Danke schön, Herr Kollege Dr. Thiel. - Wir fahren in der Aussprache fort. Nun spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Keindorf.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht kennen Sie alle das Sprichwort: Lehrling ist jedermann, Geselle ist, wer was kann, Meister ist, wer was ersann!
Dieses Sprichwort passt in viele Bereichen des gesellschaftlichen oder auch des politischen Alltags. Ich denke, es beschreibt aber zugleich trefflich den Dreiklang der Qualifikationsstufen, die das deutsche Handwerk seit Jahrhunderten erfolgreich macht.
Voraussetzung für diesen Erfolg ist der Meisterbrief oder der große Befähigungsnachweis des deutschen Handwerks.
Ich möchte dies an einigen Beispielen verdeutlichen. Die sächsischen Kollegen haben erst vor wenigen Wochen aktuelle Zahlen vorgelegt, nach denen knapp 70 % der neuen gegründeten Unternehmen auf der Basis eines Meisterbriefes auch nach sechs Jahren noch am Markt sind; eine im Vergleich mit Unternehmen anderer Wirtschaftszweige überdurchschnittlich hohe Überlebensrate. Am Markt weniger stabil sind dagegen zulassungsfreie Handwerke mit nur ca. 50 %.
Nach einer Untersuchung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform Halle wiesen in Sachsen-Anhalt im Jahr 2013 nur 3,4 % der Betriebe im zulassungspflichtigen Handwerk, also die sogenannten Meisterbetriebe, eine schlechte Bonitätsnote auf. Im zulassungsfreien Handwerk und in handwerksähnlichen Betrieben ist der Wert mehr als doppelt so hoch.
Ein Grund für diese Wirtschaftsfakten liegt in der umfassenden Ausbildung begründet - Herr Mormann sagte es bereits -, die ein Meister durchlaufen muss; denn neben dem meisterlichen Wissen und Können - Sie alle haben den Begriff „Meisterstück“ schon einmal gehört - werden dem Meisterschüler betriebswirtschaftliche und recht
Was passiert, wenn man den Meistervorbehalt und damit eine solche Ausbildung sozusagen per Federstrich streicht, dokumentieren die Folgen des von der rot-grünen Bundesregierung Ende 2003 auf den Weg gebrachten Dritten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften.
Erklärtes Ziel war es damals, mehr Wettbewerb zu ermöglichen, um mehr Arbeit zu schaffen. Richtig ist: In den zehn Jahren danach hat die Zahl der Fliesen-, Platten-, Mosaiklegerbetriebe bei ungefähr gleichem Auftragsvolumen um 600 % zugenommen. Dies führte zu einer Minimierung der Betriebsgrößen. Beispielsweise ist die Zahl der Ein-Personen-Betriebe in diesem Gewerk bundesweit von 6 000 auf mehr als 20 500 Betriebe gestiegen.
Dabei handelt es sich aus meiner Sicht nicht selten um verdeckte Scheinselbständige, die keinen Mindestlohn zahlen, sich unter Umständen sogar selbst ausbeuten und zudem keine Abgaben zur Sonderkasse Bau und keine Beiträge zur Berufsgenossenschaft abführen.
Zugleich wurde von Gutachtern festgestellt, dass zwischen 2005 und 2009 Schäden in Höhe von beinahe 6 Millionen € aus nicht qualitätsgerechter Arbeit im Fliesenlegerhandwerk entstanden seien. Eine Vervielfachung der Werte davor, und dabei handelt es sich nur um die registrierten Fälle.
Der Meisterbrief ist - auch dieser Begriff ist heute schon gefallen - demnach auch gelebter Verbraucherschutz.
Dass die Zahl der bundesweiten Meisterprüfungen im Fliesenlegerhandwerk von 2 000 im Jahr 2003 auf aktuell bundesweit 80 geschrumpft ist, will ich nur nebenbei erwähnen. Denn eine andere Zahl halte ich für viel verheerender: Wurden im Bereich der Handwerkskammer Halle im Jahr 2003 noch Fliesenlegerlehrlinge klassenweise in der Berufsschule unterrichtet - insgesamt rund 40 bis 50 Auszubildenden in den drei Jahren -, sind es heute gerade einmal elf, verteilt auf drei Ausbildungsjahre. Die Tendenz - so sehe ich das - ist weiterhin fallend.
Das bringt mich zum Thema Ausbildung. Die „Mitteldeutsche Zeitung“ vom letzten Donnerstag beschreibt die geringe Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland von unter 10 %, nämlich 7,4 %. Auch diese Zahl haben wir schon gehört.
