Protocol of the Session on September 19, 2014

(Beifall bei der CDU)

Wird noch einmal das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir die Aussprache abschließen.

Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich habe den Wunsch nach einer Überweisung während der Aussprache nicht gehört. - Sie ist auch nicht gewünscht. Dann lasse ich abstimmen.

Ich lasse zunächst über den Ursprungsantrag in der Drs. 6/3423 abstimmen, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Niemand. Dann ist der Antrag abgelehnt worden. Er hat nicht die erforderliche Mehrheit bekommen.

Ich lasse nunmehr über den Alternativantrag der Fraktionen CDU und SPD in der Drs. 6/3443 abstimmen. Wer möchte dem zustimmen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit hat der Alternativantrag die Zustimmung der Mehrheit des Hauses bekommen und der Tagesordnungspunkt 3 ist erledigt.

Die Welt ist im ständigen Wandel. Nicht einmal das Lied „Ich wollt„, ich wär„ ein Huhn“ kann man noch mit Begeisterung singen.

Nun wollen wir den bundesstaatlichen Finanzausgleich neu regeln. Deshalb rufe ich Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung

Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3429

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/3438

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Niestädt. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Sie werden sich wahrscheinlich gefragt haben, weshalb die Koalitionsfraktionen heute einen Antrag in Bezug auf die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen vorlegen. Das Jahr 2019 ist weit weg, und so lange gelten die Beschlüsse der Föderalismuskommission II doch noch. - Ja, das ist richtig, und es bleiben ab heute, 2014, noch fünf Jahre.

Gleichwohl ist ein zeitiges Handeln geboten, um zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen und Planungssicherheit weit vor 2020 zu erhalten. Wir alle wissen, wie sich Verhandlungen mitunter hinziehen können, insbesondere wenn alle Länder und der Bund am Tisch sitzen, jeder sein Land mit den ganz spezifischen Umständen, Strukturen usw.

im Fokus hat und für eine bessere finanzielle Ausstattung kämpft.

Bereits am 16./17. Oktober will sich die Ministerpräsidentenkonferenz auf Eckpunkte verständigen; die Beratungen auf Arbeitsebene laufen bereits seit Monaten. Höchste Zeit also, dass wir uns im Parlament damit beschäftigen und deutlich sagen, was wir unserem Finanzminister und Ministerpräsidenten mit auf den Weg an den Verhandlungstisch geben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Wann immer ich die Zeitungen in den letzten Wochen aufgeschlagen habe - das „Handelsblatt“, die „Zeit“, die „Süddeutsche“, die „Welt“ -, überall wird bereits über mögliche Ergebnisse punktuell spekuliert. Bleibt der Solidaritätszuschlag oder wird er durch Steuererhöhungen ersetzt? Übernimmt der Bund Sozialleistungen ganz oder teilweise, und falls ja, zu welchen Teilen? Wird es eine gerechtere Verteilung der Finanzmasse in alle Himmelsrichtungen geben, also mehr am tatsächlichen Bedarf orientiert? Und wie können bei Einhaltung der Schuldenbremse trotzdem die aufgelaufenen Schulden abgetragen werden?

Wir haben gestern bei der Einbringung des Haushaltsplans für die Jahre 2015 und 2016 recht ausführlich über die Entwicklung unseres Landes, über vergangene Fehler und künftige Herausforderungen gesprochen. Wir brauchen eine Antwort auf die Frage nach der Zeit nach dem Auslaufen der Vereinbarungen aus der FöKo II, und wir brauchen sie verlässlich und bis 2017, damit wir unsere mittelfristige Finanzplanung darauf einstellen können.

(Zustimmung von Herrn Graner, SPD)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Maßstäbegesetz und das Finanzausgleichsgesetz treten mit Ablauf des 31. Dezember 2019 außer Kraft. In den kommenden Jahren muss daher der bundesstaatliche Finanzausgleich neu geregelt werden.

Da der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern nicht in Gerichtssälen gestrickt werden soll, ist es Aufgabe der Nehmer- und Geberländer und des Bundes, sich an einen Tisch zu setzen und einen fortschrittlichen Finanzausgleich ohne jegliche Drohgebärde zu entwickeln. Ich sage ausdrücklich, dass dieser auf Elemente des bisherigen Finanzausgleichs nicht verzichten sollte; denn dieser hat sich im Grunde bewährt.

