Vielen Dank, Herr Minister. - Es stellt niemand den Antrag, die Debatte neu aufzumachen. Dann beenden wir diese hiermit und kommen zum Abstimmungsverfahren über die Drs. 6/2915. Frau Feußner hat die Änderungsanträge genannt. Ich lese sie jetzt noch einmal vor, damit man den Text noch einmal hört, und lasse darüber getrennt abstimmen.
Auf Seite 1 unter Punkt 1 soll nach den Worten „des Landes Sachsen-Anhalt“ die Passage „mit Ausnahme Einzelplan 14 - Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr - Kapitel 14 05 - Allgemeine Aufgaben des Straßenbaus - Abschnitt B Nr. 14 - Ungenügende Belastbarkeit der Gesamtkosten und fehlende gesamtwirtschaftliche Wirtschaftlichkeitsuntersuchung bei der Eisenbahnkreuzungsmaßnahme Ernst-Reuter-Allee der Landeshauptstadt Magdeburg“ eingefügt werden.
Wer stimmt dieser Änderung zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Enthält sich jemand der Stimme? - Das ist ein Mitglied der Fraktion DIE LINKE. Damit ist diese Änderung beschlossen worden.
Zweite Änderung. Nach den Worten „Entlastung erteilt“ wird der Satz „Insoweit wird der von der Entlastung ausgenommene Teil zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Finanzen zurück überwiesen.“ eingefügt.
Wer stimmt dieser Änderung zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist auch diese Änderung beschlossen worden.
Ich lasse nunmehr über die Punkte 1 bis 6 der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Finanzen in der geänderten Fassung abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist die Beschlussempfehlung in der geänderten Fassung angenommen worden und wir haben den Tagesordnungspunkt 15 abgearbeitet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Vorbereitung dieses Antrages und in Vorbereitung auf diese Rede bin ich beim Sichten des Materials immer wieder in Zweifel gekommen über die öffentlich propagierte Rolle von Politik in unserer globalisierten Welt. Das kulminiert sich für mich zu der Frage: Ist Politik ohnmächtig geworden gegenüber globalen Entwicklungen? Oder ist diese Ohnmacht verbunden mit der schleichenden Entmachtung der Politik, wie sie beispielsweise bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA zum Tragen kommt?
Berechtigterweise werden in der gegenwärtigen öffentlichen Debatte Beispiele für dieses Abkommen genannt, wie das Desinfizieren von Hühnerfleisch mit chlorhaltigen Chemikalien, die Verabreichung von Wachstumshormonen in der Fleischproduktion oder die Einfuhr gentechnisch veränderter Produkte, wie wir das bereits gestern in diesem Hohen Haus diskutiert haben. Damit werden unmittelbar Verbraucherinteressen angesprochen.
Aber, meine Damen und Herren, es geht eigentlich um etwas anderes, was die Entmachtung von Politik betrifft. Das ist vor allem die strikte Geheimhaltung der Details der Verhandlungen, die künftige Aushebelung von Standards, von Arbeitnehmerrechten, von sozialen und Umweltstandards und die Beseitigung von rechtsstaatlichen Prinzipien beim so genannten Investorenschutz.
Aber diese eventuelle Ohnmacht schützt die Politik nicht vor der Frage, wem eigentlich welche Vereinbarungen nützen, und zwar außerhalb der Hochglanzbroschüren, der Talkshows oder der Pressestatements.
Meine Damen und Herren! Lohnt es sich, Brüssel dafür danke zu sagen, wie wir es vorgestern in diesem Hohen Haus gehört haben?
Die USA und die Europäische Union sind die weltweit am stärksten miteinander vernetzten Wirtschaftsregionen. Mit etwa 10 % der Weltbevölkerung erwirtschaften sie 50 % des Weltsozialprodukts. Im Jahr 2011 entfielen beispielsweise 4 % des weltweiten Warenhandels auf den transatlantischen Warenhandel. Beim Dienstleistungshandel betrug der Anteil mehr als 11 %.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben in den USA Investitionen in Höhe von etwa 1,6 Billionen $ getätigt, die USA haben in Europa etwa 2,1 Billionen $ investiert.
Wie ist es zu bewerten, wenn sich zwei starke Partner gleichzeitig stärker machen wollen und dann noch einer davon, nämlich die USA, mit weiteren Partnern im asiatischen Raum zugleich geheime Verhandlungen führt? - Die Staaten in der sogenannten dritten Welt, die dringend wirtschaftlicher Entwicklung bedürfen, werden außen vor gelassen oder abgekoppelt.
Man muss sich wirklich nicht wundern, wenn führende Politiker Deutschlands dazu aufrufen, mangelnde Sicherheit mit militärischer Stärke herzustellen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, freier und fairer Handel zum Nutzen aller Beteiligten sieht anders aus.
Viel wichtiger wäre ein globales Abkommen im Rahmen der WTO-Verhandlungen. Leider ist in den letzten 20 Jahren relativ wenig passiert, was Wirtschafts- und Finanzentwicklungen in einer globalisierten Welt betrifft.
Denn die Hauptfrage der Debatte sollte nicht das „Chlorhühnchen“ sein, sondern die Frage, wie alle Länder, insbesondere die Entwicklungsländer, bes
ser in den Welthandel einzubeziehen sind, damit sie an der propagierten These von Wertschöpfung und Wohlstand teilhaben können. In diesem Sinne ist eine Forderung nach dem Stopp der Verhandlungen eine logische und folgerichtige Konsequenz,
Vertraulich bedeutet aber auch im Sinne der Verhandler, dass in den USA die 700 größten USFirmen, von denen die meisten auch in der EU tätig sind, einen direkten Zugriff auf TTIP-Verhandlungstexte und -Dokumente bekommen haben, damit diese Firmen konkrete Formulierungsvorschläge direkt an den Verhandlungsführer geben können. Wieso ist ihnen das erlaubt und uns als Politikern nicht?
