Nach dem verheerenden Hochwasser im August 2002 wurden immerhin noch 48 Baugebiete in Überschwemmungsgebieten ausgewiesen, darunter Gebiete in Dessau und Zeitz. Beim Hochwasser im Juni 2013 waren von diesen Baugebieten 22 Gebiete durch das Hochwasser betroffen. Meine Damen und Herren! Das ist nicht akzeptabel.
Angesichts der zunehmenden Gefahren muss jegliche Bautätigkeit in Überschwemmungsgebieten ausgeschlossen werden. Außerdem müssen bestehende Baurechte kritisch hinterfragt werden. Ich werde auf diesen Punkt im Rahmen des nächsten Tagesordnungspunktes noch detaillierter eingehen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf den Aspekt des Klimawandels eingehen. Meine Damen und Herren! Die Frage ist längst nicht mehr, ob es zu einem anthropogenen, also vom Menschen verursachten Klimawandel kommt, sondern nur noch, wie gravierend die klimatischen Auswirkungen sein werden. Dass Sachsen-Anhalt sehr vulnerabel gegenüber den Folgen des Klimawandels ist, haben die letzten Hochwasserkatastrophen gezeigt.
In der Antwort auf die Frage 31 bekundet die Landesregierung, dass bei der Bemessung von Hochwasserschutzanlagen der Klimawandel im Freibord von Deichen berücksichtigt sei. Der Freibord ist ein Sicherheitszuschlag der eingeplant wird, um die unkalkulierbaren Größen abzupuffern. Der Freibord beträgt in der Regel 1 m. Doch ich habe große Zweifel daran, dass die Festlegung des Freibords mit 1 m tatsächlich ausreicht, um die Anforderungen des Klimawandels zu erfüllen.
wahrscheinlichkeit des Hochwassers 2013 am Pegel Halle-Trotha nach der alten Berechnung 200 Jahre, nach der Neuberechnung aber nur 100 Jahre beträgt. Somit würde der Deich am Gimritzer Damm, der ursprünglich für ein zweihundertjähriges Hochwasser ausgelegt war, nur noch einem hundertjährigen Hochwasser standhalten.
Das ist immer noch ausreichend. Aber diese Entwicklung zeigt, wie dynamisch dieses System ist und wie gravierend die Veränderungen sind, mit denen wir es zu tun haben. Es zeigt auch, dass diese Sicherheitszuschläge innerhalb kurzer Zeit sozusagen aufgefressen werden und wir dann nur noch einen Deich vor uns haben, der einem normalen hundertjährigen Hochwasser standhält. Also: Der Klimawandel muss besser berücksichtigt werden, meine Damen und Herren.
Ähnliche Entwicklungen dürften auch für die Elbe zu erwarten sein. Wie dramatisch die Situation tatsächlich war, zeigt ein Blick auf die Pegelstände nach dem Zufluss der Saale.
Wenn man nun noch berücksichtigt, dass der Deichbruch bei Fischbeck wahrscheinlich eine Pegelsenkung von 30 cm bewirkt hat, dann kann man sich vorstellen, was 30 cm mehr für Tangermünde und Havelberg bedeutet hätten.
Um nun nicht die gesamte Bemessung der Deiche infrage zu stellen, muss die Scheitelabsenkung dann durch andere Maßnahmen sichergestellt werden. Also: Wir brauchen mehr Retentionsflächen und Polderflächen, um zukünftige Hochwasserscheitel zu senken. Wir müssen, schlicht und einfach gesprochen, den Flüssen mehr Raum geben, meine Damen und Herren.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Polder bei Axien und Mauken; denn für diesen wird auch eine Scheitelsenkung von 30 cm prognostiziert. Aber gerade hierzu verdeutlicht die Antwort der Landesregierung, dass es keinerlei Ambitionen gibt, dieses wichtige Projekt umzusetzen.
Auch im Hinblick auf mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung bei den Genehmigungsverfahren und auch bei der Hochwasservorsorge muss mehr getan werden.
