Protocol of the Session on September 18, 2014

„aufgrund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet.“

Diese generelle Feststellung vereinfacht und beschleunigt die betreffenden Asylverfahren, bewirkt jedoch keine Vorwegnahme des Prüfungsergebnisses im Einzelfall, wie es der Antrag der Fraktion DIE LINKE glauben machen möchte.

Vielmehr können Asylsuchende auch in Zukunft darlegen, dass abweichend von der allgemeinen Rechtslage im Herkunftsland im konkreten Einzelfall mit Verfolgung gerechnet werden muss. Auch wenn dies künftig in einem vereinfachten beschleunigten Verfahren geschieht, werden Asyl

suchende aus den im Gesetzentwurf genannten Westbalkanstaaten keinesfalls rechtlos gestellt.

Vor dem Hintergrund der sehr geringen Anerkennungsquote bei den Asylbewerbern aus jenen Staaten - das prüfen unabhängige Stelle und unabhängige Gerichte -, ist davon auszugehen, dass in aller Regel leider nicht asylrelevante Gründe für die Einreise nach Deutschland ausschlaggebend sind. Insofern ist es nicht abwegig zu unterstellen, dass auch wirtschaftliche Motive für die Asylsuche in Deutschland eine Rolle spielen. Denn die Leistungen für Asylbewerber in Deutschland liegen deutlich über den durch die EU vorgegebenen Mindeststandards und werden bereits ab dem Zeitpunkt der Antragstellung gewährt.

Infolge der erhöhten Zuwanderung aus den genannten Staaten, die an sich als sicher gelten, werden schon jetzt Aufnahmesysteme von Ländern und Kommunen in ganz Deutschland erheblich belastet und damit Ressourcen gebunden, die für die Aufnahme von Asylsuchenden aus Ländern, in denen viele Menschen tatsächlich von Verfolgung bedroht sind, etwa aus Kriegsregionen wie Syrien oder dem Irak, dringend benötigt werden.

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE unterstellt, es würde mit der Einstufung der genannten Staaten als sichere Herkunftsstaaten eine Verschärfung des Asylrechts beabsichtigt und dieses widerspreche dem grundgesetzlich garantierten Asylrechtsanspruch. Das haben Sie auch ausgeführt, Frau Kollegin Quade.

Tatsächlich sieht Artikel 16a Abs. 3 des Grundgesetzes die Bestimmung von sicheren Herkunftsstaaten ausdrücklich vor. Die Regelung wurde durch das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 14. Mai 1996 bestätigt.

Die Bestimmung sicherer Herkunftsstaaten führt auch nicht zu einer Einschränkung des Asylrechts. Die Antragstellung ist Menschen aus diesen Staaten auch weiterhin uneingeschränkt möglich.

Jeder Asylbewerber wird angehört und erhält die Gelegenheit, seine individuellen Gründe darzulegen. Das Verfahren bleibt damit eine Einzelfallprüfung und führt bei einer glaubhaften Darlegung einer Verfolgungsgefahr zur Anerkennung und zur Gewährung internationalen Schutzes.

Die Bestimmung der Staaten Bosnien und Herzegowina, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und Serbiens zu sicheren Herkunftsstaaten entspricht der Feststellung, dass es in diesen Ländern an einer objektiv feststellbaren asylrelevanten Bedrohungslage fehlt. Es gibt keine objektiv festgestellte asylrelevante Bedrohungslage.

Diese Einschätzung, Frau Quade, wird im Übrigen auch von den Ländern Belgien, Frankreich, Österreich oder Großbritannien geteilt. Ich weiß nicht,

ob Sie den Bürgerinnen und Bürgern aus Belgien, Frankreich, Österreich oder Großbritannien auch Rassismus vorwerfen möchten, wir jedenfalls nicht.

(Herr Scheurell, CDU: Natürlich nicht!)

