Protocol of the Session on May 15, 2014

(Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Barth. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun der Abgeordnete Herr Herbst.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Union für alle Europäerinnen und Europäer erfahrbarer und nahbarer zu machen und dabei den ländlichen Raum und seine Entwicklung zu stärken, das sind auch für die EUFörderperiode von 2014 bis 2020 für unser Land sehr wichtige Punkte. Gerade die Wahlen zum Europäischen Parlament am Sonntag in einer Woche und die Frage, wie viele Menschen dabei an die Wahlurnen treten werden, unterstreichen dieses Anliegen.

Neben den obligatorischen Schildern mit der Aufschrift: „Kofinanziert aus Mitteln der Europäischen Union“, trägt vor allem der Ansatz von Bottom-upAusarbeitungen dazu bei, das Vertrauen in die Europäische Union zu stärken und das Ganze vielleicht - Herr Stadelmann, um mit Ihren Worten zu sprechen - nicht zu einem ganz so spröden Thema zu machen.

Lokale Akteure, die aktiv an der regionalen Entwicklungsstrategie, an der Auswahl der Prioritäten bzw. der Projekte in ihrer Region beteiligt und eingebunden werden, sind unmittelbar mit der Europäischen Union befasst. Das halten wir für einen wichtigen Bestandteil des LEADER-Ansatzes. Wir erwarten, dass sich dieser auch bei dem im Antrag geforderten Ausbau der Regionalisierungsmethode wiederfindet.

Der fonds- und ressortübergreifende Ansatz findet sich in der neuen Strategie der Europäischen Union als Multifondsansatz wieder. Erkennbar ist damit aber auch eine anspruchsvolle Verwaltung der Projekte. Wenn bisher LEADER-Mittel vom Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung verwaltet wurden und Mittel des ESF vom Landesverwaltungsamt, dann müssen wir eben dafür Sorge tragen, dass der fonds- und ressortübergreifende Ansatz nicht zum doppelten Verwaltungs- und damit zu einem Rechtfertigungsalbtraum für die Akteure vor Ort wird.

Die regionalen Möglichkeiten zu verbessern und auch kleinteilige Förderungen auszusprechen findet unsere Unterstützung. Das vor Ort vorhandene Wissen zu aktivieren und Potenziale der Regionen zu deren Vorteil zu nutzen ist richtig. Das Beispiel der Regionalvermarktung von Lebensmitteln zeigt die großen Potenziale, um etwa in der Landwirtschaft weitere Arbeitsplätze zu schaffen.

Bei all dem bleibt aber in manchen Kommunen ein Fakt: Wo keine kommunalen Eigenmittel zur Verfügung stehen, da passiert trotz der besten Ideen und Ansätze auch keine EU-Kofinanzierung. Daher ist es umso wichtiger, für Planungssicherheit für die Kommunen zu sorgen, damit möglichst alle von der Förderung profitieren können. Ebenso ist es wichtig, die Mitwirkung der Kommunen zu sichern

und geeignete Abstimmungsprozesse dafür zu finden.

Andererseits muss sich das Regionalmanagement die Frage gefallen lassen, ob all das, was sie fördern und was sie vorhaben, sinnvoll ist. Auch die Frage nach der demokratischen Legitimation dessen, was in den Arbeitsgemeinschaften oder im Regionalmanagement stattfindet, und ob es wirklich den Bedürfnissen der Region entspricht, muss diskutiert werden, ebenso die Zusammensetzung der beteiligten Wirtschafts- und Sozialpartner, die die Gegebenheiten vor Ort möglichst widerspiegeln sollte.

Insofern ist es gut, dass die Europäische Kommission von den regionalen Entwicklungskonzepten verlangt, dass sie beschreiben, wie die Bevölkerung an der Erstellung mitgewirkt hat, wie die Umsetzung in Bezug auf Verwaltung und Monitoring vorgesehen ist und welche Vorkehrungen zur Evaluierung der Strategie getroffen werden.

Mit dem einstimmigen Landtagsbeschluss zum Thema „Eigenständige Regionalentwicklung stärken“ vom Juli 2012 - es wurde hier schon erwähnt - wurden dahingehend Grundlagen zur Programmierung in der neuen EU-Förderperiode gelegt. Auch dieser daran anknüpfende Antrag zum Thema „Regionale Entwicklung stärken“ findet wiederum die Zustimmung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Kollege Herbst. - Zum Schluss der Debatte könnte noch einmal Herr Abgeordneter Stadelmann für die Einbringer das Wort ergreifen. - Er verzichtet.

Dann treten wir in das Abstimmungsverfahren ein. - Nicht direkt zum Verfahren. Ich denke, es war die gelbe oder die rote Karte. Es war jetzt nicht so ganz eindeutig, ob das - -

(Herr Dr. Köck, DIE LINKE: Wir nehmen jetzt die weiße!)

- Bitte?

(Herr Dr. Köck, DIE LINKE, hält seine Stimm- karte hoch)

- Gut.