Jedoch ist im Zeitalter von NSA und Wikileaks Vertraulichkeit offenbar ein unmögliches Verlangen. Öffentliche Proteste sind erst entstanden, als zielgerichtet Informationen über Verhandlungsgegenstände bekannt geworden sind. Die Proteste gibt es zu Recht, weil am Ende die Verbraucherinnen und Verbraucher die Betroffenen im Guten wie im Bösen sind.
Es trifft die alte Wahrheit zu, dass manche Politiker tatsächlich befürchten, dass es zu einem breiten Widerstand kommt, wenn alle Fakten auf den Tisch gelegt und abgewogen werden müssen. Der ehemalige US-Botschafter bei der EU, Stuart Eizenstat, hat die amerikanische Denkweise in diesen Prozessen in einem Fernsehinterview auf den Punkt gebracht. Er hat gesagt:
„Was für eine amerikanische Familie gutes Essen ist, sollte auch für eine europäische Familie gutes Essen sein.“
Wobei wir im Hinterkopf behalten sollten, dass in den USA der Verbraucher nachweisen muss, dass das Produkt für ihn schädlich ist, während in Europa die Produkthaftung beim Produzenten liegt; er hat den Nachweis zu führen. Dann ist natürlich klar, dass für die Amerikaner die Standards hier viel zu hoch sind.
Die Bundesregierung versichert in ihren Statements immer wieder, dass die hohen Verbraucher-, Umwelt- und Arbeitnehmerstandards nicht gefährdet seien. Dann bestünde doch eigentlich auch in diesem Bereich keine Geheimhaltungspflicht. Was soll ansonsten verhandelt werden?
In der Broschüre der Bundesregierung „zehn gute Gründe für ein Freihandelsabkommen“ beschreibt sie als Beispiele für gegenseitige Anerkennung von Standards die Farbe der Blinker im Auto - rot in den USA und orange in der Europäischen Union - oder das Polster im Autodach.
Da sich Autofahrer in den USA ungern anschnallen - so können wir lesen -, müssen dort die Autodächer besonders gepolstert sein. Mal abgesehen davon, dass das schon Realsatire ist oder sich für die „Heute-Show“ eignet, ist es im Allgemeinen so, dass man bei einem Unfall entweder nach vorne oder nach hinten fliegt und weniger mit dem Kopf durch die Decke.
Dann wäre es ehrlicher zu sagen, worauf es wirklich ankommt. Was will die Automobilindustrie? Was will die pharmazeutische Industrie oder der Agrarsektor in den USA erreichen? Welche Standards sollen hier abgesenkt werden?
Weiterhin gibt es auch ziemliche Zweifel an der Seriosität der damit verbundenen Studien, die in Auftrag gegeben worden sind, zum Beispiel die von Bertelsmann. Wachstum und Arbeitsplätze werden vorausgesagt. Das werden wir vielleicht noch in den Redebeiträgen hören.
Der erste Fakt ist: In den USA trägt der Außenhandel etwa zu 14 % zum Bruttoinlandsprodukt bei; davon entfällt ein Fünftel auf die Europäische Union. Also ist die Frage zu stellen, wie soll dieser Bereich mit einem Umfang von 3 % zu einem vorausgesagten Wachstum für die amerikanische Wirtschaft von 14 % beitragen?
Fakt zwei: Für das Land Sachsen-Anhalt wird ein Zuwachs von etwa 2 000 Arbeitsplätzen vorhergesagt mit einem Wertschöpfungszuwachs in Höhe von 72 Millionen €. Das entspricht bei unserem BIP in Höhe von etwa 50 Milliarden € einem Anteil 0,1 %. Frei nach Manfred Krug könnte man sagen: Worüber redest du eigentlich beim TTIP?, fragten die Bauern und lächelten finster.
Meine sehr verehrten Damen und Herren? Was sind die eigentlichen Knackpunkte, die die Intransparenz schützen soll? - Das sind zum einen die Fragen der regulatorischen Kooperation. Im durchgesickerten Verhandlungsmandat wird von einer schrittweisen Verwirklichung der Kompatibilität der Regulierungssysteme gesprochen.
Das bezieht sich aber keineswegs nur auf bestehende Handelshemmnisse, sondern es soll offensichtlich so weit gehen, dass die Art und Weise, wie zukünftig diesseits und jenseits des Atlantiks Gesetze und Regulierungen mit Einfluss auf Handels- oder Investitionsbedingungen erlassen werden, verändert wird. Die USA und EU-Lobbyverbände wie die American Chamber of Commerce oder Business Europe schreiben dazu, Interessengruppen würden mit Regulierern zusammen an einem Tisch sitzen, um gemeinsam Gesetze zu schreiben.
Auch wenn sich das formale Gesetzgebungsverfahren in der EU und den USA nicht ändert, besteht die Gefahr einer institutionalisierten frühzeitigen Einbindung von demokratisch nicht legitimierten Interessenverbänden.
Der zweite Knackpunkt ist das Investor-Staat-Klageverfahren. Ausländischen Investoren werden damit weitgehende Schutzrechte zugesichert, die vor ungerechtfertigter Behandlung, Diskriminierung, Einschränkung des Kapitalverkehrs sowie direkter oder indirekter Enteignung schützen sollen.