Protocol of the Session on September 18, 2014

Jetzt stimmen wir über die Federführung ab. Wer ist dafür, dass der Ausschuss für Inneres die Federführung übernimmt? - Das ist das ganze Haus.

(Herr Dr. Köck, DIE LINKE: Das sind doch alles Linke!)

Ist jemand dagegen oder enthält sich der Stimme? - Nein. Der Ausschuss für Inneres ist mit der Federführung betraut worden. Der Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 9 aufrufe, möchte ich Ihnen bekanntgeben, dass wir bisher vereinbart haben, dass wir alle Tagesordnungspunkte, die am morgigen Tag ohne Debatte zu behandeln wären, vorziehen, wenn wir heute noch die Zeit dafür haben. Es wird darüber verhandelt, ob eventuell noch ein Tagesordnungspunkt vorgezogen wird, zu dem eine Debatte vorgesehen ist.

Zunächst rufe ich den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Naturschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/3420

Einbringer ist der Minister für Landwirtschaft und Umwelt Herr Dr. Aeikens. Bitte sehr, Herr Dr. Aeikens, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Land Sachsen-Anhalt hat insgesamt 297 Natura-2000-Gebiete, darunter 32 Vogelschutzgebiete und 265 FFH-Gebiete mit einer Fläche von etwa 232 000 ha der Europäischen Kommission gemeldet. Dieses entspricht etwa 11,3 % der Landesfläche. Damit liegen wir in etwa im Durchschnitt der Länder in Deutschland.

Für das Land besteht die vordringliche Aufgabe beim Aufbau und der Entwicklung des europäischen Schutzgebietssystems Natura 2000 derzeit in der nationalrechtlichen Sicherung der Gebiete. Das Kabinett hat sich am 29. Juli 2014 mit einer Vorlage zur Umsetzung von Natura 2000 im Land Sachsen-Anhalt befasst und das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt beauftragt, die Ausweisung der Natura-2000-Gebiete entsprechend durchzuführen.

Bei der vorgesehenen Landesverordnung handelt es sich um eine neue Schutzkategorie, die ausschließlich der Umsetzung von Natura 2000 im Lande Sachsen-Anhalt dient. Voraussetzung hierfür ist die Schaffung der Ermächtigungsgrundlage für die obere Naturschutzbehörde in § 23 des Naturschutzgesetzes zum Erlass der Landesverordnung.

In der Sitzung am 9. September 2014 hat das Kabinett den entsprechenden Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Naturschutzgesetzes beschlossen. Es soll eine Landesverordnung mit Ge- und Verboten als Grundschutz, sowohl für die Vogelschutzgebiete als auch für die FFH-Gebiete, durch

das Landesverwaltungsamt erlassen werden. Die Landesverordnung soll 2018 in Kraft treten.

Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass dabei die Beteiligungsrechte der Eigentümer, Nutzer und Umweltverbände nicht geschmälert werden. Flankierend soll die Anwendung von ergänzenden Maßnahmen, wie Zuwendungsverträge, Bescheide, zum Beispiel Agrar- und Waldumweltmaßnahmen, oder Vereinbarungen zum Tragen kommen. In besonderen Fällen können gegebenenfalls Einzelanordnungen zum Schutz besonders geschützter Arten und Lebensräume durch die untere Naturschutzbehörde zusätzlich erlassen werden.

Meine Damen und Herren! Die Änderung des Landesnaturschutzgesetzes stellt eine notwendige Voraussetzung für das weitere Verfahren zur nationalrechtlichen Sicherung der Natura-2000-Gebiete dar. Nur Dänemark hat in der Europäischen Union eine fristgemäße Umsetzung vorzuweisen.

Mit dem vom Kabinett beschlossenen Weg der Sicherung der Natura-2000-Gebiete wird eine qualifizierte Konzeption zur Umsetzung der europarechtlichen Anforderungen bei der Errichtung des Schutzgebietes Natura 2000 verwirklicht. Damit hat die Landesregierung die grundlegende Weichenstellung zur weiteren Umsetzung von Natura 2000 im Lande Sachsen-Anhalt getroffen, um den durchaus komplizierten Umsetzungsprozess zu strukturieren und wesentlich zu beschleunigen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn nach eingehender Beratung in den Ausschüssen des Landtages der Landtag diesen Argumenten folgt und dem Gesetzentwurf zustimmt. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Danke sehr, Herr Minister. - Es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden. Als erster Debattenredner wird der Kollege Weihrich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der vorliegenden Gesetzesänderung geht das Trauerspiel mit dem Titel „Umsetzung der FFH-Richtlinie in Sachsen-Anhalt“ in einen neuen Akt. Die grundlegenden Daten hat Herr Dr. Aeikens genannt, aber er hat versäumt zu erwähnen, dass bei den FFH- und Vogelschutzgebieten in Sachsen-Anhalt im Moment die Frist für die nationalrechtliche Sicherung mittlerweile schon für 192 Gebiete abgelaufen ist. Das zeigt den hohen Handlungsdruck.

