Protocol of the Session on September 18, 2014

Was macht sein sozialdemokratischer Finanzministerkollege hier in Sachsen-Anhalt? - Er sagt, das ist eine super Idee. Die Kommunen haben die Ausgaben nicht mehr. Also streiche ich ihnen sofort die Zuschüsse. - Das ist ein falscher Weg. So können wir mit den Kommunen nicht umgehen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage jetzt auch einmal, lieber Kollege Jens Bullerjahn, dass ausgerechnet ich mich hier hinstellen

und dafür plädieren muss, dass wir die Politik der Bundes-SPD gegenüber den Kommunen durchsetzen, ist auch schon ein Witz an sich.

(Zustimmung von Frau Hohmann, DIE LIN- KE)

Aber was bleibt uns weiter übrig, wenn die SPD und die Koalition hier vor Ort nicht mitmachen?

Nun fand ich es schon gut, dass dieser erste Punkt, also die Sache mit den Tricks zum Herunterrechnen des kommunalen Finanzbedarfes, offensichtlich nicht nur bei uns auf Widerstand gestoßen ist. Offensichtlich haben auch die Koalitionsfraktionäre mitgekriegt, dass es so nicht geht.

Wer hat das Rennen um die Verkündung der guten Botschaft gewonnen? - Diesmal war es der Kollege Erben. Er war 48 Stunden eher da und hat natürlich vermittelt, dass diese Landesregierung dies wieder zurücknimmt, weil man das so nicht machen kann. Er hat schließlich das FAG erfunden. Er hat es verstanden und so etwas macht man nicht mit ihm. - In Ordnung, Herr Erben.

(Herr Erben, SPD: Danke! - Zustimmung bei der LINKEN)

Da steckte auch ein bisschen viel Ego drin. Aber an dieser Stelle wurde es einmal richtig eingesetzt - wunderbar. Also wir haben hier schon einmal die Rücknahme von Kürzungen in Höhe von 37 Millionen € und 48 Millionen € in diesem Bereich. Ich würde es einmal so sagen, Herr Kollege Erben: Wir nähern uns so langsam an.

Wissen Sie, was übrigens interessant war? Die Pressemeldung kam von der SPD. Danach kam die Pressemeldung von der CDU, die besagte, dass sie das eigentlich schon längst vorhatte. Danach kam die Pressemeldung von der Landesregierung.

(Minister Herr Bullerjahn: Nein, nein!)

- Na klar. Außerdem sind die Zahlen hier ausdrücklich genannt worden. Es wurde mitgeteilt, dass diese Dinge um 37 Millionen € bzw. um 48 Millionen € für die Jahre 2015 und 2016 korrigiert worden sind. Wir reden beim FAG darüber.

Wissen Sie, was auch interessant war, weil es keiner der drei, die es verkündet haben, gemacht hat? Keiner hat eine Finanzierung dafür angegeben.

(Minister Herr Bullerjahn: Das macht ihr dann!)

Nicht ein Einziger hat dafür eine Finanzierung angegeben. Es hieß: Jawohl, wir machen das. Wir sind nämlich auch die Einzigen, die danach gefragt werden. Und wisst ihr, warum? - Weil wir die höchste Kompetenz dafür haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN - Zu- ruf von Minister Herrn Bullerjahn)

90 Millionen € im Jahr 2015 und 100 Millionen € im Jahr 2016. Ja, das sind die ausdrücklichen Forderungen, die wir haben.

Liebe Kollegen, hier geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Inhalte. Hier geht es nämlich um eine Situation, die wir in den Kommunen haben und die aus unserer Sicht sehr wohl bedenklich und bedrohlich ist. Wir kennen alle die Zahl der Kommunen, die bei uns unter Haushaltskuratel stehen. Wir wissen alle, was das vor Ort in den Kommunen bedeutet.

