Nun überlegen wir einmal, was in diesem Gutachten stand. In diesem Gutachten stand, dass im Landeshaushalt Sachsen-Anhalt real bis zum Jahr 2020 Mittel in Höhe von 2,2 Milliarden € eingespart werden müssen, da wir ansonsten in einem strategischen Defizit versinken. 2,2 Milliarden € - das war der Betrag, der bis zum Jahr 2020 eingespart werden sollte. Das war die Grundlage für die strategischen Entscheidungen der Landesregierung im letzten Jahr.
Heute haben wir eine mittelfristige Finanzplanung auf dem Tisch liegen, in der wir sehen, dass die Landeshaushalte auch nach dem Auslaufen des Solidarpaktes II ein Volumen von mehr als 10 Milliarden € behalten werden. Natürlich finde ich es richtig, dass der Finanzminister sagt, man muss die Inflationsrate von 1,5 % gegenrechnen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie meilenweit entfernt davon ist denn das, was uns der Deubel aufgeschrieben hat? Wie meilenweit ist denn das von dem entfernt, über was wir wirklich reden? Wie meilenweit ist die Realität in diesem Land von dem strategischen Ansatz der Landesregierung im letzten Jahr entfernt?
Natürlich standen in dem Gutachten durchaus interessante Sachen. Aber man muss sich einmal überlegen, welche substanziell strategische Fehleinschätzung die Grundlage der Landespolitik im letzten Jahr gewesen ist. Daraus erklärt sich eine Reihe von strukturellen Veränderungen, die inzwischen erfolgt sind. Das ist ein weiterer Faktor neben den gesellschaftlichen Protesten, die sich gegen die Politik dieser Landesregierung gerichtet haben.
Darüber hinaus gibt es Bewegungen auf der Bundesebene. Das wurde immer wieder bestritten. Wir dürften in Sachsen-Anhalt über diese Dinge ohnehin nicht reden, weil wir sie nicht beeinflussen
könnten, und wir müssten mit dem klarkommen, was wir hier hätten. Das war immer die Aussage des Finanzministers. Heute hat er dieses Prinzip selbst gebrochen und hat anfangen, über die Variablen zu reden.
Das ist ein interessanter Vorgang, der passiert. Zum Beispiel setzt sich einer der Konstrukteure der Schuldenbremse, nämlich Bundesfinanzminister Schäuble, hin und - das konnte man eigentlich erwarten - verabschiedet sich schon einmal sukzessive von der Schuldenbremse.
Das findet der Finanzminister der SPD in SachsenAnhalt nicht so toll. Ich könnte sagen, wir wussten schon immer, dass es so kommt. Aber sei‘s drum; das glaubt mir sowieso niemand.
Dann macht Schäuble noch einen Vorschlag und sagt, wir könnten den Solidaritätszuschlag abschaffen und durch andere Steuereinnahmen ersetzen. Früher hätte ein Finanzminister noch gesagt, man sollte ihn abschaffen. Heute ist er zumindest so weit zu sagen, wir müssen ihn ersetzen.
Was passiert auf einmal? - Das ist auch interessant: Der CDU-Bundesfinanzminister macht den Vorschlag und der CDU-Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt ist sofort dagegen. - Ich finde ihn gut. Zur Beruhigung: Herr Knöchel findet ihn nicht so gut.
An dieser Stelle haben wir tatsächlich enorme Bewegungen. Ich finde den Vorschlag wirklich interessant. Dieser CDU-Bundesfinanzminister macht tatsächlich den Vorschlag, die Lohnbesteuerung - der Solidaritätszuschlag ist zurzeit nichts anderes als ein Zuschlag zur Einkommensteuer - abzuschaffen und dafür zumindest zum Großteil eine Kapitalbesteuerung einzuführen.
