terisiert wie kaum eine andere. Wenn wir nicht bereits den preußischen Adler und den askanischen Bären in unserem Landeswappen hätten, dann wäre es wohl der Rotmilan, der das Wappentier des Landes Sachsen-Anhalt darstellen würde.
Außerdem trägt Sachsen-Anhalt für kaum eine andere Art so eine große Verantwortung wie für den Rotmilan. Ich trage hier dazu einige Fakten vor. Der Rotmilan kommt nur in Europa vor. 50 % des gesamten Weltbestandes sind in Deutschland beheimatet. Davon ist wiederum der größte Teil in Sachsen-Anhalt beheimatet. Etwa 2 000 Brutpaare, also ein Anteil von 15 % der gesamten Weltpopulation, brüten in Sachsen-Anhalt. Entscheidend ist aber vielmehr, dass auch das Weltdichtezentrum des Rotmilans in Sachsen-Anhalt liegt, jedenfalls derzeit noch.
Im nördlichen Harzvorland kommt der Rotmilan mit 20 Brutpaaren auf 100 km² am häufigsten vor. Im Durchschnitt liegt die Dichte derzeit noch bei zehn Brutpaaren pro 100 km² in ganz SachsenAnhalt. Das ist die höchste Dichte auf der ganzen Welt.
Eine stabile Population sollte deswegen im vordringlichen Interesse der Landesregierung sein. Aber leider sprechen die Tatsachen eine andere Sprache; denn die Individuenzahl sinkt in Sachsen-Anhalt stetig. Seit Mitte der 90er-Jahre hat sich der Bestand fast halbiert. Im Durchschnitt verringert sich der Bestand jährlich um ca. 1,8 %. Ganz besonders dramatisch sind die Rückgänge im Hakel. Dort gab es im Jahr 1979 noch 136 Brutpaare des Rotmilans. Im Jahr 2012 waren davon noch ganze vier Brutpaare übrig.
Auch die Fortpflanzungsziffern - sie beschreiben die Anzahl der ausgeflogenen Jungtiere pro Brutpaar - sind gerade in den letzten Jahren massiv eingebrochen. Sie liegen um 50 % unter dem Wert, der eigentlich für die Reproduktion der Population erforderlich wäre. Das wird in den Folgejahren zu einem weiteren drastischen Rückgang der Population führen.
Meine Damen und Herren! Ich habe das deswegen so relativ umfangreich ausgeführt, um hier aufzuzeigen, wie besorgniserregend und wie dramatisch die Situation tatsächlich ist und wie groß auch der Handlungsbedarf ist. Wir müssen jetzt handeln, wenn wir die Population des Rotmilans in Sachsen-Anhalt erhalten wollen, meine Damen und Herren;
denn der Rotmilan ist nicht nur ein Symbol für Sachsen-Anhalt, sondern er charakterisiert auch das ökologische Gefüge der Kulturlandschaft insgesamt. In der Fachwelt spricht man von Flaggschiffarten oder von so genannten Umbrella Species.
In der Theorie können alle Arten in einem Ökosystem überleben, wenn die Flaggschiffart, also die Umbrella Species, auch überleben kann. Somit haben alle Maßnahmen, die für den Rotmilan getroffen werden, auch positive Wirkungen für andere Arten in der Agrarlandschaft. Deswegen ist es so wichtig, Arten wie den Rotmilan zu erhalten, meine Damen und Herren.
Damit komme ich zu den Ursachen den Bestandsrückganges. Hierzu trage ich ein treffendes Zitat aus einer Veröffentlichung des Museums Heineanum in Halberstadt vor. Ich zitiere:
„Die extrem intensive moderne Landbewirtschaftung mit totaler Flächennutzung und den Boden nahezu versiegelnden Monokulturen sind für die Milane und viele weitere Tierarten für die wichtigste Zeit des Jahres, der Jungenaufzucht im Mai und Juni, so gut wie unbrauchbar geworden.“
Meine Damen und Herren! Treffender kann man den Kern des Problems wohl kaum zusammenfassen. Es ist die fehlende Nahrungsverfügbarkeit durch die veränderte Landbewirtschaftung, die die Hauptursache für die Bestandsrückgänge darstellt.