Noch vor zwei Jahren hat die Landesregierung in der Antwort auf meine Kleine Anfrage erklärt, dass alle Vogelschutz- und FFH-Gebiete in der Regel

als Naturschutzgebiete ausgewiesen werden sollen. Noch vor zwei Jahren! Aber gleichzeitig wurde nur die Hälfte der für Natura 2000 eingeplanten Mittel in der auslaufenden EU-Fördermittelperiode tatsächlich ausgegeben.

Meine Damen und Herren! Allein dieser Fakt zeigt, wie sträflich diese Aufgabe in den letzten Jahren in Sachsen-Anhalt vernachlässigt wurde.

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE)

Nun soll die geplante Gesetzesänderung einen Befreiungsschlag bringen, indem - ich zitiere das Wortungetüm aus der Beschlussrealisierung vom 29. April 2013 - „gebündelte Sicherungsverfahren mit standardisierten Umsetzungsvorschriften“ eingeleitet werden sollen.

Ich möchte die Position meiner Fraktion gleich am Anfang meiner Ausführungen auf den Punkt bringen. Meine Fraktion spricht sich dafür aus, dass die erforderlichen Maßnahmen zur Verbesserung des Erhaltungszustandes der Tiere und Pflanzen in den Gebieten und damit auch die Einschränkungen in den Gebieten klar und eindeutig geregelt werden. Jedes einzelne FFH-Gebiet, jedes einzelne Vogelschutzgebiet hat ganz spezifische Bedingungen, und diese sollten auch in einer eigenständigen Schutzgebietsverordnung umgesetzt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das ist nicht nur naturschutzfachlich geboten, sondern entspricht auch rechtsstaatlichen Prinzipien.

Meine Damen und Herren! Naturschutz kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Entscheidungsprozesse ausreichend transparent gemacht werden. Kommunikation und Kooperation sind die wichtigsten Grundlagen für eine Umsetzung von Natura 2000, und die vorliegende Gesetzesänderung widerspricht diesen Grundsätzen auf ganzer Linie.

Es ist schlechterdings nicht möglich, die notwendigen Regelungen in Natura-2000-Gebieten zu pauschalisieren. Wir brauchen die Diskussion vor Ort, um die naturschutzfachlichen Erfordernisse mit den besonderen Bedingungen der Flächennutzung in jedem einzelnen Gebiet in Einklang zu bringen. Wirklich tragfähige Lösungen können nur in einem Dialog zwischen den Naturschutzexperten und den Flächennutzern vor Ort erarbeitet werden. Jegliche Pauschalisierung führt nur zu Unsicherheit und erschwert die Arbeit der zuständigen Behörden und Flächennutzer.

Meine Damen und Herren! Wer sich einmal einen Managementplan angeschaut hat, weiß, wie detailliert die Regelungen sind, die dort aufgelistet sind, zum Beispiel für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Düngern. Wird dies pauschalisiert, bleiben entweder die naturschutzfachlichen Anforderungen oder die Belange der Flächennutzer auf

der Strecke. Das kann niemand ernsthaft wollen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Schließlich: Der Gesetzentwurf widerspricht eindeutig den Vorgaben der EU. Die Kommission hat in der aktuellen Pilotanfrage zur Ausweisung der Natura-2000-Gebiete festgestellt, dass ein allgemeiner gesetzlicher Grundschutz unzureichend ist. Das aber beeindruckt die Landesregierung nicht im Geringsten und sie antwortet prompt, dass diese Landesverordnung mit einem Grundschutz erlassen werden soll.

Wir wissen also schon jetzt, dass die Anforderungen der EU nicht erfüllt werden und dass das Land Sachsen-Anhalt am Ende des Tages doch einzelgebietliche Verordnungen erlassen muss. Wir verschwenden hier also nur Zeit und Ressourcen, um das Problem in die nächste Legislaturperiode zu verschieben.

Aber eines ist sicher: Irgendwann drohen Zwangsgelder, immerhin in Höhe von bis zu 900 000 € pro Tag. Darauf hat die Landesregierung selbst bereits hingewiesen.

Irgendwann - das ist möglicherweise noch schlimmer - wird die EU damit drohen, wie das schon einmal passiert ist, die EU-Fördermittel im Bereich der Landwirtschaft nicht mehr auszuzahlen. Meine Damen und Herren! Vielleicht gibt es dann eine Einsicht in die Notwendigkeit.

