Protocol of the Session on September 18, 2014

infrage zu stellen -, wird man es nicht geschafft haben, gleichzeitig die Komplettsanierung von Schulen und Kindergärten zu bewältigen. Das muss man bei den Diskussionen berücksichtigen.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Man kann den Blick nicht nur auf Vorsorge, auf Tilgung und Investitionen richten. Derzeit wird das große Ganze diskutiert, und da ist es auch unsere Aufgabe, aus eigenem Interesse mitzudenken, welche Interessen andere Länder haben, und die sind sehr unterschiedlich.

Klar ist auch eines: Die Solidarität der Länder untereinander hört beim Thema Geld schnell auf; das ist wie bei uns hier manchmal. Da geht es nicht nur um das Thema der Bayern, den Länderfinanzausgleich. Der Vorschlag von Hamburg und Nordrhein-Westfalen, bei der Umsatzsteuer bzw. beim Vorwegabzug etwas zu ändern, ist zehn Mal gefährlicher als das Thema Länderfinanzausgleich. Denn der Ertrag unseres Landes in dieser Kategorie ist eineinhalbmal so hoch wie der Länderfinanzausgleich. Deswegen, glaube ich, ist es gut, wenn manche Themen erst gar nicht auf die Agenda kommen.

In dieser Situation wird es übrigens - da sind sich viele einig, ich weiß nicht, ob sich diesbezüglich auch alle im Parlament hinter meine Forderung stellen würden - eine stärkere Rolle und eine stärkere Kompetenz des Stabilitätsrats in Berlin geben.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

- Das waren die Finanzpolitiker, die jetzt geklatscht haben; auch das verstehe ich.

Die Aufgabe dieses noch stärkeren Stabilitätsrats wird es in Zukunft sein - ich sage das hier, weil ich nachher noch einmal für Sachsen-Anhalt darauf zurückkomme -, für Überwachung, Controlling zu sorgen - bitte nicht den Kopf schütteln -, und es wird sogar Sanktionierungen gegenüber Ländern, die getroffene Vereinbarungen nicht einhalten, geben, und das finde ich richtig.

(Herr Lange, DIE LINKE, lacht)

Übrigens - ich wusste, dass Sie lachen würden - gibt es das heute schon. Wenn Sachsen-Anhalt zum Beispiel die bei der Schuldenbremse vorgegebenen Pfade nicht einhält, verlieren wir heute - jetzt schon - die jährlichen Zuweisungen bei den Konsolidierungshilfen. Ich habe es damals bewusst unterschrieben.

Auch nach innen muss uns klar sein, was es heißt, wenn man gern Geld von anderen nimmt, sich aber an Verabredungen nicht hält. Ich wünsche mir das auch nicht, wenn wir irgendwann gefragt werden, ob wir anderen helfen, dass die dann sagen: „Toll, dass Sachsen-Anhalt so geschuftet, sich so

gestritten hat“ - manche politische Entscheidung dann auch tragisch war, weil einem nicht alles gedankt wird -, sich dann aber dafür entscheiden zu sagen: „Ich halte mich nicht an die Vereinbarung, und dann können die machen, was sie wollen.“ - Das wird es in Zukunft so nicht geben. Der Stabilitätsrat wird klare Regeln aufstellen und diese auch durch mehrstufige Verfahren durchsetzen.

Die derzeitigen Vorschläge beinhalten auch Klagerechte. Das halte ich schon für sehr weitgehend. Da muss man einmal schauen, was da am Ende des Tages vorgeschlagen wird.

Anders formuliert - dazu stehe ich -: Wer die Hilfen anderer nutzt, ist verpflichtet, Rechenschaft über sein Ausgabeverhalten zu legen, und bei Verstößen wird es Sanktionen geben.

(Zustimmung bei der CDU)

Zwei konkrete Beispiele zeigen, wie es bisher war: Der bis vor zwei Jahren noch rechnerisch unvollständige Nachweis der Verwendung der erhaltenen Solidarpaktmittel Sachsen-Anhalts hatte überhaupt keine Konsequenzen - nicht für den Landtag, auch nicht für die Regierung. Die Mittel flossen trotzdem weiter. Wir haben Berichte geschrieben, die wurden dann etwas ausführlicher, und es wurden die allgemeinen Umstände - irgendwo war immer Krise, oder es flossen Zahlungen nicht zeitgerecht zu - als Entschuldigung angeführt, und damit war das Thema für uns erledigt.

