Protocol of the Session on September 18, 2014

Herr Kollege Wunschinski, es gibt eine Nachfrage vom Kollegen Striegel. Wollen Sie die Frage beantworten?

(Herr Striegel, GRÜNE: Es wäre wirklich eine Frage gewesen! Aber wenn er sie nicht beantworten will, dann spricht das für sich!)

Frau Kollegin Quade, Sie können jetzt erwidern.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Ich will auf drei Punkte eingehen. Auch Sie, Herr Wunschinski, sprachen gerade von der geringen Anerkennungsquote. Niemand leugnet diese geringe Anerkennungsquote. Sie müssen aber doch selbst merken, dass das, was Sie hier inhaltlich vortragen, absurd ist. Sie begründen eine geringe Anerkennungsquote mit einer geringen Anerkennungsquote. Sie begründen die Notwendigkeit, die Anerkennungsquote weiterhin gering zu halten, damit, dass sie gering ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Natürlich sind die Gründe nicht asylrelevant. Natürlich fallen die Leute durch das Raster. Sie fallen durch das Raster, das Sie sich überlegt haben, selbstverständlich.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Lassen Sie uns über asylrelevante Gründe reden. Lassen Sie uns darüber reden, ob sexuelle Orientierung ein asylrelevanter Grund ist. Lassen Sie uns darüber reden, ob die Verfolgung als ethnische Minderheit ein asylrelevanter Grund ist. Das wäre angezeigt, aber nicht das ständige Wiederholen ideologischer Überzeugungen aus der Mottenkiste von vorgestern.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Herr Minister, Sie sprachen an, dass natürlich auch andere Länder in der Europäischen Union diese Regelungen mittragen und Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als sichere Herkunftsstaaten behandeln werden.

Ja, natürlich. Natürlich ist das ein europäischer Trend. Natürlich ist die deutsche Asylpolitik auch eine europäische Asylpolitik. Es ist nur folgerichtig, dass das im Einklang miteinander steht. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein relevanter Faktor bei der Bestimmung der europäischen Asylpolitik.

Insofern ist es obsolet, darüber zu sprechen, dass das im Einklang steht.

Jetzt will ich noch einmal auf die juristische Komponente eingehen. Herr Minister, wenn ich mich richtig erinnere, sagten Sie, die Juristerei sei ein bisschen schwieriger als oberflächliche Gesellschaftskomitees.

Ich will den Juristen Reinhard Marx zitieren, der in einem Gutachten zur unionsrechtlichen und verfassungskonformen Ausgestaltung der Drittstaatenregelung ausführte:

„Dem Gesetzgeber kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zwar ein weiterer Gestaltungsrahmen bei der Wahl der Methoden und entsprechenden Verfahren zu, wenn er bestimmte Staaten als sichere Herkunftsstaaten bestimmen will. Er darf eine derartige Bestimmung aber nur auf der Grundlage einer verlässlichen Tatsachenfeststellung vornehmen. Bei der Erhebung und Aufbereitung der Tatsachen hat er ein bestimmtes Maß an Sorgfalt walten zu lassen. Er muss nach Erhebung und Sichtung der tatsächlichen Grundlagen insbesondere eine antizipierte Tatsachen- und Beweiswürdigung vornehmen.“

Weiter heißt es:

„Aus diesen zwingenden Vorgaben folgt, dass allein eine gesetzliche Begründung aus dem federführenden Ministerium heraus keine zureichende Rechtfertigung für das erforderliche gesetzgeberische Urteil darstellt.“

Herr Minister, es ist bekannt, dass Staatsanwälte die allerbesten Juristen sind. Das stelle ich nicht in Abrede. Wenn Sie meinen, mich nicht ernst nehmen zu müssen, weil ich hier oberflächliche Gesellschaftskomiteepositionen vortrage, dann tun Sie das. Das trifft mich nicht. Wenn Sie meinen, die Beobachtung von Komitees wie die der Europäischen Union oder des Europäischen Rates nicht ernst nehmen zu müssen, dann tun Sie das. Das sagt mehr über Sie aus als über mich. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Damit ist die Debatte beendet. Wir treten ein in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/3404. Dem Wesen nach ist über diesen Antrag also solchen abzustimmen.