(Zuruf von Minister Herrn Bullerjahn)

Wir wissen alle, dass das die kommunalen Handlungsspielräume und damit die kommunale Selbstverwaltung immer wieder einengt, immer weiter einzwängt. Wer entscheidet denn letztlich? - Es entscheidet kaum noch der Rat, es entscheidet die Kommunalaufsicht. Diese Debatten haben wir landauf, landab. Ich sage noch einmal ganz klar - das meine ich wirklich sehr ernst -: Diese Entwicklung, die seit vielen Jahren bei uns stattfindet, bedroht den demokratischen Grundaufbau in unserer Gesellschaft.

Wen wir uns in der Kommune nur noch als Befehlsempfänger fühlen, weil wir kaum noch Entscheidungsspielräume haben, weil alles, was dort irgendwie entschieden wird, entweder von oben genehmigt werden muss oder gleich von oben bestimmt wird, dann beschädigen wir die Demokratie in unserem Land.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann dürfen wir uns nicht wundern, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass autoritäre Politikvorstellungen wie bei der AfD Land gewinnen. Nein, wir brauchen demokratische Entscheidungsspielräume. Dafür brauchen wir pauschale Finanzzuweisungen an die Kommunen. Nicht das Gängelband, nicht der goldene Zügel und nicht Reduzierungen sind angesagt, sondern kommunale Entscheidungsspielräume auch im Bereich der Finanzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Jawohl, Kollege Bullerjahn, es ist tatsächlich nicht so, dass über die langen Jahre die kommunalen Finanzzuweisungen insgesamt permanent reduziert worden sind. Das stimmt wirklich nicht. Denn so wie sie auf der einen Seite im pauschalen Bereich reduziert worden sind, so sind sie zumindest bei den zweckgebundenen Zuweisungen entweder gleich geblieben oder hier und da noch gestiegen.

Das ist tatsächlich ein strategischer Weg der Landesregierung. Diesen halten wir aus dem Grund, den ich eben genannt habe, für falsch.

(Zustimmung von Frau Dr. Paschke, DIE LINKE)

Ich glaube, es ist eben nicht richtig, in den Finanzbeziehungen zwischen Kommunen und Land die

Handlungsspielräume im Bereich pauschaler Finanzzuweisungen immer weiter einzuzwängen und auf der anderen Seite bei den zweckgebundenen Zuweisungen, die durch Fördermittelbescheide der Ministerien verteilt werden, immer mehr Spielräume zu erwirtschaften. Dadurch entmündigen wir nämlich die Leute vor Ort und verlagern originäre kommunalpolitische Entscheidungen auf den Ministertisch. Das ist ein falscher Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich weiß, im Detail wird es dann immer schwierig. Ich habe bei mir in der Fraktion gesagt, davor, dies zu ändern, stehen zwei Dinge. Der Teufel steckt im Detail und im Fachpolitiker, und zwar quer durch alle Fraktionen. Das ist bei uns nicht anders.

Aber wir müssen uns im Sinne auch einer vernünftigen kommunalen Selbstverwaltung wirklich einmal darüber unterhalten, ob es sinnvoll ist, alle Dinge, die wir in die Kommune durchdirigieren wollen, mit entsprechenden Zweckbindungen zu realisieren. Wir müssen uns darüber unterhalten, ob dies nicht ein gewisser Misstrauensbeweis auch dieses Landesparlamentes gegenüber den kommunalen Entscheidungsträgern ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich haben diese Förderprogramme alle ein Für und ein Dagegen. Aber gucken wir uns doch einmal das Programm Stark II an. Natürlich nehmen die Kommunen dieses Teilentschuldungsprogramm für die investiven Schulden an. Ich meine, was bleibt ihnen auch weiter übrig? Sie können den Schuldenabbau aus eigenen Mitteln nicht machen. Aber sie geben damit natürlich 80 % ihrer Möglichkeiten der kommunalen Selbstverwaltung auf, weil die Auflagen radikal und hart sind.

Wir haben nicht nur 80 Millionen €, die wir als Konsolidierungshilfe vom Bund bekommen, sondern im Durchschnitt 90 Millionen € pro Jahr in dieses Programm hineingesetzt. Zeitgleich stiegen die Kassenkredite bei den kreisangehörigen Gemeinden um 200 Millionen €.