Es gibt zusätzlich noch eine Fülle an rechtlichen Problemen in dem Entwurf, auf die ich jetzt aus Zeitgründen nicht eingehen kann. Aber eines möchte ich klar feststellen: Für meine Fraktion kommt eine Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf nicht infrage. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Kollege Weihrich. - Für die SPDFraktion spricht der Abgeordnete Herr Bergmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nach langer Zeit wieder einmal das Thema Natura 2000. Ich bin froh darüber, dass wir es heute behandeln. Ich hoffe, dass die Landesregierung sich gut darauf vorbereitet hat, einen großen Schritt weiterzukommen.

Ich bin, Herr Dr. Aeikens, zugegebenermaßen auch ein wenig skeptisch, was das Handling mit dieser zu erwartenden Landesverordnung angeht. Gleichwohl habe ich nicht die Angst und nicht die Befürchtung, die der Kollege Weihrich vorgetragen hat, dass wir das nicht nutzen können.

Entscheidend ist - das wird auch für die Europäische Union entscheidend sein -, dass wir die Verordnung sorgfältig umsetzen und sorgfältig damit umgehen. Es ist nicht so, dass Managementpläne die Basis für eine Schutzgebietsverordnung sind. Aber nicht für die Landesverordnung. Selbstverständlich müssen die bisher erarbeiteten Managementpläne - auch etliche, die noch ausstehen - dazu dienen, das zu untersetzen, was in der Landesverordnung steht.

Der Grundschutz kann sich nur auf bestimmte Arten und bestimmte Lebensraumtypen beziehen. Sicherlich muss es für bestimmte Bereiche gesonderte juristische Regelungen geben. Ich glaube schon, dass das Handling schwierig wird. Ich glaube auch, dass das Beteiligungsverfahren umfangreich sein wird, insbesondere im Hinblick auf die zu erwartenden und dann zu führenden Diskussionen. Das wird nicht einfach, das wissen wir alle.

Dennoch habe ich mich noch einmal beraten lassen und habe zur Kenntnis genommen, dass man den Gedanken des europäischen Naturschutzes abgetrennt von den Verordnungen, die wir bereits für alte Naturschutzgebiete haben, durchaus differenziert sehen kann und dass man auch ein europäisches Schutzgebiet über ein bestehendes altes Naturschutzgebiet legen kann. Das ist rechtlich sicherlich kein Widerspruch. Es gibt ohnehin Abgrenzungsprobleme usw. All diese Fachprobleme werden wir sicherlich im Ausschuss noch einmal ansprechen und beraten.

Herr Minister, ich sage aber auch, dass wir uns im Hinblick auf das, was im Land bisher passiert ist, im Hinblick auf die Erarbeitung der Managementpläne wünschen würden, weiter zu sein. Wir könnten weiter sein. Geben wir jetzt noch einmal richtig Gas!

Im Ergebnis der Diskussionen in den vergangenen Wochen und Monaten sage ich Ihnen: Aus der Sicht der SPD-Fraktion brauchen wir eine weitere Änderung, die wir in das Gesetz aufnehmen wollen. Die Beauftragten der Behörden, die dazu befähigt und befugt sind, die Daten zu erheben und die Verordnung zu untersetzen, müssen die Möglichkeit haben, sich in diesen Gebieten frei in der Landschaft zu bewegen.

Ich möchte gern, dass wir das in dem Gesetz klarstellen, damit für diese Mitarbeiter eine Begehungs- und Betretungserlaubnis grundsätzlich vorhanden ist. Damit das nicht umständlich über Einzelbenachrichtigungen geregelt werden muss, haben wir vorgeschlagen, dies über das Gesetz zu regeln. Das ist das, was häufig drinsteht. Ich will es konkret ansprechen. Der eine oder andere kann sich denken, warum.

Ansonsten sehe ich den Diskussionen im Ausschuss mit großem Interesse entgegen. Ich glaube nicht, Kollege Weihrich, dass wir hier großartige

Scheingefechte um die Frage, welche Verordnung besser ist - kleine oder große Verordnung -, führen müssen. Einige halten gern an der klassischen alten Naturschutzgebietsverordnung fest. Wir wissen aber, dass auch das nicht innerhalb weniger Tage und Wochen zu erledigen wäre. Weil Sie vorhin sagten, dass wir das Problem in die nächste Legislaturperiode verschieben: Die Zeit brauchen wir sowieso, die würden wir auch für die „normalen“ Verordnungen brauchen.

Lassen Sie es uns versuchen! Achten Sie als Opposition lieber darauf, dass wir sehr sorgfältig arbeiten. Dafür sind Sie da. Alles Weitere beraten wir im entsprechenden Fachausschuss. - Ich bedanke mich für das Zuhören. Bis demnächst.