Protocol of the Session on May 15, 2014

Was sind der Effekt und der Nutzen? - Diejenigen, die an einem Umbau - das ist ein schwieriger Umbau - interessiert sind, sind danach auch nicht schlauer in Bezug darauf, wie man einen solchen Prozess besser steuert. Ich kritisiere auch, dass die Schule selbst nichts davon hat. Denn die Schulentwicklung selbst wird damit nicht befördert. Es wird festgestellt, was ist. Das ist auch in Ordnung, das ist mitunter auch das Anliegen von Forschung. Aber es wird nichts dazu gesagt, wie man etwas verändern kann.

Ein anderes Interesse - hierbei habe ich einen Widerspruch zu dem, was Frau Koch-Kupfer gesagt hat - besteht darin, dass Umbauprozesse sehr wohl forschungstechnisch und wissenschaftlich begleitet werden müssen. Es gibt auch spezielle Forschungsrichtungen, die Umbauprozesse begleiten.

Es geht darum, sich die Umbauprozesse und seine Akteure genauer anzuschauen - dabei sind eher die Soziologen am Werk - und zu sagen: Was ist der Ausgangspunkt, wenn ich einen Paradigmenwechsel in der Schule unterbringen will? Wohin wollen wir? Es geht um das Wollen, weniger um das Sollen. Wie kann ein Wandel gelingen? Wo sind die dünnen Stellen? Welche Kräfte kann man mobilisieren? Mit welchen Gegenkräften, mit welchen Widerständen muss man rechnen?

Was wäre hierbei der Effekt und der Nutzen? - Ich weiß im Nachhinein schon einiges über Wandlungsprozesse. Dann kann ich schon etwas darüber sagen, wie man diese besser steuern könnte. Und dann haben zumindest diejenigen etwas in der Hand, die diese Wandlungsprozesse steuern müssen, also beispielsweise das Schulamt. Allerdings hat auch das nur sehr wenig oder gar nichts mit Schulentwicklung zu tun.

Mein Problem mit Ihrem Antrag ist, dass genau das Erkenntnisinteresse ein bisschen im Dunkeln bleibt. Diesbezüglich bin ich komischerweise nahe beim Kultusminister. Ich denke, wir sollten uns im Ausschuss noch etwas mehr Gedanken darüber machen: Was wollen wir wirklich wissen? Was ist uns wichtig?

Mein Eindruck nach Ihrem Redebeitrag ist, es ist eine Mischung aus beidem. Ich persönlich finde es wenig effektiv, ein Forschungsteam in die Schulen zu schicken, das sich den Stand der Dinge anschaut und dann dem interessierten Publikum darüber Auskunft gibt. Ich finde es besser, den Modus des forschenden Lernens anzuwenden. NentwigGesemann hat das einmal erfunden.

Wir haben in Sachsen-Anhalt Erfahrungen damit. In den Jahren 2005 bis 2009 gab es im Zuge der IZBB ein Forschungsteam an der MLU in Halle,

das direkt in Schulen auf der Basis des Index für Inklusion zum einen Schulentwicklung mit den Akteuren betrieben hat und zum anderen ein Jahr dafür genutzt hat, um zu schauen, wie die Entwicklung gelaufen ist. Das wäre für mich eine ideale Forschung, von der die Schulen auch etwas haben. Denn dabei wird Schulentwicklung vor Ort betrieben. Das, finde ich, wäre eine effektive und lohnende Sache.

Deswegen ist auch mein Plädoyer an dieser Stelle, den Antrag in den Ausschuss zu überweisen und dort noch einmal genauer zu schauen, auf welches Erkenntnisinteresse man sich einigen kann - wenn eine Einigung möglich ist - und wer dafür infrage käme, ein solches Forschungsprojekt zu begleiten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Bull. - Für die SPDFraktion spricht der Abgeordnete Herr Wanzek.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wissenschaftliche Begleitung zur Umsetzung der schulischen Inklusion ist wichtig und bei entsprechendem anspruchsvollen Forschungsdesign auch wertvoll.

Der Minister hat schon erwähnt, dass es von der TU Berlin quasi eine Metastudie gibt über die einzelnen in Auftrag gegebenen Studien der Kultusministerien der anderen Länder. Dabei hat sich gezeigt, dass unser Kultusministerium zurzeit keine eigene Studie finanziert. Der Fragezeitraum war September bis Dezember 2013.

