Diese Entwicklung schwächt die Betriebsräte und macht es schwer, sich zu organisieren, eigene Interessen zu bündeln und die Beschäftigten zu vertreten. Das findet hauptsächlich auf die Stammbelegschaft Anwendung. Wer keinen unbefristeten Arbeitsvertrag besitzt, der wird es sich zweimal überlegen, ob er sich in einem Betriebsrat engagiert.
An dieser Stelle müssen wir als Politik ansetzen und uns beispielsweise für die Stärkung der Betriebsräte in den Betrieben und Unternehmen einsetzen. So sollten wir uns dafür einsetzten, dass die Zahl der Leiharbeitskräfte bei der Größe des Betriebsrates im Einsatzbetrieb zu berücksichtigen ist.
Im Fall Enercon - das möchte ich noch einmal betonen - ist der Dialog mit dem Unternehmen zu suchen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Kollegin Latta. - Zum Schluss der Debatte spricht für die Fraktion der SPD die Fraktionsvorsitzende Frau Budde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also das, was hier stattgefunden hat, Herr Thomas, ist überhaupt keine Klassenkampfrhetorik, sondern eine notwendige gesellschaftliche Debatte, und zwar am richtigen Ort, dem Landtag.
Eigentlich brauchte ich nur einen Satz zu sagen: Gewählten Betriebsräten kündigt man nicht. Damit wäre die ganze Debatte schon beendet
oder sie wäre gar nicht nötig gewesen. Denn Mitbestimmung - das haben Sie so fein und so ziseliert ausgeführt - ist eine Säule der sozialen Marktwirtschaft. Das ist richtig. Man muss sie nur ernst nehmen, man muss sie leben, gestalten und man muss dafür auch kämpfen und eintreten, und zwar auch dann, wenn es gegenüber einem Unternehmen einmal schwierig wird.
Soziale Marktwirtschaft - das heißt nämlich partnerschaftliche Mitbestimmung. Das setzt Arbeiternehmer und Arbeitgeber voraus, die organisiert sind. Dafür sind die Gewerkschaften eine der tragenden Säulen. Ohne sie funktioniert die soziale Marktwirtschaft nicht. Wenn sie aus den Betrieben hinausgedrängt werden, dann gute Nacht für Deutschland!
Dann muss man sich einmal ansehen, warum die Debatte hier heute stattfindet. Nicht nur der Satz „Gewählte Betriebsräte kündigt man nicht, auch wenn einem die Nase nicht passt“, hat damit überhaupt nichts zu tun. Dazu gehört auch die Wahrheit, dass eben dieser Betriebsrat sich für Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer eingesetzt hat.
Und: Ja, wir haben es in den GRW-Richtlinien geändert. Deshalb wird Enercon keine Förderung bekommen und hat auch keine mehr bekommen.
Wir haben nämlich zur Bedingung gemacht, dass der Umfang der Leiharbeitnehmerschaft begrenzt wird, weil wir wollen, dass dort, wo zu viele Leih
arbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer beschäftigt werden, diese in die Stammbelegschaft übergehen. Das haben wir sogar als Koalition vereinbart. Das haben Sie nicht gelesen? - Sie haben doch mitverhandelt.
Wir haben das für den Wirtschaftsstandort und für die wirtschaftliche Entwicklung als gut erkannt. Wenn in einem Betrieb, in dem das noch nicht der Fall ist, ein Betriebsrat für die Stammbelegschaft sowie auch für die Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer eintritt, dann ist das richtig, dann ist das gut.
Was ist denn das? - Wenn Leiharbeitnehmer am Wochenende qualifiziert werden, damit sich das Unternehmen weiter bewerben kann, dann gehört ihnen das in Zeit und in Geld vergütet. Manche Firmen machen sogar beides. Aber dass gar nichts davon passiert, ist eine Sauerei. Das ist schlichtweg eine Sauerei. Dann muss einer die Rechte wahrnehmen.
Wissen Sie, wer im Juni 2010 den Fachkräftesicherungspakt mit der IG Metall für mehr Tarifautonomie und für die Stärkung der Tarife in den Unternehmen unterschrieben hat? - Die Person ist heute leider nicht anwesend. Ich hätte das heute gern von ihm gehört. Heute ist es nicht so harmonisch wie gestern bei der Haushaltsrede. Das ist Ihr Wirtschaftsminister und heutiger Ministerpräsident gewesen. Da hätte aber ein bisschen mehr passieren müssen.
Wenn bei uns in den Werbematerialien immer noch steht, dass wir mit Billiglöhnen und mit niedrigsten Löhnen werben, Herr Möllring, dann gehört das raus.
Wenn es so sein sollte, dann gehört das aus den Werbeunterlagen für Sachsen-Anhalt. Damit dürfen wir verantwortlich gar nicht mehr werben.