Eine Überweisung ist nicht beantragt worden. Dann lasse ich über den Antrag in der Drs. 6/3065 zum Thema „Regionale Entwicklung stärken“ abstimmen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Zustimmung von allen Fraktionen. Ich frage: Gibt es Gegenstimmen? - Das sehe ich nicht. Gibt es Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Damit hat der Antrag der Koalitions

fraktionen einstimmig die Zustimmung des Hauses bekommen; das passiert nicht alle Tage.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Beratung

TTIP: Beteiligung am öffentlichen Konsultationsverfahren der Europäischen Kommission - Investor-State Dispute Settlement verhindern

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/3051

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3085

Für die Einbringerin erteile ich Herrn Dr. Thiel das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Fortsetzung unserer Diskussion vom März 2014 möchten wir im Landtag eine weitere vertiefte Debatte zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA anregen. Es ist ein Thema, das gerade in der Gegenwart in der Öffentlichkeit ein breites Interesse findet, sowohl in den Talkrunden europäischer Spitzenpolitiker als auch in den Satire-Shows im deutschen Fernsehen,

(Herr Borgwardt, CDU: Heute Show!)

wenn auch der Begriff dort vor allem - nach einem Zitat eines nicht unbekannten Spitzenpolitikers - ohne p und mit einem zusätzlichen t geschrieben worden ist.

Aber: Wie wir bereits im März 2014 festgestellt haben, hat die Europäische Kommission aufgrund der internationalen Proteste in dem Verhandlungsverlauf eine öffentliche Konsultationsmöglichkeit zum umstrittenen Investitionsschutzabkommen eröffnet.

Auch wenn sich Wirtschaftsminister Gabriel darüber wundert, dass Hunderttausende Unterschriften gegen etwas gesammelt werden, das es noch gar nicht gibt: Wie soll man denn sonst seinen Protest artikulieren? Wenn das Abkommen ausgehandelt oder beschlossen ist? - Eine seltsame Vorstellung von einem öffentlichen Veto. Das ist so, als sollte man bei uns im Land warten, bis die Grundschulen geschlossen oder der Schlachthof in Bernburg gebaut ist, bevor man seine Unterschrift dagegen geben kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Der Bürger ist halt mündiger, als manch ein Politiker glaubt. Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass der Land

tag ein klares Signal setzt, sich an diesen öffentlichen Diskussionen zu beteiligen und die Landesregierung aufzufordern, ihren Standpunkt jetzt offen und nicht abwartend darzulegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist doch unbestritten, dass Investitionen in der Wirtschaft, egal ob von ausländischen oder von inländischen Unternehmen, Triebkraft für wirtschaftliches Wachstum sind. Das heißt aber nicht, dass Unternehmen im luftleeren Raum agieren und sich nicht an rechtliche Anforderungen und Rechtsordnungen zu halten hätten.

Deshalb stellen wir in dem ersten Punkt in unserem Antrag fest, dass dieses Investor-State Dispute Settlement, kurz ISDS genannt, ursprünglich als ein Notinstrument eingeführt wurde, wenn in Ländern kein Rechtssystem mit unabhängigen Gerichten zur Verfügung stand oder keine Gesetze zum Schutz vor Enteignungen in Kraft waren.

Der Landtag beurteilt die bestehenden Rechtssysteme in den OECD-Ländern durchweg als ausreichend, um im Konfliktfall die Rechte von ausländischen Investoren zu wahren und die notwendige Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und dem Investoreninteresse vorzunehmen.

In unserem Antrag fordern wir in dem zweiten Punkt, dass ausländischen Investoren keine anderen Rechtswege eröffnet werden, als sie Investoren aus den EU-Staaten zur Verfügung stehen.

Auch deshalb lehnen wir ein Abkommen ab, durch das die Entscheidungs-, Organisations- und Selbstverwaltungshoheit der Parlamente, der EUMitgliedstaaten, von Ländern und von Kommunen, wie sie durch das Subsidiaritätsprinzip in der Europäischen Union gesichert ist, direkt oder indirekt eingeschränkt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Parlamente und Selbstverwaltungskörperschaften müssen ihre Rechte im Rahmen der Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaates auch in Zukunft wahrnehmen können.

In meiner Rede im März zum TTIP hatte ich bereits Fakten genannt. Bis Ende 2012 waren 514 Verfahren bekannt. In 60 % der Fälle wurden Staaten von jeweils drei Richtern zum Schadenersatz in Millionenhöhe verurteilt. Im Jahr 2013 - das sind die jüngsten Zahlen - sind 58 Fälle hinzugekommen, der größte Teil nicht in den Ländern Asiens, Afrikas oder Lateinamerikas, sondern es waren Klagen gegen Mitgliedsländer der Europäischen Union.

Aufgrund des Investitionsschutzregimes können Gaststaaten allein durch die Androhung von Prozessen von staatlicher Regulierung abgehalten werden. Wird eine Klage anhängig, lassen sich

Gaststaaten häufig auf einen Vergleich ein, der die Rücknahme der Regelung beinhaltet - aus Angst, am Ende einen hohen Schadenersatz zahlen zu müssen. So können transnationale Unternehmen die Souveränität und die demokratische Gestaltungsmacht ganzer Nationen beschränken.

Oder soll sich das bewahrheiten, was Roland Tichy, Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“, in seinem Blog-Kommentar am 10. Mai 2014 schrieb? - Ich zitiere:

„Auch das Schiedsgerichtsverfahren im

Rahmen des Freihandels, das Investitionen vor willkürlichen Gesetzesänderungen schützen soll, bewahrt die Deutschen und ihre Direktinvestitionen von sagenhaften 1,196 Billionen € rund um den Globus vor dem Zugriff gieriger Politiker.

Auch Deutschland hat vergessen, dass Investitionen, die auf Jahrzehnte angelegt sind, vor dem willkürlichen Zugriff der Politik geschützt werden müssen, weil Investoren eines brauchen: langfristig stabile Rahmenbedingungen.“

Die Politik ist also der einzig Schuldige an wirtschaftlichen Miseren und entgangenen Gewinnen. „Gierige Politiker“ - eine interessante Wortwahl, um ein Abkommen zu begründen, das Politiker auch noch absegnen sollen.