Nichtsdestotrotz müssen wir jetzt nicht reflexartig eine eigene Studie in Auftrag geben, von der wir, wie wir soeben alle festgestellt haben, nicht genau wissen, in welche Richtung sie gehen soll. Vielmehr sollten wir uns in einem Fachgespräch im Ausschuss darauf verständigen, dass wir uns erst einmal anschauen, welche Studien in anderen Ländern gerade durchgeführt worden sind, wie sie aufgebaut sind und inwieweit wir einen Nutzen daraus ziehen können, ohne dass wir das selbst noch einmal in Auftrag geben müssen. Auf diese Weise können wir uns an dem reich gedeckten Tisch der Studien bedienen.

Ansonsten wurde vieles schon gesagt. Wir hatten das Modellvorhaben Grundschulen mit Integrationsklassen. Wir fangen also in diesem Land nicht bei null an in Sachen Evaluation und begleitender Forschung zu Modellen für Inklusion. Wir sollten im Gespräch auch prüfen, wie wir die Fähigkeit der Schulen zur Selbstevaluation ihrer Inklusionsergebnisse erhöhen können.

Wir sollten schauen, wie wir auch den gesellschaftlichen Diskurs bei den Schulen und bei den Eltern

vorantreiben, um die Inklusion auch in den Köpfen ankommen zu lassen. Auch das ist ein Gelingensfaktor, dass die Lehrer und die Eltern von Inklusion überzeugt sind. Es geht darum, die Angst abzubauen, dass ihre Kinder benachteiligt werden, wenn Kinder mit besonderem Förderbedarf in dieselbe Klasse gehen.

Deswegen sollten wir im Ausschuss darüber reden, in welche Richtung wir gehen wollen. Wir wollen diesen Antrag in den Ausschuss für Bildung und Kultur überweisen und dort ein Fachgespräch auf der Expertenebene durchführen.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Herr Kollege Wanzek. - Frau Professor Dr. Dalbert, Sie können erwidern.

Frau Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich möchte noch einmal auf zwei, drei grundsätzliche Punkte eingehen.

Erstens. Ich finde, ein derartig dramatischer Umbau wie der Umbau unseres Schulsystems hin zu einem inklusiven Schulsystem, das ist ein richtig dickes Brett, das wir uns mit der Unterschrift unter die UN-Behindertenrechtskonvention auf den Schreibtisch gelegt haben. Für mich ist es selbstverständlich, dass man ein solches Vorhaben wissenschaftlich begleitet, dass man dabei nicht einfach vor sich hin wurschtelt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Frau Bull, DIE LINKE)

Ich gebe allen Recht, die sagen: Aber ihr habt jetzt in den Antrag nicht genau hineingeschrieben, was ihr im Detail als Ziele haben wollt. Ich könnte gut damit leben, dass man sagt: Das ist exekutives Handeln. Aber ich freue mich natürlich auch darauf, dass wir uns das im Ausschuss anschauen und uns darüber Gedanken machen, was wir genau tun wollen.

Zweitens. Herr Wanzek hat es vielleicht nicht so gemeint, aber ich möchte, einfach um Klarheit zu haben, sagen: Es geht mir nicht um erkenntnisgeleitete Forschung. Ich habe keinen Antrag dazu gestellt, dass wir mehr Forschung zu Inklusion in der Bundesrepublik Deutschland machen müssen. Mir geht es darum, den gesellschaftlichen Umbauprozess, den wir vor uns haben, sehr genau zu betrachten. Dazu gibt es wissenschaftliche Instrumente, die uns bei dem genauen Betrachten helfen können.

Dabei geht es nicht um wichtige, durchaus interessante Forschungen zur Inklusion, wie wir sie auch bei uns in Sachsen-Anhalt hatten - die Arbeiten der Kollegen sind mir gut bekannt - oder wie es sie in

anderen Bundesländern gibt. Vielmehr geht es um die Begleitung genau der Aufgabe, die wir vor uns haben, um die Begleitung unseres Umbauprozesses an den Schulen.

Drittens. Ich stimme Birke Bull darin zu: Eine solche wissenschaftliche Begleitung - das halte ich allerdings für selbstverständlich - muss natürlich formativ und summativ sein; das heißt, sie muss auch den Prozess begleiten.

Eine Evaluation, die so geartet ist, dass wir sagen: Wir warten jetzt einmal fünf Jahre ab und gucken dann, ob in fünf Jahren die Kinder bessere Lernerfolge haben als heute oder so - das kann es nicht sein. Das kann allenfalls ein Aspekt sein, dass man solche Vergleichsetappen hat.

Es geht natürlich auch um eine Prozessbegleitung. Das ist das, was ich gemeint habe, als ich sagte: Eine gut gemachte wissenschaftliche Begleitung ist immer ein Frühwarnsystem, eben weil sie den Prozess begleitet und dann auch deutlich machen kann, dass etwas aus dem Ruder läuft, was niemand in diesem Hohen Hause will.