Wer der Drs. 6/3404 zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Antrag abgelehnt und Tagesordnungspunkt 17 erledigt.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich ansagen, dass angestrebt ist, neben Tagesordnungspunkt 18, den wir bereits in die heutige Tagesordnung aufgenommen haben, heute auch Tagesordnungspunkt 12 zu behandeln.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung

Winckelmann-Jubiläen 2017/2018 entsprechend würdigen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/3260

Änderungsantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3282

Einbringer des Antrags ist der Abgeordnete Herr Gebhardt für die Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr, Herr Gebhardt.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt stehen bekanntermaßen in den nächsten Jahren einige kulturpolitische Jubiläen an. Wir alle wissen, die Luther-Dekade, das Reformationsjubiläum stehen unmittelbar vor der Tür. Der 500. Geburtstag von Lucas Cranach, das Bauhaus-Jubiläum 2019, auch wenn die Finanzierung noch nicht ganz klar ist, wie wir lesen mussten.

Es gibt ein mindestens genauso wichtiges Jubiläum, einen kulturpolitischen Höhepunkt, der nach der Auffassung der Fraktion DIE LINKE nicht vernachlässigt werden darf. Wir meinen die Winckelmann-Jubiläen 2017 und 2018. Im Jahr 2017 jährt sich der Geburtstag von Johann Joachim Winckelmann zum 300. Mal. Im Jahr darauf, also im Jahr 2018, ist sein 250. Todestag.

Bisher scheint in der Landespolitik dieses Ereignis noch nicht so präsent zu sein. Zumindest gibt es im Haushalt bislang keinerlei Verpflichtungsermächtigungen oder ähnliche finanzielle Vorkehrungen, mit denen man das Ereignis entsprechend würdigen kann.

Johann Joachim Winckelmann hat jedoch alle Aufmerksamkeit verdient. Sachen-Anhalt kann aus unserer Sicht stolz darauf sein, dass zumindest in Stendal sein Erbe seit Jahren gepflegt wird. Er ist schließlich ein Sohn dieser Stadt und auch ein Sohn unseres Landes.

Für alle, die sich bisher nicht so gut mit dem Wirken Winckelmanns beschäftigt haben, will ich kurz erläutern, wer dieser Johann Joachim Winckelmann denn eigentlich war. Er war Archäologe, Bibliothekar, Antiquar und Kunstschriftsteller der Frühaufklärung. 1717 wurde er, wie ich

schon erwähnte, in Stendal als Sohn eines Schuhmachers geboren. Heute gilt er als der Urheber der deutschen Kunstgeschichte sowie als Begründer der klassischen Archäologie und des deutschen Klassizismus.

Die Zeit Winckelmanns war von der Aufklärung geprägt. Das damals streng christlich geprägte Weltbild veränderte sich und ein neues Bewusstsein hin zur Freiheit und zur Selbstbestimmtheit des Menschen entwickelte sich. Winckelmanns Wahrnehmung und seine Beschreibung der griechischen und der römischen Kunst legten den entscheidenden Grundstein zur Abwendung vom Spätbarock und dem Rokoko im zu Ende gehenden 18. Jahrhundert.

Sein Hauptwerk „Die Geschichte der Kunst des Altertums“ hinterließ enorme Spuren, die uns noch heute prägen. Kunst wurde nicht nur als Handwerk gesehen. Sie wurde vielmehr zur Geistestätigkeit und zu einem wichtigen Thema in der Wissenschaft. Als geistiger Begründer des deutschen Klassizismus ist seine Kunstbetrachtung stets von Sinnlichkeit geprägt gewesen. Winckelmann kategorisierte antike Werke mit völlig neuen Maßstäben einer damals völlig neuen wissenschaftlichen Kunstauffassung.