Die Gesetzesinitiative setzt daher ein Signal, das sicherlich auch von potenziellen Asylantragstellern in diesen Herkunftsländern verstanden werden wird und den Anreiz, in Deutschland Asyl zu beantragen, für diese Personengruppen aus den von mir genannten Gründen - es liegt eben keine Asyllage vor - deutlich senken wird.

Das Ziel des Gesetzes, das morgen im Bundesrat - ich hoffe, das das geschieht - bestätigt werden wird, ist es, einen Beitrag zu leisten, damit die Dauer insbesondere der mutmaßlich aussichtslosen Asylverfahren verkürzt wird. Ein beschleunigtes Asylverfahren bringt den Antragstellern schneller Rechtssicherheit und ermöglicht es hoffentlich, die vorhandenen Kapazitäten künftig wieder mehr auf die Asylbewerber zu konzentrieren, die tatsächlich unseren Schutz benötigen. Ich halte daher den Antrag für entbehrlich. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister, Frau Quade hat noch eine Anfrage.

Ja, gern.

Herr Minister, ich habe eine Nachfrage. Sie beschrieben, dass sich das Verfahren für die betroffenen Menschen im Grunde überhaupt nicht ändert. Dann erklären Sie mir doch einmal die Notwendigkeit für die Einstufung der Länder als sichere Drittstaaten, wenn doch angeblich so dringend eine Vereinfachung und eine Beschleunigung der Verfahren notwendig ist, Sie aber hier vorgetragen haben, dass sich das Verfahren gar nicht ändert.

Ich habe Ihnen gesagt, dass es nach wie vor die Möglichkeit gibt - insofern gibt es keine Änderung zu dem im Grundgesetz normierten Anspruch auf Asyl -, dass selbstverständlich Asyl gesucht werden kann. Es muss aber dann im Einzelfall dezidiert nachgewiesen werden, dass ein Asylgrund vorliegt. Dieser wird nicht von vornherein angenommen, weil wir sagen, an erster Stelle steht die Tatsache, dass es sich um sichere Herkunftsländer handelt. Dann muss sozusagen der Gegenbeweis geführt werden, dass dort trotz dieser

Feststellung in Einzelfällen Dinge passieren, die Asyl ermöglichen können.

Frau Quade, Sie können noch eine Nachfrage stellen.

Immer gern.

Aber Herr Minister, Sie sagten eben, dass der Unterschied darin besteht, dass der Antrag dann nicht automatisch angenommen wird. Das würde bedeuten, dass das jetzt der Fall wäre. Das ist doch absurd.

(Zustimmung von Herrn Herbst, GRÜNE)

Ich finde Ihren Antrag absurd.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das war jetzt aber ganz einfache Polemik! - Herr Czeke, DIE LINKE: Jetzt ist es raus!)

- So etwas kennen Sie gar nicht, nicht? - Ich habe die juristischen Dinge, glaube ich, hinlänglich erklärt. Sie können meine Rede nachlesen. Das ändert doch nichts daran, dass es so ist, wie es ist. Das ist ein sicherer Herkunftsstaat. Deshalb gibt es auch keine Gründe dafür, dass man von vornherein sagt, dort ist eine Lage, bei der Menschen der Gefahr unterliegen, einen Asylgrund zu haben. Das habe ich doch vorgetragen.

(Beifall bei der CDU - Herr Güssau, CDU: Genau!)

Die Juristerei, Frau Quade, ist manchmal etwas komplizierter als oberflächliche Gesellschaftspolitik. Das ist leider so.

(Beifall bei der CDU - Herr Lange, DIE LIN- KE: An Arroganz nicht zu toppen!)

Wir treten in eine Fünfminutendebatte ein. Als erste Rednerin spricht die Abgeordnete Frau Schindler. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, morgen wird im Bundesrat ein Gesetz beschlossen. Ich zitiere erst einmal die Überschrift: „Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des Arbeitsmarktzuganges für Asylbewerber und geduldete Ausländer“.