Zuerst dachte ich, er sei Mitglied bei Attac geworden. Hat er unsere Vorschläge gelesen, verstanden und auch noch verinnerlicht? Kann das wirklich von der CDU kommen? - Das ist eine interessante Frage. Aber ich glaube, so ganz ernst wird es nicht; also keine Angst, Kollege Barthel. Aber der Vorschlag eines CDU-Bundesfinanzministers, die Lohnsteuer zu reduzieren und dafür die Körperschaftsteuer und die Erbschaftsteuer zu erhöhen, ist interessant.
Vor zwei Jahren kam zwischenzeitlich die SPD dazu. Sie hatte sich nach der Bundestagswahl wieder davon verabschiedet. Aber dass der CDU-Koalitionspartner die alte Verteilungsdebatte beginnt, finde ich interessant. Vielleicht haben sich der Kollege Gabriel und die SPD zu früh von der Verteilungsfrage verabschiedet. Das ist mein Glaube.
Insofern ist der Vorschlag interessant. Aber man betrachtet die Sache ja differenziert. Ich habe auch ein gewisses Verständnis für unseren Ministerpräsidenten.
- Ich wollte es heute zumindest einmal sagen. Die Sache hat natürlich einen gewissen Haken. Denn das, was Schäuble machen will, ist, einen Solidaritätszuschlag abzuschaffen, der jetzt an den Bund fließt.
Hieraus finanzieren wir die Mittel des Solidarpaktes II. Hieraus wollen zumindest wir auch in Zukunft einen Solidarpakt III finanzieren. Zudem - darin stimmen wir völlig überein, Kollege, Bullerjahn - brauchen wir endlich eine Lösung der Altschuldenproblematik aus diesen Bundeseinnahmen. Hierzu haben wir andere Finanzierungsquellen, unter anderem die Vermögensteuer. Die Altschuldenproblematik stellt sich in vielen westlichen Ländern mittlerweile viel drängender dar als in Ostdeutschland. Zudem brauchen wir - das ist völlig richtig, darin sind wir d‘accord - eine weitere Übernahme von Sozialkosten, die in den Ländern und in den Kommunen entstehen, die aber durch den Bund übernommen werden müssen.
Das heißt, wir brauchen auf dieser Ebene natürlich Bundeseinnahmen. Das Problem bei dem Schäuble-Vorschlag ist, dass die Erbschaftsteuer eine Ländersteuer ist, die nicht einmal in den Länderfinanzausgleich einfließt und die bei uns nicht sehr hoch ausfallen wird. Die reichen Erben in Bayern machen den Kollegen da unten stark und für uns bleibt nichts übrig.
Natürlich sind auch die anderen Steuerarten, wie Körperschaftsteuer usw., Gemeinschaftssteuern, von denen viel bei den Ländern verbleiben wird. Das kommt über den Länderfinanzausgleich auch wieder zu uns zurück.
Das wäre eine Situation, über die man einmal reden muss. Ich finde es gut, dass wir darüber reden. Denn auch bei uns steht immer die Frage, was wir machen, wenn der konjunkturelle Motor
Dazu sagen wir: Natürlich haben wir dafür eine Lösung. Gerade aufgrund der Kapitalbesteuerung durch die Eichel’schen Steuergesetze von 2002 und 2003 haben wir Massen an Vermögen bei uns liegen lassen, die wir eigentlich als öffentliche Einnahmen verwenden könnten. Erst heute war wieder zu lesen, dass die Zahl der Milliardäre in Deutschland so schnell wie noch nie steigt. Das ist ein Ausdruck falscher Steuerpolitik.
Wenn wir für schlechte Zeiten vorsorgen wollen, dann müssen wir an diese Gelder heran, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Deswegen brauchen wir diese Debatte. Dann müssen wir auch nicht solche Verkrampfungen wie die Steuerschwankungsreserve und ähnliche Dinge auflegen, nach dem Motto, es könnte uns wieder schlechter gehen. Wenn wir diese Reserven in der Bundesrepublik Deutschland erschließen würden, die jetzt die Milliardäre reich machen, dann hätten wir diese Aufgabe auch langfristig gelöst, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir wissen, dass das Horrorszenarium, das uns vor einem Jahr gezeichnet wurde, fernab jeglicher Realität ist. Die Situation ist zurzeit günstig, und sie wird sich auch langfristig bei Weitem nicht so darstellen, wie es uns die Kollegen Deubel, Haseloff und Bullerjahn damals mit den Kabinettsvorlagen erklären wollten.