Ich denke, dass die Quote bei uns in SachsenAnhalt zuletzt bei rund 10 % lag. Das verdeutlicht weiteren Handlungsbedarf. Aber in den meisten Ländern Europas liegt sie zwischen 20 % und 30 %, zum Teil sogar bei über 50 %.
Auf dem Mailänder EU-Beschäftigungsgipfel forderte Frankreichs Präsident Programme gegen Jugendarbeitslosigkeit mit einem Volumen von 20 Milliarden €.
Ich sage, viel Geld hilft nicht viel. Aus der Sicht der CDU-Fraktion ist eine niedrige Quote nicht nur eine Sache des Geldes, vielmehr braucht es auch ein geeignetes System der Ausbildung wie unser duales Ausbildungssystem. Das funktioniert im Handwerk nur mit dem Meisterbrief. Eine gute betriebliche Ausbildung setzt auch gute betriebliche Ausbilder voraus.
Das Ziel der Europäischen Kommission, den Zugang zum Markt durch die Überprüfung von regulierten Berufen zu vereinfachen, darf jedenfalls nicht den Meisterbrief als Zugangsvoraussetzung für bestimmte Berufe infrage stellen. Daher - das ist meine Bitte an Herrn Minister Möllring - bitten wir als CDU-Fraktion die Landesregierung hierbei um größtmögliche Wachsamkeit.
Der Meisterbrief ist übrigens auch im 21. Jahrhundert immer noch für junge Leute attraktiv; denn die Zahl der Meisterabschlüsse im Bezirk der mitteldeutschen Handwerkskammern ist weitestgehend stabil. Erst vor wenigen Tagen hat die Handwerkskammer Halle rund 250 Jungmeisterinnen und Jungmeister geehrt.
Meine Festrede vor den jungen Meistern beschließe ich stets mit einem Satz, den ich auch hier als Bitte um Zustimmung zu unserem Antrag an Sie richten möchte.
In unseren Antrag - das möchte ich noch ergänzen; wo ist Kollege Thiel? - nehmen wir gern zwei Punkte Ihres Änderungsantrags auf. Kollege Mormann wird das nachher erläutern. Wir sind jedoch der Meinung, dass der Punkt Berufsschulen in diesem Antrag nichts zu suchen hat. Damit wollen wir uns vielleicht separat beschäftigen.
Zurück zu dem Satz - er ist nicht von mir, sondern wird dem Nürnberger Schuhmachermeister Hans Sachs zugeschrieben -: Deutsches Volk, hüte trefflich deinen Handwerksstand. Als das deutsche Handwerk blühte, blühte auch das deutsche Land.
Danke schön, Herr Abgeordneter, Meister und Kammerpräsident Keindorf. - Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ebenfalls ein Meister, nämlich Herr Abgeordneter Meister.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Anliegen, den Meisterbrief zu erhalten, wird von meiner Fraktion mitgetragen.
Der Meisterbrief und qualitativ hochwertige Dienstleistungen bzw. Produkte sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Von Meisterinnen und Meistern gelenkte Betriebe stehen für hohe Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft. Sie haben im Durchschnitt höhere Mitarbeiterzahlen und können auf eine hohe Ausbildungsleistung verweisen. Dies gilt gerade auch für die Betriebe in Sachsen-Anhalt.
Gleichzeitig kommt man nicht umhin, anzuerkennen, dass die Novellierung der Handwerksordnung im Jahr 2004 ein notwendiger Schritt war. Entscheidend war schon damals, dass nur die Handwerker vom Meisterbriefzwang befreit wurden, die als wenig gefahrengeneigt eingestuft wurden. Das heißt, der Ausübungszugang zu diesen Berufen wurde tatsächlich erleichtert, also liberalisiert. Damit könnte Schwarzarbeit eingedämmt werden und Unternehmungsgründungen wurden forciert.
Andererseits wurde für 41 Berufe der Meisterzwang beibehalten. Dienstleistungen in diesen 41 Handwerken sind als gefahrgeneigt einzustufen und bedürfen einer besonders hohen Ausbildungsleistung. Dies ist im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber insbesondere auch im Interesse der Verbraucher.
Ähnlich gelagerte Qualitätsmaßstäbe finden wir auch bei gefahrgeneigten Tätigkeiten außerhalb des Handwerkes. Wenn Sie zum Anwalt gehen, können Sie erwarten, dass er sein Metier zumindest studiert hat. Bei einer nötigen Operation ist es schon beruhigend zu wissen, dass Ärzte für ihre Zulassung mehr brauchen als einen Wochenendkurs.
Dass zum Beispiel auch Gasinstallateure oder Elektriker bei der Ausübung ihres Berufes Verantwortung für erhebliche Sachwerte, ja sogar für Leben und Gesundheit tragen, liegt auf der Hand.