Insofern freue ich mich, dass in diesem Hohen Hause ganz offensichtlich eine gute Übereinstimmung dazu besteht, dass es sinnvoll und wichtig ist, in eine solche wissenschaftliche Begleitung einzutreten, und dass es jetzt darum geht, gemeinsam Kriterien für die wissenschaftliche Begleitung, für das Erkenntnisinteresse festzulegen. Insofern freue ich mich auf spannende Debatten im Ausschuss für Bildung und Kultur. Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung für unseren Antrag. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Dalbert. - Damit ist die Debatte beendet. Wir stimmen über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/2999 ab. Es wurde beantragt, den Antrag in den Ausschuss für Bildung und Kultur zu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion DIE LINKE, also das ganze Hohe Haus. Damit ist der Antrag überwiesen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 11.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 12 aufrufe, möchte ich Sie darüber informieren, dass wir den für morgen vorgesehenen Tagesordnungspunkt 21 auf alle Fälle noch vorziehen. Danach schauen wir, wie wir zeitlich liegen. In Bezug auf den Tagesordnungspunkt 22 entscheiden wir dann kurzfristig, ob es noch möglich ist, auch diesen am heutigen Tag noch zu behandeln oder nicht, weil die Puste und die Zeit weg sind.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Zweite Beratung

Abschiebungshaft gehört auf den Prüfstand

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/2808

Beschlussempfehlung Ausschuss für Inneres und Sport - Drs. 6/3043

Die erste Beratung fand in der 62. Sitzung am 28. Februar 2014 statt. Berichterstatterin ist die Abgeordnete Frau Tiedge. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/2808 - der Titel lautet: „Abschiebungshaft gehört auf den Prüfstand“ - überwies der Landtag in der 62. Sitzung am 28. Februar 2014 zur Beratung und Beschlussfassung in den Ausschuss für Inneres und Sport.

Die Fraktion DIE LINKE beabsichtigt mit ihrem Antrag unter anderem, die Landesregierung aufzufordern, sich zeitnah mittels Bundesratsinitiative dafür einzusetzen, die Abschiebungshaft als UItima Ratio zur Durchsetzung der Abschiebung abzuschaffen.

Darüber hinaus soll sich die Landesregierung bis zu einer Abschaffung der Abschiebungshaft für die weitere Umsetzung der Vorschriften und Regelungen der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG im Interesse der Betroffenen mit dem Ziel der Verbesserung der Bedingungen der Abschiebungshaft sowie zur Wahrung der Mindeststandards in der Inhaftierungspraxis einsetzen.

Zur Beratung in der 47. Sitzung im Ausschuss für Inneres und Sport am 10. April 2014 legten die regierungstragenden Fraktionen einen Beschlussvorschlag vor. Dieser wurde als Vorlage 1 verteilt und sieht unter anderem vor, die Landesregierung zu bitten, im Rahmen des ihr zustehenden Gestaltungs- und Handlungsspielraumes im Zusammenhang mit der Abschiebungshaft zu prüfen, welche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von Abschiebungshäftlingen realisiert werden können.

Darüber hinaus soll die Landesregierung gebeten werden zu prüfen, welche Möglichkeiten vorhanden sind, um die Abschiebungshaft gegebenenfalls auch im Verbund mit anderen Bundesländern in Einrichtungen außerhalb des Justizvollzuges zu realisieren.

Die Vorlage 1 wurde mit 6 : 0 : 5 Stimmen beschlossen und liegt Ihnen in der Drs. 6/3043 vor. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im

Namen des Ausschusses für Inneres und Sport bitte ich Sie um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr, für die Berichterstattung. - Für die Landesregierung spricht Minister Stahlknecht.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag Ihrer Fraktion, Frau Tiedge, wurde in der Februarsitzung des Landtages einstimmig in den Ausschuss überwiesen. Uns liegt nunmehr die von Ihnen vorgestellte Beschlussempfehlung vor.

Dass Abschiebungshaft als freiheitsentziehende Maßnahme - das hatte ich schon damals, im Februar, gesagt - nur dann als letztes Mittel in Betracht kommt, wenn es unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls kein milderes Mittel gibt, das zur Durchsetzung einer bestehenden Ausreisepflicht ausreichen würde, ist geltendes Recht und wird von uns auch strikt eingehalten. Denn absoluten Vorrang hat immer und genießt immer die freiwillige Ausreise, die aus diesem Grund durch eine Reihe von Förderprogrammen und Beratungsangeboten unterstützt wird.