Wenn wir, Kollege Bullerjahn, heute darüber reden wollen, was wir als mittelfristige Finanzplanung verbindlich für fünf Jahre beschließen, dann überlegen Sie einmal, wie stark sich Ihre Grundprämissen hinsichtlich der Annahme von Einnahmen und Ausgaben innerhalb von eineinhalb Jahren verändert haben. Das funktioniert mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht.
(Zustimmung bei der LINKEN - Minister Herr Bullerjahn: Dafür gibt es eine Rücklage, Herr Gallert! Aber das werden Sie auch noch verstehen!)
Ich komme auf meine eingangs erwähnten drei Punkte zurück. Zum einen werden die Punkte des 42-Punkte-Plans vom Mai letzten Jahres durchgesetzt. Einer dieser Punkte hat zu der heutigen Demonstration vor dem Landtag geführt. Einige Punkte, wie Jugendpauschale und Blindengeld, wurden zum Teil durchgesetzt. Die Folgen daraus sind in den Kommunen zu sehen oder bei Gesprächen mit Betroffenen zu erfahren. Eine Reihe von Punkten des Plans wurde zum Glück auch ge
Was sind die Kontroversen zum vorliegenden Doppelhaushalt? - Die erste Kontroverse wurde in der Öffentlichkeit bereits diskutiert. Das ist natürlich die kommunale Finanzausstattung.
Wir wissen, dass wir ein Finanzausgleichsgesetz haben, das im Gegensatz zu den meisten Flächenländern diese sogenannte Ausgabenausfinanzierung beinhaltet. Wir sehen aber immer mehr Schwierigkeiten und Schwächen in diesem System und wir sagen ganz deutlich - der Kollege Knöchel hat es hier bereits während der letzten Debatte zum FAG gesagt -, dass dieses System jetzt an seine Grenzen stößt. Wir müssen es deshalb grundsätzlich infrage stellen.
Wir meinen ausdrücklich, dass die im Haushaltsplan vorgesehene Reduzierung der Finanzausgleichssumme nicht vernünftig ist, eine politisch falsche Weichenstellung ist und zwingend korrigiert werden muss, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ja, wir wissen auch um die gestiegenen Steuereinnahmen bei den Kommunen. Wir wissen auch, dass sie in unserem System eine Rolle spielen. Aber es gibt zwei Komplexe, die wir maßgeblich bestreiten.
Der eine ist das künstliche Herunterrechnen des kommunalen Finanzbedarfs durch die verschiedenen Tricks, die nur Insider interessieren. Der zweite Komplex ist der ausdrückliche Wunsch der Bundes-SPD in der Bundesregierung, die Kommunen in der Bundesrepublik, egal ob in West- oder in Ostdeutschland, zu entlasten.
Dafür gibt es zwei politische Maßnahmen. Die eine politische Maßnahme war die Übernahme der Kosten der Unterkunft und im Bereich der Grundsicherung. Da stellt sich der Kollege Gabriel in Berlin hin und sagt, das setzen wir in der Bundesregierung durch, um die Kommunen in den Ländern zu entlasten, damit sie endlich in der Lage sind, aus ihrer prekären Finanzsituation herauszukommen. Es geht um immerhin 60 Millionen € bei uns hier im Land Sachsen-Anhalt für die Kommunen.
Was macht sein sozialdemokratischer Finanzministerkollege hier in Sachsen-Anhalt? - Er sagt, das ist eine super Idee. Die Kommunen haben die Ausgaben nicht mehr. Also streiche ich ihnen sofort die Zuschüsse. - Das ist ein falscher Weg. So können wir mit den Kommunen nicht umgehen, liebe Kollegen.