Kinderbetreuung oder die der Pflege von Angehörigen vorüber ist.

Es gibt also nicht einen großen roten Knopf, den wir drücken können, damit Gleichstellung Wirklichkeit wird.

(Zustimmung bei der SPD)

Es gibt unzählige kleine Fassetten und Stellschrauben. Diese gilt es, richtig zu justieren. Das, meine Damen und Herren, ist der schwierigere Teil, das sind die Mühen der Ebene. Denn das erfordert eine praktisch wirksame Umsetzung. Darin haben Sie Recht, Frau Quade.

Es geht nicht um Lippenbekenntnisse oder um die Zustimmung zu Programmen. Es sollen mehr als 200 Maßnahmen unseres Landesprogramms in den fünf Handlungsfeldern Bildung, existenzsichernde Beschäftigung, soziale Gerechtigkeit, Partizipation und Anti-Gewalt-Arbeit greifen.

Das Programm greift diese vielen Fassetten auf und untersetzt sie mit vielen Handlungsempfehlungen. Das ist der richtige Ansatz. Gut ist, dass das nicht im stillen Kämmerlein entstanden ist, sondern in Zusammenarbeit mit vielen Akteurinnen und Akteuren, die in diesem Bereich arbeiten und die sich vor allem auch ehrenamtlich in diesen Bereichen engagieren. Ihnen möchte ich an dieser Stelle danken.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir brauchen natürlich mehr als nur Programme zur Unterstützung unserer politischen Forderungen. Wir brauchen strikte Regeln und Leitplanken. Wir brauchen gesetzgeberische Schritte, um die Gleichstellung von Frauen in so wichtigen Lebensgebieten wie zum Beispiel der Arbeitswelt rechtlich zu verankern. Dazu gehört zwingend ein Entgeltgleichheitsgesetz.