Für Winckelmann war die Triebkraft die Freiheit der Bürger. Damit stieß er vor allem beim deutschen Bürgertum auf große Zustimmung; denn die Zeit war reif, den Absolutismus abzuschütteln und neuen demokratischen Idealen zu folgen. Winckelmanns neue Denkart und das damit verbundene politische Bild von Freiheit sprach viele seiner Zeitgenossen an, war sie doch das Gegenteil der Lebenswirklichkeit eines Großteils der Menschen im Europa des 18. Jahrhunderts.

Wie einflussreich Winckelmanns Kunstverständnis tatsächlich war, können wir heute an uns selbst beobachten. Wenn wir uns vor unserem geistigen Auge eine klassische antike Plastik vorstellen, entsteht mit Sicherheit bei jedem automatisch das Bild einer schönen Figur aus weißem Marmor. Genau dieses haben wir Winckelmann zu verdanken.

Diese Vorstellung von weißem Marmor entspricht aber nicht der Realität. In der Realität war die Antike nämlich quietschbunt und nicht von weißem Marmor geprägt. Winckelmann hat sozusagen seine idealtypischen Vorstellungen bis heute in unsere Köpfe gepflanzt. Anders gesagt: Johann Joachim Winckelmann prägt bis heute unser Kunst- und unser Schönheitsempfinden. Kein anderer beeinflusste das Nachdenken über Kunst nach 1750 entscheidender und nachhaltiger, als es Johann Joachim Winckelmann tat.

Auch das ästhetische Konzept der Weimarer Klassik ist auf das Werk Winckelmanns zurückzuführen. Winckelmann hat definiert, dass Kunst zu

erst die Aufgabe hat, schön zu sein, und keinerlei Regeln oder Nutzen folgen müsste. Laut Winckelmann ist Kunst zweckfrei und selbstbestimmt.

Meine Damen und Herren! Wenn wir uns diesen Gedanken Winckelmanns zu Herzen nehmen oder ihn zumindest hin und wieder ins Bewusstsein rufen würden, wäre die Kunst- und Kulturförderung in Sachsen-Anhalt schon längst eine andere.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade die letzte Haushaltsdebatte hat bekanntlich gezeigt, dass immer wieder nach dem Sinn und Zweck von Kunst- und Kulturförderung gefragt wurde. Dabei hat uns doch eigentlich der Urheber der Deutschen Kunstgeschichte das völlige Gegenteil ins Stammbuch geschrieben.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Stimmt!)

Meine Damen und Herren! Man könnte noch viel über das Schaffen von Winckelmann berichten, aber, ich denke, als kleiner Abriss seines Wirkens sollte dies vorerst genügen und jedem müsste so ungefähr klar sein, wie bedeutend und nachhaltig Herr Winckelmann war.

Nun hat Sachsen-Anhalt als Kulturland das Glück, dass sich der Geburtsort dieser bedeutenden Persönlichkeit in unserem Land, nämlich in der schönen Stadt Stendal befindet. In seinem Geburtshaus befindet sich seit 1955 das einzige Museum in ganz Deutschland, das dem Begründer der deutschen Kunstwissenschaft gewidmet ist. Träger des Museums ist die Winckelmann-Gesellschaft, die mit ihren 600 Mitgliedern in mehr als 20 Ländern aktiv ist.

Sehr lobenswert ist übrigens auch der Besuch des Kindermuseums, welches sich direkt am Geburtshaus befindet. Ich glaube, es ist von seiner Konzeption und seiner Attraktivität gerade für die Jüngsten etwas Einmaliges.

Modellhaft ist auch die Kinderuniversität, die gemeinsam mit der Hochschule Magdeburg-Stendal veranstaltet wird. Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, dass es dort ein Ausstellungs- und Begegnungszentrum für Seniorinnen und Senioren gibt, welches sich den Herausforderungen des demografischen Wandels widmet.

Meine Damen und Herren! Aber nicht nur Stendal als Geburtsort in ein Winckelmann-Ort in SachsenAnhalt. Winckelmann studierte an der Universität in Halle Philosophie, er war in Osterburg als Hauslehrer tätig und er war fünf Jahre Konrektor der Lateinschule in Seehausen.