Protocol of the Session on September 19, 2014

Sachsen-Anhalts Legehennenbetriebe auf den bundesweiten Ausstieg aus dem Schnabelkürzen ab dem Jahr 2017 vorbereiten

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/3423

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3443

Ich schlage vor, dass wir uns eine kurze Minute Zeit nehmen, damit es den Kolleginnen und Kollegen möglich ist, sich auf den nächsten Tagesordnungspunkt mental vorzubereiten.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Kollegin Frederking, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hühnerküken, die nicht das Glück haben, auf einem Biohof leben zu dürfen, machen kurz nach dem Schlüpfen eine sehr schmerzhafte Erfahrung. Ihnen wird der Schnabel gekürzt.

Dazu werden die Küken in eine Maschine gespannt, in der ein Messer mit einer heißen Klinge die Spitze des Schnabels abtrennt oder ein Infrarotstrahl die Gewebestruktur des Schnabels so zerstört, dass die Spitze nach einigen Tagen abfällt. Die ganze Prozedur findet ohne eine Betäubung statt.

Der Schnabel ist gut durchblutet und von vielen Nerven durchzogen. Deshalb verursacht das Schnabelkürzen lang anhaltende und erhebliche Schmerzen. Aus der Sicht des Tierschutzes ist diese qualvolle Tortur völlig inakzeptabel und muss so schnell wir möglich beendet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Frau Dr. Paschke, DIE LINKE)

Nach dem Wortlaut von § 17 des Tierschutzgesetzes ist das sogar eine Straftat, wenn es hierfür keine Ausnahmegenehmigungen geben würde.

Der Schnabel ist das wichtigste Tastorgan des Huhnes. Das Schnabelkürzen ist vergleichbar mit dem Abschneiden von Fingerkuppen oder Lippen bei den Menschen. Die Amputation der Schnabelspitze beeinträchtigt das Tier in der Folge bei dem Ertasten von Futter, beim Fressen, Trinken und Putzen.

Amputationen sind aber laut Tierschutzgesetz verboten. Allerdings steht im Gesetz auch, dass die zuständige Behörde, also die untere Veterinärbehörde, das Kürzen der Schnabelspitzen erlauben kann, wenn glaubhaft dargelegt wird, dass der Eingriff im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung zum Schutz der Tiere unerlässlich ist.

In deutschen Hühnerställen ist diese Ausnahme bedauerlicherweise die Regel. Ausnahmegenehmigungen werden flächendeckend und ohne eine Einzelfallprüfung erteilt. Die Begründung lautet,

dass sich Hühner mit intaktem Schnabel gegenseitig erhebliche Verletzungen zufügen können.

Federpicken und Kannibalismus sind in der Tat ein großes Problem. Es ist allerdings ein Problem, das nicht durch spitze Hühnerschnäbel verursacht wird, sondern durch nicht artgerechte Haltungsformen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Allein aufgrund der Herdengrößen - in der Regel haben wir Herdengrößen von bis zu 6 000 Tieren - und auch aufgrund der hohen Besatzdichte - diese liegt bei neun Hennen pro Quadratmeter - können rangniedrige Tiere gar nicht ausweichen. Dadurch kommt es zu Aggressionen und Verhaltensstörungen, die sich dann in Federpicken und Kannibalismus äußern.

Nach der entsprechenden Verwaltungsvorschrift müssen bekannte mitursächliche Faktoren für die Verhaltenstörungen vor der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen ausgeschlossen werden. Aber selbst diese Anforderung hilft leider nicht, um den Tieren das Leiden zu ersparen; denn kurzerhand wird definiert, wenn die Tierhaltung nach den fachlich anerkannten Haltungsformen erfolgt, also nach den Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, dann haben die Betriebe automatisch die mitursächlichen Faktoren für Federpicken und Kannibalismus ausgeschlossen.