Frau Quade, Sie sagten, dass das auch wieder ein Teil des Asylkompromisses ist, den SPD und CDU auf Bundesebene geschlossen haben. Das morgen zur Abstimmung vorliegende Gesetz enthält auch einen Teil, den wir als SPD ausdrücklich begrüßen.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU - Herr Lange, DIE LINKE: Es war klar, dass Herr Scheurell das gut findet!)

Mit dem zweiten Teil dieses Gesetzes, also mit der Regelung zur Erleichterung des Arbeitsmarktzuganges für Asylbewerberinnen, möchte ich meinen Redebeitrag beginnen. Mit dieser Regelung wird ein wirklich großer Schritt zur Verbesserung der Bedingungen, die Asylbewerberinnen und Asylbewerber in unserem Land haben, gegangen.

Bislang mussten Asylbewerber neun und geduldete Personen sogar zwölf Monate lang warten, bis sie die Chance erhielten, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Wir erleichtern damit die Integration. Wir bauen damit ein Integrationshemmnis ab und erhöhen auch die Akzeptanz und Toleranz gegenüber Asylbewerbern in unserem Land,

(Herr Güssau, CDU: Richtig!)

weil sie dadurch zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes beitragen können. Dies ist eine wirkliche Verbesserung der Integration und auch eine wirkliche Willkommenskultur.

(Herr Scheurell, CDU: Das ist richtig!)

Für die SPD ist das Asylrecht auch weiterhin ein hohes Gut. Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes lautet eindeutig, dass politisch Verfolgte Asyl genießen. Über diesen Passus ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder diskutiert worden und das Asylrecht ist unterschiedlichen Änderungen unterworfen worden.

Ich zitiere aber an dieser Stelle den Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Herrn Oppermann im Zusammenhang mit der jetzt in Rede stehenden Gesetzesänderung. Er sagte:

„Das Asylrecht ist nicht der richtige Ort, der zweifellos schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Lage in bestimmten Herkunftsländern zu begegnen und die damit zu lösenden Fragen zu klären.“

Die Flucht vor Armut und sozialer Ausgrenzung ist selbstverständlich zu beheben. Es gebietet die Menschlichkeit, etwas dagegen zu tun. Aber das Asylrecht ist nicht das richtige Mittel dafür. Wir müssen endlich fair über Zuwanderung und Einwanderung sprechen und dabei klar zwischen Asyl und Zu- und Einwanderung trennen und unterscheiden.

Mit der Aufhebung der Visumpflicht durch die EUStaaten für die besagten drei Länder gab es natür

lich einen besonderen Zustrom aus diesen Ländern. Es ist aber der falsche Weg, nach einer Anerkennung als Asylbewerber zu streben, obwohl wir wissen, dass bisher die Anerkennung nur in einem geringen Maße erfolgte, weil eben festgestellt worden ist, dass ein Asylgrund nicht vorliegt.

Wir wissen auch, dass sich die Menschen vielfach auch unter eigenem großen finanziellen Aufwand auf den Weg machen und an Schleusergruppen und Banden geraten, die ihnen das Geld aus den Taschen ziehen. Das geschieht unbestritten auf der Suche nach einem sicheren und besseren Leben. Oft geraten sie dadurch erst in eine Spirale der Armut.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal über unseren Besuch in Mazedonien im letzten Jahr berichten. Ich habe das im Innenausschuss schon dargestellt. Wir haben uns dort einen Wohnort - man kann es auch Lager nennen - von Roma und Sinti angeschaut. Dort war mithilfe der deutschen Caritas eine Hilfsorganisation aufgebaut worden, die dann auch inländisch übernommen worden ist. Die dortigen Betreuer haben darüber berichtet, dass sie ein großes Interesse daran haben, dass die Menschen nicht fliehen, sondern dass sie dort im Land integriert werden, dort bleiben und in ihrer Heimat - es war ursprünglich wirklich ihre Heimat - ein Teil dieses Landes bleiben und nicht den Weg der Flucht suchen.

Das sollten wir weiter unterstützen. Ihren Antrag werden wir ablehnen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministe- rin Frau Prof. Dr. Kolb)