Die neuen Bundesländer sind wegen des teilungsbedingten Nachholbedarfs und wegen der geringen Steuerkraft derzeit Nutznießer des bestehenden Finanzausgleichssystems. Doch allmählich verschieben sich auch hier die Relationen. Die vom Bund gewährten Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen zum Abbau teilungsbedingter Sonderlasten, die im Rahmen des Solidarpakts II

vereinbart waren - oder wurden -, sind degressiv ausgestaltet, und Sie wissen, diese laufen 2019 aus.

Auch wir in Sachsen-Anhalt haben starke Rückgänge der Einnahmen zu verzeichnen. Hatten wir im Jahr 2014 noch rund 1,1 Milliarden €, werden es im Jahr 2020 nur noch 168 Millionen € sein. Es steht aber nicht zu erwarten, dass Sachsen-Anhalt bis dahin seine strukturellen Schwächen wie Arbeitslosigkeit, demografischer Wandel und geringe Steuerquote beheben könnte. Über den bisherigen Länderfinanzausgleich haben die Sonderlasten der neuen Bundesländer keine Berücksichtigung gefunden, denn der Länderfinanzausgleich an sich kannte bislang nur Steuerkraft, Einwohner und - mit einem geringen Anteil - die Flächengröße.

(Herr Knöchel, DIE LINKE: Das ist gut!)

Die Nehmerländer - egal, ob aus Ost oder West - werden in diesem Finanzausgleichssystem entsprechend ihrer Finanzkraft gleich behandelt. Ein neuer und fortschrittlicher Finanzausgleich muss daher auf das Abstellen struktureller Schwächen in östlichen, westlichen, nördlichen und auch südlichen Bundesländern gerichtet sein. Er muss Ergänzungszuweisungen für Sonderlasten beinhalten und den Ländern die Möglichkeit einräumen, den Abstand zu anderen Bundesländern aufholen zu können.

Wir in Sachsen-Anhalt zum Beispiel erreichen als Land mit 816 € pro Einwohner nur 52,7 % des durchschnittlichen Steueraufkommens. Wir haben zwar seit 2005 mit 378 € mehr als 20 % aufgeholt, werden aber zum Beispiel Bayern, die mit 126 % nach Hamburg Spitzenreiter sind, nicht einholen können. Dafür - das wissen Sie - haben wir im Land zu wenig Wertschöpfung und viel zu viel verlängerte Werkbänke.

Sonder- und Strafsteuern halte ich dabei aber auch nicht für angebracht. Sie verstärken strukturelle Schwächen - wie zum Beispiel die Steuereinnahmenquote - noch zusätzlich und würden dafür sorgen, dass wirtschaftliche Schwäche zementiert wird. Eine solche Abwärtsspirale, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann sich in einer föderalen Familie niemand wünschen.

Lassen Sie mich bitte noch auf die Punkte unseres Antrags eingehen. Wir wollen einen neuen BundLänder-Finanzausgleich, der auf dem Verhandlungsweg zwischen Bund und Ländern unter Beteiligung der Parlamente vereinbart wird.

(Zustimmung von Herrn Barthel, CDU)

Die Klage der Länder Bayern und Hessen gegen den bestehenden Finanzausgleich ist unsolidarisch und überhaupt nicht sachdienlich.

Bis zum Jahr 2017 muss der neue Finanzausgleich stehen, um Planungssicherheit für die Länder und

für den Bund für die Jahre ab 2020 zu bekommen. Es gilt aber auch, dass der bestehende Finanzausgleich zwischen den Bundesländern eigentlich gut ist und nicht in Gänze infrage zu stellen ist. Das schließt natürlich kleine Korrekturen oder Nachjustierungen überhaupt nicht aus.

Gerade wir in den neuen Bundesländern - ein anderes Wort gibt es leider noch nicht dafür - haben eine geringe kommunale Steuerkraft. Diese ging bislang auch nur zu 64 % in den Länderfinanzausgleich ein. Diese Festlegung ist willkürlich. Das Land hat für seine Gemeinden eine vollständige Einstandspflicht. Wir haben bei der Änderung des FAG darüber gesprochen.

Sachsen-Anhalt hilft seinen Kommunen darüber hinaus noch mit den Landesprogrammen Stark II und III beim Schuldenabbau und bei der Sanierung von Kitas und Schulen. Das ist ein Ausdruck gelebter Partnerschaft, wie es sie in anderen Ländern nicht gibt.

Ich sage es einmal so: Wir sitzen doch alle in einem Boot. Daher ist es nur folgerichtig, dass die kommunale Steuerkraft künftig zu 100 % in die Ermittlung der Finanzkraft der Länder und folglich in den Länderfinanzausgleich eingeht.