Ein zweites Beispiel: Die Sanierungsverfahren des Stabilitätsrats in Berlin - bezogen auf Länder wie Bremen und das Saarland, übrigens mit offenem Ausgang - bringen unheimlich viel Kritik, ja, und auch das Umdenken bei der Politik selbst. Auch wir sind wegen des Drucks von außen bereit gewesen, heute einige Entscheidungen zu tragen, nicht nur in der Frage, ob es eine Schuldenbremse gibt oder nicht.

Aber diese beiden Länder haben derzeit nichts zu befürchten. Selbst wenn Bremen irgendwann darstellt: „Es ging alles nicht anders“, werden viele sagen: Das hätte man anders klären können. - Aber es wird keine Sanktionen geben. Dafür gibt es bei vielen Ländern im Prinzip kein Verständnis mehr. Das wird sich ändern.

Die Bringschuld wird nicht darin bestehen, immer mehr und immer dickere Berichte vorzulegen. Man mag das kritisieren. Aber Jahrzehnte der Erfahrung mit deutscher Politik und mit der Erwartungshaltung in Bezug auf Politik bei den Menschen und so manche Versuchung der Medien, von montags bis freitags darzulegen, dass es eigentlich sinnvoll wäre, genau für dieses oder jenes Geld auszugeben, und am Sonnabend zu schreiben, die sollten endlich einmal sparen, haben doch gezeigt, dass wir in der Konsequenz lange nicht bereit waren, dies auszuhalten und

trotzdem Haushalte vorzulegen, die ohne Schulden auskommen.

Für uns in Sachsen-Anhalt ist eines ganz besonders wichtig: Wir müssen zeigen, dass wir uns vor diesen Anstrengungen nicht scheuen. Übrigens ist es mittlerweile überall in Deutschland bekannt und es hat sich herumgesprochen, dass wir uns so manche Debatte leisten, vor der andere zurückschrecken, und dass wir trotzdem bereit sind, auch vernünftige Ziele und Lösungen anzustreben.

Es zeigt sich auch, dass gerade in Hintergrundgesprächen von Geberländern akzeptiert wird, dass die Bevölkerungsentwicklung im Osten eine wichtige Kennzahl ist. Während wir alle gemeinsam zu Recht beklagen, dass die Einwohnerzahl zurückgeht, hat Berlin in demselben Zeitraum einen Aufwuchs bei der Bevölkerung erlebt, ohne dass Berlin politisch wesentlich besser dasteht als Sachsen-Anhalt. Aber es ist einfach so, dass Berlin bzw. der gesamte Raum bis hin nach Potsdam Menschen anzieht.

Das, was wir an Steuermindereinnahmen verbuchen, verbucht Berlin an Steuermehreinnahmen. Während wir bei Kindergärten, Schulen und anderen Dingen anpassen müssen, muss Berlin bauen. Deswegen gibt es nicht mehr d e n Osten und d i e Ost-West-Befindlichkeiten; vielmehr gibt es eigene Befindlichkeiten in den einzelnen Ländern von Nord bis Süd. Auch das muss man bei dieser Situation berücksichtigen.

Deswegen ist es gut, dass wir mit einem langfristigen Personalkonzept und solchen Programmen wie Stark II, III und IV immer wieder zeigen, dass es eigene Überlegungen dazu gibt, den Haushalt in Ordnung zu bringen. Wenn uns dann noch zusätzliche Hilfen die Möglichkeit eröffnen, dieses Ziel schneller zu erreichen, werden wir diese Hilfen bestimmt nicht zurückweisen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines ist für mich ganz wichtig: Wenn wir weiterhin dauerhaft auf eigenen Füßen stehen werden, ohne zusätzliche Sonderhilfen von außen in Anspruch nehmen zu müssen, dann kann und darf uns niemand bei der Mittelverwendung hineinreden, nicht aus München, nicht aus Berlin, kein Bundesminister und auch kein Stabilitätsrat.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Frau Niestädt, SPD)

