Der AdR hat darauf hingewiesen, dass es bei der Stärkung der sozialen Dimension nicht um eine soziale Harmonisierung - auf welchem Niveau auch immer -, sondern um die Erhaltung des Grundsatzes „Einheit in Vielfalt“ gehen müsse.
Gestatten Sie in der gebotenen Kürze noch einige Anmerkungen zu einzelnen Punkten der Beschlussempfehlung:
Die Nrn. 1 und 2 betreffen das zurzeit laufende Programmierungsverfahren für die Förderperiode 2014 bis 2020 hier bei uns im Land. In der Dialogveranstaltung am 17. Februar wurde der Stand der fondsübergreifenden Programmierung vorgestellt und mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern, die immer dabei sind, sowie den anwesenden Landtagsabgeordneten diskutiert. Auf den Europaseiten des Landesportals finden sich die zugehörigen Übersichten und die naturgemäß noch unvollständigen Programmentwürfe.
Dieser Arbeitsstand wird auch auf Arbeitsebene mit der EU-Kommission schon diskutiert mit dem Ziel einer zügigen Einreichung und Genehmigung der operationellen Programme.
Den Entwurf der Partnerschaftsvereinbarung - das ist vielleicht noch eine Zusatzinformation - hat die Bundesregierung im Übrigen gestern bei der Kommission eingereicht.
Aus der Strategie Europa 2020 und den hierzu kohärenten Landesstrategien folgt das Zieldreieck „intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“. Auch wenn das Hauptgewicht der sozialen integrativen Fassette dieses Zieldreiecks auf dem ESF liegt, wird uns eine innovativere Wirtschaft auf dem Weg zu guter Arbeit voranbringen. Eine Stärkung des ländlichen Raums durch den ELER wird unmittelbar auch die Stabilität unseres sozialen Gefüges verbessern.
Mittlerweile kennen wir für alle drei Fonds die Mittelausstattung, mit der wir programmieren können. Für den ESF können wir mit rund 612 Millionen € rechnen. Das entspricht einem Rückgang der EUMittel beim ESF von nur 5 % gegenüber der Förderperiode 2007 bis 2013 in jeweiligen Preisen. Damit können wir weiterhin viele wichtige Maßnahmen finanzieren. Gute Ideen sind also immer willkommen.
Angesichts der kontinuierlichen Verbesserung der Lage auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt wollen wir die damit verbundenen Chancen gerade auch für leistungsschwächere Jugendliche nutzen
und uns verstärkt auf die Förderung und Aktivierung von am Arbeitsmarkt und Ausbildungsmarkt benachteiligten Gruppen und arbeitsmarktfernen Personenkreisen konzentrieren. Das entspricht auch der Zielrichtung der Koalitionsvereinbarung in Berlin. Dazu gehören unter anderem die Prävention hinsichtlich des vorzeitigen Schulabbruchs und die Förderung des Zugangs zum lebenslangen Lernen. Insgesamt finden sich die im Antrag genannten sozialpolitischen Ziele in allen Prioritätsachsen des ESF.
Der Nr. 3 der Beschlussempfehlung trägt die Landesregierung insbesondere mit den Beschlüssen des Bundesrates Rechnung.
Der Nr. 4 wird die Landesregierung unter anderem in der nächsten Sitzung der Europaministerkonferenz am 20. März 2014 in Brüssel nachkommen. Auf der Tagesordnung steht eine weitere Aussprache mit Kommissar Andor zur sozialen Dimension der EU, diesmal insbesondere über Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse von Roma in ihren Herkunftsländern.
Die Forderung unter Nr. 5 ist Bestandteil unserer Stellungnahme im Bundesrat, wie bereits dargestellt.
Die in Nr. 6 der Beschlussempfehlung angesprochene Stärkung von Mobilität und Durchlässigkeit in einem europäischen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt betrifft nicht zuletzt die gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen, soweit diese landesgesetzlich geregelt sind. Hierbei liegt das Heft des Handelns derzeit beim Landtag, der über den Entwurf der Landesregierung für ein Gesetz über die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen in Sachsen-Anhalt zu befinden hat.
Bezüglich Nr. 7 kann ich versichern, dass sich die Landesregierung weiterhin für die Stärkung der sozialen Dimension der EU einsetzen wird. Das tun wir selbstverständlich auch über den Rahmen der hier angesprochenen Mitteilung der Europäischen Kommission hinaus.
Meine Damen und Herren! Wie bereits in meiner Rede vom 15. November 2013 ausgeführt, geht es nach meiner Überzeugung nicht darum, ob wir ein soziales Europa wollen oder nicht. Die soziale Dimension gehört zu den Grundpfeilern der Europäischen Union. Der soziale Fortschritt ist Bestandteil der nachhaltigen Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft. So ist es in Artikel 3 des EU-Vertrages, der die Ziele der Union näher bestimmt, festgelegt.