(Zustimmung von Herrn Graner, SPD, und von Herrn Barthel, CDU)

Die demografische Entwicklung beeinflusst den Ausgleichsmechanismus des Länderfinanzaus

gleichs sehr stark. Sie wissen, wir haben in Sachsen-Anhalt wegen des Bevölkerungsrückgangs beim Länderfinanzausgleich jährlich ein Minus von 50 bis 70 Millionen €. Wir haben in unser Finanzausgleichssystem zwischen dem Land und den Kommunen einen Remanenzkostenfaktor aufgenommen und berücksichtigen auf diese Weise, dass Kosten nicht in gleichem Maße wie die Einwohnerzahlen zurückgehen.

Ich will an dieser Stelle gar nicht die Rechnung aufmachen, dass mit unseren jungen und gut ausgebildeten Menschen ernorme finanzielle Vorteile in andere Bundesländer abwandern. Vom Grundsatz her müssten diese Kosten, die wir für die Ausbildung aufwenden, auch ausgeglichen werden. Aber darüber sprechen Bundesländer wie Bayern sehr ungern. Ich weiß auch, dass das bei den derzeitigen Verhandlungen keine Rolle spielt - leider.

Neben der demografischen Entwicklung muss auch die hohe Arbeitslosigkeit in einem fortschrittlichen Finanzausgleich seinen Niederschlag finden. Aus diesen zusätzlichen Mitteln sollen Maßnahmen gegen die strukturelle Arbeitslosigkeit finanziert werden können. Hier muss ein Solidarprinzip Hilfe zur Selbsthilfe leisten.

Ergänzend sollten finanzschwache Bundesländer Mittel für Investitionen in die Infrastruktur und in die

Bildung erhalten. Die Zahlungen würden also zur Beseitigung struktureller Probleme und zu einer verbesserten Entwicklung der Nehmerländer beitragen.

Alle diese Ergänzungszuweisungen in einem fortschrittlichen bundesstaatlichen Finanzausgleich wären sehr gut dazu geeignet, die Zahlungen innerhalb des horizontalen Finanzausgleichs künftig zu minimieren.

Eben ein solches Solidarprinzip muss es für Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag geben. Im Jahr 2020 werden diese Einnahmen etwa 18 Milliarden € betragen. Die Zahlungen an die Länder werden durch das Abschmelzen der SoBEZ gegen null gehen.

Ich plädiere dafür, ernsthaft in Erwägung zu ziehen, die Mittel aus dem Solidaritätszuschlag für die Einrichtung eines Altschuldenfonds für die Länder und Kommunen zu nutzen. Ein Altschuldenfonds würde die bestehenden Regularien der Schuldenbremse sinnvoll ergänzen.

Ein Aufweichen der Schuldenbremse, über die Bundesfinanzminister Schäuble laut nachdenkt, brauchte es dann nicht. Aber der Wegfall von Zinsbelastungen würde den Ländern einheitliche Voraussetzungen für das Einhalten der Schuldenbremse ab dem Jahr 2020 sichern. Ich finde, das ist wirklich ein guter Weg. Diesen Vorschlag sollte man unbedingt aufnehmen.

Derzeit wird von CDU und CSU regierten Ländern eine stärkere Steuerautonomie für Länder und Kommunen diskutiert. Das ist nichts Neues. Das kommt immer mal wieder. Diese Forderung hat uns schon vor Jahren beschäftigt.

Ich denke aber, dass wir alle der Auffassung sind, dass das zu einer nicht hinnehmbaren Vergrößerung der Unterschiede bei der Finanzkraft führen wird. Denn finanzschwache Länder könnten gezwungen sein, ihre Steuern zu erhöhen, um ein vergleichbares öffentliches Leistungsangebot zu erhalten. Finanzstarke Länder hingegen können durch niedrige Steuersätze oder den kompletten Verzicht auf eine Besteuerung Standortvorteile bekommen, was die Wahl als Wohnort, die Ansiedlung von Wirtschaft usw. betrifft. Das wiederum führt zu einer Stärkung der Finanzkraft dieser Länder.

Ich finde, ein solcher Steuerwettbewerb würde sich zu einer Spirale entwickeln, die im föderalen System nicht gewollt sein kann. Wir lehnen daher einen Wettbewerbsföderalismus in Deutschland ab.

(Zustimmung von Herrn Knöchel, DIE LINKE)