Das hat die Landesregierung in der Antwort auf meine Kleine Anfrage ausdrücklich bestätigt. Die Landesregierung verweist auch auf den Rückgang der Kleinsäugerbestände, die letztlich die Hauptnahrungsquelle darstellen. Auch dafür ist die veränderte Landbewirtschaftung die Ursache. Insofern wirkt also die veränderte Landbewirtschaftung doppelt negativ auf die Bestände des Rotmilans.
Somit ist klar, dass die gegenwärtige Landbewirtschaftung dem Rotmilan nicht die Strukturvielfalt bietet, die für eine langfristige Sicherung der Bestände notwendig wäre. Das sollten wir heute mit dem Beschluss über den Antrag so feststellen, meine Damen und Herren.
Was wurde in der Vergangenheit getan? - Hierzu verweise ich wieder auf die Antwort auf meine Kleine Anfrage. Darin ist davon die Rede, dass im Hakel-Projekt - ich zitiere -: „modellhaft Problemlösungswege benannt und in Einzelfällen unter Ansätzen des damaligen Vertragsnaturschutzes getestet“ wurden. Außerdem wird auf weitere Projekte verwiesen, die Empfehlungen für Maßnahmen zur Verbesserung der Nahrungshabitate der Greifvögel geben sollen.
Übersetzt heißt das, meine Damen und Herren, die Landesregierung hat dem dramatischen Bestandsrückgang des Milans im Hakel weitgehend tatenlos zugeschaut. Auch in anderen Gebieten im Land sieht die Situation nicht anders aus. Das muss sich ändern. Das sage ich hier ganz deutlich.
Wir werden heute mit dem Beschluss über den Antrag den ersten Schritt dazu tun. Aber das ist nur ein sehr kleiner Schritt. Notwendig ist die Umsetzung eines ganzen Bündels an Maßnahmen für den König der Lüfte in Sachsen-Anhalt.
Ich möchte hier auf einige kurz eingehen. Zunächst ist es notwendig, in den Hauptverbreitungsgebieten des Rotmilans eine Landbewirtschaftung zu etablieren, die der Sicherung und der Erholung des Bestandes des Rotmilans dient. Dafür ist auch die Beratung der Landwirtinnen und der Landwirte ganz wichtig.
Darüber hinaus muss das Monitoring der Population des Rotmilans und der Greifvögel insgesamt verbessert werden. Wir brauchen detaillierte Kenntnisse hinsichtlich der Bestandsentwicklung, der Ursachen der Verluste bei den Arten und der Lage der Horste. Wir brauchen Zahlen, meine Damen und Herren; denn nur auf der Grundlage belastbarer Daten kann der Abwärtstrend des Rotmilans wirksam gestoppt werden.
Auch der Horstschutz spielt eine zentrale Rolle. Das Umfeld der Horste muss für mehrere Jahre beruhigt werden, damit die Rotmilane auch nach Jahren auf ihre angestammten Horste zurückkehren und dort brüten können. Deshalb fordern wir eine Verbesserung des Schutzes der Horste. Es müssen einzelne und teilweise auch kleinteilige Projekte zur Verbesserung der Bedingungen an den Nistplätzen initiiert werden.
Doch nicht nur der Mensch stellt eine Gefahr für den Rotmilan dar. Auch Waschbär und Nilgans haben sich in den letzten Jahren stark verbreitet. Wir fordern deswegen die Einführung eines Managements, das den Umgang mit derartigen Feinden und Räubern regelt und auch Einzelmaßnahmen vorschlägt. Da bieten sich ganz banale Dinge wie zum Beispiel die Umwickelung der Horstbäume mit einer Folie an. Das führt dann dazu, dass der Waschbär diese Bäume nicht mehr erklettern kann und die Gelege nicht ausgeräumt werden können. Das sind Dinge, die wirklich notwendig sind. Dafür wollen wir mit dem Antrag die Basis bieten, meine Damen und Herren.
Wir sind der Auffassung, dass die Konflikte zwischen der Windkraft und dem Schutz des Rotmilans und der Greifvögel bzw. der Avifauna insgesamt nur auf der Ebene der Regionalplanung gelöst werden können. Die Regionalplanung stellt die Weichen. Sie bereitet die Planungen vor. Deshalb brauchen wir eine differenzierte Lösung auf dieser Ebene. Wir brauchen vorausschauende Regionalplanungen, um Konflikte zu vermeiden.