Dass man, meine Damen und Herren - ich komme damit zum Schluss - Wohlstand nicht dauerhaft auf Pump finanzieren kann, das hat uns unsere eigene
Geschichte nachdrücklich vor Augen geführt. Aktuell sehen wir das an der Entwicklung einiger südlicher Mitgliedstaaten der EU.
Von daher wird es immer wieder neu darauf ankommen, das richtige Verhältnis zwischen sozialem Wohlstand auf der einen und wettbewerbsfähiger Marktwirtschaft auf der anderen Seite zu finden. Genau das ist unser Verständnis von sozialer Marktwirtschaft.
(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Na ja! Wenn die Bankenrettung soziale Marktwirtschaft ist! Bankenrettung war der Auslöser und jetzt ist eine Staatskrise daraus geworden!)
Lassen Sie uns also auch in Zukunft konstruktiv um die besten Lösungen für sozialen Fortschritt und für Wettbewerbsfähigkeit in unserem eigenen Land und in ganz Europa ringen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr, Herr Minister. - Wir treten in eine Fünfminutendebatte ein. Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Czeke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Geisthardt erwähnte es bereits: Im Januar haben wir uns im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien darüber verständigt, wie wir in Sachsen-Anhalt die Weiterentwicklung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion hin zu einer europäischen Sozialunion unterstützen können.
Der Wunsch unserer Fraktion war es, im Diskussionsprozess eigene landesspezifische Maßnahmen zu entwickeln. In der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament fehlte es diesbezüglich an konkreten Maßnahmen. Vielmehr sollte ein Impuls gegeben werden. Ich weiß, Herr Kollege Tögel würde mir jetzt gern widersprechen. Aber es ist unangebracht, der Kommission konkrete Maßnahmen abzuverlangen, während diese doch die Mitgliedstaaten ersucht.
Die Europäische Union benötigt mehr soziale Substanz, um den Herausforderungen der kommenden Jahre gerecht werden zu können. Natürlich muss eruiert werden, welchen europäischen Herausforderungen wir uns in Sachsen-Anhalt stellen müssen. Zu nennen sei die Armutsgefährdung und die Jugendarbeitslosigkeit.
Ausgehend vom durchschnittlichen Einkommen in der Bundesrepublik waren im Jahr 2011 in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Sachsen-Anhalt 20,5 % - mehr als ein Fünftel - der Bevölkerung armutsgefährdet. Im Dezember 2013 nimmt Sachsen-Anhalt im bundesweiten Vergleich der Jugendarbeitslosigkeit Platz 10 ein.
Die soziale Ungleichheit ist in Sachsen-Anhalt sogar eine doppelte, nämlich eine soziale und eine regionale Ungleichheit. Zu nennen sei der Ärztemangel im ländlichen Raum und die fehlende Infrastruktur. Es muss unser Ziel sein, gemäß der Verfassung gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und den ländlichen Raum lebens- und liebenswert zu gestalten. Das geht nur, wenn auch im ländlichen Raum Sozialstandards gehalten und ausgebaut werden.
Hinsichtlich der Einbeziehung der Wirtschafts- und Sozialpartner sind Optimierungen zwingend erforderlich. In der Dialogveranstaltung des Finanzministeriums in der vergangenen Woche wurde dies bestätigt. Wir bleiben gespannt, was sich hier tun wird. Von den Wiso-Partnern kann allerdings nicht verlangt werden, dass sie sich vor Beiratssitzungen in mehrere hundert Seiten Material einlesen. So wird der soziale Dialog unserer Meinung nach nicht gefördert, sondern ausgebremst.
Ich möchte weiterhin kritisieren, dass es nicht sein kann, dass wir die bestehenden Problemlagen in Sachsen-Anhalt, die durch den Arbeitskräftemangel, soziale Verwerfungen und eine ungünstige demografische Entwicklung gekennzeichnet sind, dadurch lösen, Fachkräfte aus anderen Nationen abzuwerben. So werden vielleicht nationale Probleme gelöst, aber europäische Probleme geschaffen. Es bedarf diesbezüglich eines ganzheitlichen Ansatzes.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Landesregierung! Da Sie mit dem Bericht über europäische und internationale Aktivitäten der Landesregierung den Kurs anzeigen, welchen Sie in den kommenden Monaten fahren möchten, komme ich nicht umhin, auch darauf einzugehen. Der Bericht zeigt keinerlei Verzahnung zur Stärkung der sozialen Dimension.