Es ist schon bezeichnend, dass auf unsere Fragen zur Information der Bürger über Hochwassergefahren nur auf den Hochwasserfall selbst abgestellt wurde. Wir brauchen aber mehr Aufklärung über das, was jede Bürgerin und jeder Bürger tun kann, um die entstehenden Schäden bei einem Hochwasser möglichst gering zu halten. Erste Ansätze existieren zwar. Aber wir sind noch weit entfernt von dem Standard, den zum Beispiel die Stadt Köln erreicht hat.
Es gibt noch ein paar weitere Punkte, auf die ich jetzt nicht detaillierter eingehen kann. Das betrifft unter anderem die Verbesserung der länderübergreifenden Zusammenarbeit.
Auch die Antworten auf die Fragen zur Steuerung der Saaletalsperren sind mehr als unbefriedigend. Ich habe das schon mehrfach angesprochen. Es gibt durchaus Hinweise darauf, dass die Steuerung der Saaletalsperren nicht optimal war. Ich denke, hierbei muss die Landesregierung viel genauer hinschauen und endlich genaue Antworten geben.
Das Gleiche trifft auch für die Zusammenarbeit mit Sachsen beim Hochwasserschutz an der Goitzsche zu.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sanierungsbedarf an den Hochwasserschutzanlagen, unter anderem an Saale, Bode, Weißer und Schwarzer Elster, zeigt, dass für die nächsten Jahre im Hochwasserschutz noch viel zu tun bleibt.
Meine Fraktion wird die Aktivitäten der Landesregierung weiterhin kritisch-konstruktiv begleiten und den Handlungsbedarf klar benennen. Deswegen haben wir den Antrag gestellt, den ich im Rahmen des nächsten Tagesordnungspunktes vorstellen werde. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Knapp neun Monate ist es her, dass unser Land von einem katastrophalen Hochwasser betroffen war. Die Bilder von überfluteten Landstrichen und Menschen, die verzweifelt versuchten, ihr Hab und Gut zu retten, von Menschen, die vor den Ruinen ihrer Häuser standen, sind uns allen noch sehr gut in Erinnerung. Die Natur hat uns gezeigt, was sie kann, und sie kann viel mehr, als wir ihr zugetraut haben.
Das Hochwasser hat neben dem menschlichen Leid immense Schäden an privatem Eigentum, an Anlagen, Gebäuden und an der öffentlichen Infrastruktur hinterlassen. Ingesamt erscheint aus heutiger Sicht eine Gesamtschadenshöhe von 1,5 bis 2 Milliarden € als realistisch. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass wir noch keinen ganz präzisen Überblick haben. Antragstellungen nach der Landesrichtlinie sind noch möglich. Daher wird sich die endgültige Schadenssumme erst später präzise beziffern lassen.
Gut in Erinnerung sind uns auch die bundesweite Solidarität gegenüber den Menschen in den von Überschwemmungen betroffenen Regionen und die enorme Hilfsbereitschaft. Diese Solidarität bestand auch nach dem Hochwasser, als es zum einen darum ging, die Betroffenen bei den Aufräumarbeiten zu unterstützen, und zum anderen um die Bereitstellung finanzieller Mittel für die Beseitigung der Schäden.
Hieran beteiligten sich alle Bundesländer und der Bund, um den Aufbauhilfefonds entsprechend auszustatten. Für diese Unterstützung während des Ereignisses, bei den Aufräumarbeiten und für die Bereitstellung der finanziellen Mittel spreche ich ausdrücklich meinen herzlichen Dank aus.
Meine Damen und Herren! Das Hochwasserereignis war auch für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Anlass, sich mit 110 Fragen zu den Erkenntnissen und dem Handlungsbedarf nach dem Hochwasser an die Landesregierung zu wenden. In verschiedenen Themenkomplexen wurden neben Fragen zur Auswertung des Hochwasserverlaufs, zur Umsetzung eines aktuellen Hochwasserrisikomanagements sowie zum Katastrophenschutz auch baurechtliche Fragen thematisiert. Die umfassenden Antworten auf diese Fragen liegen Ihnen vor.
Die Auswertung des Hochwasserereignisses im Juni 2013 beinhaltet aber weit mehr als die Beantwortung von 110 Fragen. Die Beseitigung der gewaltigen Schäden ist noch nicht abgeschlossen. Sie erfordert weiterhin große Anstrengungen der Behörden, der Städte, der Gemeinden, aber auch der betroffenen Bürger.