Wir geben sozusagen Finanzmittel gebunden zur Schuldentilgung, aber wir geben ihnen nicht genug allgemeine Pauschalmittel, damit sie ihre Aufgaben bewältigen, sodass die Kassenkredite steigen. Das ist doch kein vernünftiger Prozess. Nein, an dieser Stelle heißt es: Vertrauen wagen, pauschale Zuweisungen statt Fördermittelprogrammen.

(Beifall bei der LINKEN)

Natürlich finden wir es vernünftig, ein Programm aufzulegen, das den Kommunen hilft, Schulstandorte so zu sanieren, dass sie vernünftig und gut ausgestattet sind auch energetisch gut laufen. Aber wir müssen einmal klar sagen, dass mit

Stark III sehr viel mehr passiert. Hier macht der Finanzminister eine eigene Schulentwicklungsplanung neben dem Bildungsminister

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE)

und er zieht Einzelentscheidungen über Schulstandorte aus der Kommune faktisch nach Magdeburg. - Das ist falsch. Das wollen wir nicht. Das müssen wir zurückdrehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sind wir dafür, uns diese zweckgebundenen Fördermittel kritisch anzuschauen und Wege zu finden, auf denen sie in pauschale Mittel umgewandelt werden können, die die Kommunen erst einmal in die Lage versetzen, keine neuen Kassenkredite aufzunehmen, und die die Kommunen in die Lage versetzen, selbständig politisch, demokratisch und basisnah entscheiden zu können, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Kommen wir zu einem zweiten Punkt. Es geht um das Personal. Ich will mich bei der Personaldiskussion einmal ein Stück weit auf die Lehrer konzentrieren, weil dieser Bereich exemplarisch ist. Da wundere ich mich wirklich über das, was in diesem Land abgeht. Seitdem ich gestern die Zeitung gelesen habe, wundere ich mich noch mehr.

Kommen wir in diesem Bereich einfach mal zu den Fakten. Ich spreche über den Bereich Schule. Erstens. Die Schülerzahlen steigen. Das ist unbestritten. Zweitens. Die Zahl der aktiven Lehrer soll in den nächsten beiden Jahren deutlich sinken. Das ist klar, weil die Finanzmittel nicht eingeplant worden sind. Wir haben die Mittel herausgerechnet, die für die Leute in der Ruhephase der Altersteilzeit benötigt werden.

Der Finanzminister plant für das Lehrerpersonal, also diejenigen, die vor einer Klasse stehen, im Jahr 2015 7,5 Millionen € weniger an Personalausgaben und im Jahr 2016 45 Millionen € weniger an Personalausgaben. Die Personen mit Altersteilzeit sind dabei herausgerechnet. Jeder, der weiß, was eine Personalstelle kostet, kann sich ausrechnen, welcher radikale Personalabbau damit im Haushalt verankert ist. - Also: mehr Schüler, weniger Lehrer.

Einer der Punkte im Plan 2014 war ursprünglich, dass man die Unterrichtsbelastung pro Lehrer steigern wollte; das heißt, die Lehrer sollten mehr unterrichten. Das hat man nicht gemacht, man ist davon abgegangen. Das war einer der Punkte, die korrigiert worden sind. Die Lehrer unterrichten jetzt nicht mehr Stunden; sie unterrichten so viele Stunden wie vorher.

Wenn ich diese drei Faktoren zusammennehme, dann kommt eine mathematische Formel heraus. Das Ergebnis dieser mathematischen Formel ist: Entweder ich streiche die Unterrichtstafel zusam

men oder ich vergrößere die Klassen. Die Klassen kann ich nur vergrößern, indem ich weitere Schulstandorte schließe.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wer den Rückgang der Personalausgaben für die Lehrer in diesem Haushalt in Höhe von 7,5 Millionen € im Jahr 2015 und in Höhe von 45 Millionen € im Jahr 2016 nicht rückgängig macht, der, bitte, schweige auch bei der Frage der Schulstandorte.