Zwar ist es einerseits möglich, europäische Partnerschaften zu pflegen und auszubauen. Aber geben wir der Europäischen Union mehr soziale Substanz, indem wir Regierungsmitglieder auf Reisen schicken? - Ich denke, das ist zu wenig. Für die Zukunft wünsche ich mir vor allem, dass wir im Hinblick auf die neue Förderperiode den Mittelabfluss des ESF in den Griff bekommen und diese Mittel dafür einsetzen, wofür sie gedacht sind, nämlich um den sozialen Zusammenhalt in Europa zu stärken.
Herr Staatsminister, wenn es um soziale Dimensionen, wenn es um Arbeitsplätze geht, wie Sie es ausgeführt haben, dann hätte ich mir schon konkrete Beispiele gewünscht. Es kann doch nicht sein, dass man sich auf den Lorbeeren ausruht und sich selbst in der Bundesrepublik als den Motor in der EU bezeichnet und versteht. Es scheint
Wenn dann tatsächlich in allen Prioritätsachsen in den Programmen des ESF alles drinsteckt, was Sie erwähnt haben, dann weiß ich nicht, warum wir ein Schwerpunkt innerhalb der EU beim demografischen Wandel, bei der Schulabbrecherquote sind und bei der Jugendarbeitslosigkeit innerhalb der Bundesrepublik nur Platz 10 belegen. Denn dann wäre doch eigentlich alles in Ordnung.
Aus unserer Sicht ist es weder der Landesregierung noch den Koalitionsfraktionen gelungen, dem Impuls der Europäischen Kommission ausreichend Folge zu leisten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist inhaltlich schon eine ganze Menge vom Ausschussvorsitzenden und vor allem auch vom Staatsminister gesagt worden. Auch die Debatte, die wir bei der vorletzten Landtagssitzung dazu geführt haben, war doch relativ ausführlich und konstruktiv.
Klar ist - das will ich zusammenfassend dazu sagen -, dass wir eine Sozialunion brauchen, auch um die Freizügigkeit von Arbeitnehmern ohne Verwerfungen hinzubekommen. Wir haben die Diskussionen, die gerade in Bayern dazu gelaufen sind, sicherlich noch gut in den Ohren.
Ich will insbesondere auf die Punkte 4 und 5 hinweisen - der Staatsminister hat es zum Teil gemacht -, die wir in die Beschlussempfehlung eingefügt haben. Darin weisen wir darauf hin, dass die Konsolidierungsmaßnahmen in den Krisenländern, die notwendig sind, in stärkerem Maße sozial abgefedert und durch Investitionen begleitet werden müssen, damit es eben nicht zu sozialen Verwerfungen kommt.
Ich denke, das ist ein entscheidender Punkt, den wir noch in die Beschlussempfehlung aufgenommen haben: Infrastruktur, Wissenschaft, Forschung usw., damit es nicht zu einem Braindrain kommt und gut ausgebildete Fachleute, die die Länder selbst brauchen, aus diesen Ländern abwandern.
Herr Czeke, eine kurze Frage. Ich verstehe nicht ganz, warum die Sozialpartner die Unterlagen nicht lesen sollen; dazu sind sie ja da.
Wenn die Sozialpartner in die Diskussion einbezogen werden sollen, dann müssen sie sich natürlich auch die Unterlagen ansehen. Das ist dann, denke ich, auch zumutbar.
Ich will die Gelegenheit heute aber auch noch einmal nutzen, um ein Wort zu dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom gestrigen Tag zu sagen. Ich halte dieses Urteil für sehr problematisch. Ich denke, damit ist dem Europäischen Parlament, welches eigentlich in den letzten Jahren auf einem guten Weg gewesen ist, zu einem wahren Parlament zu kommen, das mehr Zuständigkeiten bekommen hat und mehr Verantwortung trägt, ein Bärendienst erwiesen worden.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Europäischen Parlament in einer Art und Weise das Misstrauen ausgesprochen, die genau das Ziel vermissen lässt, was das Bundesverfassungsgericht eigentlich von dem Europäischen Parlament will, dass es eine richtige Regierung kontrolliert. Dies findet mit der Wahl des Spitzenkandidaten, der bei der Wahl am 25. Mai die meisten Stimmen bekommt, zum Kommissionspräsidenten seinen Höhepunkt.
Deswegen ist es für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, warum dieses Urteil so zustande gekommen ist. Ich bin froh darüber, dass es zumindest nicht einstimmig, sondern mit knapper Mehrheit zustande gekommen ist. Das ändert zwar am Ergebnis nichts, aber es zeigt, dass es eine Diskussion beim Bundesverfassungsgericht dazu gegeben hat.