In einem ersten Schritt galt es, die entstandenen Schäden an den Hochwasserschutzanlagen so weit zu beheben, dass ein mögliches Winterhochwasser abgewehrt werden kann. Diese Schadensbeseitigung ging bzw. geht dann in die Sanierung der Deichabschnitte über.
An dieser Stelle möchte ich betonen, dass die nach dem Hochwasser im August 2002 in Sachsen-Anhalt verfolgte Strategie zur Verbesserung des Hochwasserschutzes erfolgreich war. Die neu gebauten Hochwasserschutzanlagen haben
Loben möchte ich auch die gute Arbeit in den Stäben, aber auch das Zusammenwirken der einzelnen Stäbe. Das hat ausgezeichnet funktioniert. Ich bedanke mich auch bei dem Kollegen Stahlknecht und bei der Bundeswehr an dieser Stelle ausdrücklich.
Auch die als Erkenntnis aus dem Hochwasser im August 2002 ins Leben gerufenen Schulungen der Wasserwehren haben sich bei dem Hochwasser im Juni 2013 als erfolgreich erwiesen. Die Deiche haben standgehalten. Das Hochwasser hat uns aber auch vor Augen geführt, dass es noch Schwachstellen gibt, die es zu beseitigen gilt.
Unser Ziel ist es, die Landesdeiche und Hochwasserschutzanlagen so zu ertüchtigen, dass sie bis 2020 den allgemein anerkannten DIN-Regeln der Technik entsprechen. Auf diesem Weg sind wir in den letzten Jahren gut vorangekommen.
Im Jahr 2002 entsprachen lediglich 5 % der Hochwasserschutzanlagen den DIN-Normen. Nunmehr sind es 51 %. 662 km der 1 312 km langen Landesdeiche entsprechen den DIN-Normen. Insgesamt flossen seit 2002 ca. 530 Millionen € in Hochwasserschutzprojekte.
Mit der Hilfe des Aufbauhilfefonds und vor allem mit der Hilfe zusätzlicher EU-Mittel können wir den zügigen Aufbau in den nächsten Jahren in unserem Bundesland auch finanziell stemmen.
In einem weiteren Schritt ist die bisher verfolgte Hochwasserschutzstrategie zu überprüfen. Diese Überprüfung erfolgt nicht nur im Lande SachsenAnhalt, sondern entlang der Elbe, bundesweit und mit den Nachbarstaaten.
In diesen Prozess fließen auch die Ergebnisse der Sonderumweltministerkonferenz und der Elbe-Ministerkonferenz mit ein, die nach dem Hochwasserereignis zeitnah einberufen wurden.
Zentrale Festlegungen dieser Konferenzen sind die Überprüfung der Bemessungshochwasserstände, die Aufstellung eines nationalen Hochwasserschutzprogramms, die Definition von Suchräumen für zusätzliche Polder- und Deichrückverlegungsstandorte sowie Verfahrensbeschleunigungen bei Hochwasserschutzmaßnahmen.
Hierbei ist es in der Tat so, dass gesetzliche Normen, aber auch Urteilslagen dazu führen, dass die Hochwasserschutzverwaltung mehr Arbeit hat und dieses zu Zeitverzögerungen führt. Dem müssen wir uns kritisch widmen, meine Damen und Herren.
Das Land Sachsen-Anhalt ist an diesen Prozessen aktiv beteiligt, sodass sichergestellt ist, dass die Interessen des Landes mit einfließen.
Wir sind auch zu der Auffassung gekommen, dass die Auswertung des Hochwasserereignisses vor allem Sinn macht, wenn man alle Akteure an einen Tisch holt. Aus diesem Grunde habe ich alle Landkreise und kreisfreien Städte in unserem Lande besucht und Gespräche zur Auswertung des Hochwasserereignisses sowie zu den aus der Sicht der Kommunen erforderlichen Handlungsbedarfen geführt. Viele Abgeordnete haben dankenswerterweise an diesen Gesprächen teilgenommen.