Das ist doch unser Anspruch: Die Dinge werden bisher in Magdeburg entschieden, nirgendwo anders, und das wird auch so bleiben.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Mit dem vorliegenden Doppelhaushalt hat sich die Landesregierung eindeutig dafür entschieden, weitere Ausgabenstrukturen zu schaffen, die dauerhaft bezahlbar sind. Wir haben gegenüber dem

Bund und den anderen Ländern immer wieder deutlich gemacht, dass wir die notwendigen Reformen verstetigen wollen und - jetzt darf ich das Wort noch einmal verwenden - die Schuldenbremse ab dem Jahr 2020 bei normalen und vorhersehbaren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einhalten werden. Das ist die Feststellung, die der vorliegende Doppelhaushalt untermauert.

Wir werden unseren finanzpolitischen Weg weiter gehen und uns dann - das wird für das Parlament spannend - künftig andere Diskussionen leisten können, liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, leisten müssen. Das wird reizvoll und das wird wahrscheinlich nicht ohne Streit abgehen. Wir werden dann nämlich nicht mehr darüber reden und streiten, ob und in welcher Höhe wir Schulden tilgen, Vorsorge betreiben, wie hoch die Investitionsquote in den Einzelplänen oder die grundsätzliche Personalausstattung im Landesdienst sein wird.

Diese Dinge sind langfristig beschlossen und sie sind einzuhalten. Wir werden uns viel weniger über nötige Strukturanpassungen unterhalten müssen; denn sie sind dann umgesetzt und wirken durch die jeweiligen Strukturrenditen im Haushalt. Der Rahmen, die Eckwerte für die Haushalte für die nächsten Jahre, die Spielräume sind gesetzt. Das ist eine gänzlich andere Finanzpolitik als vor zehn Jahren.

Dies bedeutet für die Politik, dass man nicht dauernd Grundsatzdebatten führen und Quantitäten festlegen muss. Dies geschieht dann vornehmlich zu Beginn einer Wahlperiode, einmal grundsätzlich für fünf Jahre.

Stattdessen wird es dann vor allem um qualitative Fragen des Geldausgebens gehen. Es geht dann um die Frage, was wir mit dem vorhersehbar vorhandenen Geld bewirken und erfolgreich für Sachsen-Anhalt umsetzen wollen, und zwar in allen Politikbereichen.

Das hat sehr konkrete Auswirkungen auf die Finanzpolitik. Ich habe bereits gesagt: Eine gestaltende Finanzpolitik soll langfristige Spielräume für eigene politische Entscheidungen gerade im Parlament erhalten und zusätzlich schaffen. Dabei soll sie für Generationsgerechtigkeit sorgen und immer wieder zu Wachstumspolitik antreiben.

Finanzpolitik - Sie werden es kaum glauben - würde sich dann bei einem solchen Politikansatz aus dem Tagesgeschäft zurückziehen.

(Frau Budde, SPD: Oh, oh!)

Sie überwacht dann die Einhaltung der anhand langfristiger Planungen verabredeten und beschlossenen Eckpunkte. Sie kontrolliert dann gemeinsam mit der Staatskanzlei die festgelegten politischen Ziele. Sie schafft dabei immer mehr Raum und Verlässlichkeit für mittel- und langfristige Konzepte. Sie schafft es aber auch - das

ist nötig -, durch Rücklagen bei Bedarf Hilfen für Naturkatastrophen wie Hochwasser, die nicht vorhersehbar sind, zur Verfügung zu stellen.

Dies ist dann gewollt. Politik wird strategisch und konzeptioneller. Dabei geht es auch um Überlegungen, die Generationen betreffen, über 30 Jahre hinweg. Es geht um Fragen, wie die Bildung von morgen aussehen soll und was heute dafür beschlossen werden muss.

So erübrigt sich übrigens - das ist für einen Finanzminister nicht leicht - die kurzfristige Steuerung mithilfe von Haushaltssperren und globalen Minderausgaben. Sicherlich können sich einige noch daran erinnern, dass wir hier Lesungen zum Haushalt vorgenommen haben und der Finanzminister, kaum dass die Tinte trocken war, eine Haushaltssperre verhängt hat. Daran denkt niemand, wir nicht und Sie schon gar nicht.