Deswegen wollen wir ein Modellprojekt auf der Ebene einer Planungsregion in Sachsen-Anhalt initiieren, das die Konflikte analysiert und konkrete Lösungswege aufzeigt, wie der Konflikt zwischen dem Ausbau der Windkraftnutzung einerseits und dem Schutz des Rotmilans und der Greifvögelbestände oder der Avifauna in der Kulturlandschaft andererseits insgesamt gelöst werden kann. Das ist dringend notwendig, meine Damen und Herren. Wir wollen die Konflikte nicht unter den Tisch kehren. Wir müssen sie offensiv angehen.
Außerdem brauchen wir ein Kompetenzzentrum für den Rotmilan. Hierfür bietet sich das nördliche Harzvorland an, also die Region mit der höchsten Dichte des Rotmilans. Dort sollen alle Informationen gebündelt werden, die Monitoringdaten, die Ergebnisse der Modellprojekte sowie auch Daten zu den zukünftig durchzuführenden Artenschutzprojekten. Auch wir haben natürlich das Museum Heineanum im Blick gehabt. Ich begrüße es ganz ausdrücklich, dass die Koalition dies auch so explizit im Änderungsantrag genannt hat.
Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Mit der 2007 verabschiedeten Strategie zum Erhalt der Biodiversität sollte eine Kehrtwende beim Artenschutz eingeleitet werden. Bis 2020 sollen alle Verantwortungsarten überlebensfähig sein, und die biologische Vielfalt in Kulturlandschaften soll deutlich erhöht werden.
Doch die Realität sieht - leider, muss ich sagen - ganz anders aus. In den letzten 30 Jahren ist die Anzahl der Vögel in der Agrarlandschaft insgesamt um 50 % gesunken. Die Population des Rotmilans - das habe ich gesagt - ist seit Mitte der 90er-Jahre auf ungefähr die Hälfte des ehemaligen Bestandes zusammengebrochen.
Deswegen ist es an der Zeit, dass die Landesregierung bei der Naturschutzpolitik insgesamt umsteuert. Es dürfen nicht länger die Konflikte in den Vordergrund gestellt werden. Stattdessen müssen wir die Bedeutung der Arten für unsere kulturelle Identität und unsere ethische Verantwortung für den Erhalt der Schöpfung betonen. Wir müssen zeigen, dass Naturerleben, das Erleben von Arten zu den menschlichen Grundbedürfnissen zählt und Artenschutz in einer intakten Kulturlandschaft dafür eine wichtige Grundlage darstellt.
Wir sollten ein gemeinsames Interesse daran haben, zu zeigen, dass Sachsen-Anhalt mit schönen Landschaften und einem Naturreichtum aufwarten kann, meine Damen und Herren.
Der Rotmilan steht als Sinnbild für den Artenschutz in der Kulturlandschaft und somit auch als Sinnbild für eine neue Naturschutzstrategie. Wie man mit dem Rotmilan auch positiv werben kann, zeigt eine Aktion meiner Fraktion. Wir haben nämlich ein Rotmilanpuzzle erstellt. So sieht es aus, wenn man es gelöst hat,
Eines sage ich ganz deutlich: Meine Erwartung an meine Folgeredner ist nicht, dass sie dieses Puzzle lösen - es hat nur 16 Teile -, sondern ich erwarte, dass die Landesregierung mit ihren Ressourcen ähnliche Projekte durchführt, mit denen man positiv für den Artenschutz wirken kann, damit das als wirklich positives Kennzeichen für Sachsen-Anhalt in den Vordergrund gestellt wird und somit auch positiv für das Image unseres Landes, das noch von ganz anderen Dingen geprägt wird, wirken kann, meine Damen und Herren.
Ich erwarte nicht - das Rotmilankostüm ist jetzt angesprochen worden, ich habe schon fast damit gerechnet, dass das jetzt kommt -, dass ein Minister - Herr Dr. Aeikens oder sogar Ministerpräsident Haseloff - irgendwo im Rotmilankostüm auftaucht.
Das wäre vollkommen unpassend. Jedoch ist eines klar: Politik lebt manchmal auch von Symbolen. Sie alle wissen, dass es ein positives Symbol war, als Herr Töpfer als Umweltminister durch den Rhein schwamm. Wir brauchen solche Symbole, damit Naturschutz positiv für Sachsen-Anhalt werben kann.