Was für eine zynische Argumentation,

(Beifall bei den GRÜNEN)

die die wahren Ursachen für Verhaltensstörungen überhaupt nicht anerkennt. Aber genau das muss durch die Schlussfolgerung passieren, dass die Haltungsbedingungen an die Bedürfnisse der Tiere anzupassen sind und nicht umgekehrt.

Allen Tieren muss ausreichend Platz zum Ausleben der natürlichen Bedürfnisse und Verhaltensweisen zur Verfügung stehen. Das Futter muss hinsichtlich der Zusammensetzung und der Beschaffenheit den physiologischen Bedürfnissen entsprechen und auch arttypisch aufgenommen werden können. Tiere brauchen Auslauf im Freien und Tageslicht.

- Hier steht: Ende der Redezeit.

(Frau Brakebusch, CDU: Tja!)

Sie haben noch 49 Sekunden Zeit.

Ich muss doch 15 Minuten Zeit haben.

(Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Lass dich nicht irritieren!)

Bringen Sie Ihre Rede einfach ein.

Gut. Ich hoffe, dass Sie noch wissen, wo wir stehen geblieben waren.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Ja, ja!)

Wir waren bei den Anforderungen an die Haltungsbedingungen für die Tiere stehen geblieben.

Die Grundbedürfnisse der Tiere müssen befriedigt werden. Dazu gehört es eben auch, dass die Ställe so beschaffen sind, dass die Tiere dort ihr artgemäßes Verhalten ausleben können. Es werden also natürliche Einstreu und eine Bepflanzung im Auslaufbereich benötigt, die so beschaffen ist, dass sich die Tiere ducken können. Dann muss es auch noch Sitzstangen geben. So können blutiges Federpicken und Kannibalismus verhindert bzw. drastisch reduziert werden. Das sind die notwendigen Voraussetzungen, damit die Schnäbel ganzgelassen werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist gut für die Tiere, aber auch für die Wirtschaftlichkeit der Betriebe; denn wenn sie ihre Eier auch nach dem 1. Januar 2017 verkaufen wollen, dann bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die Schnabelbehandlungen aufzugeben. Der Grund dafür lautet, dass der deutsche Lebensmitteleinzelhandel in diesem Sommer beschlossen hat, in Zukunft keine Konsumeier von schnabelbehandelten Hennen anzubieten. Seine Forderung lautet, dass ab dem Jahr 2017 mit dem Schnabelkürzen Schluss sein muss. Es sollen nur noch Hennen mit intaktem Schnabel eingestallt werden.

Der Verein für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen, kurz Kat genannt, wird als Kontrollorganisation die Einhaltung der neuen Vorgaben kontrollieren. Der Verein Kat wird sein Logo nur dann vergeben, wenn der Schnabel dran bleibt. Da Eier im Supermarkt fast ausschließlich aus Betrieben stammen, die dem Verein Kat angehören, wird durch das Kat-Logo auch erkennbar sein, dass keine Schnäbel gekürzt wurden.

Wenn die Betriebe in Sachsen-Anhalt ihre Wettbewerbsfähigkeit behalten wollen, dann müssen auch sie sich auf den Weg machen und die Haltungsbedingungen ändern. Damit sie dabei nicht allein gelassen werden, soll eine beim Landwirtschaftsministerium einzurichtende Arbeitsgruppe Unterstützung und Beratung geben.

Selbstverständlich bietet es sich an, dass die Arbeitsgruppe auf die praktischen Erfahrungen der Biobetriebe zurückgreift - dort werden die Schnäbel nicht gekürzt - oder sich anschaut, wie es in Österreich funktioniert. Dort wird bereits seit dem Jahr 2005 auf das Schnabelkürzen verzichtet. Die

Arbeitsgruppe könnte sich auch an Niedersachsen orientieren, weil dort bereits elf Pilotprojekte durchgeführt und auch schon konkrete Empfehlungen für die Geflügelwirtschaft herausgegeben worden sind.

