ten Sie, dass man das Rad nicht neu erfinden müsse. - Wohl wahr! Sie sagten auch, nur müsse man sich fokussieren, da sowohl EU-Mittel als auch Landesmittel zurückgingen.
Es ist doch genau deswegen umso wichtiger, jene Fördermaßnahmen zu ergreifen, die nachhaltig sind, die sozialen Zwecken dienen. Noch kann ich Ihrerseits kein Umsteuern erkennen. Es bleibt bei der Dominanz der Wirtschaft.
ESF-Mittel flossen bis August 2013 leider nur zu 43 % ab. Das heißt, 57 % sind nicht abgeflossen für Armutsbekämpfung und für Maßnahmen in Bildung. Die Landesregierung opfert stattdessen Schulstandorte, besonders in ländlichen Räumen. Dann wird noch von gleichwertigen Lebensverhältnissen gesprochen. Das führt zu einer Verfestigung der Schieflage.
Natürlich ist auch die EU-Kommission nicht deshalb sozialpolitisch so mitteilsam geworden, weil, Herr Kollege Kurze, dort der Sozialismus ausgebrochen ist.
Sie hat schlicht die Realität zur Kenntnis genommen. Mit Schaufensterpolitik wie Sondergipfeln zur Jugendarbeitslosigkeit kommt man nicht weiter. Die EU braucht mehr soziale Substanz.
Ausgehend vom durchschnittlichen Einkommen in der Bundesrepublik war in Sachsen-Anhalt mehr als ein Fünftel der Bevölkerung armutsgefährdet.
Zur sozialen Ungleichheit kommt in Sachsen-Anhalt noch eine regionale Ungleichheit: die ausblutenden Regionen abseits der Metropolen, wo der Mangel an sozialer Infrastruktur spürbar ist. Und wir wissen: Da, wo der Mensch geht, kommt eventuell der Wolf.
Da wären wir wieder bei unseren Exporterfolgen. All unsere wirtschaftlichen Exporterfolge nützen uns nämlich langfristig nichts, wenn sie sozial auf tönernen Füßen stehen und uns dann „die Welt um die Ohren fliegt“, auf deren Kosten wir diese Erfolge erzielt haben. Deswegen brauchen wir den Sozialpakt, die soziale Fortschrittsklausel und eine EU-weite Arbeitslosenversicherung.
Nach dem „Eurobarometer“ vom August 2013 hat für drei Viertel der Menschen in Europa die Bekämpfung sozialer Ungerechtigkeit absolute Priorität. Interessanterweise fühlen sich zwei Drittel aller Befragten nicht nur national, sondern eben auch europäisch. Die Menschen in Sachsen-Anhalt und Europa wissen, dass es kein Zurück zu nationalen Lösungen gibt. Bis zur AfD hat sich diese Wahrheit leider noch nicht herumgesprochen.
In dem schon erwähnten „Eurobarometer“ kann man aber auch nachlesen, dass es nach Ansicht der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger immer noch zuerst um die soziale Stabilität in der EU gehen muss und nicht zuerst um die Rettung von Banken.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Bedürfnisse und Prioritäten der Menschen in Europa müssen von uns Politikerinnen und Politikern ernst genommen werden, um Parteien wie der NPD und der AfD die Grundlage ihrer Politik zu entziehen.
Falls noch jemand am Rechtspopulismus der AfD zweifeln sollte, der rechte Populismus in Zitaten des Bundesvorsitzenden Bernd Lucke, zum Beispiel über Hartz-IV-abhängige Zuwanderer: „Dann bilden sie eine Art sozialen Bodensatz - einen Bodensatz, der lebenslang in unseren Sozialsystemen verharrt.“ - Das wurde im September des vergangenen Jahres von Bernd Lucke gesagt. Oder aber: „Das Problem sind eher Randgruppen wie Sinti und Roma, die leider in großer Zahl kommen und nicht gut integrationsfähig sind.“ - Dieses Zitat stammt aus dem Januar 2014.
Es gibt noch eine Parallele zwischen SachsenAnhalt und Europa: Die überwältigende Mehrheit der Menschen will den gesetzlichen Mindestlohn, und zwar einen richtigen gesetzlichen Mindestlohn, und zwar jetzt.