Das ist das, was Finanzpolitik anbietet: weniger Kompetenz im operativen Geschäft. Das ist für uns auch nicht einfach. Wenn die Exekutive durch das Parlament dann besser zu kontrollieren ist, dann wird das Parlament eine andere Rolle spielen. Aber es muss dann auch - das sage ich ganz offen, auch wenn ich mir dafür einen Ranzer abhole - die gestalterischen Möglichkeiten verstärkt annehmen. Es darf dann nicht mehr allzu oft der verlängerte Arm von Interessenverbänden, von Betroffenen, von Begünstigten oder der Medien sein. Ich habe extra gesagt: nicht allzu oft.

Gestalterische Diskussionen um das Einzelne müssen dann immer dem Ganzen folgen, das man sich selbst zu Beginn einer Wahlperiode vorgenommen hat. Wenn künftig Konzepte eines Ministeriums oder des Parlaments diskutiert werden, sollte es um die qualitative Bewertung gehen und nicht um die Frage, ob man dem Bullerjahn oder wem auch immer noch 2 Millionen € mehr aus dem Kreuz leiern kann. Das wird gerade für die Beratungen eines Parlaments zu einer ganz anderen politischen Diskussion führen, als es heute der Fall ist.

Wenn dann von der umsetzenden Landesregierung Ziele nicht erreicht werden, dann wird es automatisch auch zu veränderten Haushaltsszenarien kommen bis hin zu Umschichtungen oder anderen politischen Umsetzungsstrategien.

Ein weiterer Grundsatz wird eine große Rolle spielen. Das wird auch das Parlament betreffen. Eine solche global angelegte Finanzpolitik kann ich nicht mehr über 7 000 Titel hinweg steuern. Vielmehr muss man dann größere Überschriften wählen. In Österreich umfasst der gesamte nationale Haushalt 70 Titel. Diese Titel werden politisch überschrieben und mit vier oder fünf Zielen untersetzt, die übrigens einem sehr strengen GenderAnsatz folgen.

Das alles wird zu einer ganz anderen Debattenkultur im Parlament führen. Das Budgetrecht des Parlaments wird dadurch auf eine neue qualitative Stufe gehoben. Aber das Parlament wird stärker gefordert werden als bisher - dessen bin ich mir ziemlich sicher.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Größere Transparenz und ein besseres Controlling schaffen auch neue Möglichkeiten für mehr Bürgerbeteiligung. Die Bürgerinnen und Bürger können dann eher ermessen, ob ihre Steuergelder gut angelegt sind und ob die Politik das erreicht, was sie versprochen hat.

Wenn jetzt jemand denkt, das sei ein Blick in die Glaskugel gewesen, weil der Bullerjahn immer so gern Broschüren schreibt oder die Leute drangsaliert, dann sage ich Ihnen: Das, was ich gerade dargelegt habe, wird zum Beispiel in Österreich schon praktiziert.

Die Einführung dieser Art von Politik ist dort übrigens vor einem Jahr über alle Fraktionsgrenzen hinweg gelungen, wohl wissend, dass sich das Parlament damit selbst fordert und dass es Schnittstellen zwischen der Regierung, dem Rechnungshof und dem Parlament gibt, die es dem Parlament ermöglichen, diesen Prozess zu führen. Zum Beispiel hat der Rechnungshof in Österreich eine inhaltlich wesentlich stärker tragende Rolle, als dies in Sachsen-Anhalt der Fall ist. - Mehr will ich jetzt nicht dazu sagen.

Das heißt also, Öffnung von Politik, um sich nicht über Bleistifte zu unterhalten, wie wir es manchmal so machen, sondern über langfristige Visionen und Ziele, auch wenn man im Parlament unterschiedliche Rollen wahrnimmt.

Ich jedenfalls würde mich freuen, wenn wir im nächsten Jahr dafür noch die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, auch wenn ich weiß, dass dann sicherlich schon viele von Ihnen im Wahlkampfmodus sind, um ab dem Jahr 2016 erstmals zu Beginn einer Wahlperiode eine solche mittelfristige Finanzplanung für diese Wahlperiode zu beschließen, die dann die Grundlage für Haushaltsaufstellungen in der jeweiligen Wahlperiode ist.