(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Zu- stimmung bei den GRÜNEN - Herr Lange, DIE LINKE: Richtig!)
Dabei geht es auch um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dabei geht es zudem darum, dass wir uns als Land Sachsen-Anhalt ganz anders präsentieren müssen.
Wir brauchen Facharbeiterinnen und Facharbeiter. Wir brauchen hochqualifizierte Unternehmen. Wir brauchen Unternehmen, die richtig gut und bestän
dig auf dem Markt sind und die sich hier langfristig entwickeln. Dann kann man nicht mit Billiglöhnen oder mit Flexibilität nach dem Motto: „Die Mitarbeiter machen, was Sie wollen“, werben.
Wenn das noch in Werbematerialien stehen sollte, dann gehört das da raus. Herr Thiel und ich werden, wenn wir in Südkorea sind, hören, ob wieder damit geworben wird.
Ich hatte auch eine klassische Rede über das Thema Tarifautonomie und soziale Marktwirtschaft vorbereitet, weil ich finde, dass das dazugehört. Aber beim besten Willen, Herr Thomas, was Sie abgeliefert haben, das legt jedes Konzept zur Seite. Darauf kann man gar nicht anders reagieren.
Seit dem Jahr 1990, seit der Umstrukturierung der Unternehmen, seit der Wiedervereinigung ist der Satz, der Ihnen einfällt: Wir haben ein schweres Erbe übernommen.
- Wissen Sie, Herr Thomas, was die Gewerkschaften gemacht haben, wer die Betriebe mit rübergeführt hat, wer mit privatisiert hat, wer oft genug dazu beigetragen hat, dass wir überhaupt noch Unternehmen dafür haben?
Einer sitzt dort und ist heute stellvertretender Regierungssprecher. Herr Metke ist einer von denen, der mit der IG Metall zusammen im Harz - das wissen viele Kolleginnen und Kollegen hier - diese Umstrukturierung der Unternehmen begleitet hat, und zwar immer verantwortlich, immer im Sinn des Standortes.
Dann zu sagen, Gewerkschaften sind zu stark und Sie halten hier bloß eine Rede dafür, dass Gewerkschaften wieder in die Unternehmen kommen, sehe ich kritisch.
Wann immer es schwierig wird, in der Finanzkrise, wenn darüber geredet wird, ob Arbeitnehmerinnen auf Geld verzichten müssen, ob sie in Kurzarbeit gehen oder etwas anderes notwendig ist, um den Wirtschaftsstandort zu stabilisieren - immer dann sind die Gewerkschaften gut. Immer dann sind die Arbeitnehmer gut dafür, dass sie verzichten.
Das ist nicht soziale Marktwirtschaft. Das ist auch soziale Marktwirtschaft. Es ist aber ein Teil, dass man vernünftig miteinander in schwierigen Zeiten einen Weg nach vorn findet.
Was aber nicht dazugehört, ist ein Unternehmen, das hier zwischen 3 500 und 4 000 Mitarbeiter hat, das sich auf fünfzehn Unternehmen aufteilt und deshalb wie ein kleines Familienunternehmen versucht - die Familienunternehmen machen das viel besser -, nach diesem Prinzip Mitbestimmung zu organisieren.
In ein Unternehmen in dieser Größe in SachsenAnhalt, mit Tausenden von Arbeitsplätzen in Niedersachsen und anderswo gehört eine andere Mitbestimmung und nicht das, was bei Familienunternehmen angewandt wird. Dafür kämpft die Gewerkschaft und das ist richtig.
Das Betriebsverfassungsgesetz - Herr Thiel, Sie haben Recht - stand auf der Agenda der großen Koalition. Wir wissen, dass wir es nicht durchgesetzt haben. Das ist nicht gut.
Alle Gesetze müssen fortentwickelt werden. Möglicherweise muss man auch ein Betriebsverfassungsgesetz wieder einmal anfassen und muss schauen, wie man das an die heutige Zeit anpasst, nämlich an die Situation, dass wir nicht mehr eine Tarifpartnerschaft wie im Westen der 80er-Jahre haben; das ist das grundsätzliche Problem.
Wir haben sie hier im Osten leider gar nicht aufbauen können, weil wir nicht die großen Unternehmen haben und weil wir alle - Herr Scheurell hat es eben gesagt; das ist auch eine schwierige Debatte für mich; wir waren uns relativ schnell einig, warum - ein wenig angstgeleitet sind und fragen: Was passiert denn, wenn wir das hier so deutlich sagen, obwohl wir es richtig finden? Wandert dann ein Unternehmen ab?
Aber wissen Sie, meine Damen und Herren, wenn wir Menschen über Jahrhunderte so gedacht hätten, dann dürften wir Frauen heute noch nicht wählen.