Das in der Mitteilung beschriebene Monitoring der beschäftigungs- und sozialpolitischen Entwicklung ist in Ihrer Beschlussempfehlung augenscheinlich untergegangen. Dabei sollte sich Sachsen-Anhalt mit Nachdruck auf die Seite derer in der Bundesrepublik und in Europa schlagen, die die Verletzung der vorgeschlagenen Sozialindikatoren in gleicher Weise sanktionsbewehrt machen wollen, wie dies beispielsweise in Fragen der sogenannten makroökonomischen Konditionalitäten geschieht. Hier wird auf die Verletzung ökonomischer Vorgaben mit der Kürzung bzw. Nichtzahlung von Fördermitteln reagiert.
Deshalb ist es bedauerlich, dass sich bei der Auseinandersetzung innerhalb der Europäischen Kommission die Kräfte nicht durchsetzen konnten, die versucht hatten, gleichermaßen zwingende Sanktionen auch bei der Verletzung von Sozialindikatoren einzuführen.
Sanktionen sind gerade ein wirklich heißes Thema. Die Krim soll nun unter Bruch des Völkerrechtes Bestandteil Russlands werden oder ist es vielleicht auch schon. Wie vorhergesagt, hat sich Putin auf den Kosovo berufen. Die Abtrennung des Kosovo war ein Bruch des Völkerrechts. Aus dem Bruch des Völkerrechts kann irgendwann auch ein Gewohnheitsrecht werden. Das ist nicht ungefährlich, ja, es ist äußerst gefährlich.
Die Staats- und Regierungschefs der EU haben sich auf dem Gipfel in Brüssel nicht auf eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland geeinigt, sondern die Bindung der Ukraine an die EU vorangetrieben, und dies ausdrücklich mit der Forderung verbunden, sich von Russland zu distanzieren.
Die Staats- und Regierungschefs setzten zwölf zusätzliche Namen auf die Liste mit Personen, gegen die Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängt werden. Außerdem leiteten die EU-Staaten Schritte für Wirtschaftssanktionen gegen Russland ein. Diese sogenannte Stufe 3 soll nach den bisherigen Angaben aber erst bei einer weiteren Eskalation der Lage durch Russland zum Tragen kommen.
Der für Juni geplante EU-Russland-Gipfel wird nicht stattfinden. Damit setzt die Europäische Union die politischen Beziehungen zu Russland vorläufig aus. Dabei, meine Damen und Herren, wären Gespräche jetzt notwendiger denn je.
Die EU bindet die Ukraine mit einem Assoziierungsabkommen näher an Europa. Die Staats- und Regierungschefs unterzeichneten mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Jazenjuk zunächst den politischen Teil.
Diese Sanktionen sind Unsinn, genauso wie es Unsinn ist, Abkommen und Verträge mit dieser Übergangsregierung zu schließen. Wichtig ist es, demokratische Wahlen in der Ukraine zu unterstützen. Erst dann, mit legitimer Regierung ohne Faschisten, können Verhandlungen geführt werden. Der ehemalige EU-Erweiterungskommissar Verheugen führte dazu aus:
„Das Problem liegt eigentlich gar nicht in Moskau oder bei uns. Das Problem liegt ja in Kiew, wo wir die erste europäische Regierung des 21. Jahrhunderts haben, in der Faschisten sitzen.“
Herr Staatsminister, es ist nicht richtig, wenn Sie davon sprechen, dass Hilfspakete der EU in Höhe von 11 Milliarden € die von Rechtsextremen bedrohte innenpolitische Lage in der Ukraine befrieden. Wir unterstützen damit eine Regierung, in der Faschisten sitzen. Davon muss man sich distanzieren.
Es ist doch in Wahrheit so: Russland meint, die Ukraine müsse sich für die Seite Russlands und gegen die EU entscheiden, weil die Zarin seinerzeit sagte, die Krim ist und bleibt russisch. Die EU wiederum meint, die Ukraine müsste sich für die Seite der EU und gegen Russland entscheiden. Auch Kommissionspräsident Barroso führt dazu aus:
einzuschlagen, auf den Weg der demokratischen Reformen, des Pluralismus, der Demokratie zurückzukehren. Anderenfalls müssen wir natürlich nachdenken, was die Folgen für unsere Beziehungen zur Ukraine sind.“
In Wirklichkeit kann die Ukraine eine Brücke zwischen Europa und Russland sein. Russland bleibt aufgefordert, auf weitere militärische Drohungen in der Ukraine zu verzichten und die Ukraine als souveränen Staat anzuerkennen. Das muss mit einer klaren, positiven Perspektive der Beziehungen zu Russland seitens der EU und seitens Deutschland verbunden sein, und zwar mit Russland als Bestandteil Europas und nicht außen vor.