Um es kurz zu fassen: Meine Fraktion ist gegen eine Novellierung der Handwerksordnung mit dem Ziel der Abschaffung des Meisterbriefes. Einer Evaluation der Handwerksordnung, wie im Antrag vorgeschlagen, stehen wir offen gegenüber.
Punkt 3 des Antrages lässt uns etwas ratlos zurück. Darin wird die Landesregierung gebeten, die Aufstiegs- und Karrierechancen im Handwerk zu stärken. Dafür, wie sie das tun soll, findet sich weder im Antrag noch in der Begründung ein Ansatz. Nicht nur, dass man solche Blankoschecks nicht ausstellen sollte, eine völlig unkonkrete Aufgabenstellung macht die Umsetzung der Aufgabe
Ein Aspekt bezüglich der Karrierechancen, die scheinbar gemeint sind, ist die inzwischen gegebene Möglichkeit des Zugangs zum Hochschulstudium per Meisterbrief. In Sachsen-Anhalt scheinen uns die Hürden bereits jetzt im Vergleich verhältnismäßig niedrig. Allerdings wird die Möglichkeit scheinbar nur wenig genutzt. Wir müssten schauen, ob es noch Verbesserungsbedarf gibt, um das Instrument attraktiver zu machen.
Tatsächlich erforderlich ist die stetige Fortentwicklung der dualen Ausbildung, auch wenn der Antrag auch in diesem Punkt eher unkonkret bleibt.
Auffällig in Sachsen-Anhalt ist zum Beispiel die hohe Quote von Auflösungen von Ausbildungsverträgen. Mit einer Auflösungsquote von 31 % haben wir den dritthöchsten Wert im Bundesgebiet. Das erschwert die Ausbildung für die Betriebe in Sachsen-Anhalt und belastet das Leben der jungen Menschen.
Dieser überdurchschnittlich hohen Auflösungsquote im Jahr 2013 steht ein augenscheinlich erfolgloses Präventivprogramm der Landesregierung aus dem Jahr 2006 zur Verringerung von Ausbildungsabbrüchen in Sachsen-Anhalt entgegen. Denn trotz dieses Landesprogramms ist ein Anstieg der Abbrecherquote von 22 % im Jahr 2005 auf 31 % im Jahr 2013 zu verzeichnen.
Ein unserer Meinung nach beachtenswerter Aspekt wären Verbundausbildung und eine Modularisierung der Ausbildung. Um allen jungen Menschen im Land die Möglichkeit zu eröffnen, eine Ausbildung zu absolvieren, ist es nötig, die Ausbildungsbereitschaft und die Ausbildungskompetenz der Betriebe zu stärken. Dafür braucht es den Ausbau von betrieblichen Kooperationen.
Ausbildungspartnerschaften zwischen Betrieben und Verbundausbildungen sind dabei vielversprechende Wege, um auch kleine Betriebe verstärkt für die duale Ausbildung zu gewinnen.
Bei einer Verbundausbildung teilen sich mehrere Betriebe die Ausbildung. Dies reduziert den Aufwand des einzelnen Unternehmens. Es ermöglicht so auch Kleinstbetrieben, in die Ausbildung einzusteigen, die allein nicht alle Lerninhalte abdecken können. Die Ausbildungsberechtigung zu erlangen, kann im Verbund somit leichter erfolgen.
Die Steigerung der Ausbildungsbereitschaft ist nötig, um dauerhaft allen jungen Menschen im Land eine Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausbildungsbereitschaft und -befähigung gerade kleiner Unternehmen in Sachsen-Anhalt wollen wir mit der Förderung von Kooperationen stärken.
terdurchschnittlich oft aus, stellen aber die Mehrzahl der Unternehmen in Sachsen-Anhalt. Bereits ausbildungsberechtigte Betriebe und Unternehmen können durch die Kooperation in ihren Bemühungen bestärkt werden, jungen Menschen einen Ausbildungsplatz anzubieten.
Zur strukturellen Unterstützung der Verbundausbildung wäre es auch sinnvoll, die Ausbildung zu modularisieren. Verbünde und betriebliche Unterstützungsformen können dann leichter organisiert werden, Betriebe und Unternehmen können so gezielter einzelne Module für Azubis anderer Betriebe anbieten.
Für die jungen Menschen hat eine Modularisierung den Vorteil, dass bei einem Ausbildungswechsel einzelne Module anrechenbar sind. Auch kann es motivierend sein, Zwischenschritte erfolgreich zu beenden. Diese Zwischengratifikation beugt im besten Fall Ausbildungsabbrüchen vor.