Diese Empfehlungen beschreiben ganz konkrete Maßnahmen zur Prävention von Federpicken und Kannibalismus. Sie beziehen sich auf die Besatzdichte und auf die Gruppengröße. Aber auch die Zusammensetzung des Futters und die Form der Verabreichung sind ganz wichtig. Man muss Körner in die Einstreu geben, damit die Tiere gleichzeitig eine Beschäftigung haben. Die Tiere brauchen auch Raufutter und ein Salzangebot. Das Lichtmanagement ist ganz wichtig. Darüber hinaus muss es ein gutes Stallklima geben.

Es ist auch gut, wenn das Beschäftigungsmaterial häufig gewechselt wird. Pickblöcke sind ein Standard. Stroh, Heu und Möhren sind gut für die Tiere, weil sie sich damit beschäftigen können und deshalb nicht auf die Artgenossen einhacken und einpicken.

Eine im Jahr 2010 in Österreich durchgeführte Evaluation hat ergeben, dass nur in drei von 1 300 Herden noch eine Schnabelbehandlung stattfand. Allerdings gab es im letzten Drittel der Legeperiode verstärkte Ausbrüche von Federpicken und Kannibalismus. In dieser letzten Legeperiode - das sind etwa 16 bis 20 Wochen - wird dann mit einer Lichtreduzierung gegengesteuert. Aber wir sehen auch das durchaus als problematisch an.

Deshalb sollten andere wirksame Notfallmaßnahmen zum Einsatz kommen. Wenn man das feststellt, dann soll sofort zusätzliches Beschäftigungsmaterial gegeben werden. Es soll auch eine Einmischung von Getreidekörnern in die Einstreu und auch eine Behandlung von bepickten Tieren mit abdeckendem Spray erfolgen.

Damit sich die sachsen-anhaltischen Eierproduzenten keine anderen Absatzmöglichkeiten außerhalb des Kat-Systems für Eier von schnabelbehandelten Hennen suchen, indem sie zum Beispiel ihre Eier auf Wochenmärkten anbieten, ihre Eier direkt ab Hof verkaufen oder auch nach Absatzmöglichkeiten zur Verarbeitung in Lebensmittel suchen, muss der Ausstieg verbindlich gemacht werden. Er muss für alle Hühner gelten, egal wo die Eier hingehen.

Dieses soll mit einem Erlass wie in Niedersachsen und in Mecklenburg-Vorpommern geschehen. Das sind die Länder mit der höchsten Eierproduktion. Der Kern des Erlasses soll es sein, dass die Behörden ab dem Jahr 2017 keine Ausnahmegenehmigungen mehr für die schmerzhafte Prozedur des Schnabelkürzens erteilen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch wenn es in Sachsen-Anhalt zurzeit keine Brütereien für Legehennen gibt, sind den Tieren aber trotzdem

(Zuruf)

- nein, nach meiner Kleinen Anfrage gibt es keine - die Schnäbel gekürzt worden. Sie bekommen die Legehennen aus Niedersachsen und aus Holland. Aber den Tieren sind vorher die Schnäbel gekürzt worden, natürlich mit Ausnahme der Tiere in Biohaltung. Das heißt, dass die 1,8 Millionen Hennen, die es bei uns gibt, auch schnabelbehandelt sind.

Nach der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Tierschutzgesetzes kann die Ausnahmegenehmigung entweder den Brütereien oder den zukünftigen Tierhaltern erteilt werden. Auch hierbei sind wir in Sachsen-Anhalt betroffen, sodass ein derartiger Erlass durchaus Sinn macht.

Ganz aktuell stellt Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt dagegen auf freiwillige Vereinbarungen ab. Davon halten wir gar nichts, weil Freiwilligkeit erfahrungsgemäß überhaupt nichts bringt. Wir brauchen jetzt ein energisches Engagement für mehr Tierschutz statt Absichtserklärungen.