Aber der EU fehlt es nicht nur an sozialer Substanz. Auch die Demokratie scheint auf wackeligen Beinen zu stehen. Stichwort: Geheimverhandlungen rund um das Freihandelsabkommen. Was heißt hier eigentlich „Freihandelsabkommen“? Heißt das, zurzeit wird unfrei gehandelt? Sagt wer?
Es zeigt sich: Hier wird Politik entmachtet, und zwar vom Gemeinderat bis zum Mitglied im Europäischen Parlament. Im durchgesickerten Verhandlungsmandat wird von einer schrittweisen Verwirklichung der Kompatibilität der Regulierungssysteme gesprochen. Das bezieht sich keineswegs nur auf bestehende Handelshemmnisse, sondern soll offensichtlich so weit gehen, dass die Art und Weise, wie zukünftig dies- und jenseits des Atlantiks Gesetze und Regulierungen mit Einfluss auf Handels- oder Investitionsbedingungen erlassen werden, verändert wird.
Interessengruppen würden mit Regulierern zusammen an einem Tisch sitzen, um gemeinsam Gesetze zu schreiben. Auch wenn die formalen Gesetzgebungsprozedere in der EU und in den USA nicht verändert würden, besteht die Gefahr einer institutionalisierten frühzeitigen Einbindung und Einflussnahme von Lobbyverbänden.
Meine Damen und Herren! Das Europäische Parlament muss endlich gleichberechtigt mit dem Europäischen Rat entscheiden können und ein eigenständiges Initiativrecht für Gesetzesvorhaben erhalten.
Die europäische Integration muss bei aller Kritik gegen ihre falschen Freunde verteidigt werden, und das als eine ursprünglich linke und humanistische Idee.
Die AfD ist gegen jede Lohn-, Renten- und Sozialerhöhung. Sie ist unsozial, und zwar extrem unsozial. Sie will keine Ausländerinnen und Ausländer. Sie will raus aus dem Euro, wahrscheinlich sogar raus aus Europa. Aber wir bekommen Deutschland weder nach Amerika noch nach Asien, nicht nach Afrika und auch nicht nach Australien organisiert. Nein, wir müssen Europa schon gestalten, und das, Herr Staatsminister, unterscheidet uns im Herangehen dann doch erheblich.
Sie sprachen zu Beginn Ihrer Rede von dem vor zehn Jahren erfolgten Beitritt von zehn Staaten. Bulgarien und Rumänien kamen etwas später dazu. Ich erinnere mich an einen Antrag zu Chancen und Risiken im Zusammenhang mit dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien, den das Hohe Haus behandelt hat.
Jetzt gilt für diese zwei Nationen Freizügigkeit. Das ist in Europa ein hohes Gut. Aber die Schwesterpartei der CDU, die CSU, fischt mit Stammtischparolen von der - in Anführungszeichen - „Ausländerschwemme“ im rechten Wählerlager. Das ist der Unterschied zu der Zeit vor zehn Jahren. Hier streiten wir um Freizügigkeit. Wenn sie dann kommt, ist es dem einen oder der anderen auch nicht recht.
Wir müssen in Europa für Frieden und Abrüstung kämpfen, für die Investition in Köpfe, nicht nur in Pflastersteine, für Solidarität und kulturelle Integration in einem starken Europa. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Vielen Dank, Herr Kollege Czeke. - Für die Fraktion der SPD spricht jetzt der Kollege Herr Tögel. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2014 ist ein europäisches Jahr der Erinnerungen. Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg. Auch wenn es für den Beginn kein konkretes Datum gibt wie beim Zweiten Weltkrieg, ist es ein Jahr, in dem wir uns daran erinnern. Der Erste Weltkrieg brachte unsägliches Leid und Zerstörung über Europa.
Vor 25 Jahren fiel die Mauer und Europa wuchs zusammen. Der Osten Deutschlands und damit auch das heutige Sachsen-Anhalt wurden ein Jahr später automatisch Teil der Europäischen Union. Vor zehn Jahren schließlich gab es mit dem Beitritt